Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2A.268/2005 /bie
Urteil vom 3. August 2005
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiber Klopfenstein.
Parteien
X.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Gustav Habegger,
gegen
Migrationsamt des Kantons Zürich,
Postfach, 8090 Zürich,
Bezirksgericht Zürich, Haftrichterin,
Wengistrasse 28, Postfach, 8026 Zürich.
Gegenstand
Ausgrenzung,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verfügung des Bezirksgerichts Zürich (Haftrichterin) vom 22. März 2005.
Sachverhalt:
A.
Der nach eigenen Angaben aus der Elfenbeinküste stammende X.________, geb. 1975 (alias F.________, alias O.________), reichte am 30. März 2004 in der Schweiz ein Asylgesuch ein. Bei einer Ausweisprüfung stellte sich heraus, dass er mit einem gefälschten Pass (Bildauswechslung) unterwegs war. Mit Verfügung vom 16. April 2004 des Bundesamtes für Flüchtlinge wurde er dem Kanton Zürich zugewiesen (Durchgangszentrum "S.________", B.________). Am 29. November 2004 trat das Bundesamt auf sein Asylgesuch nicht ein und wies ihn aus der Schweiz weg.
Am 17. Januar 2005 wurde X.________ am Hauptbahnhof Zürich wegen des Verdachts des In-Umlaufsetzens von Falschgeld verhaftet. Einen Tag später, am 18. Januar 2005, wurde er von der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl wegen Fälschens von Ausweisen und wegen Vergehen gegen das ANAG mit 60 Tagen Gefängnis (bedingt) bestraft. Am 25. Januar und am 15. Februar 2005 wurde er in der (verdeckten) Drogenszene in W.________ angetroffen und unter dem Verdacht des Drogenhandels verhaftet. Betäubungsmittel wurden bei ihm jedoch nicht gefunden. Bereits bei der ersten Verhaftung war er darauf hingewiesen worden, dass seine Ausgrenzung aus der Stadt W.________ erwogen werde.
B.
Mit Verfügung vom 15. Februar 2005 untersagte das Migrationsamt des Kantons Zürich X.________ mit sofortiger Wirkung das "Betreten des gesamten Stadtgebietes von W.________". Zur Begründung führte das Migrationsamt im Wesentlichen aus, mit seiner Präsenz an Lokalitäten im Umfeld des Drogenhandels behindere X.________ die behördlichen Massnahmen zur Bekämpfung des widerrechtlichen Betäubungsmittelhandels.
Eine gegen diese Verfügung gerichtete Beschwerde wies das Bezirksgericht Zürich (Haftrichterin) am 22. März 2005 ab. Die entsprechende Gerichtsurkunde wurde am 2. April 2005 zugestellt.
C.
Mit Eingabe vom 30. April 2005 führt X.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht mit dem sinngemässen Antrag, das Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 22. März 2005 aufzuheben ("Aufhebung der Ausgrenzung für W.________"). Gleichzeitig ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
Das Migrationsamt des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Das Bezirksgericht Zürich (Haftrichterin) hat auf Vernehmlassung verzichtet. Das Bundesamt für Migration hat sich vernehmen lassen, ohne einen ausdrücklichen Antrag zu stellen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Der angefochtene Entscheid wurde in Anwendung von öffentlichem Recht des Bundes von einer kantonal letztinstanzlichen Gerichtsbehörde im Sinne von Art. 98 lit. g in Verbindung mit Art. 98a OG gefällt. Eine Ausnahme gemäss Art. 99-102 OG - insbesondere nach Art. 100 Abs. 1 lit. b OG - liegt nicht vor. Die frist- und formgerecht eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich daher in Anwendung von Art. 97 ff. OG als zulässig.
1.2 Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, gerügt werden (Art. 104 lit. a OG). Hat - wie hier - eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden, so ist das Bundesgericht jedoch an deren tatsächliche Feststellungen gebunden, es sei denn, diese erwiesen sich als offensichtlich unrichtig oder unvollständig oder seien unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften getroffen worden (Art. 105 Abs. 2 OG; BGE 125 II 633 E. 1c.).
2.
2.1 Gemäss Art. 13e ANAG kann die zuständige kantonale Behörde einem Ausländer, der keine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung besitzt und der die öffentliche Sicherheit und Ordnung stört oder gefährdet, insbesondere zur Bekämpfung des widerrechtlichen Betäubungsmittelhandels, die Auflage machen, ein ihm zugewiesenes Gebiet nicht zu verlassen oder ein bestimmtes Gebiet nicht zu betreten (so genannte Ein- oder Ausgrenzung).
Nach der Praxis des Bundesgerichts genügt für die Anordnung einer Ausgrenzung gemäss Art. 13e ANAG schon der hinreichend begründete Verdacht der Beteiligung am Drogenhandel, ohne dass eine entsprechende Straftat nachgewiesen sein muss (Urteil 2A.347/2003 vom 24. November 2003, E. 2.2.). Wird der Ausländer wiederholt im Drogenmilieu angehalten, vermag dies den ernsthaften Verdacht zu begründen, dass er jeweils nicht lediglich als Zuschauer der Drogenszene ertappt wurde, sondern dass er, sei es als Händler oder als Konsument, aktiv am unerlaubten Drogenumschlag beteiligt war. Für den hinreichend konkreten Verdacht genügt es indessen in der Regel noch nicht, dass der Ausländer bloss an Orten angetroffen wird, wo nach Kenntnis der Behörden (auch) Drogen gehandelt werden (Urteil 2A.148/2003 vom 30. Mai 2003, E. 2.3 und 3.3).
2.2 Der Beschwerdeführer wurde gemäss den Feststellungen im angefochtenen Entscheid wiederholt (zwei Mal) in der verdeckten Drogenszene in W.________ angetroffen und unter dem Verdacht des Drogenhandels festgenommen. Bereits bei der ersten Verhaftung war ihm - für den Fall des erneuten Aufenthaltes an diesem Ort - die Ausgrenzung angedroht worden, was ihn nicht daran hinderte, sich wiederum an den betreffenden Ort zu begeben. Das Bundesgericht ist nach Massgabe von Art. 105 Abs. 2 OG an diese tatsächlichen Feststellungen gebunden (vgl. E. 1.2).
2.3 Was der Beschwerdeführer zur Rechtfertigung seines Verhaltens durch seinen Vertreter vor Bundesgericht vorbringen lässt - nämlich dass er sich jeweils einzig zwecks Besuchs des Lokals "D.________" nach W.________ begeben habe, wo er mit der Gerantin dieses Lokals, einer gebürtigen Afrikanerin, Kontakt gepflegt und von ihr gegen Erbringung von Dienstleistungen an der Theke warme Mahlzeiten erhalten habe -, vermöchte, falls diese Darstellung vollumfänglich zuträfe, den Verdacht des Drogenhandels zwar zu entkräften oder abzuschwächen. Die Richtigkeit (und Vollständigkeit) dieser Sachdarstellung wird durch die Vorbringen in der Beschwerdeschrift aber nicht schlüssig bewiesen, weshalb die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden Sachverhaltsannahmen, die sich auf entsprechende Polizeirapporte stützen, nicht als offensichtlich falsch erscheinen und insofern für das Bundesgericht verbindlich sind (Art. 105 Abs. 2 OG). Wohl war der Beschwerdeführer, als er von der Polizei angehalten wurde, jeweils nicht im Besitz von Betäubungsmitteln. Der Verdacht der Beteiligung am Drogenhandel kann aber unter Umständen schon durch den wiederholten Aufenthalt an Drogenumschlagplätzen hinreichend begründet sein, um eine Ein- oder Ausgrenzung rechtfertigen zu können (vgl. E. 2.1). Zieht man im vorliegenden Fall die ganzen übrigen Umstände mit in Betracht, insbesondere die Tatsache, dass der Beschwerdeführer schon unter einer Reihe von Alias-Namen aufgetreten ist und u.a. auch einen gefälschten Pass verwendet hat, erscheint der Verdacht der kantonalen Behörden, dass er sich am Drogenhandel beteiligen könnte, vertretbar (vgl. auch den Polizeirapport vom 15. Februar 2005: "[...] In der Umgebung am Bahnhof konnte X.________ beobachtet werden, wie er offensichtlich nach Drogenkonsumenten Ausschau hielt [...]").
Die verfügte Massnahme ist auch nicht unverhältnismässig (vgl. zur Verhältnismässigkeit einer Ein- bzw. Ausgrenzung die Urteile 2A.148/ 2003 vom 30. Mai 2003, E. 2.4, und 2A.347/2003 vom 24. November 2003, E. 4.2). Der Beschwerdeführer ist rechtskräftig zum Verlassen der Schweiz verpflichtet und muss sich eine derartige, seine Bewegungsfreiheit relativ geringfügig einschränkende Massnahme aufgrund seines Verhaltens gefallen lassen.
3.
Der angefochtene Entscheid verstösst nicht gegen Bundesrecht, womit sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als unbegründet erweist und abzuweisen ist.
Bei diesem Verfahrensausgang würde der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Er hat jedoch ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt. Da er als abgewiesener Asylbewerber über keine Arbeitserlaubnis verfügt und offenbar von der Sozialhilfe lebt, und da sein Begehren nicht als von vornherein aussichtslos erscheint, ist ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu bewilligen (vgl. Art. 152 Abs. 1 OG). Damit sind keine Kosten für das bundesgerichtliche Verfahren zu erheben.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
2.1 Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt.
2.2 Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Migrationsamt des Kantons Zürich und dem Bezirksgericht Zürich (Haftrichterin) sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 3. August 2005
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: