Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2A.368/2005
Urteil vom 12. Oktober 2005
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Wurzburger, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Müller, Ersatzrichter Rohner,
Gerichtsschreiber Küng.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Aufsichtsbehörde über die Anwältinnen und Anwälte des Kantons Luzern, c/o Obergericht des Kantons Luzern, Postfach, 6002 Luzern,
Obergericht des Kantons Luzern, I. Kammer als Beschwerdeinstanz nach § 13 AnwG, Postfach,
6002 Luzern.
Gegenstand
Verletzung anwaltlicher Berufs- und Standespflichten,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern als Beschwerdeinstanz nach § 13 AnwG vom 22. März 2005.
Sachverhalt:
A.
Auf Anzeigen des Strassenverkehrsamtes des Kantons Luzern vom 18. November 2003 sowie des Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartements des Kantons Luzern vom 22. Januar 2004 auferlegte die Aufsichtsbehörde über die Anwältinnen und Anwälte des Kantons Luzern Rechtsanwalt X.________ am 25. August 2004 wegen Verletzung von Berufsregeln gestützt auf Art. 12 lit. a in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 lit. c des Bundesgesetzes vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz, BGFA; SR 935.61) eine Disziplinarbusse von Fr. 15'000.--.
Dagegen wandte sich X.________ an das Obergericht des Kantons Luzern, welches seine Beschwerde am 22. März 2005 abwies.
B.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 3. Juni 2005 beantragt X.________ dem Bundesgericht zur Hauptsache, den Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern vom 22. März 2005 aufzuheben.
Das Obergericht und die Aufsichtsbehörde über die Anwältinnen und Anwälte des Kantons Luzern beantragen, die Beschwerde abzuweisen, soweit auf sie einzutreten sei. Das Bundesamt für Justiz hat auf Vernehmlassung verzichtet.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gegen letztinstanzliche kantonale Disziplinarentscheide gegenüber Rechtsanwälten steht gestützt auf Art. 97 ff. OG in Verbindung mit Art. 5 VwVG die eidgenössische Verwaltungsgerichtsbeschwerde offen (BGE 130 II 270 E. 1.1). Der Beschwerdeführer ist zur Beschwerde befugt (Art. 103 lit. a OG).
1.2 Auf die Anträge des Beschwerdeführers (Ziff. 1 Abs. 2 sowie Ziff. 3) betreffend seine kantonale Beschwerde sowie die beiden Anzeigen ist nicht einzutreten. Überflüssig ist der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (s. Art. 111 Abs. 1 OG).
1.3 Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts gerügt werden ( Art. 104 lit. a und b OG ). Hat jedoch - wie hier - eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden und den Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften festgestellt, ist das Bundesgericht an die Sachverhaltsfeststellung im angefochtenen Entscheid gebunden (Art. 105 Abs. 2 OG). Die Rüge der Unangemessenheit ist dagegen ausgeschlossen, da keine der Voraussetzungen des Art. 104 lit. c OG erfüllt ist.
1.4 An Begehren und Begründung einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden keine allzu hohen Anforderungen gestellt. Es genügt, wenn aus der Beschwerdeschrift ersichtlich ist, in welchen Punkten und weshalb der angefochtene Entscheid beanstandet wird. Die Begründung braucht nicht zuzutreffen, sie muss aber sachbezogen sein. Eine Auseinandersetzung lediglich mit der materiellen Seite des Falles ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht sachbezogen, wenn die Vorinstanz aus formellen Gründen einen Nichteintretensentscheid gefällt hat (BGE 123 V 335 E. lb S. 337 f.; Urteil 2A.5/2005 vom 12. Januar 2005 E. 1.1).
Soweit der Beschwerdeführer seine Eingabe an das Bundesgericht durch die fast integrale wörtliche Wiedergabe seiner kantonalen Beschwerde begründen will, fehlt es zum vornherein am geforderten Sachbezug zum angefochtenen Entscheid, weshalb darauf nicht einzutreten ist. Gleiches gilt, soweit er zu wiederholten Malen vorbringt, dass seine Vorbringen den Tatsachen entsprechen. Die Vorinstanzen haben den Beschwerdeführer nicht zum Wahrheitsbeweis zugelassen und dies teilweise mit mangelnder Relevanz und Substanziierung und im Übrigen mit dem polemischen Charakter seiner entsprechenden Vorbringen begründet. Nur soweit sich die Begründung seiner Beschwerde damit überhaupt befasst und aus ihr ersichtlich wird, weshalb und inwieweit insbesondere das Obergericht den Sachverhalt offensichtlich unrichtig oder unvollständig oder in Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften ermittelt haben soll, kann sie als sachbezogen erachtet und auf sie eingetreten werden.
2.
2.1 Der Beschwerdeführer ist für Formulierungen sanktioniert worden, die er im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Anwalt in Eingaben an das Strassenverkehrsamt sowie das Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement gewählt hat.
2.2 Die Generalklausel von Art. 12 lit. a BGFA, nach welcher Rechtsanwälte ihren Beruf sorgfältig und gewissenhaft auszuüben haben, bezieht sich auch auf das Verhalten des Anwalts gegenüber den Behörden (BGE 130 II 270 E. 3.2 S. 276). Art. 12 lit. a BGFA stellt insoweit eine genügende gesetzliche Grundlage für eine Einschränkung der einschlägigen Grundrechte, namentlich der Meinungs-, der Wirtschafts- sowie auch der Petitionsfreiheit (die insoweit keinen weitergehenden Schutz vermittelt als die Wirtschaftsfreiheit: vgl. BGE 103 Ia 426 unveröffentlichte E. 4c) dar (vgl. Urteil 2A.600/2003 vom 11. August 2004 E. 2.3).
2.3 Nach der bundesgerichtlichen Praxis (vgl. 2A.168/2005 vom 6. September 2005 E. 2.2, mit Hinweisen auf Rechtsprechung und Lehre) kommt dem Anwalt in der Kritik an der Rechtspflege weitgehende Freiheit zu. So erachtet sie es als seine Pflicht und sein Recht, Missstände aufzuzeigen und Mängel des Verfahrens zu rügen. Die Kritik, die durchaus scharf und pointiert ausfallen dar, muss jedoch sachbezogen sein, d.h. sich auf konkrete Vorfälle, Fehlleistungen oder Missstände beziehen, die im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren namhaft zu machen und zu belegen sind. Standeswidrig und damit unzulässig handelt ein Anwalt bei der Äusserung von Kritik in den verfahrensmässigen Formen nur, wenn er eine Rüge wider besseres Wissens oder in ehrverletzender Form erhebt, statt sich auf Tatsachenbehauptungen und Wertungen zu beschränken.
3.
3.1 Dem Strassenverkehrsamt des Kantons Luzern hatte der Beschwerdeführer als Parteivertreter in einem Verfahren betreffend Entzug des Führerausweises am 6. November 2003 geschrieben:
-:-
"Ich bin mir bewusst, dass Sie den Fall selbstverständlich schematisch und damit im Sinne von Art. 9 BV willkürlich abwandeln möchten. Ich bin mir auch gewohnt, dass Ihre Amtsstelle den Anspruch auf das rechtliche Gehör (§ 46 VRG und Art. 29 Abs. 2 BV) nicht respektiert und sich meist mit schematischen Floskeln begnügt."
Aufsichtskommission und Obergericht haben diese Äusserungen im Wesentlichen übereinstimmend als massiv unsachlich und ehrverletzend erachtet und den Beschwerdeführer nicht zum Wahrheitsbeweis zugelassen.
3.2 Die Äusserung, eine staatliche Amtsstelle möchte einen Fall "selbstverständlich schematisch und damit willkürlich abwandeln", ist nicht auf kritikwürdiges Verhalten der Behörde im damaligen konkreten Fall oder anderen namhaft gemachten und belegten Einzelfällen bezogen, sondern unterstellt dieser Behörde bzw. deren Mitarbeitern in pauschaler Weise eine generell auf Willkür - somit auf groben Rechtsbruch - gerichtete Mentalität. Sinngemäss Gleiches gilt für die ebenso wenig näher belegte Aussage, der Beschwerdeführer sei sich gewohnt, dass das Strassenverkehrsamt den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht respektiere. Diese Vorwürfe werden in generalisierender, nicht an konkrete Vorkommnisse anknüpfender Weise in den Raum gestellt. Sie durften daher - selbst wenn man nicht überaus strenge Massstäbe anwendet - zu Recht als nicht sachbezogene Kritik, sondern als polemische Entgleisung angesehen werden. Dies allein rechtfertigte es, den Beschwerdeführer nicht zum Wahrheitsbeweis zuzulassen (vgl. Urteil 2A.545/2003 vom 4. Mai 2004, E. 4.3).
Auch im weiteren Verfahrensverlauf sowohl vor der Aufsichtsbehörde als auch im obergerichtlichen Verfahren hat der Beschwerdeführer keine diese generalisierende Unterstellung stützenden konkreten Einzeltatsachen vorgebracht, geschweige denn auch nur in Umrissen deutlich gemacht, wie sich ein derartiger Pauschalvorwurf begründen liesse. Bloss generell gehaltene Vorbringen und Schlussfolgerungen genügen der den Untersuchungsrundsatz einschränkenden Mitwirkungspflicht (vgl. BGE 128 II 139 E. 2b) nicht. Auch das Anwaltsgeheimnis bildet kein unüberwindbares Hindernis zur näheren Substanziierung von Kritik gegenüber Behörden, sei es, dass der Anwalt sich diesbezüglich durch seinen Klienten oder die Aufsichtsbehörde vom Anwaltsgeheimnis entbinden lassen kann, sei es, dass bestimmte Akten in anonymisierter Form beigezogen werden. Die kantonalen Instanzen durften deshalb ohne Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes von weiteren Abklärungen und Beweisabnahmen absehen. Die in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer erhobenen Grundrechtsrügen sind daher unbegründet.
4.
4.1 Aufsichtskommission und Obergericht erachteten folgende Passagen aus Eingaben des Beschwerdeführers an das Amt für Umweltschutz des Kantons Luzern als Verstösse gegen Art. 12 lit. a BGFA:
Schreiben vom 26. September 2003:
"Da ich natürlich weiss, dass sich Ihre Amtsstelle und vor allem Herr Z.________ weder um die Bundesverfassung noch um das USG noch um die AltlV kümmern, lege ich Ihnen eine Kopie der S. 7 aus der Vollzugshilfe 'Erstellung der belasteten Standorte' bei. Dort verlangt das BUWAL - im Einklang mit der Verfassung, Gesetz und Verordnung - folgendes: ...
Wenn Ihnen schon Verfassung, Gesetz und Verordnung nichts wert sind, wird Sie vielleicht die Vollzugshilfe endlich dazu bringen, dass die Vorschriften eingehalten werden."
Schreiben vom 21. Oktober 2003:
"Wenn ich auch weiss, dass sich Herr Z.________ damit brüstet, ihn kümmere weder die Bundesverfassung, noch das Gesetz oder die Verordnung, so fordere ich das AFU doch auf, sich entsprechend der Bundesverfassung, dem USG und dem VRG sowie der AltlV zu verhalten."
Schreiben vom 31. Oktober 2003:
"Ich muss ehrlich gestehen, dass es ein Skandal ist, wenn zwei Beamte einer Luzerner Amtsstelle sich derart über Gesetz und Verfassung hinwegsetzen. Ich gehe davon aus, dass Sie beide offenkundig nicht über die notwendige Neutralität verfügen, um den Fall korrekt weiterzubearbeiten."
Schreiben vom 12. November 2003:
"Die Zürcher Behörden nehmen im Unterschied zum AFU des Kantons Luzern die Vorschriften des Rechtsstaates ernst."
4.2 In Bezug auf den Vorwurf, Z.________ brüste sich damit, dass er sich weder um Verfassung noch Gesetz noch Verordnung kümmere, machte der Beschwerdeführer weder im erstinstanzlichen Disziplinar- noch in den anschliessenden Rechtsmittelverfahren genauere Angaben zum Zeitpunkt oder zum Sachzusammenhang der angeblichen Äusserung, noch stellte er konkrete Beweisanträge. Angesichts solch mangelnder Spezifizierung der Vorbringen des Beschwerdeführers liegt im Umstand, dass die Vorinstanzen dazu keine Beweise abgenommen haben, keine Verletzung wesentlicher Verfahrensgrundsätze oder das Verfahren betreffender verfassungsmässiger Rechte.
Sowohl im Schreiben vom 26. September wie auch in jenem vom 21. Oktober 2003 war der genannte Vorwurf zudem nicht oder nicht nur als Kritik an einem konkreten Fehler oder Fehlverhalten zu verstehen, sondern offenkundig als polemische Unterstellung. Primär zwar in Zusammenhang mit der Kritik am Verlauf des konkreten Verfahrens, laufen sie in ihrem Gehalt aber auf eine generelle Abqualifizierung der Behörde und des Beamten hinaus, die ohne Verletzung von Bundesrecht und der angerufenen Grundrechte als offensichtlich unsachlich und ausfällig gewürdigt werden durfte. Auch das Schreiben vom 31. Oktober 2003 durfte angesichts seines gleichermassen generalisierenden Charakters und der zeitlichen und sachlichen Nähe durchaus in Zusammenhang mit den vorausgegangenen Schreiben gestellt werden.
Wenn und soweit der Beschwerdeführer objektiv begründete Zweifel an der Unvoreingenommenheit eines oder mehrerer Beamter gehabt hätte, wäre das angemessene Mittel ein Ausstandsgesuch gewesen, nicht eine derartig pauschalisierende Polemik. Ob im Zusammenhang solcher von Fakten und konkreten Fehlleistungen losgelöster Vorwürfe auch der zitierte Satz im Schreiben vom 12. November 2003 geradezu als standeswidrig anzusehen war, kann im Rahmen der Gesamtwürdigung offen bleiben.
Alles in allem hat die Vorinstanz weder Bundesrecht noch die vom Beschwerdeführer weiter angerufenen völkerrechtlichen Garantien verletzt, wenn sie das Verhalten des Beschwerdeführers auch in diesem Zusammenhang insgesamt als Verletzung von Art. 12 lit. a BGFA betrachtet hat.
5.
5.1 Der Beschwerdeführer erachtet die gegen ihn ausgefällte Busse als absolut unverhältnismässig und willkürlich. Damit werde "nicht nur die Bundesverfassung, sondern auch die EMRK und der UNO-Pakt II klar verletzt".
5.2 Die pauschale, nicht auf konkrete Vorkommnisse bezogene Unterstellung, das Strassenverkehrsamt und seine Mitarbeiter hätten den generellen Willen zu willkürlicher Fallerledigung, durften die Vorinstanzen als nicht leicht wiegend ansehen. Gleiches gilt auch für die mehrfache, allgemein gehaltene Unterstellung, dass das Amt für Umweltschutz und insbesondere dessen Mitarbeiter Z.________ sich im Rahmen seiner Vollzugsaufgaben - sinngemäss generell - nicht um Verfassung, Gesetz und Verordnung kümmere und letzterer sich noch damit brüste. Weniger zu gewichten waren Vorwürfe, die sich auf das Verfahren betreffende konkrete Meinungsunterschiede zwischen Amt und Beschwerdeführer bezogen; auch die aus dem Brief vom 12. November 2003 zitierte, sehr allgemein gehaltene Bemerkung war wohl kaum als ernsthafter Angriff zu werten. Dem angefochtenen Urteil ist indes zu entnehmen, dass die Vorinstanzen den Umstand stark gewichtet haben, dass der Beschwerdeführer unbestrittenermassen bereits viermal zuvor, nämlich in den Jahren 1995, 1996, 2000 und 2002, rechtskräftig diszipliniert worden ist - in den beiden letzteren Fällen wurden Bussen von Fr. 2'000.-- bzw. von Fr. 5'000.-- (das im damaligen Recht geltende Maximum) ausgesprochen - und keine Einsicht zeigt. In Anbetracht aller Umstände hat die Vorinstanz mit der von ihr verhängten strengen Disziplinierung insgesamt ihr Ermessen weder überschritten noch missbraucht.
6.
Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang hat der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens vor Bundesgericht zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-‑ wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Aufsichtsbehörde über die Anwältinnen und Anwälte und dem Obergericht, I. Kammer als Beschwerdeinstanz nach § 13 AnwG, des Kantons Luzern sowie dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 12. Oktober 2005
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber: