BGer 6S.348/2005
 
BGer 6S.348/2005 vom 20.10.2005
Tribunale federale
{T 0/2}
6S.348/2005 /gnd
Urteil vom 20. Oktober 2005
Kassationshof
Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Karlen,
Gerichtsschreiber Näf.
Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Werner Greiner,
gegen
Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich, Bewährungsdienst Zürcher Oberland, Amtsstrasse 3, 8610 Uster.
Gegenstand
Nachträgliche Vollstreckung von Freiheitsstrafen, die zugunsten einer Massnahme aufgeschoben wurden (Art. 44 Ziff. 3 StGB),
Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer,
vom 10. August 2005.
Sachverhalt:
A.
Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte X.________ am 28. Juni 2004 wegen Raubs und weiterer Delikte zu einer Zuchthausstrafe von vier Jahren. Angesichts seiner schweren Suchtmittelabhängigkeit wies es ihn gestützt auf Art. 44 Ziff. 1 Abs. 1 und Ziff. 6 StGB in eine Heilanstalt ein und schob den Vollzug der Freiheitsstrafe auf. Am 9. März 2005 wurde ausserdem eine Haftstrafe von zehn Tagen zugunsten der stationären Massnahme aufgeschoben.
Das Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich stellte den Massnahmenvollzug am 1. Juni 2005 ein und ersuchte das Obergericht des Kantons Zürich, gemäss Art. 44 Ziff. 3 StGB zu entscheiden, ob und wieweit die aufgeschobenen Freiheitsstrafen zu vollstrecken seien.
B.
Das Obergericht beschloss am 10. August 2005 die Vollstreckung der beiden genannten Freiheitsstrafen, unter Anrechnung der Dauer der ausgestandenen Sicherheitshaft und des Massnahmenvollzugs.
C.
X.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Vorinstanz gelangt gestützt auf den Verlauf der stationären Massnahme, der im angefochtenen Entscheid (E. 3) eingehend dargestellt ist, zum Schluss, der Beschwerdeführer erfülle die Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Therapie nicht. Die Anordnung einer weiteren Massnahme komme daher nicht in Betracht. Vielmehr seien die ausgesprochenen Freiheitsstrafen zu vollstrecken.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz stelle zu hohe Anforderungen an den Begriff der Massnahmefähigkeit und verletze dadurch Bundesrecht.
2.
Nach Art. 44 Ziff. 3 StGB entscheidet der Richter, ob und wieweit aufgeschobene Strafen noch zu vollstrecken sind, wenn ein in eine Anstalt Eingewiesener nicht geheilt werden kann. An Stelle des Strafvollzugs kann der Richter eine andere sichernde Massnahme anordnen, wenn deren Voraussetzungen erfüllt sind.
Scheitert eine stationäre Massnahme gemäss Art. 44 StGB, kommt an Stelle der Anordnung des Strafvollzugs die Einweisung in eine Heil- oder Pflegeanstalt nach Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB oder eine Verwahrung nach Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB in Betracht. Wie die Vorinstanz gestützt auf die Rechtsprechung zutreffend darlegt, setzt die erneute Einweisung in eine Anstalt voraus, dass die Behandlung in diesem Rahmen zumindest ernsthafte Aussichten auf eine Herabsetzung der Rückfallgefahr bietet.
3.
Dem Beschwerdeführer ist zwar darin zuzustimmen, dass am Anfang einer Behandlung bei Drogensüchtigen mit Schwierigkeiten und Rückfällen zu rechnen ist und daher in diesem Zeitpunkt nicht zu hohe Anforderungen an die Massnahmefähigkeit zu stellen sind. Die Vorinstanz verkennt dies indessen keineswegs. Tatsächlich wurden ja eine ganze Reihe von Behandlungsversuchen in verschiedenen Institutionen unternommen, die alle erfolglos blieben. Am 1. März 2005 wurde er auf eigene Initiative und im Sinne einer letzten Chance erneut in der Therapiegemeinschaft Arche des Psychiatrie-Zentrums Hard aufgenommen. Nach anfänglich positivem Verlauf musste er am 9. Mai 2005 wegen Konsums von Alkohol, Heroin und Kokain sowie wegen Abgabe einer gefälschten Urinprobe aus dieser Therapiegemeinschaft ausgeschlossen werden. Es trifft somit nicht zu, dass die Vorinstanz üblichen Schwierigkeiten bei der Behandlung von Drogenabhängigen nicht die nötige Beachtung schenkt. Vielmehr hat sich der Beschwerdeführer immer wieder von Neuem als unfähig für eine stationäre Massnahme erwiesen.
4.
Das Obergericht ordnete am 28. Juni 2004 eine Suchtbehandlung gemäss Art. 44 StGB an, obwohl beim Beschwerdeführer auch eine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert worden war, die eine Massnahme gemäss Art. 43 StGB nahe gelegt hätte. Das Gericht hielt jedoch fest, dass im Rahmen der Suchtbehandlung auch die Persönlichkeitsstörung anzugehen sei, zumal zwischen der Sucht und den psychischen Defiziten ein enger Zusammenhang bestehe. Unter diesen Umständen erstreckt sich die erwähnte Massnahmeunfähigkeit des Beschwerdeführers offensichtlich auch auf eine Behandlung gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB. Die Vorinstanz brauchte daher eine Massnahme nach der zuletzt genannten Bestimmung nicht weiter zu prüfen.
5.
Die Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich demnach als unbegründet und ist abzuweisen. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit des erhobenen Begehrens abzuweisen (Art. 152 OG). Bei der Festsetzung der Gerichtsgebühr ist den finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers Rechnung zu tragen.
Demnach erkennt das Bundesgericht im Verfahren nach Art. 36a OG:
1.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 800.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich, Bewährungsdienst Zürcher Oberland, dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, sowie der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 20. Oktober 2005
Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: