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Original
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
C 185/05
Urteil vom 20. Oktober 2005
IV. Kammer
Besetzung
Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung; Gerichtsschreiber Hochuli
Parteien
H.________, 1951, Beschwerdeführerin, vertreten durch die Protekta Rechtsschutz-Versicherung AG, Monbijoustrasse 68, 3007 Bern,
gegen
Unia Arbeitslosenkasse, Bahnhofstrasse 88, 3400 Burgdorf, Beschwerdegegnerin
Vorinstanz
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern
(Entscheid vom 20. Mai 2005)
Sachverhalt:
A.
H.________, geboren 1951, arbeitete seit 1. Mai 2000 im Heim X.________ (nachfolgend: Arbeitgeberin) in der Wäscherei-Lingerie. Wegen einem über einige Wochen angespannten Arbeitsklima zwischen ihr und einer Arbeitskollegin versetzte die Arbeitgeberin die Versicherte nach erfolglosen Teamsitzungen ab 5. August 2002 in den Hausdienst und teilte ihr gemäss Schreiben vom 2. August 2002 mit, sie erwarte ab sofort eine Verbesserung der Teamfähigkeit. Am 26. Februar 2004 sah sich die Arbeitgeberin gezwungen, das Arbeitsverhältnis per 30. Juni 2004 zu kündigen mit der Begründung, nach der Verwarnung vom 2. August 2002 und dem Mitarbeitergespräch vom 27. November 2003 habe sich das Verhalten der Versicherten in keiner Art und Weise verbessert. In der Folge beantragte H.________ Arbeitslosenentschädigung ab 1. Juli 2004. Mit Verfügung vom 23. August 2004 stellte die Arbeitslosenkasse SMUV (heute: Unia Arbeitslosenkasse; nachfolgend: Kasse) die Versicherte wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit ab 1. Juli 2004 für die Dauer von 44 Tagen in der Anspruchsberechtigung ein und hielt daran mit Einspracheentscheid vom 17. September 2004 fest.
B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde der H.________ wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 20. Mai 2005 ab.
C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt H.________ beantragen, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und es sei von einer Einstellung in der Anspruchsberechtigung abzusehen, eventuell seien die Einstelltage angemessen zu reduzieren, subeventuell sei die Sache zur genauen Feststellung des Sachverhalts und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Während die Kasse auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, hat sich das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) nicht vernehmen lassen.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen über die Einstellung in der Anspruchsberechtigung wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit (Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG), namentlich bei Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten (Art. 44 Abs. 1 lit. a AVIV), sowie die verschuldensabhängige Dauer der Einstellung (Art. 30 Abs. 3 Satz 3 AVIG und Art. 45 Abs. 2 AVIV) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
1.2 Ein Selbstverschulden im Sinne von Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG ist gegeben, wenn und soweit der Eintritt der Arbeitslosigkeit nicht objektiven Faktoren zuzuschreiben ist, sondern in einem nach den persönlichen Umständen und Verhältnissen vermeidbaren Verhalten des Versicherten liegt, für das die Arbeitslosenversicherung die Haftung nicht übernimmt (ARV 1998 Nr. 9 S. 44 Erw. 2b, 1982 Nr. 4 S. 39 Erw. 1a; Gerhards, Kommentar zum AVIG, Bd. I, Rz. 8 zu Art. 30). Es genügt, dass das allgemeine Verhalten der versicherten Person Anlass zur Kündigung oder Entlassung gegeben hat; Beanstandungen in beruflicher Hinsicht müssen nicht vorgelegen haben. Eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung nach Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG kann jedoch nur verfügt werden, wenn das dem Versicherten zur Last gelegte Verhalten in beweismässiger Hinsicht klar feststeht (BGE 112 V 245 Erw. 1; ARV 1999 Nr. 8 S. 39 Erw. 7b; SVR 1996 AlV Nr. 72 S. 220 Erw. 3b/bb; Gerhards, a.a.O., Rz. 11 zu Art. 30). Das vorwerfbare Verhalten muss zudem nach Art. 20 lit. b des Übereinkommens Nr. 168 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) über Beschäftigungsförderung und den Schutz gegen Arbeitslosigkeit vom 21. Juni 1988 (SR 0.822.726.8; für die Schweiz in Kraft seit dem 17. Oktober 1991, AS 1991 1914) vorsätzlich erfolgt sein (vgl. BGE 124 V 236 Erw. 3b, welche Rechtsprechung gemäss unveröffentlichtem Urteil M. vom 17. Oktober 2000 [C 53/00], Erw. 3b, auch im Bereich von Art. 44 Abs. 1 lit. a AVIV anwendbar ist).
2.
Mit Kasse und Vorinstanz steht gestützt auf das Schreiben der Arbeitgeberin vom 2. August 2002 fest, dass die Beschwerdeführerin durch ihr selbstverschuldetes Verhalten (mangelhafte Teamfähigkeit und zu beklagender Umgangston) Anlass zu einem schriftlichen Verweis und der sofortigen Versetzung in eine andere Abteilung gab. Was die Versicherte im Rahmen des gewährten rechtlichen Gehörs am 6. August 2004 hiegegen vorbrachte, entkräftet die ihr von Arbeitgeberseite zur Last gelegten Vorwürfe in keiner Weise. Denn obwohl die Ursache des Konfliktes zwischen der Beschwerdeführerin und einer ihrer Arbeitskolleginnen in der Wäscherei im Jahr 2002 nicht endgültig geklärt war, hatte die Versicherte die Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz sowie den schriftlichen Verweis vom 2. August 2002 unterschriftlich akzeptiert. Weiter geht aus dem Schreiben der Beschwerdeführerin an die Kasse vom 6. August 2004 deutlich hervor, dass sie mit den Vorstellungen ihrer 2002 neu bei der Arbeitgeberin eingetretenen Vorgesetzen von Anfang an nicht einverstanden war. Diese wollte inskünftig nur noch Personal mit abgeschlossener Berufslehre einstellen. Die Arbeitskollegin, mit welcher die Versicherte in der Wäscherei in Konflikt geriet, war denn auch eine der ersten Mitarbeiterinnen, welche diese Betriebsleiterin 2002 eingestellt hatte. Den Beurteilungsbögen zu den Mitarbeitergesprächen in den Jahren 2002 und 2003 ist sodann zu entnehmen, dass eine erhebliche Diskrepanz zwischen der Selbsteinschätzung der Beschwerdeführerin und der Beurteilung durch ihre Vorgesetzte herrschte. Während die Versicherte im Jahre 2002 mit einem Total von 21 Punkten in der Gesamtbewertung die Stufe 4 ("erfüllt viele Anforderungen") unterschriftlich akzeptierte, obwohl sie sich selber auf der obersten Stufe 8 ("übertrifft die Anforderungen") eingereiht hatte, brachte sie im Rahmen des Mitarbeitergesprächs 2003 zum Ausdruck, dass sie mit der Beurteilung durch die Betriebsleiterin nicht einverstanden sei, wenngleich diese Bewertung im Vergleich zum Jahr 2002 nur um einen Punkt tiefer ausgefallen war und sie damit die gleiche Bewertungsstufe 4 erreichte.
Wie die Vorinstanz richtig erkannte, lassen gerade die Tatsachen, dass die Beschwerdeführerin von ihrer Vorgesetzten mitunter auch gelobt wurde und die Arbeitgeberin mit der Arbeitsleistung ausdrücklich zufrieden war, darauf schliessen, dass die Kündigung nicht erfolgt wäre, wenn das Verhalten zu keinen Beanstandungen Anlass gegeben hätte. Daran ändert auch die auf Veranlassung der Versicherten von drei Arbeitskolleginnen unterzeichnete Bestätigung vom 26. August 2004 nichts, da die darin festgehaltene persönliche Sichtweise der Mitarbeiterinnen keine Schlussfolgerungen betreffend das Verhalten der Beschwerdeführerin im Direktkontakt mit der Betriebsleiterin zulässt. Bei dieser Aktenlage schlossen Kasse und Vorinstanz insbesondere gestützt auf das Kündigungsschreiben der Arbeitgeberin zu Recht auf einen von der Versicherten durch ihr Verhalten selbst gesetzten Kündigungsgrund und somit auf selbstverschuldete Arbeitslosigkeit.
3.
Nach Art. 30 Abs. 3 Satz 3 bemisst sich die Dauer der Einstellung nach dem Grad des Verschuldens. Gemäss Art. 45 Abs. 2 AVIV ist zu unterscheiden zwischen leichtem (1-15 Tage), mittlerem (16-30 Tage) und schwerem Verschulden (31-60 Tage). Anders als bei der Einstellung wegen Aufgabe einer zumutbaren Arbeitsstelle ohne Zusicherung einer neuen oder Ablehnung einer zumutbaren Arbeit ohne entschuldbaren Grund (Art. 45 Abs. 3 AVIV) wird nicht gesagt, welchem Bereich andere Fälle von selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit zuzuordnen sind. Kasse und Vorinstanz waren daher bezüglich der Festlegung der Einstelldauer insofern nicht eingeschränkt, als eine Verhängung im Rahmen des leichten, mittleren oder schweren Verschuldens möglich ist. Die Schwere des Verschuldens ist damit individuell unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände des konkreten Einzelfalls zu beurteilen. Das Eidgenössische Versicherungsgericht überprüft den Entscheid auf seine Angemessenheit hin (Art. 132 lit. a OG).
Die Vorinstanz hat die von der Kasse verhängte Einstellung von 44 Tagen geschützt, also übereinstimmend ein schweres Verschulden im mittleren Bereich angenommen. Die Ansiedelung im Rahmen des schweren Verschuldens ist nicht zu beanstanden. Nicht gerechtfertigt ist jedoch im hier zu beurteilenden Fall eine Einstellung im mittleren Bereich des schweren Verschuldens. Zwar vermögen die von der Beschwerdeführerin in der Einsprache vom 12. September 2004 ins Feld geführten Gründe für die Entstehung des Konfliktes zwischen ihr und einer Mitarbeiterin in der Wäscherei sowie die Bestätigung von Meinungsverschiedenheiten gegenüber ihrer Vorgesetzten in Bezug auf die Mitarbeiterbeurteilungen in den Jahren 2002 und 2003 nichts an der Qualifizierung ihres Verhaltens als Einstellungstatbestand zu ändern (Erw. 2 hievor). Sie lassen das Verschulden aber doch in einem milderen Licht erscheinen. Denn immerhin kommt aus dem Kurzkommentar der Betriebsleiterin vom 9. Januar 2004 sowie aus den Mitarbeiterbeurteilungen 2002 und 2003 zum Ausdruck, dass die Versicherte mitunter für ihre Arbeit auch gelobt wurde, dass sie sich anerkanntermassen bemühte, die Arbeit richtig zu machen, dass sie zu den Pensionären freundlich war und Fachkenntnisse im Reinigen von Polstermöbeln und Teppichen besass. Obwohl die Beschwerdeführerin grundsätzlich eine zufrieden stellende Arbeitsleistung zeigte, ist die Kündigung durch die Arbeitgeberin ihrem klar selbstverschuldeten Verhalten (Erw. 2 hievor) zuzuschreiben. Unter diesen Umständen ist das Verschulden zwar als schwer einzustufen, jedoch nicht im mittleren Bereich, sondern an der Grenze zum mittelschweren Verschulden zu qualifizieren, wobei eine Reduktion der angeordneten Einstellung auf 31 Tage angemessen erscheint.
4.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Der Beschwerdeführerin steht gestützt auf Art. 159 Abs. 2 OG in Verbindung mit Art. 135 OG eine Parteientschädigung zu, welche für das gesamte Verfahren festgesetzt wird.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 20. Mai 2005 und der Einspracheentscheid der Arbeitslosenkasse SMUV (heute: Unia Arbeitslosenkasse) vom 17. September 2004 insoweit abgeändert, als die Dauer der Einstellung in der Anspruchsberechtigung von 44 Tagen auf 31 Tage herabgesetzt wird.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Die Unia Arbeitslosenkasse hat der Beschwerdeführerin für das gesamte Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, dem beco Berner Wirtschaft, Abteilung Arbeitsvermittlung, Rechtsdienst, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
Luzern, 20. Oktober 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: