Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
U 344/04
Urteil vom 25. Juli 2005
II. Kammer
Besetzung
Präsident Borella, Bundesrichter Schön und Frésard; Gerichtsschreiber Attinger
Parteien
M.________, 1945, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Andreas Imobersteg, Hodlerstrasse 16,
3011 Bern,
gegen
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin
Vorinstanz
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern
(Entscheid vom 20. August 2004)
Sachverhalt:
A.
Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) sprach dem 1945 geborenen M.________, der ab Oktober 1971 in einer Metallwarenfabrik als Schweisser gearbeitet und im September 1973 eine Verletzung der dominanten rechten Hand erlitten hatte, mit Verfügung vom 3. März 1975 eine 30%ige Invalidenrente zu. In der Folge war der Versicherte vom 1. Januar 1984 bis Ende Juni 1999 bei der Firma Y.________ AG als Baumaschinist (Baggerführer) angestellt und wiederum bei der SUVA unfallversichert. Am 1. Juli 1999 hätte er bei der Tief- und Strassenbaufirma X.________ eine neue Arbeitsstelle als Maschinist antreten sollen, was jedoch wegen eines weiteren Unfallereignisses vom 16. April 1999 nicht mehr möglich war: Der Versicherte wurde vom Schwenkarm eines Krans erfasst und stürzte deshalb vom Dach eines Containers aus 2,5 m Höhe rücklings zu Boden. Dabei erlitt er eine Kompressionsfraktur am Brustwirbelkörper (BWK) 11, Frakturen der rechtsseitigen 5. und 6. Rippe, eine Commotio cerebri und eine Rissquetschwunde am Hinterkopf. Am 24. April 1999 erfolgte in der Klinik für Orthopädische Chirurgie am Spital A.________ eine Spondylodese BWK 10-12 mit Fixateur interne sowie eine bipedikuläre Spongiosaauffüllung des Brustwirbelkörpers 11. Vom 22. März bis 3. Mai 2000 war der Versicherte in der Klinik B.________ hospitalisiert. Abgesehen von misslungenen Arbeitsversuchen im bisher ausgeübten Beruf ging er in der Folge keiner Erwerbstätigkeit mehr nach. Mit Verfügung vom 18. November 2002 und Einspracheentscheid vom 23. Juni 2003 sprach die SUVA M.________ ab 1. Juli 2002 eine 38%ige Invalidenrente sowie eine Integritätsentschädigung von 20 % zu.
B.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies die gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 20. August 2004 ab.
C.
M.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag auf Zusprechung einer Invalidenrente von mindestens 50 %.
Während die SUVA auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Das kantonale Gericht hat im angefochtenen Entscheid die hier massgebenden gesetzlichen Bestimmungen und von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, insbesondere diejenigen über den für die Leistungspflicht des Unfallversicherers erforderlichen natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität; BGE 129 V 181 Erw. 3.1 und 3.2, 405 Erw. 2.2 sowie 406 Erw. 4.3.1, je mit Hinweisen) sowie diejenigen über die Bemessung des Invaliditätsgrades nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 18 Abs. 2 UVG [in der bis Ende 2002 gültig gewesenen Fassung]; Art. 16 ATSG; BGE 130 V 348 Erw. 3.4, 128 V 30 Erw. 1, 104 V 136 Erw. 2a und b) richtig wiedergegeben. Darauf wird verwiesen.
2.
Des Weitern hat die Vorinstanz gestützt auf die umfangreichen medizinischen Akten zutreffend festgestellt, dass dem Beschwerdeführer trotz der verbliebenen unfallbedingten Leistungsbeeinträchtigung die Ausübung einer behinderungsangepassten Erwerbstätigkeit (körperlich leichte, wechselbelastende Arbeit ohne Heben von Gewichten über 10 kg, Rotationsbewegungen des rechten Handgelenks, Vibrationen oder rasanten Blickwechseln) ganztags zumutbar wäre. Und schliesslich hat das kantonale Gericht zu Recht erkannt, dass bei Verrichtung einer solchen Arbeit eine Erwerbseinbusse von 38 % resultieren würde. Wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt, vermögen sämtliche in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhobenen Einwendungen an dieser Betrachtungsweise nichts zu ändern.
3.
3.1 Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, es sei nicht nachvollziehbar, wenn der weit gravierendere Unfall vom 16. April 1999 zusammen mit den Unfallfolgen von 1973 bloss zu einer Erwerbsunfähigkeit von 38 % führen solle, zumal Kreisarzt Dr. G.________ die Invalidität zu einem Viertel dem Unfall von 1973 und zu drei Vierteln demjenigen von 1999 zugeteilt habe.
Dazu ist zu bemerken, dass die 1975 zugesprochene Rente mit Ablauf des neunten Jahres nach ihrer Festsetzung nicht mehr revidierbar war (Art. 80 Abs. 2 aKUVG) und damit der Invaliditätsgrad von 30 % gar nicht mehr der tatsächlich noch gegebenen Erwerbsunfähigkeit zu entsprechen brauchte (vgl. Maurer, Recht und Praxis der schweizerischen obligatorischen Unfallversicherung, 2. Aufl. 1963, S. 247). D.h., es kann nicht angenommen werden, dass die aus dem ersten Unfall resultierende Erwerbsunfähigkeit vor dem zweiten Unfall noch 30 % ausmachte. Die SUVA beruft sich darauf, dass der Versicherte vor dem zweiten Unfall zu 100 % gearbeitet und eine volle Leistung als angelernter Maschinist erbracht habe; mithin habe der erste Unfall keine Lohneinbusse mehr zur Folge gehabt.
Für die Beantwortung der Frage, ob aus dem ersten Unfall noch eine Erwerbseinbusse resultierte, wäre jedoch an sich nicht die Tätigkeit als angelernter Maschinist massgebend, sondern die ursprüngliche Tätigkeit eines Schweissers, welche der Beschwerdeführer 1973 wegen des ersten Unfalls habe aufgeben müssen. Nach seinen eigenen Angaben gegenüber dem SUVA-Inspektor hätte der Versicherte aber vor dem zweiten Unfall auch als Schweisser nicht mehr verdient. Insofern ist es doch zutreffend, wenn die SUVA eine aus dem ersten Unfall resultierende Lohneinbusse verneint. Die 30 % sind somit keine Grösse, von welcher bei der Beurteilung der erwerblichen Folgen nach dem zweiten Unfall auszugehen ist. Im Übrigen können - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - Invaliditätsgrade nicht einfach addiert werden, sondern es ist der Grad der Erwerbsunfähigkeit gesamthaft zu bemessen (BGE 123 V 49 f., 117 V 82 Erw. 3c/bb; Urteil L. vom 24. Dezember 2004 [I 512/03], Erw. 5).
3.2 Weiter bringt der Beschwerdeführer vor, es sei nicht abgeklärt worden, ob die beginnende beidseitige Coxarthrose auf den Unfall von 1999 zurückzuführen sei; insofern sei der Untersuchungsgrundsatz verletzt worden.
Die Diagnose einer beginnenden symptomatischen Coxarthrose bds. findet sich erstmals im von Dr. O.________ zuhanden der Invalidenversicherung erstatteten Gutachten vom 13. Oktober 2003. Der Facharzt für Chirurgie bemerkt dazu, der Versicherte leide seit zwei Jahren (d.h. seit Herbst 2001) unter zunehmenden, rechtsbetonten, belastungsabhängigen Hüftbeschwerden. Wie aus den Akten ersichtlich ist, behandelt Dr. O.________ den Beschwerdeführer seit dem Unfall vom April 1999 (vgl. die IV-Anmeldung vom April 2000). So finden sich in den Akten zahlreiche Zwischenberichte von Dr. O.________ an die SUVA (vom 2. Oktober 2000, 17. April und 5. Juli 2001 sowie 30. Juni und 16. Oktober 2003) sowie anderer Ärzte an Dr. O.________ (vom 1. Dezember 1999, 9. Februar 2000, 11. Juni 2001 und 6. Juli 2003). Im Gutachten vom 13. Oktober 2003 erwähnt er, dass er vom Versicherten mehrmals jährlich wegen der Rückenschmerzen konsultiert werde. Dr. O.________ kennt also den Beschwerdeführer bestens. Wenn er die beginnende Coxarthrose nur im Gutachten an die Invalidenversicherung erwähnt, nicht aber in den ärztlichen Zwischenberichten an die SUVA, insbesondere nicht in demjenigen vom 16. Oktober 2003, so ist daraus mit der Vorinstanz in antizipierter Beweiswürdigung zu folgern, dass die Coxarthrose nichts mit dem in Frage stehenden Unfall zu tun hat.
3.3 Sodann bringt der Beschwerdeführer vor, die von Dr. U.________, Facharzt für Rheumatologie und Innere Medizin, Bern, im Bericht vom 6. Juli 2003 an Dr. O.________ festgestellte larvierte Depression sei eine Unfallfolge; das kantonale Gericht habe die Rechtsprechung zum adäquaten Kausalzusammenhang nicht beachtet.
Dr. G versah die Diagnose der larvierten Depression mit dem Zusatz "nach Trennung, Partnerschaftsproblematik" und wies darauf hin, dass der Versicherte seit der Trennung von seiner langjährigen Lebenspartnerin, deretwegen er 13 Jahre zuvor Ehefrau und Tochter verlassen habe und die nun ihrerseits ihn habe sitzen lassen, stark belastet sei. Nachdem in den übrigen Akten, insbesondere auch im Bericht der Klinik B.________ vom 22. Mai 2000 keinerlei Hinweise auf ein psychisches Leiden ersichtlich sind, ist davon auszugehen, dass die larvierte Depression nicht mit dem Unfall im Zusammenhang steht.
3.4 Es verbleibt der Einwand des Beschwerdeführers zum Abzug vom Invalideneinkommen gemäss BGE 126 V 79 Erw. 5b. Was die Vorinstanz bezüglich des Ausländerstatus ausführt, trifft vollumfänglich zu (vgl. auch LSE 2000 S. 47). Die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhobene Behauptung, dass der seit 1965 in der Schweiz lebende Versicherte "nur Bruchweise Deutsch" spreche, erweist sich als aktenwidrig (vgl. den Austrittsbericht der Klinik B.________ vom 22. Mai 2000). Mit dem vom kantonalen Gericht als rechtens beurteilten Abzug von 20 % ist dem Alter und den leidensbedingten Einschränkungen des rein von den Unfallfolgen her zumutbarerweise ganztags arbeitsfähigen Beschwerdeführers genügend Rechnung getragen. Die Herabsetzung des statistischen Tabellenlohnes um einen Fünftel ist eher wohlwollend.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
Luzern, 25. Juli 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der II. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
i.V.