Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
5P.101/2005 /bnm
Urteil vom 12. August 2005
II. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Marazzi,
Gerichtsschreiber Gysel.
Parteien
X._______ (Ehemann),
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. Brigitta Vogt Stenz,
gegen
Y._______ (Ehefrau),
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Wilhelm Boner,
Obergericht (5. Zivilkammer) des Kantons Aargau, Obere Vorstadt 38, 5000 Aarau.
Gegenstand
Art. 9 BV (vorsorgliche Massnahmen im Verfahren auf Abänderung des Scheidungsurteils),
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts (5. Zivilkammer) des Kantons Aargau vom 24. Januar 2005.
Sachverhalt:
A.
Durch Scheidungsurteil des Bezirksgerichts A.________ vom 5. März 2002 wurde X.________ (Ehemann) verpflichtet, Y.________ (Ehefrau) monatliche Unterhaltsbeiträge von Fr. 1'292.-- bis November 2006 und anschliessend von Fr. 541.-- bis und mit November 2009 zu zahlen.
Mit Eingabe vom 12. März 2003 reichte X.________ beim Bezirksgericht A.________ eine Abänderungsklage ein und verlangte die Herabsetzung des Unterhaltsbeitrags auf monatlich Fr. 375.-- und die Befristung der Unterhaltspflicht bis November 2006. Sodann ersuchte er das Gerichtspräsidium mit Eingabe vom 25. September 2003, die Unterhaltspflicht ab September 2003 für die Dauer des hängigen Abänderungsverfahrens zu sistieren.
Am 9. März 2004 fällte das Bezirksgericht das Abänderungsurteil und setzte den Unterhaltsbeitrag auf monatlich Fr. 225.-- herab.
Unter Hinweis darauf, dass dieses Urteil, gegen das Y._______ appelliert habe, noch nicht rechtskräftig sei, ersuchte X.________ das Gerichtspräsidium am 6. Mai 2004 darum, ebenfalls einen Entscheid über das von ihm gestellte Begehren um Sistierung seiner Unterhaltspflicht zu fällen. In der Folge beantragte er eventualiter eine Herabsetzung des Unterhaltsbeitrags auf Fr. 225.--.
Am 16. Juni 2004 erkannte der Gerichtspräsident, dass der Unterhaltsbeitrag mit Wirkung ab 25. September 2003 bis zum rechtskräftigen Entscheid im Abänderungsverfahren vorläufig auf Fr. 225.-- herabgesetzt werde. Die Verfahrenskosten wurden Y.________ auferlegt, und diese wurde ferner zur Leistung einer Parteientschädigung an X.________ verpflichtet.
B.
Y.________ erhob Beschwerde, worauf das Obergericht (5. Zivilkammer) des Kantons Aargau mit Urteil vom 24. Januar 2005 den Entscheid des Gerichtspräsidiums A.________ aufhob und unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten von X.________ dessen Begehren um Sistierung der Unterhaltspflicht bzw. vorläufige Herabsetzung des Unterhaltsbeitrags abwies.
C.
Mit Eingabe vom 4. April 2005 führt X.________ staatsrechtliche Beschwerde und verlangt, den Entscheid des Obergerichts aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die kantonale Instanz zurückzuweisen. Ausserdem ersucht er darum, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und ihm für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.
Vernehmlassungen sind einzig zum Gesuch um aufschiebende Wirkung eingeholt worden. Während das Obergericht auf eine Stellungnahme ausdrücklich verzichtet hat, schliesst die Beschwerdegegnerin auf Abweisung des Gesuchs.
Mit Präsidialverfügung vom 20. April 2005 ist der Beschwerde in dem Sinne aufschiebende Wirkung zuerkannt worden, dass der Beschwerdeführer während der Dauer des bundesgerichtlichen Verfahrens der Beschwerdegegnerin (nur) die vom erstinstanzlichen Richter mit Urteil vom 16. Juni 2004 auf Fr. 225.-- festgesetzten Unterhaltsbeiträge zu leisten habe.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Das Bundesgericht prüft die Rechtsmittelvoraussetzungen frei und von Amtes wegen, ohne an die Auffassungen der Parteien gebunden zu sein (BGE 131 I 57, E. 1 S. 59, 145, E. 2 S. 147, und 153, E. 1 S. 156; 130 III 76 E. 3.2.2 S. 81 f., mit Hinweisen).
1.2 Beim Entscheid über vorsorgliche Massnahmen im Verfahren betreffend Abänderung eines Scheidungsurteils handelt es sich um einen Zwischenentscheid. Da er insofern einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur zur Folge hat, als dem Betroffenen für eine bestimmte Zeit die Verfügungsmacht über Vermögensbestandteile entzogen bleibt (Urteil des Bundesgerichts 5P.349/2001 vom 6. November 2001, E. 2; BGE 105 Ia 318 E. 2a S. 320 f.; 96 I 629 E. 2b S. 634; 93 I 401 E. 2 S. 402 f.), steht die staatsrechtliche Beschwerde offen (Art. 87 Abs. 2 OG). Auf die Beschwerde, die von der im Verfahren vor der letzten kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 OG) unterlegenen Partei rechtzeitig (Art. 89 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 34 Abs. 1 lit. a OG) eingelegt worden ist, ist aus der Sicht des Gesagten daher einzutreten.
2.
Im Bereich der Verfassungsbeschwerde gilt der Grundsatz der richterlichen Rechtsanwendung nicht (BGE 125 I 71 E. 1c S. 76). Das Bundesgericht prüft nur gestützt auf (im Sinne von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG) klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen, ob ein kantonaler Entscheid verfassungswidrig ist (BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261 f. mit Hinweisen). Auf appellatorische Kritik, wie sie allenfalls im Rahmen eines Berufungsverfahrens zulässig ist, wird nicht eingetreten (BGE 128 I 295 E. 7a S. 312; 117 Ia 10 E. 4b S. 11 f.).
Wird der kantonalen Instanz Willkür vorgeworfen, ist aufzuzeigen, inwiefern deren Entscheid offensichtlich unhaltbar sein soll, d.h. mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehe, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletze oder sonst wie in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderlaufe (dazu BGE 131 I 57 E. 2 S. 61; 130 I 258 E. 1.3 S. 262, mit Hinweisen). Das Bundesgericht greift im Übrigen nur ein, wenn nicht bloss die Begründung des Entscheids, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 129 I 49 E. 4 S. 58; 128 I 81, E. 2 S. 86, und 177, E. 2.1 S. 182, mit Hinweisen).
3.
Grundvoraussetzung für den Erlass vorsorglicher Massnahmen im Abänderungsprozess bilden nach der Rechtsprechung liquide tatsächliche Verhältnisse, die den voraussichtlichen Verfahrensausgang einigermassen zuverlässig abschätzen lassen (Urteil des Bundesgerichts 5P.269/2004 vom 3. November 2004, E. 2; Bühler/Spühler, Berner Kommentar, N. 91 zu [a]Art. 153 ZGB und N. 190 zu [a]Art. 157 ZGB, mit Hinweisen auf die kantonale Rechtsprechung). Soll schon im Sinne einer vorsorglichen Massnahme eine Unterhaltsrente gekürzt oder aufgehoben werden, bedarf es darüber hinaus eines dringenden Bedürfnisses, denn der Grundsatz ist und bleibt, dass das rechtskräftige Scheidungsurteil solange vollstreckt werden muss und Auswirkungen zeitigt, als das Abänderungsurteil selbst nicht in Rechtskraft erwachsen ist. Ausnahmen dürfen nur mit Zurückhaltung zugelassen werden. Eine vorsorgliche Abänderung kann sich allenfalls dann rechtfertigen, wenn der Schuldner ausserstande ist, ohne schwerwiegende Nachteile die Rente während des Abänderungsverfahrens auszurichten, und die Herabsetzung oder Aufhebung der Rente der anderen Partei schon während des Verfahrens zugemutet werden kann (BGE 118 II 228 E. 3b S. 228 f.; Lüchinger/Geiser, Basler Kommentar, N. 30 zu [a]Art. 153 ZGB; Bühler/Spühler, a.a.O., N. 92 zu [a]Art. 153 ZGB).
4.
Nach Auffassung des Beschwerdeführers bereitet vorliegend die Frage der erfolgreichen Prognose für das Hauptverfahren keine Schwierigkeit, habe doch das Bezirksgericht den Entscheid über die vorsorgliche Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung nach Fällung des Urteils in der Sache selbst getroffen. Hingegen habe das Obergericht das Bestehen eines dringenden Bedürfnisses, die Rente bereits für die Dauer des Abänderungsverfahrens herabzusetzen, zu Unrecht verneint.
4.1 Das Obergericht ist in der Tat von einer günstigen Tatsachenprognose ausgegangen, hat zugleich aber daran erinnert, dass die erste Instanz ihren für den Beschwerdeführer günstigen Entscheid in der Sache mit Änderungen auf Seiten der Beschwerdegegnerin begründet habe. Die für den Beschwerdeführer eingetretene Erhöhung der Lebenskosten hat es mit der Begründung unberücksichtigt gelassen, sie sei allein auf dessen Wiederverheiratung zurückzuführen. Da die jetzige Ehefrau des Beschwerdeführers erst 36-jährig sei, sei ihr zuzumuten, das Manko durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu decken.
4.2 Der Beschwerdeführer hält diese Auffassung für unlogisch, akademisch, formaljuristisch und damit willkürlich. Ob sein Notbedarf, den das Gerichtspräsidium auf monatlich Fr. 3'507.-- festgelegt habe, jedoch in der Tat höher liege, zu einer Abänderung der Scheidungsrente führen müsse, könne hier offen bleiben; klar sei jedenfalls, dass er nicht in der Lage sei, den geschuldeten Unterhaltsbeitrag während des Abänderungsverfahrens ohne schwerwiegende Nachteile auszurichten. Was der Beschwerdeführer im Einzelnen vorträgt, vermag indessen keine Willkür aufzuzeigen:
4.2.1 Dem dem angefochtenen Entscheid zugrunde liegenden Existenzbedarf von Fr. 3'507.--, den das Obergericht von der ersten Instanz übernommen hat, stellt der Beschwerdeführer einen Betrag von Fr. 3'971.20 gegenüber. Indessen legt er in keiner Weise dar, dass die Berechnung der kantonalen Instanzen willkürlich wäre. Soweit er sich auf Tatsachen beruft, die erst nach Fällung des angefochtenen Entscheids eingetreten sind, sind seine Vorbringen im Übrigen von vornherein unbeachtlich (vgl. BGE 128 I 354 E. 6c S. 357).
4.2.2 Mit dem für das Gerichtspräsidium und das Obergericht ganz entscheidenden Argument, seiner (jungen) Ehefrau sei zuzumuten, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen und so den Fehlbetrag, der sich durch die Erhöhung des Notbedarfs infolge der Wiederverheiratung ergeben habe, zu decken, befasst sich der Beschwerdeführer nur ganz oberflächlich: Er begnügt sich mit der durch nichts belegten Behauptung, trotz intensivsten Bemühungen habe seine Ehefrau bis heute keine geeignete Stelle gefunden, obwohl sie alle Arbeiten annehmen würde, die sich bieten würden. Mit diesem Vorbringen ist den gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b OG an die Begründung einer staatsrechtlichen Beschwerde gestellten Anforderungen nicht Genüge getan.
Dass der Beschwerdeführer weiterhin verpflichtet bleibt, für die Dauer des Verfahrens in der Sache die gemäss Scheidungsurteil festgelegten Unterhaltsbeiträge zu erbringen, ist letztlich darauf zurückzuführen, dass es nach dem Gesagten bei der obergerichtlichen Auffassung bleibt, es sei der neuen Ehefrau zuzumuten, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Seine weiteren Vorbringen, die Folgen des angefochtenen Entscheids seien unverständlich und willkürlich und es könne nicht angehen, dass sich das Obergericht mit juristischer Argumentation über reale und bewiesene Tatsachen hinwegsetze, stossen daher ins Leere.
5.
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten in jeder Hinsicht unzureichend begründet, so dass auf sie überhaupt nicht einzutreten ist. Sie erschien unter den dargelegten Umständen von vornherein als aussichtslos. Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren ist daher abzuweisen (vgl. Art. 152 Abs. 1 OG), und dem Beschwerdeführer ist ausgangsgemäss die Gerichtsgebühr aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Bei der Festsetzung ihrer Höhe ist seiner finanziellen Lage Rechnung zu tragen (Art. 153a Abs. 1 OG). Da die Beschwerdegegnerin mit ihrem Antrag auf Abweisung des Gesuchs um aufschiebende Wirkung unterlegen ist, steht ihr für den mit der Vernehmlassung zu diesem Gesuch verbundenen Aufwand keine Entschädigung zu (vgl. Art. 159 Abs. 1 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Das Gesuch des Beschwerdeführers, ihm für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren, wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht (5. Zivilkammer) des Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 12. August 2005
Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: