Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
1P.497/2005 /ggs
Urteil vom 2. September 2005
I. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Nay, Aeschlimann,
Gerichtsschreiberin Scherrer.
Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dr. Stefan Suter,
gegen
Bezirksamt Rheinfelden, Kirchplatz 2, 4310 Rheinfelden,
Präsidium der Beschwerdekammer des Obergerichts des Kantons Aargau, Obere Vorstadt 38, 5000 Aarau.
Gegenstand
Haftentlassung,
Staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verfügung des Präsidiums der Beschwerdekammer des Obergerichts des Kantons Aargau vom 25. Juli 2005.
Sachverhalt:
A.
Das Bezirksamt Rheinfelden führt gegen X.________ eine Strafuntersuchung wegen des Verdachts auf Geldwäscherei im Zusammenhang mit Erlösen aus dem Drogenhandel. Der Beschuldigte wurde am 25. Mai 2005 verhaftet. Mit Verfügung des Präsidenten der Beschwerdekammer in Strafsachen des Aargauer Obergerichtes vom 13. Juni 2005 wurde die Untersuchungshaft bis zum 31. Juli 2005 verlängert.
Hierauf ersuchte der Beschuldigte mit Schreiben vom 5. Juli 2005 beim Bezirksamt Rheinfelden um Haftentlassung. Das Bezirksamt wies das Begehren mit Entscheid vom 6. Juli 2005 ab. Dagegen gelangte der Beschuldigte an das Präsidium der Beschwerdekammer in Strafsachen, welches die Beschwerde am 25. Juli 2005 abwies, weil der dringende Tatverdacht auch in Bezug auf die von Art. 305bis StGB vorausgesetzte verbrecherische Vortat bestehe.
B.
Mit Eingabe vom 16. August 2005 erhebt X.________ staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die sofortige Haftentlassung.
Das Präsidium der Beschwerdekammer in Strafsachen des Aargauer Obergerichtes verzichtet unter Hinweis auf den angefochtenen Entscheid auf eine Vernehmlassung und schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bezirksamt Rheinfelden hält fest, aufgrund der heute vorliegenden Untersuchungsergebnisse sei der dringende Verdacht der Geldwäscherei gegen den Beschuldigten begründet. Zurzeit würden noch verschiedene Untersuchungshandlungen laufen, welche es notwendig machten, den Beschwerdeführer in Untersuchungshaft zu behalten.
In seiner Replik vom 29. August 2005 bestreitet der Beschwerdeführer, mit Drogenhandel irgendetwas zu tun gehabt oder etwas davon gewusst zu haben. Die Annahmen des Bezirksamtes Rheinfelden seien derart vage und unsubstantiiert, dass eine Untersuchungshaft nach dieser Haftdauer nicht gerechtfertigt werden könne.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Beschwerdeführer beantragt neben der Aufhebung des angefochtenen Entscheids die sofortige Haftentlassung. Dieses Begehren ist in Abweichung vom Grundsatz der kassatorischen Natur der staatsrechtlichen Beschwerde zulässig, da im Falle einer nicht gerechtfertigten strafprozessualen Haft die von der Verfassung geforderte Lage nicht schon mit der Aufhebung des angefochtenen Entscheids, sondern erst durch eine positive Anordnung hergestellt werden kann (BGE 129 I 129 E. 1.2.1 S. 131 f.; 124 I 327 E. 4b/aa S. 333, je mit Hinweisen).
2.
Der Beschwerdeführer machte eine Verletzung der persönlichen Freiheit geltend, da weder ein dringender Tatverdacht, noch Kollusions- oder Fluchtgefahr bestünden.
2.1 Bei staatsrechtlichen Beschwerden, die gestützt auf das verfassungsmässige Recht der persönlichen Freiheit gegen die Haftanordnung erhoben werden, prüft das Bundesgericht im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs die Auslegung und Anwendung des entsprechenden kantonalen Rechts frei. Soweit jedoch reine Sachverhaltsfragen und damit Fragen der Beweiswürdigung zu beurteilen sind, greift das Bundesgericht nur ein, wenn die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Instanz willkürlich sind (BGE 123 I 31 E. 3a S. 35, 268 E. 2d S. 271, je mit Hinweisen).
2.2 Gemäss § 67 des kantonalen Gesetzes über die Strafrechtspflege vom 11. November 1958 (Strafprozessordnung, StPO/AG; SAR 251.100), darf gegen den Beschuldigten Haftbefehl nur erlassen werden, wenn er einer mit Freiheitsstrafe bedrohten Handlung dringend verdächtig und ausserdem eine der folgenden Voraussetzungen gegeben ist: Flucht oder Fluchtgefahr (Abs. 1 Ziff. 1), oder Anzeichen, welche den Verdacht begründen, dass der Beschuldigte Spuren der Tat vernichten, Zeugen oder Mitschuldige zu falscher Aussage verleiten oder sonst den Zweck der Untersuchung gefährden werde (Abs. 1 Ziff. 2).
2.3 Die kantonalen Behörden verdächtigen den Beschwerdeführer der Geldwäscherei im Zusammenhang mit Erlösen aus dem Drogenhandel. Art. 305bis StGB sieht eine Gefängnisstrafe oder Busse vor für jeden, der eine Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Ermittlung der Herkunft, die Auffindung oder die Einziehung von Vermögenswerten zu vereiteln, die, wie er weiss oder annehmen muss, aus einem Verbrechen herrühren. Der Beschwerdeführer macht vorab insbesondere geltend, es bestehe kein dringender Tatverdacht für die verbrecherische Vortat, welche für den Tatbestand der Geldwäscherei vorausgesetzt werde. Er sei im Devisenhandel tätig. Geldwechsel gehöre seit Jahrhunderten zu einer legalen kaufmännischen Tätigkeit. Es sei willkürlich und verletze das Grundrecht der persönlichen Freiheit, aus einer legalen Tätigkeit auf den Straftatbestand der Geldwäscherei zu schliessen. Der einzige Hinweis, den der angefochtene Entscheid aufführe, sei die teilweise Kontaminierung der bei der Haussuchung gefundenen Geldscheine mit Kokain. Seltsamerweise hätten es die Strafverfolgungsbehörden abgelehnt, die Vortat jeweils konkret als Kokainhandel zu bezeichnen. Der Beschwerdeführer habe offensichtlich nichts damit zu tun. Es sei viel eher davon auszugehen, dass ihm ohne sein Wissen im Einzelfall kontaminierte Noten überreicht worden seien. Die weiteren Begründungen im angefochtenen Entscheid hält er ebenfalls allesamt für unzureichend, um den dringenden Tatverdacht der Geldwäscherei zu rechtfertigen.
2.4 Im Gegensatz zum erkennenden Sachgericht hat das Bundesgericht bei der Überprüfung des allgemeinen Haftgrundes des dringenden Tatverdachtes keine erschöpfende Abwägung sämtlicher belastender und entlastender Beweisergebnisse vorzunehmen. Macht ein Inhaftierter geltend, er befinde sich ohne ausreichenden Tatverdacht in strafprozessualer Haft, ist vielmehr allein zu prüfen, ob aufgrund der bisherigen Untersuchungsergebnisse genügend konkrete Anhaltspunkte für eine Straftat und eine Beteiligung des Beschwerdeführers an dieser Tat vorliegen, die kantonalen Behörden somit das Bestehen eines dringenden Tatverdachts mit vertretbaren Gründen bejahen durften. Im Haftprüfungsverfahren genügt dabei der Nachweis von konkreten Verdachtsmomenten, wonach das inkriminierte Verhalten mit erheblicher Wahrscheinlichkeit die fraglichen Tatbestandsmerkmale erfüllen könnte (BGE 116 Ia 143 E. 3c S. 146). Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen lässt dabei nur wenig Raum für ausgedehnte Beweismassnahmen. Zur Frage des dringenden Tatverdachtes bzw. zur Schuldfrage hat der Haftrichter weder ein eigentliches Beweisverfahren durchzuführen, noch dem erkennenden Strafrichter vorzugreifen. Vorbehalten bleibt allenfalls die Abnahme eines liquiden Alibibeweises (BGE 124 I 208 E. 3 S. 210 mit Hinweisen).
2.5
2.5.1 Der Vizepräsident der Beschwerdekammer fasst im angefochtenen Entscheid zunächst zusammen, der Beschwerdeführer habe am 8. Juni 2005 dargelegt, er kaufe in der Schweiz mit Schweizerfranken Euros, fahre mit diesen Euros in die Türkei und wechsle sie dort in türkische Lira um. Mit den Lira kaufe er in verschiedenen Devisenbüros in der Türkei Schweizerfranken, um dann diese Schweizerfranken umgehend in der Schweiz oder in Deutschland wiederum zu wechseln. Der Ertrag aus diesen Wechseltransaktionen komme ihm zugute. Mit dieser Methode habe er zusammen mit einem Kollegen rund 5 Millionen Schweizerfranken gewechselt. Der Beschwerdeführer habe bis heute keine plausible Erklärung dafür gegeben, wie er in den Besitz der grossen Geldbeträge gekommen sei, die er für seine Wechseltätigkeit benötigt habe. Auch wenn er zu Recht festhalte, dass der Besitz grosser Geldmengen allein nicht ausreiche, einen dringenden Tatverdacht zu begründen, würden im vorliegenden Fall derart viele Umstände darauf hinweisen, dass grosse Geldbeträge aus verbrecherischen Quellen herrühren könnten, dass der Tatverdacht zu bestätigen sei. Die beim Beschwerdeführer anlässlich der Hausdurchsuchung vom 25. Mai 2005 gefundenen Fr. 44'000.-- in Noten seien im Institut für Rechtsmedizin in Bern untersucht worden und hätten eine lückenlose Kontamination mit Kokain ergeben. Damit sei der dringende Verdacht, dass das vom Beschwerdeführer gewechselte Geld aus dem Drogenhandel stamme, nachgewiesen. Hinzu komme, dass die grossen beim Beschwerdeführer vorgefundenen Geldmengen kaum erklärt werden könnten. Der Umstand, dass der mitverdächtigte Kollege sich einer Verhaftung im Kanton Zürich durch Flucht entzogen habe (dazu sogleich E. 2.5.2), weise jedenfalls nicht auf legalen Devisenhandel hin.
2.5.2 Weiter befürchtet der Vizepräsident der Beschwerdekammer eine erhebliche Fluchtgefahr. Im Zusammenhang mit der Verhaftung des Beschwerdeführers sei gemäss Bericht der Kantonspolizei Aargau vom 20. Juli 2005 geplant gewesen, den mit dem Beschwerdeführer zusammenarbeitenden türkischen Kollegen im Kanton Zürich ebenfalls zu verhaften. Aufgrund einer schlechten Koordination dieser Verhaftung sei dieser Kollege gewarnt worden und seither flüchtig. Diese Flucht sei nur schwierig begründbar, wenn es sich bei der Tätigkeit des Beschwerdeführers und seines Kollegen tatsächlich um legalen Devisenhandel handle. Gleichzeitig sei auch beim Beschwerdeführer, welcher ebenfalls türkischer Staatsangehöriger sei, von einer erheblichen Fluchtgefahr auszugehen.
2.5.3 Aus dem Bericht der Kantonspolizei Aargau vom 20. Juli 2005 ergebe sich weiter, dass ein Teil der beim Beschwerdeführer vorgefundenen Gelder von einem weiteren Kollegen stamme. Dieser sei Asylbewerber und habe nur über ein geringes Einkommen verfügt, weshalb auch bei diesem schwerlich erklärbar sei, wie er in den Besitz von mehreren Fr. 10'000.-- habe kommen können. Im Zusammenhang mit einer Schiesserei vom 8. Juli 2005 sei dieser Kollege verhaftet worden. Auslöser der Schiesserei sei nach ersten Erkenntnissen die Ausleihe von grösseren 5-stelligen Geldbeträgen gewesen. Auch in dieser Hinsicht bestehe ein zusätzlicher dringender Tatverdacht, dass das vom erwähnten Kollegen an den Beschwerdeführer weitergereichte Geld aus verbrecherischen Handlungen herrühren könnte, weshalb die entsprechenden Ermittlungen weiter geführt werden müssten und beim Beschwerdeführer diesbezüglich eine erhebliche Kollusionsgefahr bestehe.
2.6 Diese Argumentation ist durchaus nachvollziehbar und schlüssig. Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers waren die bei ihm vorgefundenen Geldscheine nicht nur vereinzelt mit Kokain kontaminiert, sondern allesamt. Auch ist nicht willkürlich, wenn die kantonalen Behörden das Verhalten des mitverdächtigten, flüchtigen Kollegen - der unbestrittenermassen mit dem Beschwerdeführer zusammenarbeitete - als Indiz dafür werten, dass das zu wechselnde Geld aus einer strafbaren Vortat stammte, um welche die Beteiligten zu wissen scheinen. Aufgrund der vom Vizepräsidenten der Beschwerdekammer aufgeführten Verdachtsmomente ist den kantonalen Strafverfolgungsbehörden kein Vorwurf zu machen, wenn sie sowohl den allgemeinen Haftgrund des dringenden Tatverdachts wie auch die besonderen Haftgründe der Kollusions- und Fluchtgefahr bejaht haben. Indem der Beschwerdeführer lediglich pauschal bestreitet, dass die beträchtlichen investierten Geldsummen verbrecherischen Ursprungs seien, zeigt er nicht auf, inwiefern der angefochtene Entscheid verfassungswidrig sein soll.
Wie sich aus der Vernehmlassung des Bezirksamtes Rheinfelden vom 22. August 2005 ergibt, wurde inzwischen offenbar ein weiterer Bekannter des Beschwerdeführer, welcher bei dessen Geschäften mitgewirkt haben soll, am 19. August 2005 einer polizeilichen Kontrolle unterzogen, anlässlich welcher 3 kg Marihuana in dessen Auto sichergestellt wurden. Dieser arbeitslose Kollege, welcher aktiv mit dem Beschwerdeführer zusammen gearbeitet habe, habe nachweislich Fr. 90'000.-- gewechselt und verweigere zu dieser Transaktion die Aussage. Das Bezirksamt führt überdies einen weiteren Zwischenfall auf: Bei der Anhaltung des inzwischen flüchtigen Kollegen (siehe E. 2.5.2) und eines weiteren Verdächtigen wurden am 31. Oktober 2004 in deren Auto ca. 400 g Haschisch sichergestellt. Der beim einen Kollegen vorgefundene Geldbetrag in der Höhe von 30'175 Euro stammte vom Beschwerdeführer. Das Auto sei vom Beschwerdeführer mit dessen Kreditkarte gemietet worden. Das Bezirksamt bringt diese zusätzlichen Verdachtsmomente zwar erst im bundesgerichtlichen Vernehmlassungsverfahren vor, indes konnte der Beschwerdeführer im Rahmen des zweiten Schriftenwechsels dazu Stellung nehmen. Er bestreitet diese Annahmen als vage und unsubstantiiert, legt jedoch nicht dar, weshalb die Ausführungen des Bezirksamtes den dringenden Tatverdacht der strafbaren Vortat nicht nahe legen sollen.
Insgesamt vermögen die Rügen des Beschwerdeführers, soweit sie den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG überhaupt genügen, keine Verfassungswidrigkeit der Untersuchungshaft darzutun. Im Rahmen der dem Bundesgericht zustehenden Kognition (E. 2.4), sind die Schlussfolgerungen der kantonalen Strafbehörden nicht zu beanstanden.
3.
Demzufolge ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Verfahrensausgang hat der Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG). Parteientschädigungen sind keine zuzusprechen (Art. 159 Abs. 2 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bezirksamt Rheinfelden und dem Präsidium der Beschwerdekammer des Obergerichts des Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 2. September 2005
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: