Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Original
 
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
4C.59/2005 /ruo
Urteil vom 22. September 2005
I. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Rottenberg Liatowitsch, Kiss,
Gerichtsschreiber Huguenin.
Parteien
A.________ GmbH & Co. KG,
Klägerin und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jakob Rhyner,
gegen
B.________,
Beklagte und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Peter Bürki,
Gegenstand
Werkvertrag; Passivlegitimation,
Berufung gegen den Entscheid des Kantonsgerichts
St. Gallen, III. Zivilkammer, vom 28. Oktober 2004.
Sachverhalt:
A.
B.________ (Beklagte) ist Eigentümerin der Liegenschaft Strasse X.________ in W.________, in welcher sich unter anderem das Restaurant "Y.________" befindet. Die Liegenschaft wurde im Jahre 2001 umgebaut, wobei die C.________ Anstalt, V.________, Architektur- und die A.________ GmbH und Co. KG (Klägerin) Schreinerarbeiten erbrachten, welche sie der Beklagten als Eigentümerin der Liegenschaft und Bauherrin in Rechnung stellten. Diese verweigerte die Bezahlung mit der Begründung, ihr geschiedener Ehemann, D.________, sei alleiniger Schuldner. Er sei es, der die Verhandlungen geführt und die Aufträge erteilt habe. Sie selbst habe nie mit dem Umbau zu tun oder jemals Kontakt mit der Architektin oder der Unternehmerin gehabt.
Die Ehe zwischen der Beklagten und D.________ wurde am 5. Juni 2001 geschieden.
B.
Mit Eingabe vom 12. August 2002 belangten die C.________ Anstalt sowie die Klägerin die Beklagte vor dem Bezirksgericht Sargans (heute: Kreisgericht Werdenberg-Sargans) auf Zahlung von Fr. 64'688.-- nebst Zins an die C.________ Anstalt und von Fr. 116'206.30 nebst 5 % Zins seit 15. Januar 2002 an die Klägerin. Das Kreisgericht Werdenberg-Sargans schützte am 27. August 2003 beide Klagen vollumfänglich.
C.
Auf Berufung der Beklagten bestätigte das Kantonsgericht St. Gallen, III. Zivilkammer, am 28. Oktober 2004 das erstinstanzliche Urteil mit Bezug auf die Klage der C.________ Anstalt (nachfolgend: Architektin), wies aber jene der Klägerin ab. Das Kassationsgericht des Kantons St. Gallen hat eine Beschwerde der Klägerin am 8. Juli 2005 abgewiesen, soweit es darauf eintrat.
D.
Die Klägerin beantragt dem Bundesgericht mit eidgenössischer Berufung, den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen vom 28. Oktober 2004, soweit sie davon betroffen ist, aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr Fr. 116'206.30 nebst Zins zu 5 % seit dem 15. Januar 2002 zu bezahlen. Eventuell sei die Streitsache zu neuer Beurteilung an das Kantonsgericht zurückzuweisen. Die Beklagte schliesst auf kostenfällige Abweisung der Berufung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Fest steht nach dem angefochtenen Urteil, dass die Beklagte gegenüber der Klägerin nie als Bestellerin in Erscheinung getreten ist. Die Verhandlungen geführt und die Verträge geschlossen hat einzig D.________. Die Vorinstanz prüfte mit Bezug auf beide Klagparteien gesondert, ob diese nach Treu und Glauben berechtigt waren, die Rechtshandlungen von D.________ der Beklagten zuzurechnen, weil sie ihn als deren Stellvertreter betrachten durften und mussten.
1.1 Was die Architektin anbelangt, bejahte die Vorinstanz diese Frage und damit die Klageberechtigung gegenüber der Beklagten. Zwar sei in einer ersten Phase D.________ als Eigentümer und Bauherr aufgetreten, und er habe den Architekturvertrag in eigenem Namen ausgehandelt. Die Architektin habe D.________ denn auch im Baugesuch vom 3. April 2001 als Bauherrn aufgeführt. Mit Schreiben vom 4. April 2001 an die Architektin habe dann aber das Bauamt W.________ die Unterschrift der Grundeigentümerin auf dem Baugesuch verlangt und als solche die Beklagte genannt. Diese habe die geforderte Unterschrift geleistet und werde auf der Bauanzeige des Gemeindepräsidiums W.________ vom 22. Mai 2001 als einzige unter der Rubrik "Bauherrschaft" aufgeführt. Auch die Baubewilligung vom 18. Juni 2001 sei auf die Beklagte ausgestellt und an sie adressiert worden. Weder die Beklagte noch D.________ hätten je korrigierend eingegriffen. Die Architektin sei gestützt auf diese ihr bekannten Umstände davon ausgegangen, das Vertragsverhältnis sei auf die Beklagte übergegangen und D.________ habe als Stellvertreter der Beklagten gehandelt, wozu sie aufgrund der dargelegten Umstände nach Treu und Glauben auch berechtigt gewesen sei.
1.2 Zu einem anderen Ergebnis gelangte die Vorinstanz mit Bezug auf die Klägerin. Diese habe zu den Umständen des Abschlusses des Vertrages, auf den sie ihre Forderung stützte, dürftige Angaben gemacht. Sie habe ausgeführt, direkt mit D.________ verkehrt und diesem den Auftrag am 4. September 2001 bestätigt zu haben, was D.________ seinerseits auf der Zweitschrift am 17. September 2001 unterschriftlich bekräftigt habe. Die Lieferung sei im Oktober und November, die Rechnung mit detaillierter Zusammenstellung der geleisteten Arbeiten am 5. Dezember 2001 an die gleiche im Computer erfasste Adresse in W.________ erfolgt.
Nach dem angefochtenen Urteil hat die Klägerin weder den tatsächlichen Willen noch die Kundgabe der Vollmacht zur Vertretung der Beklagten behauptet, sondern vielmehr selbst geltend gemacht, sich auf das Verhalten von D.________ verlassen zu haben, der sich ihr gegenüber als Eigentümer und Bauherr in Sachen Restaurant Y.________ aufgespielt habe. Die Klägerin habe nicht erläutert, ab welchem Zeitpunkt sie D.________ als Vertreter betrachtet habe, und sie habe keine bestimmten Umstände angeführt, aufgrund derer sich ihr Eindruck geändert hätte. Die Vorinstanz folgte daher dem erstinstanzlichen Gericht nicht, das eine Vertretungswirkung kraft Vertrauens bejahte, weil "zweifellos" die entsprechenden Unterlagen der Klägerin vorgelegen haben mussten und weil üblicherweise auch ein direkter Kontakt zwischen dem Architekten und dem einzelnen Unternehmer stattfinde, so dass die Klägerin bei den Gesprächen mit D.________ den gleichen Wissensstand wie die Architektin gehabt habe. Bei diesen Annahmen des erstinstanzlichen Gerichts handelt es sich nach Auffassung der Vorinstanz nicht um generell gültige Vorgaben, die ohne Substanziierung oder gar ohne Behauptung als gegeben anzunehmen wären. Die Klägerin sei aber ihrer Substanziierungs-, jedenfalls ihrer Beweisobliegenheit in Bezug auf die Umstände, welche sie nach Treu und Glaube zur Annahme berechtigten hätten, D.________ sei von der Beklagten bevollmächtigt gewesen, nicht nachgekommen. Sie habe somit die Voraussetzungen für eine Vertretungswirkung kraft Vertrauens nicht nachgewiesen, weshalb es an einer Grundlage für die Ansprüche gegenüber der Beklagten fehle.
2.
2.1 Die Klägerin bringt in der Berufung vor, die Vorinstanz habe die Honorarabrechnung der Architektin schlicht übersehen. Daraus hätten sich die Architektenleistungen und aus diesen wiederum implizit der Kontakt zwischen Architektin und Klägerin sowie der Umstand ergeben, dass die Klägerin die Unterlagen der Architektin gekannt und über denselben Wissensstand wie diese verfügt habe.
2.2 Die Berichtigung eines offensichtlichen Versehens, welche es dem Gericht nach Art. 63 Abs. 2 OG ausnahmsweise gestattet, von den Tatsachenfeststellungen der letzten kantonalen Instanz abzuweichen, kommt nur in Frage, wenn sich die Feststellung auf einen entscheidrelevanten Umstand bezieht (BGE 128 III 163 E. 3b S. 167; 95 II 503 E. 2a S. 506 f.).
Wenngleich die Vorinstanz im angefochtenen Urteil erwähnt, die Annahmen des erstinstanzlichen Gerichts fänden in den Akten keine Stütze, kommt dieser Passage des angefochtenen Urteils entgegen der Meinung der Klägerin keine selbständige Bedeutung zu. Die Abweisung der Klage wurde vielmehr in erster Linie damit begründet, dass die Klägerin nicht substanziiert behauptet habe, aus welchen Umständen sie auf ein Vertretungsverhältnis geschlossen habe. Die Klägerin legt in der Berufung nicht dar, im kantonalen Verfahren unter Hinweis auf die Honorarrechnung der Architektin ausgeführt zu haben, dass sie sämtliche der Architektin zur Verfügung stehenden Akten ebenfalls eingesehen habe. Wenn die Vorinstanz bei dieser Sachlage aus dem betreffenden Aktenstück nichts ableitet, kann darin von vornherein kein offensichtliches Versehen im Sinne von Art. 63 Abs. 2 OG liegen.
3.
3.1 Gemäss Art. 55 Abs. 1 lit. c OG muss in der Berufungsschrift dargelegt werden, welche Bundesrechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind. Zwar ist eine ausdrückliche Nennung bestimmter Gesetzesartikel nicht erforderlich, falls aus den Vorbringen hervorgeht, gegen welche Regeln des Bundesrechts die Vorinstanz verstossen haben soll. Unerlässlich ist aber, dass auf die Begründung des angefochtenen Urteils eingegangen und im Einzelnen dargetan wird, worin eine Verletzung von Bundesrecht liegen soll (BGE 121 III 397 E. 2a S. 400; 116 II 745 E. 3 S. 748 f.).
Soweit die Klägerin diese Schranken missachtet und sich in allgemeiner Kritik am angefochtenen Urteil ergeht, ist auf ihre Berufung nicht einzutreten. Das gilt für ihr Vorbringen, die Auffassung der Vorinstanz, wonach es substanziierte Behauptungen und Beweise brauche, um annehmen zu können, die Klägerin habe sämtliche der Architektin zur Verfügung stehenden Unterlagen gekannt und über den gleichen Wissensstand wie letztere verfügt, sei "zu akademisch und weltfremd", weshalb der kantonale Entscheid als Ausfluss der allgemeinen Lebenserfahrung aufzuheben sei. Soweit diese Ausführungen nicht auf eine im Berufungsverfahren unzulässige Kritik an der Beweiswürdigung durch die Vorinstanz hinauslaufen, wird damit auch nicht ansatzweise eine Bundesrechtsverletzung aufgezeigt. Da es die Klägerin unterlassen hat, die Begleitumstände des Vertragsschlusses zu schildern, erkannte die Vorinstanz im Ergebnis zutreffend, es sei sei nicht ersichtlich, woraus die Klägerin nach Treu und Glauben habe schliessen dürfen, die Beklagte sei Bestellerin der von ihr erbrachten Leistungen und D.________ lediglich ihr Stellvertreter.
4.
Aus den dargelegten Gründen erweist sich die Berufung als unbegründet und ist abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist. Dem Verfahrensausgang entsprechend ist die Gerichtsgebühr der Klägerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG), die zudem die Beklagte für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen hat (Art. 159 Abs. 2 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-- wird der Klägerin auferlegt.
3.
Die Klägerin hat die Beklagte für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 6'000.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, III. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 22. September 2005
Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: