Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
4C.212/2005 /sza
Urteil vom 11. Oktober 2005
I. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Klett, Rottenberg Liatowitsch,
Bundesrichter Favre, Bundesrichterin Kiss,
Gerichtsschreiber Arroyo.
Parteien
X.________,
Kläger, Berufungskläger und Zivilkläger, vertreten durch Fürsprecher Werner Schib,
gegen
Y.________,
Beklagter, Berufungsbeklagter und Angeklagter, vertreten durch Fürsprecher Martin Moor.
Gegenstand
Haftpflicht des Motorfahrzeughalters; Haftungsquote,
Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 3. Strafkammer, vom 3. Mai 2005.
Sachverhalt:
A.
X.________ (Kläger, Berufungskläger und Zivilkläger) spazierte am 17. Dezember 2000, um 17.20 Uhr, entlang der rechten Seite der A.________-strasse in Richtung B.________. Ihm folgte der Zeuge C.________. Im Bereich der D.________ näherte sich der von E.________ kommende und auf der A.________-strasse nach B.________ fahrende Y.________ (Beklagter, Berufungsbeklagter und Angeklagter) in seinem Personenwagen. Er erfasste mit seinem Fahrzeug den Zivilkläger, der bei dieser Kollision schwer verletzt wurde. Der Angeklagte hatte den Zivilkläger nicht gesehen und vorerst angenommen, er habe einen Pfosten gerammt.
Am 29. Mai 2002 sprach das Bezirksgericht Aarau den Angeklagten schuldig in folgenden Punkten: der fahrlässigen schweren Körperverletzung gemäss Art. 125 Abs. 2 StGB; der fahrlässigen Führerflucht nach Verkehrsunfall mit Verletzten gemäss Art. 55 Abs. 1 VRV und Art. 51 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 92 Abs. 2 SVG und Art. 100 Ziff. 1 SVG; des Führens eines Personenwagens in nicht betriebssicherem Zustand gemäss Art. 29 in Verbindung mit Art. 93 Ziff. 2 SVG und Art. 57 Abs. 1 VRV (Dispositiv-Ziffer 2). Der Angeklagte wurde zu einer Gefängnisstrafe von drei Monaten und einer Busse von Fr. 800.-- verurteilt (Dispositiv-Ziffer 3). Es wurde richterlich festgestellt, dass der Angeklagte für den dem Zivilkläger verursachten Schaden hafte. Der Entscheid über Schadenshöhe und Schadensmass wurde auf den Zivilweg verwiesen (Dispositiv-Ziffer 8).
Das Obergericht des Kantons Aargau hiess am 28. August 2003 die Berufung des Zivilklägers gut, hob Ziffer 8 des Urteilsdispositivs des Bezirksgerichts Aarau vom 29. Mai 2002 auf und wies die Sache an das Bezirksgericht zurück. Das Bezirksgericht Aarau fasste darauf mit Urteil vom 10. März 2004 Ziffer 8 des Urteilsdispositivs vom 29. Mai 2002 neu. Es stellte richterlich fest, dass der Angeklagte dem Zivilkläger für den verursachten Schaden vollumfänglich hafte.
B.
Mit Urteil vom 3. Mai 2005 hiess das Obergericht des Kantons Aargau die Berufung des Angeklagten teilweise gut und änderte das erstinstanzliche Urteil dahingehend ab, dass richterlich festgestellt wurde, der Angeklagte hafte dem Zivilkläger für den verursachten Schaden zu 90%. Das Gericht hielt aufgrund der Aussagen für erstellt, dass der Zivilkläger kurz vor der Kollision auf dem sich verjüngenden, etwa 30 cm breiten Kiesstreifen rechts der nach B.________ führenden Strasse spazierte und sich nicht auf, sondern unmittelbar neben der Fahrbahn und damit am Strassenrand befand, als der Angeklagte ihn erfasste. Das Gericht würdigte dieses Verhalten als Verstoss gegen Art. 49 Abs. 1 SVG und lastete es dem Zivilkläger als leichtes Verschulden an. Selbst wenn er diese Verkehrsregel nicht verletzt hätte, wäre ihm nach den Erwägungen des Gerichts vorzuwerfen, dass er zivilrechtlich fahrlässig den im Volksmund bekannten Slogan "links gehen - Gefahr sehen" nicht beachtet habe; jedenfalls hätte es dem allgemeinen Sorgfaltsstandard entsprochen, weiter rechts in der nicht sehr hohen, ebenen Wiese zu gehen, wie dies der Zeuge C.________ gemäss eigener Aussage getan hatte.
C.
Mit eidgenössischer Berufung stellt der Zivilkläger das Begehren, das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau (3. Strafkammer) vom 3. Mai 2005 sei aufzuheben und es sei in Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils richterlich festzustellen, dass der Angeklagte ihm für den verursachten Schaden vollumfänglich hafte. Er rügt im Wesentlichen eine Verletzung von Art. 59 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 44 OR und beanstandet, dass ihm die Vorinstanz zu Unrecht ein Selbstverschulden vorgeworfen und jedenfalls die beidseitigen Verschulden falsch abgewogen habe.
D.
Der Angeklagte beantragt die Abweisung der Berufung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach der Rechtsprechung ist die Berufung und nicht die Nichtigkeitsbeschwerde gegeben, wenn vor der letzten kantonalen Instanz einzig die im Strafverfahren adhäsionsweise geltend gemachte Zivilforderung strittig war, so dass die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt nicht ergriffen werden kann (BGE 129 IV 149 E. 2.1 S. 151 mit Hinweisen). Dies trifft hier zu, hat doch der Angeklagte nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil den Strafpunkt vor der Vorinstanz nie in Frage gestellt, sondern sich in seiner Anschlussberufung nur gegen den Kostenentscheid gewandt (vgl. Urteil 6S.470/2002 vom 5. Mai 2003 E. 1.1).
Die Berufung ist zulässig. Da die übrigen formellen Voraussetzungen ohne weiteres erfüllt sind, ist auf das Rechtsmittel grundsätzlich einzutreten.
2.
Im Berufungsverfahren ist das Bundesgericht an die tatsächlichen Feststellungen der letzten kantonalen Instanz gebunden, wenn sie nicht offensichtlich auf Versehen beruhen, unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen (Art. 63 Abs. 2 OG) oder im Hinblick auf den Tatbestand einer anwendbaren Sachnorm ergänzungsbedürftig sind (Art. 64 OG). Werden solche Ausnahmen geltend gemacht, so hat die Partei, welche den Sachverhalt berichtigt oder ergänzt wissen will, darüber genaue Angaben mit Aktenhinweisen zu machen ( Art. 55 Abs. 1 lit. c und d OG ; BGE 130 III 102 E. 2.2 S. 106 mit Hinweisen). Blosse Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung ist im Berufungsverfahren unzulässig (BGE 127 III 73 E. 6a). Diese Grundsätze gelten sowohl für die Vorbringen in der Berufungsschrift wie für die Antwort (Art. 59 Abs. 3 OG).
2.1 Der Zivilkläger rügt als Verletzung der bundesrechtlichen Beweisvorschrift von Art. 8 ZGB die Feststellung des Obergerichts, dass es ungefährlicher und idealer gewesen wäre, auf der linken Strassenseite zu marschieren. Er verkennt damit die Tragweite von Art. 8 ZGB. Diese Norm gewährt der beweisbelasteten Partei unter anderem einen Anspruch auf Zulassung zum Beweis rechtserheblicher Tatsachen, wenn sie entsprechende Behauptungen und Beweisanerbieten im kantonalen Verfahren form- und fristgerecht vorgebracht hat (BGE 130 III 591 E. 5.4; 129 III 18 E. 2.6). Art 8 ZGB wird jedoch gegenstandslos, wenn das kantonale Gericht in Würdigung der Beweise zum Schluss gelangt, die Existenz oder Nichtexistenz einer Tatsache sei erstellt (BGE 130 III 321 E. 5.4; 122 III 219 E. 3c). Dies trifft für die beanstandete Feststellung zu: Die Vorinstanz hat in Würdigung der Beweise, insbesondere der Aussage des Zeugen C.________ geschlossen, am linken Fahrbahnrand hätten sich keine Hindernisse befunden, welche ein dortiges Gehen erschwert oder gefährlich gemacht hätten. Die Vorinstanz hat ein positives Beweisergebnis festgestellt und ist nicht von Beweislosigkeit ausgegangen, weshalb die bundesrechtliche Regel über die Verteilung der Beweislast gegenstandslos geworden ist. Art. 8 ZGB ist nicht verletzt.
2.2 Der Zivilkläger rügt sodann als offensichtliches Versehen, dass das Obergericht offen gelassen habe, ob er mit einem Teil des Oberkörpers in die Fahrbahn hineinragte oder nicht. Ein offensichtliches Versehen ist nur zu korrigieren, wenn es sich auf eine erhebliche Tatsache bezieht und daher der Ausgang des Verfahrens von der Richtigstellung beeinflusst wird (BGE 115 II 399 E. 2a). Die Vorinstanz hat die Erheblichkeit der Tatsache aber gerade verneint, wenn sie darüber keine abschliessende Feststellung traf. Wenn der Zivilkläger der Ansicht wäre, die aufgeworfene Tatsachenfrage wäre im Hinblick auf die Anwendung einer Bundesrechtsnorm erheblich gewesen und die Vorinstanz hätte darüber eine Feststellung treffen müssen, hätte er die Verletzung der einschlägigen Bundesrechtsnorm rügen müssen, was er nicht getan hat. Die Rüge ist unzulässig, abgesehen davon, dass der Zivilkläger die Bedeutung des Versehens im Sinne von Art. 55 Abs. 1 lit. d OG verkennt (BGE 104 II 68 E. 3b S. 74).
2.3 Der Angeklagte wendet sich in der Berufungsantwort in appellatorischer Weise gegen die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, ohne Ausnahmen im Sinne von Art. 63 Abs. 2 OG gehörig zu rügen (Art. 55 Abs. 1 lit. c und d in Verbindung mit Art. 59 Abs. 3 OG). Er verweist zur Begründung seiner von den verbindlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil abweichenden Darstellung in unzulässiger Weise auf seine Vorbringen im kantonalen Verfahren (BGE 126 III 198 E. 1d S. 201) und kritisiert mit Beweisanerbieten die Tatsachenwürdigung der Vorinstanz. Auf seine rechtlichen Vorbringen ist nicht einzutreten, soweit er diese auf einen von den Feststellungen im angefochtenen Urteil abweichenden Sachverhalt stützt.
3.
Der Zivilkläger rügt, die Vorinstanz habe ihm bundesrechtswidrig ein (Selbst-)Verschulden am Unfall angelastet und damit Art. 59 Abs. 2 SVG bzw. Art. 44 OR verletzt. Er bestreitet insbesondere, dass ihm eine Verletzung von Art. 49 SVG vorgeworfen werden könne.
3.1 Nach Art. 58 Abs. 1 SVG haftet der Halter für den Schaden, wenn durch den Betrieb seines Motorfahrzeugs ein Mensch getötet oder verletzt oder Sachschaden verursacht wird. Beweist der Halter, dass ein Verschulden des Geschädigten beim Unfall mitgewirkt hat, so bestimmt der Richter gemäss Art. 59 Abs. 2 SVG die Ersatzpflicht unter Würdigung aller Umstände. Er kann bei dieser Würdigung den Halter im Unterschied zur allgemeinen Norm des Art. 44 OR von der Haftpflicht nicht völlig befreien, wenn die Voraussetzungen nach Art. 59 Abs. 1 SVG nicht vorliegen (BGE 124 III 182 E. 4c S. 185). Im Übrigen ist auch im Rahmen von Art. 59 Abs. 2 SVG grundsätzlich der Gesamtschaden von 100% auf die einzelnen haftpflichtrechtlich relevanten Ursachen zu verteilen, wobei allerdings über die Methode nicht völlige Einigkeit besteht (vgl. etwa Rey, Ausservertragliches Haftpflichtrecht, 3. Aufl., Zürich 2003, Rz. 1331; Schaffhauser, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Bd. II, Bern 1988, N 1316 f.). In der Rechtsprechung des Bundesgerichts wird in der Regel jeder Mitursache ein Anteil am Gesamtschaden quotenmässig zugewiesen (vgl. BGE 129 III 65 E. 7.3 S. 70; 113 II 323 E. 1c S. 328; 95 II 573 E. 3 S. 580; vgl. Brehm, Berner Kommentar, 2. Aufl., N 34 ff. zu Art. 44 OR). Dieses Vorgehen wird von einem überwiegenden Teil der Lehre befürwortet (Oftinger/Stark, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Bd. I, 5. Aufl., Zürich 1995, S. 468 ff.; Bussy/Rusconi, Code Suisse de la circulation routière, 3. Aufl., Lausanne 1996, N 2.2 zu Art. 59 SVG; Deschenaux/Tercier, La responsabilité civile, 2. Aufl., Bern 1982, § 28 Rz. 29; Werro, La responsabilité civile, Bern 2005, N 1227-1229; ebenso wohl auch Schaffhauser, a.a.O., N 1321). Ein anderer Teil der Lehre geht davon aus, dass grundsätzlich der kausal Haftpflichtige den gesamten Schaden zu tragen hat; je nach Art und Mass des Selbstverschuldens des Geschädigten wird ein Abzug vom vollen Schadenersatz gemacht. Ein zusätzliches Verschulden des Fahrzeuglenkers (das dem Halter in jedem Fall nach Art. 58 Abs. 4 SVG anzurechnen ist) fällt bei dieser Methode (nur) insoweit in Betracht, als es das ersatzmindernde Selbstverschulden des Geschädigten neutralisiert, das heisst den Abzug wegen Selbstverschuldens reduziert oder aufhebt (so Merz, Schweizerisches Privatrecht, Bd. VI/1, Basel 1984, S. 224 f.; Keller, Haftpflicht im Privatrecht, Bd. I, 6. Aufl., Bern 2002, S. 316 f.; Guhl/Koller, Das Schweizerische Obligationenrecht, 9. Aufl., Zürich 2000, §10 N 74 unter Verweis auf BGE 111 II 429 E. 3 S. 442 ff.; 88 II 131 E. 2 S. 134 ff.). Der Vorinstanz ist beizupflichten, wenn sie mit Verweis auf die in der Lehre mehrheitlich vertretene Ansicht davon ausgeht, dass der Gesamtschaden "sektoriell" auf jede der einzelnen erheblichen Mitursachen zu verteilen sei, wobei sich mit der zunehmenden Anzahl derartiger haftpflichtrelevanter Ursachen jeder einzelne Anteil entsprechend verringert. Denn den einzelnen Mitursachen kann im Rahmen von Art. 59 Abs. 2 SVG (Art. 44 Abs. 1 OR) nicht unbesehen der konkreten Umstände allein aus ihrer haftpflichtrechtlichen Begründung grössere oder geringere Bedeutung beigemessen werden. Auch diese quotenmässige Aufteilung des Gesamtschadens schliesst aber nicht aus, einer sehr untergeordneten Ursache (namentlich einem sehr leichten Selbstverschulden) eine derart geringe Quote zuzuordnen, dass sie praktisch unbeachtet zu bleiben hat (vgl. Brehm, a.a.O., N 35 f. zu Art. 44 OR).
3.2 Die Vorinstanz hat das Selbstverschulden des Zivilklägers mit der Verletzung von Art. 49 Abs. 1 SVG begründet. Nach dieser Bestimmung müssen Fussgänger die Trottoirs benützen. Wo solche fehlen, haben sie am Strassenrand und, wenn besondere Gefahren es erfordern, hintereinander zu gehen ("A défaut de trottoir, ils longeront le bord de la chaussée et, si des dangers particuliers l'exigent, ils circuleront à la file."/"In mancanza di questi [sc. marciapiedi] essi [sc. pedoni] devono tenersi sul margine della strada e, se è richiesto da particolari pericoli, circolare in fila indiana."). Wenn nicht besondere Umstände entgegenstehen, haben sie sich an den linken Strassenrand zu halten ("sur le bord gauche de la chaussée"/"sul margine sinistro della strada"), namentlich ausserorts in der Nacht. Diese Bestimmung wird in Art. 46 Abs. 1 der Verkehrsregelverordnung (VRV, SR 741.11) konkretisiert. Nach Art. 46 Abs. 1 VRV haben die Fussgänger auf der Fahrbahn ("la chaussée"/"sulla carreggiata") rechts statt links zu gehen, "wenn sie nur dort die Möglichkeit zum Ausweichen haben oder wenn sie ein Fahrzeug, ausgenommen einen Kinderwagen, mitführen. Sie vermeiden ein häufiges Wechseln der Strassenseite." Strassen sind nach Art. 1 Abs. 1 VRV die von Motorfahrzeugen, motorlosen Fahrzeugen oder Fussgängern benutzten Verkehrsflächen. Der dem Fahrverkehr dienende Teil der Strasse ist nach Art. 1 Abs. 4 VRV die Fahrbahn ("la chaussée"/"la carreggiata"). Während der Wortlaut von Art. 49 Abs. 1 SVG in der deutschen und italienischen Fassung darauf hindeuten könnte, dass das Gebot an die Fussgänger, bei fehlendem Trottoir grundsätzlich auf der linken Seite zu gehen, sich auf die ganze Strassenfläche bezieht, ergibt sich aus dem französischen Wortlaut, dass sich dieses Gebot nur auf die Fahrbahn, also auf den dem Fahrverkehr vorbehaltenen Teil der Strasse, bezieht. Dem französischen Wortsinn entspricht die Konkretisierung in Art. 46 Abs. 1 VRV, der die Ausnahmen vom Grundsatz des Gebots, links zu gehen, in sämtlichen drei Sprachen ausdrücklich für die Benützung der Fahrbahn ("chaussée"/"carreggiata") regelt. Strassenrand in Art. 49 Abs. 1 SVG ist daher - ebenso wie in Art. 34 Abs. 1 SVG - zu verstehen als "Fahrbahnrand" (vgl. Schaffhauser, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Bd. I, 2. Aufl. Bern 2002, N 672). Die französische Fassung, wonach das Gebot des Linksgehens nur besteht, wenn der Fussgänger mangels Trottoir die Fahrbahn benützen muss, entspricht dem Sinn und Zweck der Regelung. Kann der Fussgänger eine Fläche neben der Fahrbahn benützen, so kann er auf dieser - da sie dem Fahrverkehr nicht zur Verfügung steht - ebenso wie auf einem Trottoir gehen, ohne grundsätzlich mit dem motorisierten Verkehr in Konflikt zu geraten. Der Zivilkläger ging nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil neben der Fahrbahn; er hat die Verhaltensregel von Art. 49 Abs. 1 SVG nicht verletzt.
3.3 Der Vorinstanz kann auch nicht gefolgt werden, wenn sie dem Zivilkläger eventualiter vorwirft, er habe den im Volksmund bekannten Slogan "links gehen - Gefahr sehen" und damit eine elementare Vorsichtsmassregel missachtet. Die beim Erlass des SVG von der nationalrätlichen Kommission ins Gesetz aufgenommene Regel sollte nach dem historischen Willen des Gesetzgebers den Fussgänger nicht verpflichten, unter allen Umständen links zu gehen. Es sollte ihm vielmehr die Freiheit belassen werden, auf der rechten Seite zu gehen, insbesondere wenn er dort besser geschützt ist, weil z.B. links direkt an der Strasse eine Mauer entlangführt oder eine Böschung oder ein Graben besteht, während rechts die Flur frei und offen ist; gleiches gilt, wenn der Fussgänger nach kurzer Distanz rechts abzweigen muss (Berichterstatter Müller in Sten.Bull. 1958 S, S. 110). Dass die Regel, auf der Fahrbahn links zu gehen, von den konkreten örtlichen Verhältnissen abhängig ist, ergibt sich aus der Vorschrift von Art. 49 Abs. 1 SVG selbst, welche das Gebot von den Umständen abhängig macht und namentlich auch aus der Konkretisierung in Art. 46 Abs. 1 VRV, der typische Fälle für Ausnahmen aufführt, in denen das Gegenteil gilt. Es wird denn auch in der Lehre die Ansicht vertreten, der - im Rahmen des Anwendungsbereichs von Art. 49 Abs. 1 SVG - rechts gehende Fussgänger dürfe in der Regel davon ausgehen, dass Fahrzeuge mit genügendem seitlichem Abstand an ihm vorbeifahren bzw. ihm rechtzeitig ausweichen, wenn er sich selbst möglichst nahe am Strassenrand hält (Schaffhauser, a.a.O., Bd. I, N 959; Bussy/Rusconi, a.a.O., N 3.3.5 zu Art. 49 SVG). Dies gilt erst recht, wenn die Regel von Art. 49 Abs. 1 SVG keine Anwendung findet, weil sich der Fussgänger nicht auf der Fahrbahn, sondern daneben fortbewegt. Dem Zivilkläger kann nicht grundsätzlich vorgeworfen werden, dass er elementare Vorsichtsmassnahmen ausser Acht liess, weil er nach den Umständen nicht gefahrlos auf der rechten Strassenseite hätte gehen können. Denn nach der Feststellung der Vorinstanz hätte er gleich wie sein Begleiter - Zeuge C.________ - die Möglichkeit gehabt, statt auf dem schmalen Kiesstreifen unmittelbar neben der Fahrbahn zu marschieren, sich weiter rechts zu halten und die ebene Wiese zu benützen, welche mit nicht sehr hohem Gras bewachsen war.
3.4 Dem Zivilkläger kann aufgrund der im vorliegenden Verfahren für das Bundesgericht verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht vorgeworfen werden, dass er eine Verkehrsregel verletzte oder elementare Vorsichtsmassnahmen ausser Acht liess. Es kann ihm höchstens vorgeworfen werden, dass er nach den Umständen nicht genügend Vorsicht zu seinem eigenen Schutz walten liess, indem er keinen hinreichend grossen Abstand zur Fahrbahn auch für den Fall einhielt, dass ein Fahrzeug seinerseits keinen genügenden Abstand zum rechten Fahrbahnrand beachten würde. Der Zivilkläger hätte nach den Feststellungen der Vorinstanz die Kollision vermeiden können, wenn er - wie sein Begleiter - einen grösseren Abstand zur Fahrbahn gehalten hätte. Die Vorinstanz hat es bei dieser Sachlage zwar im Ergebnis zutreffend abgelehnt, dem Zivilkläger ein mehr als leichtes Verschulden anzulasten. Sie ist bei ihrer Würdigung aber zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Zivilkläger eine Verkehrsregel oder doch eine elementare Vorsichtsmassnahme verletzt habe, indem er die bereits Kindern beigebrachte Verhaltensregel "links gehen - Gefahr sehen" missachtet habe. Der Zivilkläger hat die Kollision lediglich begünstigt, indem er keinen grösseren Abstand zum Fahrbahnrand einhielt. Dieses Verhalten vermag zwar die Adäquanz der vom Zivilkläger zu vertretenden tatsächlichen Mitursache nicht von vornherein auszuschliessen; indessen ist der geringen Intensität der Unfallursache jedenfalls im Zusammenspiel mit den andern, vom Angeklagten zu vertretenden Ursachen im Rahmen der Schadenersatzbemessung gebührend Rechnung zu tragen (BGE 123 III 110 E. 3c S. 115).
3.5 Das Bundesgericht prüft die Bemessung des Schadenersatzes im Rahmen von Art. 59 Abs. 2 SVG ebenso wie nach Art. 44 OR grundsätzlich frei. Da der Entscheid aber weitgehend auf der Ausübung richterlichen Ermessens beruht (Art. 4 ZGB), greift das Bundesgericht nur ein, wenn das Sachgericht grundlos von in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen abgewichen ist, wenn es Tatsachen berücksichtigt hat, die für den Entscheid im Einzelfall keine Rolle hätten spielen dürfen oder umgekehrt Umstände ausser Betracht gelassen hat, die hätten beachtet werden müssen; ausserdem greift das Bundesgericht in Ermessensentscheide ein, wenn sich der Entscheid als offensichtlich unbillig, in stossender Weise ungerecht erweist (BGE 128 III 390 E. 4.5 S. 399; 130 III 182 E. 5.5.2, je mit Hinweisen). Die Vorinstanz hat mit der Bemessung der Haftungsquote des Zivilklägers ihr Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt. Sie hat zunächst das Gewicht des Selbstverschuldens des Zivilklägers unzutreffend gewürdigt, indem sie annahm, er habe eine Verkehrsregel verletzt oder eine elementare Vorsichtsmassnahme unbeachtet gelassen; diese Qualifikation beeinflusst die Bemessung der Haftungsquoten. Die Vorinstanz hätte aufgrund der von ihr verbindlich festgestellten Umstände das Selbstverschulden des Zivilklägers nicht nur als leicht, sondern als im Verhältnis zu den übrigen erheblichen Mitursachen mit deutlich weniger als 10% - und damit als vernachlässigbar - bewerten müssen. Denn abgesehen von der Betriebsgefahr - welche die Vorinstanz mit 30% wohl zu niedrig bemessen hat - hat der Angeklagte nach den Erwägungen der Vorinstanz mehrere Verkehrsregeln verletzt, indem er insbesondere keinen genügenden Abstand zum rechten Strassenrand einhielt ( Art. 34 Abs. 1 und 4 SVG i.V.m. Art. 7 VRV), nicht genügend aufmerksam (Art. 31 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 VRV) und aufgrund eines Blutalkoholgehalts von mindestens 0,73 Promille in herabgesetztem Masse fahrfähig war (Art. 31 Abs. 2 SVG). Schliesslich benutzte der Angeklagte nach den Feststellungen der Vorinstanz ein Fahrzeug, von dem er wusste, dass die Lichtanlage vorne rechts defekt war, weil nur das Standlicht funktionierte. Mit einem derartigen Verhalten muss kein anderer Verkehrsteilnehmer rechnen. Das nur leichte Verschulden des Zivilklägers - dem entscheidend (nur) vorgeworfen werden kann, dass er einen zu geringen Abstand zum Fahrbahnrand einhielt - tritt bei dieser Sachlage als Unfallursache derart in den Hintergrund, dass es nur mit einer Quote von weniger als 10% bemessen werden kann und daher unberücksichtigt zu bleiben hat.
4.
Die Berufung ist gutzuheissen, das angefochtene Urteil aufzuheben und Ziffer 1 in dem Sinne abzuändern, dass die Neufassung von Ziffer 8 des Urteilsdispositivs vom 29. 5. 2002 im Erkenntnis des Bezirksgerichts Aarau vom 10. März 2004 bestätigt wird. Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens sind dem Angeklagten zu auferlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Die Sache ist im Übrigen zur Neuverlegung der Kosten an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Berufung wird gutgeheissen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 3. Mai 2005 wird aufgehoben. Die kantonale Berufung des Angeklagten wird abgewiesen und die Neufassung von Ziffer 8 des Urteilsdispositivs des Bezirksgerichts Aarau vom 29. 5. 2002 ("Es wird richterlich festgestellt, dass der Angeklagte dem Zivilkläger für den verursachten Schaden vollumfänglich haftet") bestätigt.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird dem Angeklagten auferlegt.
3.
Der Angeklagte hat den Zivilkläger für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'500.-- zu entschädigen.
4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des kantonalen Verfahrens an die Vorinstanz zurückgewiesen.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, 3. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 11. Oktober 2005
Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: