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Original
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
H 185/04
Urteil vom 24. August 2005
I. Kammer
Besetzung
Präsident Borella, Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Ferrari, Schön und Ursprung; Gerichtsschreiber Flückiger
Parteien
S.________, 1948, Beschwerdeführer,
gegen
Ausgleichskasse Promea, Ifangstrasse 8, 8952 Schlieren, Beschwerdegegnerin
Vorinstanz
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
(Entscheid vom 30. August 2004)
Sachverhalt:
A.
Mit Verfügung vom 3. Juni 2003 setzte die Ausgleichskasse Promea gegenüber S.________ die persönlichen AHV/IV/EO-Beiträge auf dem Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit für das Jahr 2001 auf Fr. 31'798.20 (einschliesslich Verwaltungskosten) fest. Der Berechnung wurden ein von den Steuerbehörden gemeldetes Einkommen von Fr. 244'007.- und aufgerechnete persönliche Beiträge von Fr. 87'410.- zu Grunde gelegt.
S.________ liess Einsprache erheben und geltend machen, die persönlichen Beiträge für das Jahr 2001 hätten nicht Fr. 87'410.-, sondern lediglich Fr. 25'614.- betragen, und die Beitragsberechnung sei entsprechend zu korrigieren. Die Verwaltung hielt mit Einspracheentscheid vom 3. Oktober 2003 an ihrem Standpunkt fest.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab (Entscheid vom 30. August 2004).
C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt S.________ das Rechtsbegehren stellen, es seien die aufzurechnenden persönlichen Beiträge auf Fr. 25'614.- zu reduzieren und die Beiträge des Jahres 2001 dementsprechend auf Fr. 25'870.- festzusetzen.
Die Ausgleichskasse beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, eventuell die Reduktion der aufzurechnenden Beiträge auf Fr. 53'162.40. Das Bundesamt für Sozialversicherung schliesst auf Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde im Sinne seiner Ausführungen.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Da keine Versicherungsleistungen streitig sind, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob der vorinstanzliche Entscheid Bundesrecht verletzt, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).
Ferner ist Art. 114 Abs. 1 OG zu beachten, wonach das Eidgenössische Versicherungsgericht in Abgabestreitigkeiten an die Parteibegehren nicht gebunden ist, wenn es im Prozess um die Verletzung von Bundesrecht oder um die unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts geht.
2.
Streitig und zu prüfen sind die vom Beschwerdeführer für das Jahr 2001 zu entrichtenden Beiträge auf Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit. Umstritten ist dabei die Höhe der für die Bestimmung des beitragspflichtigen Einkommens aufzurechnenden persönlichen AHV/IV/EO-Beiträge.
2.1 Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit ist jedes Erwerbseinkommen, das nicht Entgelt für in unselbstständiger Stellung geleistete Arbeit darstellt (Art. 9 Abs. 1 AHVG). Das (beitragspflichtige) Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit wird laut Art. 9 Abs. 2 AHVG ermittelt, indem vom hierdurch erzielten rohen Einkommen bestimmte Abzüge vorgenommen werden. Nicht abzugsfähig sind gemäss Art. 9 Abs. 2 lit. d Satz 2 in Verbindung mit Art. 8 AHVG die persönlichen AHV/IV/EO-Beiträge. Das Gesetz trägt damit dem Umstand Rechnung, dass auch beim beitragspflichtigen Erwerbseinkommen der Unselbstständigerwerbenden kein derartiger Abzug gestattet ist (BGE 111 V 291 Erw. 2).
2.2 Das Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit und das im Betrieb eingesetzte eigene Kapital werden von den kantonalen Steuerbehörden ermittelt und den Ausgleichskassen gemeldet (Art. 9 Abs. 3 AHVG). Die Steuerbehörden ermitteln das für die Berechnung der Beiträge massgebende Erwerbseinkommen auf Grund der rechtskräftigen Veranlagung für die direkte Bundessteuer (Art. 23 Abs. 1 Satzteil 1 AHVV). Da die persönlichen AHV/IV/EO-Beiträge bei der Berechnung des steuerbaren Einkommens zum Abzug zugelassen sind (Art. 33 Abs. 1 lit. d und f DBG), während dies im Beitragsrecht nicht zutrifft, hat jedoch in diesem Umfang eine Aufrechnung stattzufinden. Nach der bis 31. Dezember 2000 gültig gewesenen Regelung war es Sache der Ausgleichskasse, auf Grund ihrer Unterlagen diese Aufrechnung vorzunehmen (BGE 111 V 291 ff. Erw. 3). Dabei hatte sie die Wahl, entweder die während der Bemessungsperiode verfügten bzw. in Rechnung gestellten oder die bezahlten Beiträge - jeweils ohne Verwaltungskosten (BGE 111 V 296 Erw. 4a am Ende) - aufzurechnen (BGE 111 V 301 f. Erw. 4g). Diese Regelung führte dazu, dass der aufgerechnete Betrag nur in den wenigsten Fällen genau mit den wirklich abgezogenen Beiträgen übereinstimmte (Urteil N. vom 22. Oktober 2002, H 453/00, Erw. 3.3). Um dies zu ändern, legt nun Art. 27 Abs. 1 Satz 2 AHVV in der seit 1. Januar 2001 geltenden Fassung fest, bereits die Steuerbehörden hätten in Abzug gebrachte AHV/IV/EO-Beiträge wieder aufzurechnen.
3.
Aus der am 2. Juni 2003 bei der Ausgleichskasse eingegangenen Steuermeldung ging die Höhe der AHV/IV/EO-Beiträge nicht hervor, welche im Rahmen der rechtskräftigen Veranlagung für die direkte Bundessteuer 2001 einkommensmindernd berücksichtigt worden waren. Auf Rückfrage der Kasse hin erklärten die Steuerbehörden am 16. September 2003, sie seien nicht in der Lage, die Höhe dieses Abzugs festzustellen. Die in Art. 27 Abs. 1 Satz 2 AHVV vorgesehene Aufrechnung war demnach nicht erfolgt. Es stellt sich daher die Frage, wie in einer derartigen Situation vorzugehen ist.
3.1 Die Vorinstanz stellt sich auf den Standpunkt, wenn die seit 1. Januar 2001 geltende neue Regelung im Einzelfall nicht umgesetzt werden könne, sei es sachgerecht, die aufzurechnenden Beiträge nach dem bis Ende 2000 angewendeten Verfahren zu bestimmen. Die Ausgleichskasse habe daher richtigerweise, entsprechend ihrer früheren Praxis, die im Beitragsjahr in Rechnung gestellten Beiträge von insgesamt Fr. 87'410.- (Nachzahlung für 2000 plus Akontozahlungen für 2001) aufgerechnet. Demgegenüber vertritt das BSV die Ansicht, in einem derartigen Fall habe das kantonale Gericht die Steuerbehörden zu beauftragen, die Höhe der im Steuerverfahren abgezogenen persönlichen Beiträge zu eruieren und zu melden. Der Beschwerdeführer schliesslich spricht sich dafür aus, die Beiträge direkt auf dem Einkommen des jeweiligen Beitragsjahres zu berechnen, wie es die Weisungen des BSV zu einem früheren Zeitpunkt vorgesehen hatten (vgl. BGE 111 V 298 oben Erw. 4d).
3.2 Es trifft zwar zu, dass es für die Steuerbehörden nicht immer einfach ist, der Ausgleichskasse die persönlichen Beiträge zu melden, insbesondere wenn diese in der Buchhaltung des Steuerpflichtigen nicht separat ausgewiesen werden. Diese Vollzugsschwierigkeiten ändern jedoch nichts an der grundsätzlichen, in Art. 27 Abs. 1 Satz 2 AHVV ausdrücklich statuierten Verpflichtung der Steuerbehörden, die massgeblichen Angaben zu liefern. Dabei müssen die Bemessungsperioden des Abzugs und der Aufrechnung übereinstimmen. Denn der Zweck der Aufrechnung besteht darin, eine steuerrechtlich zulässige Operation rückgängig zu machen (BGE 111 V 296 Erw. 4a). Dementsprechend hat der Beitragspflichtige Anspruch darauf, dass ihm genau jener Betrag aufgerechnet wird, welcher bei den Steuern abgezogen wurde.
3.3 Erweist sich das in Art. 27 Abs. 1 AHVV aufgezeichnete Vorgehen im Einzelfall als nicht durchführbar, so tritt eine vergleichbare Situation ein, wie wenn die Steuerbehörden überhaupt keine Meldung erstatten können. Es rechtfertigt sich deshalb, die für diese Konstellation in Art. 23 Abs. 5 AHVV vorgesehene Regelung analog anzuwenden. Die Ausgleichskasse hat dementsprechend die Beiträge auf Grund der ihr zur Verfügung stehenden Daten selbst einzuschätzen. Der Beitragspflichtige hat ihr, wie Satz 2 der genannten Bestimmung ausdrücklich klarstellt (vgl. auch Art. 28 Abs. 1 ATSG), die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und auf Verlangen Unterlagen einzureichen. Die Kasse ist also - im Hinblick auf das Ziel, genau den bei den Steuern abgezogenen Betrag aufrechnen zu können - gehalten, konkrete Abklärungen über die Höhe der in der Steuerveranlagung berücksichtigten persönlichen Beiträge zu treffen. Insbesondere hat sie beim Pflichtigen die Angaben einzufordern, welche es erlauben, festzustellen, wie hoch der in der Buchhaltung und Steuererklärung vorgenommene Abzug für die persönlichen AHV/IV/EO-Beiträge war und in welcher Weise er in die rechtskräftige Veranlagung eingeflossen ist. Erst wenn der Pflichtige dieser Aufforderung nicht nachkommt, indem er keine hinreichend aussagekräftigen Informationen und Unterlagen liefert, rechtfertigt es sich, die aufzurechnenden Beiträge unabhängig von einem konkreten Nachweis festzusetzen. In diesem späteren Stadium kommt von Bundesrechts wegen grundsätzlich sowohl eine Orientierung an den verfügten, in Rechnung gestellten oder bezahlten Beiträgen als auch eine Berechnung in Prozenten des im Bemessungsjahr erzielten Einkommens in Frage. Ein derartiges Vorgehen ist jedoch, wie dargelegt, erst zulässig, wenn der Versuch gescheitert ist, beim Pflichtigen die für die genaue Bezifferung des steuerlichen Abzugs notwendigen Informationen einzuholen.
4.
Nach dem Gesagten hätte die Ausgleichskasse, als sich das Verfahren gemäss Art. 27 Abs. 1 AHVV als undurchführbar erwiesen hatte, zunächst den Beschwerdeführer auffordern müssen, ihr die notwendigen Angaben zur Ermittlung des in die Steuerveranlagung eingeflossenen Abzugs für die persönlichen AHV/IV/EO-Beiträge zu liefern. Erst im Falle einer Verweigerung der in Art. 23 Abs. 5 Satz 2 AHVV statuierten Mitwirkungspflicht wäre das gewählte Vorgehen zulässig gewesen. Die Sache ist deshalb an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen, damit sie im dargelegten Sinn verfahre und die streitigen Beiträge neu festlege.
5.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 OG). Infolge der Rückweisung gilt der Beschwerdeführer als obsiegend (BGE 110 V 57 Erw. 3a; SVR 1999 IV Nr. 10 S. 28 Erw. 3). Dementsprechend sind die Gerichtskosten, welche auf Fr. 800.- festgesetzt werden (Art. 153a in Verbindung mit Art. 135 OG; Tarif über die Gerichtsgebühren im Verfahren vor dem Bundesgericht vom 31. März 1992), der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen. Der Beschwerdeführer hat Anspruch auf eine Parteientschädigung zu Lasten der Ausgleichskasse (Art. 159 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 135 OG).
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 30. August 2004 und der Einspracheentscheid vom 3. Oktober 2003 aufgehoben werden und die Sache an die Ausgleichskasse Promea zurückgewiesen wird, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über die Beiträge auf dem Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit für das Jahr 2001 neu verfüge.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Ausgleichskasse Promea auferlegt.
3.
Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 4500.- wird dem Beschwerdeführer zurückerstattet.
4.
Die Ausgleichskasse Promea hat dem Beschwerdeführer für das kantonale Verfahren und das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 1500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 24. August 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der I. Kammer: Der Gerichtsschreiber: