BGer 6S.217/2005 |
BGer 6S.217/2005 vom 01.10.2005 |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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6S.217/2005 /bri
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Urteil vom 1. Oktober 2005
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Kassationshof
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Besetzung
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Bundesrichter Schneider, Präsident,
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Bundesrichter Kolly, Karlen,
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Gerichtsschreiberin Arquint Hill.
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Parteien
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X._________,
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Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Thomas Tribolet,
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gegen
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Generalprokurator des Kantons Bern, Hochschulstrasse 17, 3012 Bern.
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Gegenstand
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Widerhandlung gegen das BetmG,
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Nichtigkeitsbeschwerde gegen die Urteile des Obergerichts des Kantons Bern, 1. Strafkammer, vom 14. April 2005 (SK-Nr.2004/93 und 2004/95).
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Sachverhalt:
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A.
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X._________ handelte - teilweise zusammen mit einer weiteren Person - von Januar 1998 bis Mai 2002 in grossem Umfang mit Heroin. Er konsumierte bis Januar 2002 selber Drogen. Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte ihn am 14. April 2005 im Berufungsverfahren wegen mehrfacher qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu 28 Monaten Zuchthaus. Von der Anordnung einer ambulanten Massnahme sah es ab. Zudem widerrief es gleichentags in einem separaten Entscheid den bedingten Strafvollzug für eine Gefängnisstrafe von 30 Tagen, welche der Gerichtspräsident 1 des Gerichtskreises V Burgdorf-Fraubrunnen am 5. August 1997 wegen falscher Anschuldigung ausgesprochen hatte.
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B.
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X._________ erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt, den zuerst genannten Entscheid im Strafpunkt sowie den zweitgenannten hinsichtlich des Widerrufs des bedingten Strafvollzugs aufzuheben und in beiden Fällen an die Vorinstanz zur neuen Beurteilung zurückzuweisen.
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C.
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Das Obergericht verzichtet auf Gegenbemerkungen zur Beschwerde. Eine Stellungnahme des Generalprokurators wurde nicht eingeholt.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Nach Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP sind im Rahmen der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde Ausführungen, die sich gegen die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz richten, unzulässig. Auf das Rechtsmittel ist daher nicht einzutreten, soweit der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Frage nach seiner Therapiewilligkeit an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung Kritik übt.
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Den Antrag betreffend Widerruf des bedingten Strafvollzugs hat der Beschwerdeführer mit keinem Wort begründet. Gemäss Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP ist darauf ebenfalls nicht einzutreten.
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2.
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Die Vorinstanz hat keine ambulante Massnahme gemäss Art. 44 StGB angeordnet, weil der Beschwerdeführer überhaupt nicht therapiewillig sei. Seine Suchtproblematik würde die Anordnung einer therapeutischen Massnahme zwar gebieten. Eine echte Bereitschaft, sich einer ambulanten Behandlung zu unterziehen, sei bei ihm aber nicht auszumachen. Gemäss dem forensisch-psychiatrischen Gutachten vom 10. Dezember 2004 lehne er eine solche gar explizit ab. Aufgrund völligen Fehlens des Behandlungswillens werde daher auf die Anordnung einer ambulanten Massnahme verzichtet.
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Der Beschwerdeführer hält diese Beurteilung für bundesrechtswidrig. Zwar treffe zu, dass die Behandlungswilligkeit des Täters bei der Anordnung einer ambulanten Massnahme eine Rolle spiele. Die Argumentation der Vorinstanz greife aber zu kurz, wenn sie eine ambulante Massnahme nur deshalb nicht anordne, weil vorliegend ein Mindestmass an Kooperation nicht vorhanden sei. Eine fehlende Motivation dürfe nicht überbewertet werden. Statt einer Motivation sollte daher in Anlehnung an einen Teil der Lehre lediglich eine gewisse Motivierbarkeit verlangt werden.
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2.1 Nach Art. 44 Ziff. 1 Abs. 1 und Ziff. 6 StGB kann der Richter einen drogensüchtigen Täter in eine Heilanstalt einweisen, um die Gefahr künftiger Verbrechen oder Vergehen zu verhüten, wenn die von ihm begangene Tat mit der Sucht im Zusammenhang steht. In diesem Fall schiebt er den Vollzug der Freiheitsstrafe auf (Art. 44 Ziff. 1 Abs. 1 und Art. 43 Ziff. 2 Abs. 1 StGB). Der Richter kann auch eine ambulante Behandlung anordnen. Diese kann während des Strafvollzugs oder bei dessen Aufschub in Freiheit des Täters erfolgen (BGE 107 IV 20 E. 4a).
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2.2 Eine ambulante Behandlung ist nur durchführbar, wenn beim Täter dafür eine Bereitschaft vorhanden ist. Der Beschwerdeführer erwähnt zu Recht, dass die Anforderungen an die Motivation, sich einer Therapie zu unterziehen, nicht zu hoch angesetzt werden dürfen. Namentlich in einer Anfangsphase kann es genügen, wenn die Motivierbarkeit des Täters vorhanden ist. Ein Mindestmass an Kooperationsbereitschaft ist aber in jedem Fall erforderlich (Marianne Heer, Basler Kommentar, Strafgesetzbuch I, Art. 43 N. 64 und Art. 44 N. 36; Jörg Rehberg, Strafrecht II, 7. Aufl. 2001, S. 137; Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II, 1989, § 11 N. 86).
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2.3 Die Vorinstanz verneint die Therapiewilligkeit des Beschwerdeführers. Sie stützt sich dabei auf das eingeholte psychiatrische Gutachten und insbesondere auf die von ihm geäusserte Ablehnung einer Therapie. Der Beschwerdeführer macht geltend, seine negative Haltung gegenüber einer ambulanten Behandlung sei wegen des gereizten Zustands, in dem er sich bei der Begutachtung befunden habe, zu relativieren. Zumindest seine Motivierbarkeit sei zu bejahen. Er übersieht jedoch, dass sich die Vorinstanz nicht alleine auf die fragliche Aussage stützt, sondern mitberücksichtigt, dass er während der ganzen Zeit überhaupt nichts unternommen habe, was seine Behandlungswilligkeit - auch nur in einem minimalen Ausmass - belegen könnte. Die Einwände, die der Beschwerdeführer dagegen erhebt, richten sich gegen die tatsächlichen Feststellungen, die im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde nicht zulässig sind (E.1). Es erscheint daher nicht bundesrechtswidrig, gestützt auf den verbindlich festgestellten Sachverhalt die minimale Kooperationsbereitschaft, die eine ambulante Behandlung voraussetzt, zu verneinen.
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2.4 Soweit sich der Beschwerdeführer auf den Standpunkt stellt, der Strafvollzug hätte für ihn fatale Folgen, zumal er aus seinem Familiengefüge gerissen und in der Strafanstalt erneut dem Konsum harter Drogen ausgesetzt würde, gehen seine Vorbringen an der Sache vorbei. Denn die Frage des Aufschubs des Strafvollzugs stellt sich erst, wenn eine Massnahme angeordnet wird.
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Selbst wenn eine solche aber ausgesprochen worden wäre, reichten seine Einwände nicht aus, um einen Strafaufschub nach Art. 44 Ziff. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 43 Ziff. 2 Abs. 2 StGB zu rechtfertigen. Würde nämlich bereits die Zugänglichkeit von Drogen in Strafanstalten oder die für einen in ein familiäres Umfeld eingebetteten Angeschuldigten mit dem Strafvollzug verbundene Härte genügen, um einen Strafaufschub zu rechtfertigen, könnte der Strafvollzug in Fällen, in denen eine ambulante Behandlung erforderlich ist, kaum noch je angeordnet werden. Dies widerspräche dem Willen des Gesetzgebers, welcher ein Strafaufschub nur zulassen will, wenn im konkreten Fall aufgrund besonderer Verhältnisse der Vollzug der Strafe die Erfolgschancen einer Therapie erheblich vermindern würde. Allgemeine Schwierigkeiten, wie sie mit dem Strafvollzug stets verbunden sind, reichen demgegenüber für die Anordnung des Aufschubs nicht aus.
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3.
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Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist demnach abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer grundsätzlich kostenpflichtig (vgl. Art. 278 Abs. 1 BStP). Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann nicht entsprochen werden, da die erhobenen Begehren von Anfang an aussichtslos waren (vgl. Art. 152 Abs. 1 OG). Seinen angespannten finanziellen Verhältnissen ist bei der Festsetzung der Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2.
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Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
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3.
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Die Gerichtsgebühr von Fr. 800.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
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4.
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Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Generalprokurator des Kantons Bern und dem Obergericht des Kantons Bern, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 1. Oktober 2005
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Im Namen des Kassationshofes
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
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