BGer U 29/2005 |
BGer U 29/2005 vom 11.07.2005 |
Eidgenössisches Versicherungsgericht
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Tribunale federale delle assicurazioni
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Tribunal federal d'assicuranzas
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Sozialversicherungsabteilung
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des Bundesgerichts
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Prozess
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{T 7}
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U 29/05
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Urteil vom 11. Juli 2005
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III. Kammer
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Besetzung
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Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Kernen; Gerichtsschreiber Lanz
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Parteien
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P.________, 1967, Beschwerdeführerin, vertreten durch Advokat Dr. Marco Biaggi, Picassoplatz 8, 4010 Basel,
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gegen
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Helsana Versicherungen AG, Schadenrecht, Postfach, 8024 Zürich, Beschwerdegegnerin
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Vorinstanz
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Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, Basel
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(Entscheid vom 24. November 2004)
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Sachverhalt:
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A.
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Die 1967 geborene P.________ war als Landwirtin im Betriebshelferdienst tätig und über den Arbeitgeber bei der Helsana Versicherungen AG (nachfolgend: Helsana) obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 21. Januar 2002 rutschte sie bei der Arbeit auf dem Heustock ab und prallte auf den darunter liegenden Betonboden. Die anderntags aufgesuchte Hausärztin diagnostizierte eine leichte Kontusion der Lendenwirbelsäule (LWS) sowie eine Kontusio und Distorsio der Finger II bis IV links mit Beugehemmung. Die Arbeit musste nicht ausgesetzt werden. Am 8. Februar 2002 wurde das Ereignis der Helsana gemeldet, welche Heilbehandlung gewährte. In der Folge nahmen die Rückenschmerzen zu, weswegen ab 2. Dezember 2002 eine volle Arbeitsunfähigkeit bestätigt wurde. Der Unfallversicherer erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung; Taggeld). Nach medizinischen Abklärungen eröffnete er P.________ mit Verfügung vom 30. April 2003 rückwirkend per 31. Januar 2003 die Einstellung der Leistungen mangels eines kausalen Zusammenhangs zwischen der darüber hinaus allenfalls bestehenden Arbeitsunfähigkeit sowie Behandlungsbedürftigkeit und dem Unfall vom 21. Januar 2002. Daran hielt die Helsana auf Einsprache der Versicherten hin fest (Einspracheentscheid vom 22. Januar 2004).
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B.
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Die von P.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt nach vorgängiger Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung ab (Entscheid vom 24. November 2004).
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C.
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Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt P.________ beantragen, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei die Helsana zu verpflichten, die UVG-Leistungen auch ab 1. Februar 2003 zu erbringen; eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an den Unfallversicherer zurückzuweisen. Zudem wird um unentgeltliche Rechtspflege für das letztinstanzliche Verfahren ersucht.
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Helsana und Bundesamt für Gesundheit haben auf eine Vernehmlassung verzichtet.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Im Einsprache- und im angefochtenen Entscheid sind die gesetzliche Bestimmung über den Anspruch auf Leistungen der Unfallversicherung (Art. 6 Abs. 1 UVG) sowie die Grundsätze über den für die Leistungspflicht des Unfallversicherers nebst anderem vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem eingetretenen Schaden (Krankheit; Invalidität; Tod; BGE 119 V 337 Erw. 1; sodann 129 V 181 Erw. 3.1, je mit Hinweisen), namentlich auch bei Diskushernien (RKUV 2000 Nr. U 379 S. 192), richtig dargelegt. Dasselbe gilt für den zu beachtenden Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 119 V 338 Erw. 1; vgl. auch BGE 129 V 181 Erw. 3.1, je mit Hinweisen), wobei zu ergänzen ist, dass diese Beweisregel für den leistungsbegründenden natürlichen Kausalzusammenhang ebenso gilt wie für das - vom Unfallversicherer zu beweisende - Dahinfallen jeder kausalen Bedeutung von unfallbedingten Ursachen (RKUV 2000 Nr. U 363 S. 46 Erw. 2 mit Hinweis).
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Das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) hat die dargelegte Rechtslage nicht modifiziert.
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2.
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Streitig ist in erster Linie, ob dem Unfall vom 21. Januar 2002 für die über den 31. Januar 2003 hinaus andauernden und die Versicherte in der Arbeitsfähigkeit einschränkenden Rückenschmerzen eine natürlich kausale Bedeutung zukommt. Dabei sind sich die Verfahrensbeteiligten, nach Lage der medizinischen Akten zu Recht, darin einig, dass diese Beschwerden mit dem durch bildgebende Verfahren erhobenen und mittels Diskografie vom 12. Februar 2003 bestätigten Befund einer hochgradigen Degeneration mit Bandscheibenvorfall L5/S1 zu erklären sind. Weiter steht fest und ist unbestritten, dass die Versicherte bereits mehrere Jahre vor dem versicherten Ereignis eine Diskushernie erlitten hatte.
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2.1 Im Bereich des Unfallversicherungsrechts entspricht es einer medizinischen Erfahrungstatsache, dass praktisch alle Diskushernien bei Vorliegen degenerativer Bandscheibenveränderungen entstehen und ein Unfallereignis nur ausnahmsweise, unter besonderen Voraussetzungen, als eigentliche Ursache in Betracht fällt. Als weitgehend unfallbedingt kann eine Diskushernie betrachtet werden, wenn das Unfallereignis von besonderer Schwere und geeignet war, eine Schädigung der Bandscheibe herbeizuführen, und die Symptome der Diskushernie (vertebrales oder radikuläres Syndrom) unverzüglich und mit sofortiger Arbeitsunfähigkeit auftreten. Wird die Diskushernie durch den Unfall lediglich ausgelöst, nicht aber verursacht, übernimmt die Unfallversicherung den durch das Unfallereignis ausgelösten Beschwerdeschub, spätere Rezidive dagegen nur, wenn eindeutige Brückensymptome gegeben sind (zum Ganzen RKUV 2000 Nr. U 379 S. 193 Erw. 2a mit Hinweisen; vgl. auch RKUV 2000 Nr. U 363 S. 46 Erw. 3a). Insbesondere mit dem letztgenannten Kriterium werden auch jene Fälle aufgefangen, bei denen der Unfall neben weiteren Faktoren lediglich eine Teilursache für die im Anschluss an das Ereignis aufgetretenen Rückenbeschwerden darstellt. Vorausgesetzt ist indessen auch dort, dass die Symptome einer Diskushernie (vertebragenes oder radikuläres Syndrom) unmittelbar nach dem Unfall auftreten (Urteil G. vom 23. April 2002, U 176/01, Erw. 3b in fine).
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2.2 Aus den Akten ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin nach dem Unfall vom 21. Januar 2002 zwar an Rückenschmerzen litt, ohne deswegen aber die Arbeit einstellen oder das Pensum einschränken zu müssen. Die Vorfall wurde der Helsana denn auch als Bagatell-Unfall gemeldet. Zudem standen gemäss Bericht der Hausärztin vom 18. Dezember 2002 anfänglich die Beschwerden in der Hand im Vordergrund; die Rückenschmerzen wurden zunehmend stärker. Am 16. Juli 2002 suchte die Versicherte einen anderen Arzt auf. Den Anlass hiefür bildete eine wesentliche Verschlimmerung der Rückenbeschwerden seit der zwischenzeitlichen Teilnahme an einem Alpaufzug. Eine Arbeitsunfähigkeit wurde dann aber erst ab Dezember 2002 bestätigt.
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Bei dieser Sachlage ist mit Unfallversicherer und Vorinstanz auszuschliessen, dass der Unfall vom 21. Januar 2002 den für die persistierenden Beschwerden verantwortlichen Bandscheibenschaden verursacht hat. Es fehlt hiefür namentlich am sofortigen und mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Eintritt der für solche Gesundheitsstörungen typischen Symptomatik. Da das funktionelle Leistungsvermögen erst fast ein Jahr danach in wesentlicher Weise durch die Rückenschmerzen beeinträchtigt wurde, hat das kantonale Gericht auch richtigerweise die Annahme, das Unfallereignis habe einen von der geschädigten Bandscheibe herrührenden Beschwerdeschub im Sinne der Rechtsprechung ausgelöst (Erw. 2.1 hievor), für fraglich erachtet.
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2.3 Die Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen zu keiner anderen Betrachtungsweise. Wohl wird in einem Teil der Arztberichte - namentlich auch des Chirurgen, der den Bandscheibenschaden am 5. März 2003 operativ behandelt hat - von einer richtunggebenden Verschlimmerung durch das Unfallgeschehen gesprochen. Dabei wird jedoch ein - entscheidender - Aspekt ausser Acht gelassen, welcher im Fehlen der für eine Diskushernie typischen Symptomatik und der darin begründeten Arbeitsunfähigkeit unmittelbar nach dem Unfall - und auch noch geraume Zeit danach - besteht. Das hat zutreffend auch der beratende Arzt der Beschwerdegegnerin erkannt. Dass dieser sich seine Meinung alleine aufgrund der Akten gebildet hat, stellt die Richtigkeit der von ihm abgegebenen Beurteilung, welche mit den dargelegten Grundsätzen (Erw. 2.1 hievor) im Einklang steht, nicht in Frage. Es kann im Übrigen auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden. Diese hat richtigerweise auch von weiteren Abklärungen abgesehen, da hievon keine entscheidrelevanten neuen Erkenntnisse zu erwarten sind (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 124 V 94 Erw. 4b; RKUV 2003 Nr. U 473 S. 50 Erw. 3.4, 2002 Nr. U 469 S. 527 Erw. 2c).
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Fehlt es nach dem Gesagten an einem natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom 21. Januar 2002 und der Beeinträchtigung von Gesundheit und Arbeitsunfähigkeit über den 31. Januar 2003 hinaus, hat die Helsana ihre Leistungen zu Recht eingestellt.
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3.
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Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Die unentgeltliche Verbeiständung kann gewährt werden (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die Vertretung geboten war (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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1.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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2.
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Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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3.
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Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Advokat Dr. Marco Biaggi, Basel, für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet.
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4.
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Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.
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Luzern, 11. Juli 2005
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Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
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Die Präsidentin der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
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