Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
I 165/05
Urteil vom 11. Juli 2005
III. Kammer
Besetzung
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Kernen; Gerichtsschreiber Fessler
Parteien
R.________, 1975, c/o A.________, Beschwerde-
führer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roland Ilg, Rämistrasse 5, 8001 Zürich,
gegen
IV-Stelle des Kantons Graubünden, Ottostrasse 24, 7000 Chur, Beschwerdegegnerin
Vorinstanz
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, Chur
(Entscheid vom 3. Dezember 2004)
Sachverhalt:
A.
Mit Verfügung vom 27. Februar 2003 und Einspracheentscheid vom 11. Dezember 2003 verneinte die IV-Stelle des Kantons Graubünden den Anspruch des 1975 geborenen R.________ auf eine Rente, was das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden mit Entscheid vom 26. März 2004 bestätigte. Mit Urteil vom 7. September 2004 hob das Eidgenössische Versicherungsgericht dieses Erkenntnis auf und wies die Sache an die kantonale Beschwerdeinstanz zurück, damit sie im Sinne der Erwägungen verfahre.
B.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden holte die Unterlagen über die Untersuchungen und die Behandlung von R.________ im Rahmen des stationären Aufenthalts vom 20. Februar bis 21. Juni 2002 in der Klinik B.________ ein. Die IV-Stelle und der Rechtsvertreter des Versicherten nahmen hiezu Stellung.
Mit Entscheid vom 3. Dezember 2004 wies das kantonale Gericht die Beschwerde erneut ab.
C.
R.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit den Rechtsbegehren, der kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben und es sei ihm eine Invalidenrente zuzusprechen, eventualiter die Sache zu weiterer Abklärung und Einholung eines Obergutachtens an das kantonale Gericht zurückzuweisen; im Weitern sei ihm die unentgeltliche Verbeiständung zu bewilligen.
Die IV-Stelle stellt keinen Antrag zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch des Beschwerdeführers auf eine Rente der Invalidenversicherung. Dabei stellt sich in erster Linie die Frage, ob der rechtserhebliche Sachverhalt in Bezug auf Gesundheitszustand sowie Art und Umfang der gesundheitlich bedingten Einschränkung der Arbeitsfähigkeit richtig und vollständig festgestellt ist (Art. 132 Abs. 1 lit. b OG).
2.
Entsprechend den Vorgaben im Urteil vom 7. September 2004 hat das kantonale Gericht die Akten mit den Unterlagen über den viermonatigen stationären Aufenthalt des Versicherten in der Klinik B.________ vom 20. Februar bis 21. Juni 2002 vervollständigt. Nach Auffassung der Vorinstanz vermögen die neuen Dokumente den Beweiswert und die Aussagekraft des ABI-Gutachtens vom 6. Februar 2003 nicht zu mindern. Insbesondere hätten die Experten verschiedener Fachrichtungen ihre Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur zumutbaren Arbeitsfähigkeit in Kenntnis des Austrittsberichts der Klinik B.________ vom 3. Juli 2002 gemacht. Danach bestünden «ebenso gerade» keine Indizien für eine psychisch bedingte Leistungsreduktion resp. Arbeitsunfähigkeit noch könne auf die Unmöglichkeit der Wiederaufnahme einer leidensangepassten (körperlich leichten bis mittelschweren) Erwerbstätigkeit geschlossen werden. Eines zusätzlichen (Ober-)Gutachtens bedürfe es nicht.
Wie im Entscheid vom 26. März 2004 hat das kantonale Gericht aufgrund eines Einkommensvergleichs einen Invaliditätsgrad von 21,42 % ermittelt, was keinen Anspruch auf eine Invalidenrente gibt (Art. 28 Abs. 1 IVG).
3.
3.1 Im Austrittsbericht der Klinik B.________ vom 3. Juli 2002 wurden als Hauptdiagnose eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome (ICD-10 F32.2) sowie die Nebendiagnose einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (ICD-10 F45.4) gestellt. Die Arbeitsfähigkeit wurde für die Zeit des Klinikaufenthaltes vom 20. Februar bis 21. Juni 2002 auf 0 % beziffert. Im Zeugnis vom 21. Juni 2002 wurde eine Arbeitsunfähigkeit aus medizinischen Gründen von 100 % ab 20. Februar 2002 bis auf weiteres attestiert.
3.2 Gemäss ABI-Gutachten vom 6. Februar 2003 besteht kein psychisches Leiden von Krankheitswert. Die Diagnosen einer schweren Depression sowie einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung im Austrittsbericht der Klinik B.________ vom 3. Juli 2002 werden nicht bestätigt. Die diagnostizierte Anpassungsstörung mit vorwiegender Beeinträchtigung von anderen Gefühlen (ICD-10 F43.23) und Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen (ICD-10 F68.0) haben laut Experten keinen Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit. Aus psychiatrischer Sicht ist dem Exploranden zumutbar, die nötige Willensanspannung aufzubringen, um eine den somatischen Einschränkungen angepassten Tätigkeit ganztags nachzugehen. Dabei besteht keine Verminderung der Leistungsfähigkeit.
Laut Gutachten des ABI kann der Versicherte seit 30. März 2000 den zuletzt ausgeübten Beruf als Bauarbeiter nicht mehr ausüben. Aus somatisch-neurologischer Sicht sind körperlich leichte bis intermittierend mittelschwere Tätigkeiten ohne Heben, Stossen und Ziehen von Lasten über 15 kg und repetitiv über 5-10 kg, ohne anhaltende Überkopfarbeiten oder Arbeiten in gebückter Stellung mit möglichst viel Anteil an Wechselbelastung ganztätig ohne Leistungseinschränkung zumutbar.
4.
Das ABI-Gutachten vom 6. Februar 2003 genügt den beweisrechtlichen Anforderungen an ärztliche Berichte (BGE 125 V 352 Erw. 3a mit Hinweisen). Daran ändert die abweichende Beurteilung von Gesundheitszustand und Arbeitsfähigkeit der Ärzte der Klinik B.________ nichts. Entgegen den Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist bei sich widersprechenden fachärztlichen Feststellungen und Schlussfolgerungen nicht gleichsam automatisch ein Obergutachten einzuholen. Es ist zwar nicht auszuschliessen, dass der Beschwerdeführer bei Eintritt in die Klinik B.________ im Februar 2002 aus psychischen Gründen in den aus somatisch-neurologischer Sicht grundsätzlich zumutbaren Tätigkeiten nicht oder lediglich eingeschränkt arbeitsfähig war. Die Situation besserte sich indessen unter Behandlung mit Antidepressiva wieder. Begann im Februar 2002 die Ende März 2001 abgelaufene einjährige Wartezeit nach Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG in der bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung (BGE 130 V 99 Erw. 3.2 mit Hinweisen) erneut zu laufen, bestand spätestens bei deren Ablauf nach der nicht bestrittenen Invaliditätsbemessung der Vorinstanz keine rentenbegründende Invalidität mehr.
Der angefochtene Entscheid ist somit rechtens.
5.
Dem Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung kann entsprochen werden, da die Voraussetzungen gemäss Gesetz (Art. 152 OG) und Rechtsprechung (BGE 125 V 202 Erw. 4a) hiefür gegeben sind.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt Dr. Roland Ilg für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse der Betrag von Fr. 1200.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, der Ausgleichskasse für Gewerbe, Handel und Industrie in Graubünden und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 11. Juli 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Die Präsidentin der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: