Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
4C.166/2005 /ruo
Urteil vom 24. August 2005
I. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichterin Klett, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch,
Bundesrichter Nyffeler,
Gerichtsschreiber Arroyo.
Parteien
A.________ GmbH,
Klägerin und Berufungsklägerin,
vertreten durch Rechtsanwältin Ursula Sury,
gegen
B.________ AG,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
vertreten durch Rechtsanwalt Franz Hollinger.
Gegenstand
einfache Gesellschaft; Auflösung,
Berufung gegen das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Aargau vom 29. März 2005.
Sachverhalt:
A.
A.a Die A.________ GmbH (Klägerin) ist eine Gesellschaft mit Sitz im Kanton X.________, die sich mit Softwareentwicklung und der Integration von EDV-Lösungen befasst. Die B.________ AG (Beklagte) hat ihren Sitz in XY.________. Sie übernahm anlässlich einer Kapitalerhöhung am 26. Juni 2002 als Sacheinlage sämtliche Aktiven und Passiven des kommunalen Unternehmens "Industrielle Betriebe der Stadt XY.________" gemäss Bilanz per 1. Januar 2002.
Die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin verwendete für die Energieverrechnung einerseits und die Buchhaltung anderseits ursprünglich zwei voneinander unabhängige EDV-Systeme. In der Folge entschloss sie sich aber, ihre Informatikbedürfnisse mit einer Eigenentwicklung abzudecken. Zu diesem Zweck vereinbarte die Beklagte Ende 1996 mit der Klägerin, der C.________ sowie der D.________ GmbH eine Zusammenarbeit mit dem Ziel, eine Software zu entwickeln, welche nach der erfolgreichen Implementierung bei der Beklagten auch an andere industrielle Betriebe verkauft werden sollte.
Anfangs 1997 wurde das Projekt unter dem Namen "Z.________" gestartet. Die Klägerin und die C.________ übernahmen die Entwicklung der Software. Für ihre Leistungen stellten sie der Beklagten Fr. 100.-- pro Arbeitsstunde in Rechnung. Die Beklagte ihrerseits stellte ihr Know-how als Systemanwender und ein Büro mit Infrastruktur zur Verfügung. Die D.________ GmbH beteiligte sich nach wenigen Sitzungen nicht mehr am Projekt. Mitte 1999 zog sich auch die C.________ für ein Jahr aus dem Projekt zurück. Die von ihr zu leistende Entwicklungsarbeit wurde von der Klägerin übernommen.
A.b Ende März 2001 fand bei der Beklagten die Implementierung der neu entwickelten Energiefakturierungs-Software statt. Damit war aus Sicht der Klägerin die Entwicklungsarbeit beendet. Sie ersuchte daher die Beklagte am 27. August 2001 um einen Termin zur Besprechung der strategischen Vermarktung der aus dem Projekt entstandenen Software-Plattform. An der Sitzung vom 4. September 2001 erklärte der Direktor der Beklagten, diese wolle sich nicht aktiv an der Vermarktung der Software beteiligen. Weil die Energieverrechnung nicht funktionierte, war die Beklagte weiterhin auf die Dienste der Klägerin angewiesen. Die Klägerin wollte die weitere Zusammenarbeit ab September 2001 neu regeln, doch konnten sich die Parteien darüber nicht einigen. Am 30. Oktober 2001 erklärte sich die Klägerin bereit, ein letztes Mal ohne den von ihr verlangten Software-Service-Vertrag für die Beklagte tätig zu werden. Der Klägerin gelang es jedoch nicht, bei ihrem Arbeitseinsatz vom 3. November 2001 die Software-Probleme zu lösen. Die Beklagte ersetzte darauf die von der Klägerin entwickelte Software ab Mitte 2002 durch eine andere EDV-Lösung.
B.
Am 2. Februar 2004 stellte die Klägerin beim Handelsgericht des Kantons Aargau das Rechtsbegehren, die Beklagte sei zu verurteilen, ihr einen Betrag von Fr. 737'210.-- nebst 5% Zins seit wann rechtens zu bezahlen. Sie stellte sich auf den Standpunkt, nach der Vereinbarung habe sie ihre Entwicklungsarbeit als Projektbeitrag statt zum üblichen Honoraransatz von Fr. 200.-- pro Stunde zu einem solchen von Fr. 100.-- geleistet. Demgegenüber habe sich die Beklagte verpflichtet, die kommerzielle Vermarktung der Software zu übernehmen und damit ihren Kooperationsbeitrag zu leisten. Nachdem die Beklagte diesbezüglich vertragsbrüchig geworden sei, hafte sie für den daraus entstandenen Schaden der Klägerin.
Das Handelsgericht des Kantons Aargau wies die Klage mit Urteil vom 29. März 2005 ab. Das Gericht erwog, die Parteien seien Ende 1996/ anfangs 1997 zusammen mit der C.________ und der D.________ GmbH eine einfache Gesellschaft eingegangen; Zweck der Gesellschaft war die Entwicklung einer Software für die Beklagte, welche nach der erfolgreichen Implementierung bei der Beklagten auch an andere industrielle Betriebe verkauft werden sollte. Während die D.________ GmbH unmittelbar nach Projektstart aus der einfachen Gesellschaft ausschied, blieb die C.________ trotz eines einjährigen Arbeitsunterbruchs an den Projektarbeiten beteiligt. Spätestens Mitte 2002 ist die Erreichung des Gesellschaftszwecks unmöglich geworden und die Gesellschaft aufgelöst worden. Eine Liquidation hat jedoch nicht stattgefunden und allfällige Schadenersatzforderungen wären grundsätzlich von den Gesellschaftern für die Gesellschaft geltend zu machen. Das Gericht hielt zwar ausnahmsweise das Forderungsrecht der Klägerin auf Zahlung an sich selbst für zulässig; es liess jedoch offen ob, die Beklagte gesellschaftsvertragliche Pflichten verletzt habe, da die Klägerin den (angeblich) erlittenen Schaden nicht substanziiert habe.
C.
Mit Berufung stellt die Klägerin die Anträge, das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Aargau vom 29. März 2005 sei aufzuheben (Ziffer 1); die Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin einen Betrag von CHF 737'210.-- nebst Zins zu 5% seit wann rechtens zu bezahlen (Ziffer 2); die Sache sei zur materiellen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen (Ziffer 3). Sie rügt eine falsche Qualifikation des Vertrags, hält Werkvertragsrecht für anwendbar und bewertet ihre Leistung doppelt so hoch als von ihr in Rechnung gestellt. Die Klägerin stützt ihre Forderung als Folge der ausgebliebenen Distributionsleistungen der Beklagten auf Art. 62 ff. OR (ungerechtfertigter Bereicherung); eventuell auf Art. 531 Abs. 2 OR (paritätische Beitragspflicht der einfachen Gesellschafter).
D.
Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung, soweit darauf einzutreten sei.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach Art. 55 Abs. 1 lit. b OG ist in der Berufungsschrift genau anzugeben, welche Punkte des Entscheides angefochten und welche Abänderungen beantragt werden. Das Bundesgericht verlangt in konstanter Rechtsprechung die Bezifferung der Geldsumme, zu deren Zahlung die Gegenpartei verpflichtet werden soll. Anträge auf Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu neuer Entscheidung oder auf Verpflichtung der Gegenpartei zur Zahlung eines (unbezifferten) angemessenen Geldbetrages sind grundsätzlich ungenügend und haben das Nichteintreten auf die Berufung zur Folge. Der Antrag auf Zusprechung von Zins "seit wann rechtens" ist insofern unzulässig. Allerdings hat die Vorinstanz im angefochtenen Urteil keine Feststellungen zur Höhe der Forderung der Klägerin getroffen, so dass ohnehin nur die (in Ziffer 3 der Begehren sinngemäss eventualiter) beantragte Rückweisung in Betracht fällt (BGE 125 III 412 E. 1b S. 414 mit Verweisen). Darauf ist einzutreten, da die übrigen formellen Voraussetzungen der Berufung (Art. 43 ff. OG) erfüllt sind.
2.
Im Berufungsverfahren ist das Bundesgericht an die tatsächlichen Feststellungen der letzten kantonalen Instanz gebunden, wenn sie nicht offensichtlich auf Versehen beruhen, unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen (Art. 63 Abs. 2 OG) oder im Hinblick auf den Tatbestand einer anwendbaren Sachnorm ergänzungsbedürftig sind (Art. 64 OG). Werden solche Ausnahmen geltend gemacht, so hat die Partei, welche den Sachverhalt berichtigt oder ergänzt wissen will, darüber genaue Angaben mit Aktenhinweisen zu machen ( Art. 55 Abs. 1 lit. c und d OG ; BGE 130 III 102 E. 2.2 S. 106 mit Hinweisen). Blosse Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung ist im Berufungsverfahren unzulässig (BGE 127 III 73 E. 6a).
Die Klägerin stellt den Sachverhalt aus ihrer Sicht dar und verlangt die Ergänzung der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil. Sie behauptet dabei nicht, die Vorinstanz habe bundesrechtliche Beweisvorschriften verletzt oder aus Versehen gewisse Tatsachen unberücksichtigt gelassen. Insbesondere weist sie nicht nach, dass sie Beweisanträge form- und fristgerecht gestellt hätte, welche die Vorinstanz trotz behaupteter Erheblichkeit unberücksichtigt liess. Eine Ergänzung oder Abänderung des von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalts fällt ausser Betracht. Soweit die Klägerin ihre Rügen auf Tatsachen stützt, die von den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichen, oder die Beweiswürdigung kritisiert, ist sie nicht zu hören.
3.
Die Vorinstanz hat festgestellt, dass die Parteien zunächst mit zwei weiteren Vertragsparteien eine Zusammenarbeit vereinbarten mit dem Ziel, eine Software zu entwickeln. Dabei hofften alle Beteiligten, die zu erstellende Software nach Fertigstellung gewinnbringend an andere industrielle Betriebe veräussern zu können. Der Beitrag der Klägerin bestand in der Entwicklung der Software; jener der Beklagten in der Zurverfügungstellung ihres betrieblichen Know-hows, einschliesslich der relevanten Informationen über die sich damals anbahnende Liberalisierung des Strommarktes sowie eines komplett ausgerüsteten Büros. Ausserdem leistete die Beklagte im Rahmen der Software-Entwicklung pro Arbeitsstunde eine Vergütung von Fr. 100.-- an die Klägerin.
3.1 Die einfache Gesellschaft wird durch den gemeinsamen Zweck charakterisiert, den die Vertragsparteien verfolgen. Dabei können die von den Gesellschaftern zu erbringenden Beiträge in irgendwelchen vermögensrechtlichen oder persönlichen Leistungen bestehen (BGE 116 II 707 E. 2a mit Verweisen). Dies gilt entgegen der Ansicht der Klägerin auch im Bereich der Software-Entwicklung und wird entgegen ihrer Behauptung in der Lehre anerkannt. Danach kann Individualsoftware auch im Rahmen einer einfachen Gesellschaft entwickelt werden, z. B. für den Vertrieb von Branchensoftware (Gianni Fröhlich-Bleuler, Softwareverträge, Bern 2004, S. 18/N 46). Falls der Kunde durch Einbringen seines branchenspezifischen Fachwissens die Entwicklung massgebend mitgestaltet, wird die blosse Mitwirkungsobliegenheit des Kunden im Rahmen eines Werkvertrags vom gesellschaftlichen Beitrag etwa durch das Interesse des Einwicklers abgegrenzt, über die Vergütung hinaus Branchenwissen des Kunden zu erwerben, oder durch die Umsetzung von Anforderungen im Hinblick auf eine spätere Standardisierung der Software, die Bezeichnung eines Vorhabens als Pilotprojekt oder die gemeinschaftliche Berechtigung am Entwicklungsergebnis. All dies sind Indizien für das Vorliegen eines Gesellschaftsverhältnisses (Bernhard Heusler, Der Software-Entwicklungsvertrag, in Jörg/Arter [Hrsg.], Internet-Recht und IT-Verträge, Bern 2005, S. 57 f.).
3.2 Die Vorinstanz hat die bundesrechtlichen Prinzipien zur Abgrenzung der einfachen Gesellschaft gegenüber synallagmatischen Verträgen zutreffend dargestellt und angewandt, wenn sie aufgrund ihrer verbindlichen tatsächlichen Feststellungen auf eine einfache Gesellschaft unter den Beteiligten schloss. Die Parteien haben die zur Entwicklung einer Software für die Branche der industriellen Betriebe erforderlichen Mittel eingesetzt, indem insbesondere die Klägerin Arbeitsleistungen und die Beklagte neben finanziellen Beiträgen ihr betriebliches Know-how zur Verfügung stellte. Die Klägerin beschränkt sich auf eine von den Feststellungen im angefochtenen Urteil abweichende Darstellung des Sachverhalts sowie auf allgemeine Ausführungen zu - hier nicht vorliegenden - Verträgen, wenn sie vorbringt, die Parteien hätten kein gemeinsames Ziel angestrebt, sondern unterschiedliche Zwecke verfolgt. Die Rüge, die Vorinstanz habe bei der Qualifizierung des Vertrags Bundesrecht verletzt, ist unbegründet.
3.3 Die Klägerin hält ihre Forderung gegenüber der Beklagten auch für den Fall als gerechtfertigt, dass ihre Arbeitsleistung im Rahmen einer einfachen Gesellschaft erfolgt sei. Sie hält die Erwägung der Vorinstanz für bundesrechtswidrig, dass ihr im Falle einer Vermarktung der von ihr entwickelten Software kein höheres Honorar zugeflossen wäre und daher der Schaden nur in entgangenem Gewinn bestehen könne. Inwiefern die Vorinstanz Rechtsnormen verletzt haben könnte, geht jedoch aus der Begründung der Klägerin nicht hervor und ist auch nicht ersichtlich. Die Klägerin beanstandet, die Vorinstanz habe keine bzw. falsche Abklärungen über die Beiträge der Gesellschafter und deren Wert getroffen, was eine Verletzung von Bundesrecht darstelle. Sie setzt sich damit über die im angefochtenen Urteil bezüglich der Beitragsleistungen der Gesellschafter getroffenen, verbindlichen Feststellungen hinweg; die Klägerin übergeht im Übrigen, dass ihr Beitrag nach den ebenfalls verbindlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil gar nicht brauchbar war, weil die Energieverrechnung nicht funktionierte.
4.
Die Berufung ist weitgehend unzulässig. Im geringen Umfang, in dem die Klägerin zulässige Rügen vorbringt, ist das Rechtsmittel abzuweisen. Diesem Verfahrensausgang entsprechend ist ihr die Gerichtsgebühr zu auferlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Sie hat überdies der anwaltlich vertretenen Beklagten die Parteikosten zu ersetzen (Art. 156 Abs. 2 OG). Gebühr und Parteientschädigung bemessen sich nach dem Streitwert.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 9'000.-- wird der Klägerin auferlegt.
3.
Die Klägerin hat die Beklagte für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 10'000.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 24. August 2005
Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber: