Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2P.131/2005 /sza
Urteil vom 23. August 2005
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Betschart, Hungerbühler,
Gerichtsschreiber Feller.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Willy Blättler,
gegen
Aufsichtskommission über die Advokaten des Kantons Basel-Stadt, c/o Appellationsgericht, Bäumleingasse 1, 4051 Basel,
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht, Bäumleingasse 1, 4051 Basel,
Y.________.
Gegenstand
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht vom 31. Januar 2005.
Sachverhalt:
A.
Lic.iur. Y.________ ist seit 29. Juli 2002 im Anwaltsregister des Kantons Basel-Stadt eingetragen. Er ist Mitglied des Verwaltungsrats der Z.________ AG, wo er mit der Führung des zentralen Rechtsdienstes beauftragt ist.
Die Z.________ AG gibt die Zeitschrift "A.________" heraus. Im Zusammenhang mit einem am 21. Februar 2003 im "A.________" veröffentlichten Artikel über eine Stiftung von X.________ stellte der Schweizerische Presserat in einer Verlautbarung vom 23. Januar 2004 fest, dass der "A.________" die Richtlinie 3.8 zur Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten verletzt habe. Im Zusammenhang damit wandte sich Rechtsanwalt Y.________ mit zwei Schreiben vom 19. Februar und 12. Mai 2004 an X.________. Die Schreiben waren im Namen der Z.________ AG verfasst und mit "Y.________, Konzernanwalt Z.________-Gruppe" unterzeichnet; der Briefkopf lautete auf "Y.________, Konzernanwalt", mit einer Adresse in Basel, wo die Z.________ AG keinen Geschäftssitz hat; die Schreiben waren zudem mit einem Signet versehen, welches das Kürzel "zz" enthält.
X.________ reichte am 18. Mai 2004 bei der Aufsichtsbehörde über die Advokaten des Kantons Basel-Stadt eine Anzeige gegen Rechtsanwalt Y.________ ein mit den Anträgen, dieser sei im Anwaltsregister gemäss Art. 9 des Bundesgesetzes über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz, BGFA; SR 935.61) zu löschen; wegen Verletzung der Berufsregeln (Art. 12 lit. b BGFA, Unabhängigkeitsgebot, und eventuell 12 lit. d BGFA, Werbung) sei ein Disziplinarverfahren gemäss Art. 17 BGFA einzuleiten; aufgeworfen wurde zudem die Frage einer Missachtung von Art. 11 Abs. 2 BGFA (Angabe des Registereintrags im Geschäftsverkehr) bzw. der Verletzung des Berufsgeheimnisses gemäss Art. 13 BGFA. Die Aufsichtskommission erkannte mit Entscheid vom 28. Juli 2004, der Antrag auf Löschung von Advokat Y.________ im kantonalen Anwaltsregister werde abgelehnt und von der Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen diesen werde abgesehen. Die Verfahrenskosten (Gebühr von Fr. 800.--) auferlegte es dem Anzeigesteller X.________. Sie begründete die Kostenauflage damit, dass die aufsichtsrechtliche Anzeige nicht nur als unbegründet, sondern in weiten Teilen als geradezu mutwillig angesehen werden müsse.
X.________ focht den Entscheid der Aufsichtskommission - einzig - in Bezug auf die Kostenauflage beim Appellationsgericht (Verwaltungsgericht) des Kantons Basel-Stadt an. Er machte geltend, einerseits fehle für die Kostenauflage an einen Anzeiger die gesetzliche Grundlage, andererseits sei seine Anzeige nicht mutwillig gewesen.
Das Appellationsgericht wies den Rekurs mit Urteil vom 31. Januar 2005 ab und auferlegte X.________ die Kosten des Rekursverfahrens (Gebühr von Fr. 600.--). Es hielt fest, der Rekurrent sei einzig zur Rüge legitimiert, es fehle an einer gesetzlichen Grundlage für die streitige Kostenauflage; diese Rüge sei unbegründet.
B.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 6. Mai 2005 beantragt X.________ dem Bundesgericht, das Urteil des Appellationsgerichts aufzuheben und die Sache zur Erledigung an dieses zurückzuweisen, allenfalls den vorangegangenen Entscheid der Aufsichtskommission selber aufzuheben und die Rückerstattung bezahlter Gerichtskosten anzuordnen sowie eine Parteientschädigung für das Rekursverfahren vor dem Appellationsgericht zuzusprechen.
Das Appellationsgericht und die Aufsichtskommission beantragen je, die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Y.________ beantragt ohne weitere Gegenbemerkungen, den Anträgen des Beschwerdeführers nicht stattzugeben.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Gegenstand der Beschwerde ist ausschliesslich die Kostenauflage im Anwaltsaufsichtsverfahren. Diesfalls kann, ungeachtet des Umstands, dass hinsichtlich der dem Streit zugrundeliegenden materiellrechtlichen Fragen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegeben und ein disziplinierter Anwalt zu diesem Rechtsmittel legitimiert wäre, bloss mit staatsrechtlicher Beschwerde ans Bundesgericht gelangt werden (BGE 129 II 297 E. 3.2 S. 303). Zu diesem Rechtsmittel ist der Beschwerdeführer als mit Kosten belasteter Anzeiger legitimiert, obwohl er zur Anfechtung des Sachentscheids nicht berechtigt wäre; durch die Kostenauflage wird in seine rechtlich geschützten Interessen eingegriffen, und er kann geltend machen, dadurch würden ihm zustehende verfassungsmässige Rechte verletzt (Art. 88 OG; BGE 129 II 297 E. 2.2 S. 300).
2.
2.1 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Die Verletzung dieses ihm durch Art. 29 Abs. 2 BV eingeräumten Anspruchs erblickt er unter anderem darin, dass dem Urteil des Appellationsgerichts jegliche Begründung dafür fehle, wieso die Anzeigestellung mutwillig, böswillig oder aussichtslos gewesen sein solle, obwohl er sowohl im Rekurs wie in der Rekursreplik eingehend dargelegt habe, warum diese Voraussetzung für eine Kostenauflage nicht erfüllt sei.
Das Appellationsgericht stellte in E. II/1b seines Urteils fest, auf die Rüge, die Aufsichtskommission habe die Anzeige zu Unrecht als geradezu abwegig bzw. geradezu peinlich und damit als mutwillig betrachtet, könne nicht eingetreten werden. Es begründete dies damit, dass der Beschwerdeführer als Anzeiger nicht legitimiert wäre, den Aufsichts- bzw. Disziplinarentscheid in der Sache selbst anzufechten; er sei einzig zur Rüge legitimiert, für die Kostenauflage fehle es an einer gesetzlichen Grundlage, wobei die diesbezüglichen Vorbringen jedoch nicht - auch nicht indirekt - auf eine Überprüfung in der Hauptsache hinauslaufen dürften.
Das Appellationsgericht stützt sich hiefür auf BGE 129 I 297. Das Bundesgericht hielt in jenem Urteil fest, wenn die verfassungsrechtliche Kontrolle auf den Kostenspruch beschränkt bleiben müsse, könne dies nicht dazu führen, dass indirekt auch der Entscheid in der Sache selbst überprüft werde (E. 2.2 S. 300). Die Kostenauflage in jenem Fall stützte sich auf Normen, welche die Auferlegung von Kosten und Parteientschädigungen von einer verwerflichen oder leichtfertigen Veranlassung der Disziplinaruntersuchung abhängig machen. Gerügt wurde eine willkürliche Anwendung dieser Normen, wobei der Beschwerdeführer ausschliesslich geltend machte, er habe Anlass zur Vermutung standeswidrigen Verhaltens des Angezeigten gehabt, und sich dabei umfassend mit der materiellen Streitfrage befasste. Das Bundesgericht trat auf die entsprechenden Vorbringen nicht ein, weil sich ihre Beurteilung unter den konkreten Umständen nicht von einer Wertung der disziplinarrechtlichen Gegebenheiten trennen liessen und sie ihrer Natur nach weitgehend auf eine (indirekte) Überprüfung der Hauptsache abzielten (E. 2.2.1 S. 301).
2.2 Das Appellationsgericht interpretiert das erwähnte Urteil zu absolut. Richtig ist, dass bei fehlender Legitimation in der Sache selbst der Kostenspruch nicht mit einer Begründung angefochten werden kann, welche letztlich auf die Behauptung hinausläuft, der Sachentscheid hätte anders ausfallen und der Anzeiger hätte mit seinem Anliegen durchdringen müssen. Dieser muss vielmehr geltend machen, dass die Kostenverlegung im Anwaltsaufsichtsverfahren aus anderen Gründen als dem blossen Umstand, dass er im kantonalen Verfahren unterlegen ist, unzulässig sei (vgl. BGE 109 Ia 90). Ist Voraussetzung für die Kostenauflage mutwilliges Verhalten und besteht diesbezüglich die Berechtigung zur Erhebung eines Rechtsmittels, soll der Betroffene auch bei fehlender Legitimation in der Sache selber - auf geeignete Weise - geltend machen dürfen, der Vorwurf der Mutwilligkeit sei willkürlich (vgl. BGE 96 I 531 E. 4 S. 534 ff.). Auch wenn der Disziplinarentscheid in der Sache vom Anzeiger nicht in Frage gestellt werden kann, muss der Vorwurf der Mutwilligkeit vorab aufgrund der Begründung des Aufsichtsentscheids vertretbar erscheinen. Im Übrigen bezieht sich diese Rechtsprechung, insbesondere das vom Appellationsgericht zitierte Urteil BGE 129 I 297, auf das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, für welches die restriktive Legitimationsschranke von Art. 88 OG gilt; sie lässt sich insoweit nicht ohne weiteres auf das kantonale Rechtsmittelverfahren übertragen.
Das Vorliegen von Mutwilligkeit ist gesetzliche Voraussetzung für verschiedene Rechtsfolgen (Kostenauflage, Busse, vgl. nebst verschiedenen kantonalen Prozessordnungen Art. 343 Abs. 3 OR, Art. 31 Abs. 2 OG). Es handelt sich dabei um einen Rechtsbegriff; ob sich ein Verhalten darunter subsumieren lässt, kann unabhängig davon beurteilt werden, wie der Hauptsachenstreit ausfällt. Die Tatsache allein, dass die Behörde einen Entscheid trifft, womit sie von Anträgen oder Auffassungen von Parteien (oder Anzeigern) abweicht, führt regelmässig nicht zur Annahme von Mutwilligkeit; es bedarf hiefür zusätzlicher Elemente (vgl. nebst dem bereits erwähnten BGE 96 I 531 auch BGE 118 II 87 E. 4 S. 89; 112 V 333 E. 5a S. 334 f.; 106 II 45 E. 4 S. 47, 152 E. 4 S. 155). Wohl muss, wer das Fehlen dieser Elemente aufzeigen will, in einem gewissen Masse (auch) Bezug auf die materielle Streitsache nehmen. Soweit nach Art und Umfang der entsprechenden Äusserungen klar ist, dass dies einzig im Hinblick auf die Beurteilung der Frage der Mutwilligkeit geschieht, müssen diese von der kantonalen Rechtsmittelinstanz gehört werden, auch wenn der Betroffene zur Anfechtung des Sachentscheids nicht legitimiert ist.
2.3 Im Rekursverfahren vor dem Appellationsgericht hat der Beschwerdeführer nicht umfassend Stellung zu den aufsichtsrechtlichen Fragen genommen. Er hat mit seinen Darlegungen zum materiellen Anwaltsrecht vielmehr aufzuzeigen versucht, warum er der Meinung habe sein dürfen, es könnte Anlass für aufsichtsrechtliches Eingreifen bestehen. Schwergewichtig bezog sich die Anzeige auf die anwaltliche Unabhängigkeit von Rechtsanwalt Y.________, und mit den "materiellrechtlichen" Darlegungen in der Anzeige sowie den Hinweisen auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu dieser Problematik sollte offenkundig allein aufgezeigt werden, dass die Anzeige nicht mutwillig war. Es ist schwer erkennbar, auf welch andere Weise der Beschwerdeführer den von der Aufsichtskommission erhobenen Vorwurf der Mutwilligkeit und Leichtfertigkeit hätte bestreiten können.
Hat nun aber das Appellationsgericht dem Grundsatz nach anerkannt, dass gegen die Kostenauflage Rekurs erhoben werden kann, hätte es auf diesbezügliche sachbezogene Rügen eintreten müssen, dies umso mehr, als der im Vordergrund stehende Einwand der fehlenden anwaltlichen Unabhängigkeit keineswegs zum Vornherein als abwegig einzustufen war. Indem es diese Prüfung explizit abgelehnt hat, hat es dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör verweigert. Die staatsrechtliche Beschwerde ist in dieser Hinsicht begründet, und das angefochtene Urteil ist bereits aus diesem Grunde aufzuheben.
2.4 Es erübrigt sich unter diesen Umständen, auf die weiteren Rügen des Beschwerdeführers, insbesondere auf die Rüge der fehlenden gesetzlichen Grundlage für die Kostenpflicht des Anzeigers, näher einzugehen.
2.5 Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann es mit der Aufhebung des angefochtenen Urteils sein Bewenden haben. Das Appellationsgericht wird über die Kostenauflage vor der Aufsichtskommission neu zu befinden haben und damit auch über die Kostenregelung im kantonalen Rekursverfahren insgesamt entscheiden müssen.
3.
In der allein streitigen Frage der Kostenauflage im Aufsichtsverfahren stehen sich der Beschwerdeführer und der Kanton gegenüber. Eine Kostenauflage an Y.________ fällt unter diesen Umständen ausser Betracht. Da vorliegend eine Gebühr streitig ist und damit finanzielle Interessen des Kantons im Spiel sind, sind diesem die bundesgerichtlichen Kosten aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG ). Zudem ist der Kanton zu verpflichten, dem obsiegenden, durch einen Anwalt vertretenen Beschwerdeführer die durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen (Art. 159 Abs. 2 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 31. Januar 2005 aufgehoben.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Kanton Basel-Stadt auferlegt.
3.
Der Kanton Basel-Stadt hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Aufsichtskommission über die Advokaten des Kantons Basel-Stadt und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 23. August 2005
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: