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Original
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
K 55/05
Urteil vom 24. Oktober 2005
III. Kammer
Besetzung
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Seiler und nebenamtlicher Richter Bühler; Gerichtsschreiberin Fleischanderl
Parteien
Concordia Schweizerische Kranken- und Unfallversicherung, Bundesplatz 15, 6003 Luzern, Beschwerdeführerin,
gegen
E.________, Beschwerdegegnerin
Vorinstanz
Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden, Sarnen
(Entscheid vom 25. Februar 2005)
Sachverhalt:
A.
Die 1973 geborene E.________ ist im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung bei der Concordia Schweizerische Kranken- und Unfallversicherung (im Folgenden: Concordia) versichert. Am 4. April 2003 liess ihr Gynäkologe K.________ zwei genetische Laboruntersuchungen (DNS-Sequenzierungen) durchführen. Die Condordia lehnte, nachdem K.________ sich mit Schreiben vom 11. Juni 2003 zur medizinischen Indikation der Untersuchungen geäussert und der Vertrauensarzt der Concordia, Dr. med. S.________, am 2. September 2003 Stellung dazu genommen hatte, die Übernahme der Kosten in Höhe von insgesamt Fr. 412.- mit der Begründung ab, es handle sich dabei um eine unwirtschaftliche und unzweckmässige Massnahme (Verfügung vom 18. September 2003). In teilweiser Gutheissung der dagegen erhobenen Einsprache sprach der Krankenversicherer E.________ einen Kostenanteil von Fr. 52.- (Kosten für eine konventionelle Analyse einer APC-Resistenz gemäss Position 8609.00 der Analysenliste [40 Taxpunkte = Fr. 40.-] sowie für die Bearbeitungstaxe gemäss Position 9700.00 der Analysenliste [12 Taxpunkte = Fr. 12.-]) abzüglich der gesetzlichen Kostenbeteiligung zu (Einspracheentscheid vom 6. November 2003).
B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden mit Entscheid vom 25. Februar 2005 teilweise gut und verpflichtete die Concordia, für die durchgeführten genetischen Untersuchungen Kosten im Umfange von 264 Taxpunkten (Kosten für einen funktionellen Assay gemäss Position 8609.00 der Analysenliste [40 Taxpunkte], für eine Genanalyse, Faktor V, mittels Southern-Blot und Hybridisierung gemäss Position 8815.00 der Analysenliste [200 Taxpunkte] sowie für je eine Bearbeitung gemäss Position 9700.00 der Analysenliste [2 x 12 Taxpunkte]) abzüglich der gesetzlichen Kostenbeteiligung zu übernehmen.
C.
Die Concordia führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides. Sie reicht ein Schreiben des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) vom 15. Juni 2004 zu den Akten.
Während die Vorinstanz auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichten E.________ und das BAG auf eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung haben die anerkannten Krankenkassen die Kosten für die Leistungen gemäss Art. 25 - 31 KVG nach Massgabe der in Art. 32 - 34 KVG festgelegten Voraussetzungen zu übernehmen (Art. 24 KVG). Die Leistungen gemäss Art. 25 - 31 KVG umfassen einerseits solche, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen (Art. 25 Abs. 1 KVG), wozu nach dem Leistungskatalog des Art. 25 Abs. 2 KVG auch die ärztlich verordneten Analysen gehören (Art. 25 Abs. 2 lit. b KVG). Anderseits übernimmt die obligatorische Krankenpflegeversicherung u.a. die Kosten für bestimmte Untersuchungen zur frühzeitigen Erkennung von Krankheiten sowie für vorsorgliche Massnahmen zugunsten von Versicherten, die in erhöhtem Masse gefährdet sind (Art. 26 Abs. 1 KVG). Dabei handelt es sich - dem Titel zu Art. 26 KVG entsprechend - um Massnahmen der medizinischen Prävention. Sie werden von einem Arzt oder einer Ärztin durchgeführt (Art. 26 Abs. 2 KVG).
Die diagnostischen Massnahmen gemäss Art. 25 Abs. 1 KVG unterscheiden sich von den Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten im Sinne von Art. 26 Abs. 1 KVG dadurch, dass Erstere stets im Zusammenhang mit der Untersuchung oder Behandlung einer manifesten Erkrankung oder eines konkreten Krankheitsverdachtes stehen. Für diagnostische Massnahmen besteht daher im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung eine Leistungspflicht nur dann, wenn das versicherte Risiko (Gesundheitsstörung) entweder bereits eingetreten ist oder mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit einzutreten droht. Demgegenüber haben präventive Massnahmen zur Früherkennung von Krankheiten zum Ziel, ein gesundheitliches Risiko aufzudecken, bevor es eintritt oder einzutreten droht (Gebhard Eugster, Krankenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Rz 104, 110 f. und 173). Sie sind deshalb von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung unabhängig vom Vorliegen einer Krankheit oder eines Krankheitsverdachtes zu übernehmen.
1.2 Die Leistungen nach Art. 25 - 31 KVG müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein (Art. 32 Abs. 1 KVG). Die Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit der Leistungen werden periodisch überprüft (Art. 32 Abs. 2 KVG). Rechtstechnisch sieht das KVG zur Verwirklichung der für das Leistungsrecht der obligatorischen Krankenpflegeversicherung fundamentalen Prinzipien der wissenschaftlich nachgewiesenen Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit ein Listensystem mit Positiv- und Negativlisten vor.
1.2.1 Nach Art. 33 Abs. 2 KVG bezeichnet der Bundesrat in einer Positivliste u.a. die Leistungen für medizinische Prävention im Sinne von Art. 26 KVG. Gestützt auf die dem Bundesrat in Art. 33 Abs. 5 KVG eingeräumte Delegationskompetenz hat er die Befugnis zum Erlass der von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu übernehmenden Präventivmassnahmen an das Eidgenössische Departement des Innern subdelegiert (Art. 33 lit. d KVV). Dieses hat die versicherten Präventivmassnahmen als Positivliste in Art. 12 KLV im Einzelnen bezeichnet (vgl. auch BGE 129 V 171 Erw. 3.2).
1.2.2 Gemäss Art. 52 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 KVG erlässt das Eidgenössische Departement des Innern nach Anhören der zuständigen Kommission und unter Berücksichtigung der Grundsätze der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit (Art. 32 Abs. 1 KVG) sowie des allgemein gültigen Ziels einer qualitativ hochstehenden und zweckmässigen gesundheitlichen Versorgung zu möglichst günstigen Kosten (Art. 43 Abs. 6 KVG) eine Liste der im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu übernehmenden Analysen mit Tarif. Diese Liste gehört unter dem Titel Analysenliste als Anhang 3 zur KLV (Art. 28 Abs. 1 KLV) und wird in der Regel jährlich herausgegeben (Art. 60 KVV in Verbindung mit Art. 28 Abs. 2 KLV). Bei der Analysenliste handelt es sich ebenfalls um eine Positivliste.
1.3 Gemeinsames Merkmal der im krankenversicherungsrechtlichen Listensystem vorgesehenen Positivlisten ist, dass ihnen verbindlicher und abschliessender Charakter zukommt, weil die Krankenversicherer gemäss Art. 34 Abs. 1 KVG keine anderen Kosten als diejenigen für Leistungen nach den Art. 25 - 33 KVG übernehmen dürfen. Diese gesetzliche Ordnung schliesst die Übernahme der Kosten von nicht auf einer Positivliste aufgeführten Leistungen grundsätzlich aus (BGE 127 V 332 Erw. 3a, 124 V 193 Erw. 4 [betreffend zahnärztliche Behandlungen]; RKUV 2005 Nr. KV 316 S. 31 [betreffend Präventivmassnahmen], Nr. KV 324 S. 109 f. Erw. 2.1 mit Hinweisen [betreffend Präventivmassnahmen], 2003 Nr. KV 260 S. 303 Erw. 3.2 [betreffend Spezialitätenliste]; Eugster, a.a.O., Rz 126).
2.
2.1 Der Gynäkologe K.________ veranlasste die beiden streitigen genetischen Untersuchungen um abzuklären, ob bei der Beschwerdegegnerin eine APC-Resistenz vorliegt (Bericht vom 11. Juni 2003). Die APC-Resistenz beruht auf einer Punktmutation des Faktor-V-Gens (sog. Faktor-V-Leiden-Mutation). Diese Genmutation vermindert die proteolytische Inaktivierung des Blutgerinnungsfaktors V durch aktiviertes Protein C. Sie ist der häufigste genetisch bedingte Risikofaktor für die Entwicklung von Thromboembolien, kommt bei 3 bis 8 % der Normalbevölkerung vor und ist sehr häufig Ursache für familiär sowie in der Schwangerschaft auftretende Thrombosen (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, Berlin/New York 2004, 260. Aufl., S. 108). Als Grund für die beiden durchgeführten genetischen Untersuchungen nannte der Gynäkologe im erwähnten Bericht vom 11. Juni 2003 den Umstand, dass bei der Versicherten ein Protein S−Mangel bestehe. Ein solcher habe bei ihrer Schwester wahrscheinlich zur Hemiparese ihres ersten Kindes geführt. Der Protein S−Mangel beruht ebenfalls auf einer vererblichen Mutation im PSA−Gen, welche ursächlich ist für zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr auftretende, rezidivierende (v.a. venöse) Thromboembolien (Pschyrembel, a.a.O., S. 1491).
2.2
2.2.1 In der Analysenliste ist sowohl die hämatologische Bestimmung der APC-Resistenz (Position 8609.00) als auch der direkte genetische Nachweis der ihr zugrunde liegenden Mutation des Faktor-V-Gens mittels Sonde (Position 8815.00: Southern-Blot und Hybridisierung) als diagnostische Pflichtleistung enthalten; letztere allerdings nur bei Verdacht auf das Vorliegen eines relevanten molekular-genetisch bedingten Erbleidens (vgl. Analysenliste, S. 77). Demgegenüber war in der hier in zeitlicher Hinsicht massgebenden (vgl. BGE 130 V 333 Erw. 2.3 und 447 Erw. 1.2.1, je mit Hinweisen), im Jahre 2003 gültigen Fassung der Liste der gemäss Art. 12 KLV versicherten Präventivmassnahmen noch keinerlei genetische Laboranalyse vorgesehen.
2.2.2 Für die Beurteilung der Leistungspflicht ist daher von ausschlaggebender Bedeutung, ob es sich bei der durchgeführten Laboruntersuchung zur Bestimmung der APC-Resistenz um eine diagnostische Analyse oder um eine Untersuchung zur Früherkennung einer bestimmten Krankheit handelt. Wenn Letzteres der Fall ist, fällt eine Leistungspflicht der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zufolge Nichtaufnahme dieser Untersuchung in die Positivliste von Art. 12 KLV ausser Betracht.
2.3
2.3.1 Aus den vom Gynäkologen K.________ gemachten Angaben über Grund und Zweck der durchgeführten genetischen Untersuchung geht hervor, dass abgeklärt werden sollte, ob bei der Versicherten ausser dem Protein S-Mangel ein weiterer hereditärer und genetischer Risikofaktor für die Entstehung von Thrombosen vorliegt oder nicht. Beabsichtigt war folglich zu eruieren, ob ein erhöhtes Risiko zur Entwicklung von Thromboembolien (eine so genannte Thrombophilie) gegeben ist. Bei der Thrombophilie handelt es sich um eine Krankheitsveranlagung. Solange eine Thrombose nicht eingetreten ist und auch nicht mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit einzutreten droht, stellt sie indessen weder eine manifeste Krankheit noch einen konkreten Krankheitsverdacht, sondern lediglich ein erhöhtes Risiko dar, möglicherweise an einer Thrombose zu erkranken.
2.3.2 Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass anlässlich der Durchführung der besagten Untersuchungen im April 2003 bei der Beschwerdegegnerin bereits eine Thrombose eingetreten war oder Symptome vorlagen, welche die Entwicklung einer Thromboembolie als wahrscheinlich erscheinen liessen. Die streitige genetische Untersuchung erfolgte daher unabhängig von einer bereits eingetretenen Krankheit oder einem konkreten Krankheitsverdacht. Sie hatte einzig zum Zweck, die Existenz eines erhöhten Thromboserisikos aufzudecken. Demgemäss handelt es sich nicht um eine diagnostische Massnahme, sondern um eine Untersuchung zur Früherkennung des mit der Thrombophilie verbundenen gesundheitlichen Risikos. Mangels Aufnahme dieser Untersuchung als Präventivmassnahme in die entsprechende Positivliste des Art. 12 KLV besteht hiefür im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung keine Leistungspflicht.
3.
3.1 Das kantonale Gericht ist davon ausgegangen, dass der Vertrauensarzt der Concordia die Leistungspflicht für die durchgeführte genetische Untersuchung anerkannt hätte, sofern vorgängig die APC-Resistenz nach konventioneller Methode (funktioneller Assay) abgeklärt worden und pathologisch ausgefallen wäre. Gestützt darauf hat es der Beschwerdegegnerin die Vergütung der Kosten gemäss Analysenliste einerseits für die Untersuchung der APC-Resistenz nach konventioneller Methode (Position 8609.00) und anderseits für die genetische Analyse des Faktor-V-Gens (Position 8815.00) zugesprochen.
3.2 Die Vorinstanz geht - wie sie auch letztinstanzlich in ihrer Vernehmlassung darlegt - von einem sukzessiven Verhältnis der Testreihe (zunächst funktioneller Assay, bei Vorliegen eines pathologischen Befundes Genanalyse) aus. Gestützt auf den im Einspracheentscheid der Beschwerdeführerin vom 6. November 2003 wiedergegebenen Sachverhalt (Ziff. 2), in welchem auf das Schreiben des Gynäkologen vom 11. Juni 2003 Bezug genommen wurde, hat sie - irrtümlicherweise - angenommen, ein pathologischer Befund sei gegeben, sodass die genetische Analyse ohnehin, auch wenn die konventionelle Methode vorab nicht durchgeführt worden war, hätte vorgenommen werden müssen. Da ein pathologischer Befund jedoch, wie zuvor ausgeführt, nicht erstellt ist, handelte es sich um eine reine, keine Entschädigungspflicht des Krankenversicherers auslösende Vorkehr zur Risikoerkennung.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Obwalden vom 25. Februar 2005 aufgehoben.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
Luzern, 24. Oktober 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Die Präsidentin der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: