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Original
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
U 312/05
Urteil vom 4. November 2005
II. Kammer
Besetzung
Präsident Borella, Bundesrichter Schön und Frésard; Gerichtsschreiber Grunder
Parteien
K.________, 1966, Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher Dr. Urs Oswald, Bahnhofstrasse 1, 5330 Zurzach,
gegen
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin
Vorinstanz
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau
(Entscheid vom 8. Juni 2005)
Sachverhalt:
A.
Die 1966 geborene K.________ ist seit 1995 als Papeteristin bei der Firma B.________ angestellt und dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt gegen die Folgen von Unfällen obligatorisch versichert. Am 11. Oktober 1997 war sie in einen Verkehrsunfall verwickelt, als ein von hinten heranfahrendes Auto in das Heck des von ihr gelenkten Personenwagens stiess. Der am 14. Oktober 1997 konsultierte Hausarzt Dr. med. Z.________, Spezialarzt Chirurgie FMH, hielt Schmerzen im Nacken, klinisch einen Hartspann der Zervikalmuskulatur mit funktioneller Einschränkung der Halswirbelsäule (HWS) fest und diagnostizierte ein HWS-Reklinationstrauma (Bericht vom 16. Januar 1998). Überdies litt die Versicherte nach dem Unfall zunehmend an Schmerzen im Bereich der unteren und mittleren Wirbelsäule mit zum Teil Ausstrahlung in das linke Bein und den Nacken. Die SUVA erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Taggeld, Heilbehandlung), welche sie per 16. Mai 2004 einstellte (Verfügung vom 12. Mai 2004). Eine Einsprache lehnte sie mit der Begründung ab, ein Kausalzusammenhang zwischen den geltend gemachten gesundheitlichen Beschwerden und dem Unfall sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu verneinen (Einspracheentscheid vom 4. November 2004).
B.
Hiegegen liess K.________ Beschwerde einreichen und unter Auflage eines Berichts des Dr. med. I.________, Oberarzt und Leiter Ergonomie am Institut für Physikalische Medizin, Klinik X.________, vom 7. Februar 2005 beantragen, es seien ergänzende medizinische Abklärungen zu veranlassen und die SUVA sei zu verpflichten, die gesetzlichen Leistungen zu erbringen. Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau wies die Beschwerde ab (Entscheid vom 8. Juni 2005).
C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt K.________ die vorinstanzlich gestellten Rechtsbegehren wiederholen.
Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Am 19. Oktober 2005 reicht der Ehemann der Beschwerdeführerin eine Eingabe ein.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Eingabe vom 19. Oktober 2005 ist nach Ablauf der 30-tägigen Beschwerdefrist des Art. 106 Abs. 1 OG eingereicht worden, weshalb sie nicht zu berücksichtigen ist.
2.
Streitig und zu prüfen ist die Leistungspflicht der SUVA aus dem Unfall vom 11. Oktober 1997 für die Zeit nach dem 16. Mai 2004. Dabei stellt sich vorab die Frage, ob die geklagten Beschwerden und die darauf zurückzuführende Arbeitsunfähigkeit weiterhin natürlich kausale Unfallfolgen darstellen.
3.
3.1 Das kantonale Gericht (Entscheid vom 8. Juni 2005) und die SUVA (Einspracheentscheid vom 4. November 2004) haben den Begriff des natürlichen Kausalzusammenhangs zwischen Unfall, Gesundheitsschaden und dadurch bedingter Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit im Allgemeinen, bei einem Schleudertrauma (BGE 119 V 337 ff. Erw. 1 und 2b/aa, 117 V 360 Erw. 4a und b) und bei Rückfällen und Spätfolgen im Besonderen, zutreffend dargelegt. Richtig sind auch die vorinstanzlichen Ausführungen zur Beweiswürdigung und zum Beweiswert von Arztberichten (BGE 125 V 352 Erw. 3a). Darauf wird verwiesen.
Das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 hat am unfallversicherungsrechtlichen Begriff des natürlichen Kausalzusammenhangs und dessen Bedeutung als eine Voraussetzung für die Leistungspflicht nach UVG nichts geändert (Kieser, ATSG-Kommentar, S. 64 f. Rz. 20 zu Art. 4). Für die Frage des intertemporal anwendbaren Rechts ist somit nicht von Belang, dass der Einspracheentscheid am 4. November 2004 nach In-Kraft-Treten des ATSG erlassen wurde (vgl. BGE 130 V 318 und 329 sowie BGE 130 V 445).
4.
Die Vorinstanz hat im angefochtenen Entscheid die medizinischen Berichte umfassend und korrekt dargestellt. Darauf wird verwiesen. Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen geltend, sie leide seit dem Auffahrunfall vom 11. Oktober 1997 an Rückenschmerzen sowie an den Folgen eines Schleudertraumas der HWS.
4.1 Auf Grund der übereinstimmenden ärztlichen Auffassungen der Dres. med. R.________, Chefarzt Orthopädische Klinik, Spital Y.________ (Operationsbericht vom 8. August 2002), L.________, Facharzt FMH für Orthopädische Chirurgie, SUVA (ärztliche Beurteilung vom 25. November 2003), M.________, Ärztlicher Leiter Rheumatologie/Physio-/Ergotherapie/Logopädie, Spital A.________ (konsiliarischer Bericht vom 2. Februar 2004) sowie I.________ (Bericht vom 7. Februar 2005) steht fest, dass die am 8. August 2002 chirurgisch entfernte Stummelrippe auf Höhe des Lendenwirbelkörpers LWK1 links mit Ausbildung einer beginnenden Pseudoarthrose sowie die ausgeprägte, partiell fixierte thorakale Hyperkyphose/lumbale Hyperlordose vorbestehend sind. Beim Unfall vom 11. Oktober 1997 kam es zu einer vorübergehenden Aktivierung, nicht aber richtunggebenden Verschlimmerung dieses Vorzustandes, wobei mit einer Remission innerhalb von sechs bis acht Monaten zu rechnen war. Aus diesen Umständen ist mit der Vorinstanz zu schliessen, dass spätestens im Zeitpunkt der Leistungseinstellung am 16. Mai 2004 ein Kausalzusammenhang zwischen dem thorakolumbovertebralen Syndrom und dem Unfall vom 11. Oktober 1997 zu verneinen ist. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nichts vorgebracht, was diese Beurteilung in Frage zu stellen vermag. Wenn auch der SUVA-Kreisarzt Dr. med. E.________ (Berichte vom 30. Juli 1998 und 5. Dezember 1997) und Dr. med. M.________, Chefarzt, Klinik F.________ (Bericht vom 26. Februar 1998) die Wirbelsäulenanomalie auf Grund radiologischer und klinischer Untersuchungen als möglicherweise traumatisch bedingte Querfortsatzfraktur LWK1 interpretierten, so stellte sich diese Diagnose nachträglich als unzutreffend heraus. Der die Anomalie behandelnde Chirurg, Dr. med. R.________, fand gemäss Operationsbericht vom 8. August 2002 in Bestätigung der radiologischen Beurteilungen der Dres. med. U.________, Spezialarzt für medizinische Radiologie, speziell Röntgenologie FMH, Institut C.________ (Bericht vom 10. September 1999) sowie D.________, Institut für MRI (Bericht vom 9. Mai 2001) ein frei bewegliches Knochenstück, bei welchem es sich um eine angeborene Variante und nicht um eine Frakturfolge handelte; dort wo man eine Fraktur erwarten würde, sei der Querfortsatz völlig unauffällig. Angesichts der klaren medizinischen Aktenlage hat die Vorinstanz zu Recht von weiteren Abklärungen abgesehen. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist nicht ersichtlich.
4.2 Abgesehen von den genannten Befunden (Stummelrippe mit pseudoarthrotischen Veränderungen, partiell fixierte thorakale Hyperkyphose/lumbale Hyperlordose) sowie einer ausgeprägten, ebenfalls unfallfremden Kopfprotraktion (vgl. Bericht des Dr. med. I.________ vom 7. Februar 2005) konnten die Ärzte weder anhand klinischer noch auf Grund radiologischer Untersuchungen wesentliche pathologische Befunde an der Wirbelsäule erheben. Allerdings kann eine Leistungspflicht des Unfallversicherers bei einem Schleudertrauma der HWS oder einer äquivalenten Verletzung der HWS auch ohne organisch nachweisbare Schädigung gegeben sein. Nach den Ergebnissen der medizinischen Forschung können bei solchen Verletzungen selbst ohne klar ausgewiesene pathologische Befunde noch Jahre nach dem Unfall funktionelle Ausfälle verschiedenster Art auftreten (BGE 117 V 363 Erw. 5d/aa mit Hinweisen). Auch diesfalls ist aber für die Leistungspflicht des Unfallversicherers unerlässlich, dass die geklagten Beschwerden medizinisch einer fassbaren gesundheitlichen Beeinträchtigung zugeschrieben werden können und diese Gesundheitsschädigung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem versicherten Unfallereignis steht (BGE 119 V 340 Erw. 2b/bb).
Die Beschwerdeführerin litt unmittelbar nach dem Unfall vom 11. Oktober 1997 an Nackenschmerzen mit Muskelhartspann und Funktionseinschränkung der HWS. Diese Beschwerden klangen jedoch gemäss hausärztlichen Angaben (Bericht des Dr. med. Z.________ vom 16. Januar 1998) rasch ab. Am 5. Dezember 1997 stellte der SUVA-Kreisarzt Dr. med. E.________ eine vollständig freie Beweglichkeit der HWS in allen Richtungen ohne Schmerzangabe sowie eine weiche parazervikale Muskulatur fest. Die radiologische Aufnahme der HWS vom 3. Dezember 1997 zeigte keine traumatische Läsion. In den weiteren medizinischen Unterlagen finden sich keine Hinweise, dass eine zervikale Symptomatik fortbestand. Die neurologischen Befunde waren ausnahmslos unauffällig. Erst im vorinstanzlichen Verfahren machte die Beschwerdeführerin gestützt auf den Bericht des Dr. med. I.________ vom 7. Februar 2005 geltend, sie leide seit dem Unfall an Kopf- und Nackenbeschwerden. Allerdings räumt sie gemäss Angaben dieses Arztes ein, dass die Symptomatik gegenüber den Rückenschmerzen deutlich im Hintergrund gestanden habe und sie phasenweise beschwerdefrei gewesen sei. Die neuropsychologischen Defizite seien ihr selber nicht aufgefallen, eine gewisse Vergesslichkeit (vor allem Schwierigkeiten mit dem Merken von Namen) sei erst nach der Operation von 2002 aufgetreten. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass ausser den Nackenschmerzen, welche unmittelbar im Anschluss an den Unfall eingesetzt haben, keine weiteren Beschwerden innert der Latenzzeit von 24 bis höchstens 72 Stunden nach dem Ereignis aufgetreten sind (RKUV 2000 Nr. U 359 S. 29). Demnach fehlt es am Nachweis einer Häufung von für die Annahme eines Schleudertraumas der HWS oder einer äquivalenten Verletzung der HWS typischen Beschwerden (wie diffuse Kopfschmerzen, Schwindel, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Übelkeit, rasche Ermüdbarkeit, Visusstörungen, Reizbarkeit, Affektlabilität, Depression, Wesensveränderung; BGE 117 V 360 Erw. 4b; vgl. BGE 119 V 338 Erw. 2). Selbst wenn die Beschwerdeführerin gelegentlich unter einschlägigen Symptomen litt, kommt diesen nicht die Eigenschaft eindeutiger Brückensymptome zu (vgl. in RKUV 2001 Nr. U 419 S. 101 nicht veröffentlichte Erw. 3b des Urteils S. vom 29. Dezember 2000, U 170/00, mit zahlreichen Hinweisen); jedenfalls waren sie nicht derart erheblich, dass sie eine Behandlung erforderlich machten oder zu einer Arbeitsunfähigkeit führten. Von weiteren Abklärungen ist auch in diesem Punkt abzusehen. Ob die Versicherte unmittelbar nach dem Unfall ausser an Nackenbeschewerden noch an weiteren gesundheitlichen Störungen im Bereich des Kopfes und der HWS gelitten hat, könnten die Ärzte, wie auch Dr. med. I.________ im Bericht vom 7. Februar 2005 festhält, lediglich auf Grund anamnestischer Angaben beurteilen. Von einer unzureichenden medizinischen Dokumentation kann angesichts der Aktenlage nicht die Rede sein. Es wird diesbezüglich vollumfänglich auf die zutreffenden Erwägungen im vorinstanzlichen Entscheid verwiesen.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
Luzern, 4. November 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der II. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
i.V.