BGer 1A.199/2005
 
BGer 1A.199/2005 vom 09.11.2005
Tribunale federale
{T 0/2}
1A.199/2005 /ggs
Urteil vom 9. November 2005
I. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Eusebio,
Gerichtsschreiberin Gerber.
Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Uta Beitlich-Thommes und
Maître Inès Feldmann-Wyler,
gegen
Bundesamt für Justiz, Abteilung Internationale Rechtshilfe, Sektion Auslieferung, Bundesrain 20, 3003 Bern.
Gegenstand
Auslieferung; Nachtragsersuchen,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Bundesamts für Justiz, Abteilung Internationale Rechtshilfe, Sektion Auslieferung, vom 9. Mai 2005.
Sachverhalt:
A.
X.________ wurde am 4. Mai 2004 aufgrund eines Fahndungsersuchens von Interpol Wiesbaden in Leuk-Stadt festgenommen. Das Fahndungsersuchen stützte sich auf den Haftbefehl des Amtsgerichts Rostock vom 30. März 2004 wegen gemeinschaftlich begangenen schweren Diebstahls, Urkundenfälschung und gemeinschaftlich begangenen Betrugs.
Am 6. Mai 2004 willigte X.________ in eine vereinfachte Auslieferung i.S.v. Art. 54 des Bundesgesetzes vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG; SR 351.1) an Deutschland ein. Der Vollzug der Auslieferung erfolgte am 11. Mai 2004.
Mit Urteil des Landgerichts Rostock vom 10. Januar 2005 wurde X.________ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe vom 2 Jahren und einem Monat verurteilt. Seither ist er im Strafvollzug.
B.
Am 18. April 2005 stellte das Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern ein "Nachtragsersuchen". Darin wird um Zustimmung zur Vollstreckung des Urteils des Amtsgerichts Güstrow vom 14. Mai 2002 (Freiheitsstrafe von 3 Monaten wegen Erpressung; die Strafaussetzung zur Bewährung wurde mit Beschluss desselben Gerichts vom 1. September 2004 widerrufen) und des Strafbefehls des Amtsgerichts Rostock vom 5. Mai 2003 (Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 20.-- Euro wegen Betrugs) ersucht. Zusätzlich wird um Zustimmung zur Verfolgung der im Haftbefehl des Amtsgerichts Rostock vom 4. Februar 2005 geschilderten Tatvorwürfe gebeten. Dem Nachtragsersuchen liegt ein Protokoll der Anhörung von X.________ durch das Amtsgericht Cottbus vom 10. März 2005 bei. Darin erklärte dieser, mit der weiteren Strafverfolgung und -vollstreckung nicht einverstanden zu sein.
C.
Am 9. Mai 2005 erteilte das Bundesamt für Justiz die Zustimmung zur weiteren Strafverfolgung bzw. -vollstreckung gemäss Nachtragsersuchen vom 18. April 2005. Dieser Entscheid wurde X.________ am 23. Juni 2005 zugestellt.
D.
Mit Schreiben an das Bundesamt für Justiz vom 26. Juni 2005 kündigte X.________ an, Beschwerde gegen den Auslieferungsentscheid einlegen zu wollen und beantragte, ihm sei ein geeigneter Rechtsbeistand beizuordnen. Das Bundesamt übermittelte eine Kopie dieses Schreibens an das Bundesgericht. Dieses wies X.________ am 4. Juli 2005 darauf hin, dass über die Beiordnung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands erst entschieden werden könne, wenn beim Bundesgericht eine Beschwerde vorliege.
E.
Mit Schreiben vom 2. Juli 2005 (Postaufgabe am 21. Juli 2005) erhob X.________ Beschwerde ans Bundesgericht mit dem Antrag, der Auslieferungsentscheid vom 9. Mai 2005 sei aufzuheben und das Nachtragsersuchen vom 18. April 2005 sei abzuweisen. Hilfsweise sei das Bundesamt anzuweisen, das Nachtragsersuchen zur Ergänzung und Nachbesserung an die deutschen Behörden zurückzuweisen.
In verfahrensmässiger Hinsicht beantragt er die Gewährung der aufschiebenden Wirkung, die Beiordnung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands und die Gewährung von Akteneinsicht. Zudem seien die Akten der Staatsanwaltschaft und des Amtsgerichts Rostock in den dem Auslieferungsverfahren zugrunde liegenden Ermittlungs- und Gerichtsverfahren zu edieren. Der Beschwerdeführer ersucht weiter um die Einvernahme von zwei Zeugen sowie des Staatsanwalts Orlik Popiolek der Staatsanwaltschaft Rostock. Das bundesgerichtliche Verfahren sei so lange auszusetzen, bis der deutsche Bundesgerichtshof und das deutsche Bundesverfassungsgericht über die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Gesetzes- und Verfassungsverletzungen der deutschen Behörden entschieden hätten.
F.
Am 25. Juli 2005 reichte Rechtsanwältin Uta Beitlich-Thommes eine Beschwerdeschrift für X.________ bei der Schweizer Botschaft in Berlin ein. Darin bestätigte sie die Beschwerdeanträge vom 2. Juli 2005 und ersuchte um ihre Beiordnung als unentgeltliche Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers.
G.
Das Bundesamt für Justiz beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.
In seiner Replik hält der Beschwerdeführer an seinen Anträgen fest.
H.
Mit Beschluss vom 20. September 2005 wies das Bundesgericht das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ab.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Für den Auslieferungsverkehr mit Deutschland ist das Europäische Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 (EAUe; SR 0.353.1) massgeblich, ergänzt durch den Zusatzvertrag vom 13. November 1969 (ZV; SR 0.353.913.61), das erste Zusatzprotokoll vom 15. Oktober 1975 (ZP zum EAUe; SR 0.353.11) und das zweite Zusatzprotokoll vom 17. März 1978 (2. ZP zum EAUe; SR 0.353.12). Soweit diese Staatsverträge bestimmte Fragen nicht abschliessend regeln oder strengere Anforderungen an die Auslieferung stellen als das schweizerische Landesrecht, ist dieses anwendbar, namentlich das Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG; SR 351.1) und die dazugehörende Verordnung vom 24. Februar 1982 (IRSV, SR 351.11).
2.
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist einzutreten, soweit sie sich gegen den Auslieferungsentscheid vom 9. Mai 2005 richtet; insofern liegen alle Sachurteilsvoraussetzungen vor. Soweit der Beschwerdeführer dagegen eine Verletzung der Verteidigungsrechte bei seiner Auslieferung im Mai 2004 rügt, kann darauf nicht eingetreten werden: Jenes Auslieferungsverfahren ist seit über einem Jahr abgeschlossen, weshalb dagegen keine Beschwerdemöglichkeit mehr besteht. Gleiches gilt, soweit der Beschwerdeführer die Unzulässigkeit der damals erfolgten Sachauslieferung rügt.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde hat von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung (Art. 21 Abs. 4 lit. a IRSG).
3.
Gemäss Art. 14 Abs. 1 lit. a EAUe darf der Ausgelieferte wegen einer anderen, vor der Übergabe begangenen Handlung als derjenigen, die der Auslieferung zugrunde liegt, nur verfolgt und abgeurteilt werden, wenn der Staat, der ihn ausgeliefert hat, zustimmt. Die Zustimmung wird erteilt, wenn die strafbare Handlung, derentwegen um Zustimmung ersucht wird, der Verpflichtung zur Auslieferung unterliegt. Dies setzt voraus, dass die Handlung auch nach dem Recht des ersuchten Staates strafbar ist (Art. 2 Abs. 1 EAUe). Dabei kann die nachträgliche Auslieferung auch für eine Straftat erfolgen, die den Anforderungen dieser Bestimmung an das Strafmass nicht genügt, d.h. mit Freiheitsstrafe unter einem Jahr oder nur mit Geldstrafe oder -busse bedroht ist (vgl. Art. 2 Abs. 2 EAUe i.V.m. Art. II Abs. 2 ZV).
3.1 Mit Urteil des Amtsgerichts Güstrow vom 14. Mai 2002 wurde der Beschwerdeführer wegen Beihilfe zur Erpressung verurteilt, weil er auf Wunsch des Mitangeklagten drei handgeschriebene Zettel angefertigt habe, die den Geschädigten als Wechselschuldner ausgewiesen hätten; dieser sei anschliessend aufgrund von Drohungen zum Unterschreiben der Wechsel genötigt worden. Dieser Sachverhalt ist auch nach schweizerischem Recht als Beihilfe zur Erpressung strafbar (Art. 156 StGB).
3.2 Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Rostock vom 5. Mai 2003 wurde der Beschwerdeführer wegen Urkundenfälschung und Betrugs verurteilt, weil er in vier Fällen Überweisungsbelege, die vom Geschädigten blanko unterzeichnet worden waren, ohne dessen Wissen ausgefüllt, bei der Bank eingereicht und dadurch eine Gutschrift auf sein Konto erlangt habe. Dieser Sachverhalt ist auch nach schweizerischem Recht als Urkundenfälschung und Gebrauch einer gefälschten Urkunde (Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 und 2 StGB) sowie Betrug (Art. 146 StGB) strafbar.
3.3 Dem Haftbefehl des Amtsgerichts Rostock vom 4. Februar 2005 liegen insgesamt 98 Strafvorwürfe zugrunde, wovon allerdings der letzte (Fall 98) vom 7. Oktober 2004, d.h. nach der Auslieferung von der Schweiz nach Deutschland, datiert, weshalb dessen Verfolgung auch ohne Zustimmung der Schweiz möglich ist.
3.3.1 In zahlreichen Fällen wird dem Beschwerdeführer Betrug in Tateinheit mit Urkundenfälschung vorgeworfen. In allen diesen Fällen soll der Beschwerdeführer gefälschte Überweisungsbelege bei Banken eingereicht haben und dadurch die Überweisung namhafter Geldbeträge auf sein Konto bzw. auf Konten, auf die er Zugriff hatte, bewirkt haben. Diese Sachverhalte sind auch nach schweizerischem Recht als Urkundenfälschung und Betrug strafbar.
Betrug liegt auch vor, soweit dem Beschwerdeführer vorgeworfen wird, unter missbräuchlicher Verwendung der Daten von Dritten Kreditkarten von der Bank erhalten und diese unbefugt als Zahlungsmittel eingesetzt zu haben.
3.3.2 Dem Beschwerdeführer wird überdies vorgeworfen, unter falschen Angaben (falsche Personalien, E-Mail-Adressen, Kreditkarten- bzw. Girokontodaten) per Internet Telefonguthaben bestellt und anschliessend für sich benutzt oder an Dritte weitergegeben zu haben. Auch dieser Sachverhalt ist als Betrug (Art. 146 StGB) strafbar. Aufgrund der geringen Höhe der einzelnen Telefonguthaben (zwischen 6 und 300 Euro) konnte eine Überprüfung der Angaben von der Telefongesellschaft vernünftigerweise nicht verlangt werden. Allenfalls kommt Art. 147 StGB in Betracht, wenn nicht ein Mensch getäuscht, sondern die Vermögensdisposition durch Manipulation von Computerdaten bewirkt worden sein sollte.
Betrug liegt auch vor, soweit der Beschwerdeführer unter falschem Namen und unter Vortäuschung seiner Zahlungswilligkeit Waren bei Versandhäusern bestellte, da er wusste, dass in solchen Fällen die Lieferung gegen Rechnung erfolgt und die Zahlungsfähigkeit bzw. die Identität des Bestellers nicht kontrolliert werden.
Auch der in Fall 39 geschilderte Sachverhalt ist als Betrug gegenüber der Versicherung strafbar.
3.3.3 Problematisch könnte dagegen unter dem Gesichtspunkt der Opfermitverantwortung Fall 2 sein. In diesem Fall soll sich der Beschwerdeführer als Rechtsanwalt YA.________ ausgegeben, telefonisch Telefonkarten und Briefmarken verkauft und hierfür 5'800 Euro erhalten haben, obwohl er die Telefonkarten und die Briefmarken, wie von vornherein beabsichtigt, nicht geliefert habe.
Betrug scheidet aus, wenn das Opfer sich mit einem Mindestmass an Aufmerksamkeit selbst hätte schützen können, es mithin die grundlegendsten Vorsichtsmassnahmen leichtfertig nicht beachtet hat. In diesem Sinne bejaht die Rechtsprechung Arglist, wenn der Täter ein ganzes Lügengebäude errichtet oder sich besonderer Machenschaften oder Kniffe bedient. Einfache falsche Angaben gelten als arglistig, wenn deren Überprüfung nicht oder nur mit besonderer Mühe möglich oder nicht zumutbar ist, und wenn der Täter den Getäuschten von der möglichen Überprüfung abhält oder nach den Umständen voraussieht, dass dieser die Überprüfung der Angaben aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses unterlassen werde (BGE 128 IV 18 E. 3a S. 20; 126 IV 165 E. 2a S. 171; je mit Hinweisen). Wird über innere Tatsachen wie die Leistungswilligkeit getäuscht, so ist eine direkte Überprüfung unmöglich (BGE 119 IV 284 E. 6b 288; 101 Ia 610 E. 3 S. 613 mit Hinweisen); der Erfüllungswille kann höchstens indirekt, durch Nachforschungen über die Erfüllungsfähigkeit, überprüft werden (BGE 118 IV 359 E. 2 S. 361).
Im vorliegenden Fall kann dem Opfer, das zum ersten Mal mit dem Beschwerdeführer (bzw. dem vermeintlichen Rechtsanwalt Y.________) geschäftlichen Kontakt hatte, der Vorwurf gemacht werden, es hätte sich von der Identität und Seriosität des Verkäufers vergewissern oder Zug-um-Zug-Leistung vereinbaren müssen, zumal es um Waren von erheblichem Wert ging.
Allerdings ist zu bedenken, dass - nach der Sachverhaltsschilderung im Ersuchen - die Zahlung auf das Konto des tatsächlich existierenden YB.________ erfolgte (auf das der Beschwerdeführer Zugriff hatte), weshalb das Opfer keinen Anlass hatte, an der Identität des Verkäufers zu zweifeln. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer die telefonische Vereinbarung per Telefax bestätigt haben soll, wobei er mit "Rechtsanwalt YA.________" unterzeichnet habe. Dies ist als Urkundenfälschung zu qualifizieren (vgl. BGE 120 IV 179 ff. zu einem vergleichbaren Fall). Insgesamt ist deshalb auch in diesem Fall Arglist und damit Betrug zu bejahen; hinzukommt die Strafbarkeit nach Art. 251 StGB wegen Urkundenfälschung.
3.3.4 Der Beschwerdeführer soll in mehreren Fällen unbefugt die Berufsbezeichnung "Rechtsanwalt" geführt haben. Dieses Verhalten ist in der Schweiz grundsätzlich als unlauterer Wettbewerb (Art. 3 lit. c i.V.m. Art. 23 UWG) und allenfalls auch als Betrug strafbar (vgl. Urteil Str.370/1980 vom 6. Januar 1981 E. 1 und 2; publ. in Rep 1982 S. 53) strafbar.
Voraussetzung ist allerdings, dass damit über eine besondere Auszeichnung oder Fähigkeit getäuscht wird, und die Berufsbezeichnung "Rechtsanwalt" nicht lediglich eingesetzt wird, um den Anschein besonderer Seriosität zu wecken (Carl Baudenbacher/Jochen Glöckner, Lauterkeitsrecht, Basel/Genf/München 2001, N 39 zu Art. 3 lit. c UWG). Im letztgenannten Fall kommt allerdings Art. 3 lit. b UWG als Auffangtatbestand in Betracht (Baudenbacher/Glöckner, a.a.O., N 39 zu Art. 3 lit. c UWG und N 94 zu Art. 3 lit. b UWG).
3.3.5 Soweit dem Beschwerdeführer vorgeworfen wird, durch einen falschen Bombenalarm die Räumung des Landgerichts bewirkt und die Durchführung der Hauptverhandlung in einer Berufungsstrafsache verhindert zu haben, ist dies nach Schweizer Recht als Schreckung der Bevölkerung (Art. 258 StGB) und allenfalls auch als falscher Alarm (Art. 128bis StGB) strafbar.
3.3.6 Als Diebstahl (Art. 139 StGB) oder allenfalls als Betrug (Art. 146 StGB) in Tateinheit mit Amtsanmassung (Art. 287 StGB) sind die Fälle zu qualifizieren, in denen der Beschwerdeführer sich als Polizist ausgegeben, eine Wohnungsdurchsuchung durchgeführt und verschiedene elektronische Geräte "beschlagnahmt" haben soll. Soweit der Beschwerdeführer einen anderen dazu bestimmte, liegt Anstiftung zu diesen Straftaten vor. Soweit er bei dieser Gelegenheit mitgenommene Kontounterlagen verwendet haben soll, um sich per Internet Geld vom Konto des Geschädigten auf ein eigenes Konto übermitteln zu lassen, ist dies nach schweizerischem Recht als betrügerischer Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage (Art. 147 StGB) strafbar.
3.4 Nach dem Gesagten ist die beidseitige Strafbarkeit zu bejahen.
4.
Der Beschwerdeführer rügt, ihm sei das rechtliche Gehör zum nachträglichen Auslieferungsersuchen nicht hinreichend gewährt worden. Die Ladung zur Anhörung vom 10. März 2005 sei ihm erst am 8. März 2005 und damit unter Nichteinhaltung der gesetzlichen Ladungsfrist zugestellt worden. Als Beilage zur Ladung seien ihm nur die dem Auslieferungsersuchen zugrunde liegenden Gerichtsentscheide zugestellt worden, nicht aber das Nachtragsersuchen selbst; er sei auch nicht darauf hingewiesen worden, dass die Anhörung allein dem Zweck diene, auslieferungsrechtliche Aspekte zu erörtern. Überdies sei ihm kein Rechtsbeistand beigeordnet und keine Akteneinsicht gewährt worden. Eine effektive Vorbereitung der Anhörung sei daher nicht möglich gewesen.
4.1 Gemäss Art. 14 Abs. 1 lit. a EAUe ist dem Ersuchen um Ausdehnung der Auslieferung neben den in Artikel 12 erwähnten Unterlagen ein "gerichtliches Protokoll über die Erklärungen des Ausgelieferten" beizufügen.
Im IRSG ist die Anhörung des Ausgelieferten, der wegen weiterer Taten verfolgt oder an einen dritten Staat weitergeliefert werden soll, in Art. 52 Abs. 3 IRSG geregelt. Danach veranlasst das Bundesamt, dass der Ausgelieferte durch eine Justizbehörde des ersuchenden Staates zu Protokoll einvernommen wird (Abs. 3).
Für den Inhalt dieser Einvernahme wird auf Art. 52 Abs. 2 IRSG verwiesen. Danach ist der Verfolgte kurz über seine persönlichen Verhältnisse einzuvernehmen und zu befragen, ob und aus welchen Gründen er Einwendungen gegen seine Auslieferung erhebe. Dabei kann sein Rechtsbeistand mitwirken (Abs. 2). Nicht verwiesen wird auf Art. 52 Abs. 1 IRSG, wonach dem Verfolgten u.a. das Ersuchen und die zugehörigen Unterlagen vorgelegt werden.
4.2 Im vorliegenden Fall geht aus dem vom Beschwerdeführer unterzeichneten Protokoll des Amtsgerichts Cottbus vom 10. März 2005 Folgendes hervor:
Der Beschwerdeführer wurde darauf hingewiesen, dass er sich in jeder Lage des Verfahrens eines Rechtsbeistands bedienen könne und dass es ihm freistehe, sich zu äussern oder nicht auszusagen. Der Beschwerdeführer verzichtete daraufhin "für die heutige Anhörung" auf die Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes seiner Wahl.
Es wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer der Haftbefehl des Amtsgerichts Rostock vom 4. Februar 2005, das Urteil des Amtsgerichts Güstrow vom 14. Mai 2002 und der Strafbefehl des Amtsgerichts Rostock vom 5. Mai 2003 in Kopie zugestellt worden waren. Der Beschwerdeführer wurde darauf hingewiesen, dass die Staatsanwaltschaft Rostock beabsichtige, die Strafen bzw. den Strafbefehl aus diesen Urteilen zu vollstrecken sowie die Strafverfolgung gegen ihn wegen der im Haftbefehl genannten Straftaten zu betreiben. Er wurde ferner darauf hingewiesen, dass dies aufgrund des Spezialitätsprinzips nur möglich sei, wenn die Behörden der Schweiz der Erweiterung der Auslieferung zustimmten. Ihm wurde sodann Art. 14 Abs. 1 EAUe erläutert. Der Beschwerdeführer erklärte, diese Hinweise verstanden zu haben und wies seinerseits die Behörden darauf hin, dass es zwischen der Schweiz und Deutschland ein bilaterales Abkommen vom 20. März 1981 gebe mit teilweise abweichenden Regeln.
Der Beschwerdeführer wurde dann gefragt, ob er sich mit der beabsichtigten Strafverfolgung bzw. Strafvollstreckung einverstanden erkläre und darauf hingewiesen, dass eine solche Zustimmung gleichzusetzen sei mit einer Einverständniserklärung zu einem vereinfachten Auslieferungsverfahren. Der Beschwerdeführer erklärte daraufhin, mit der beabsichtigten Strafverfolgung bzw. -vollstreckung nicht einverstanden zu sein.
4.3 Dieses Protokoll lässt keinen Verstoss gegen den in Art. 14 EAUe bzw. Art. 52 IRSG verankerten Grundsatz des rechtlichen Gehörs erkennen:
4.3.1 Nachdem der Beschwerdeführer ausdrücklich auf den Beizug eines Rechtsbeistands für die Anhörung verzichtet hatte, bestand für die deutschen Behörden keine Veranlassung, ihm vom Amtes wegen einen Beistand zu bestellen, zumal er, wie sein Hinweis auf das deutsch-schweizerische Zusatzübereinkommen belegt, mit dem Auslieferungsrecht vertraut war.
4.3.2 Das Nachtragsersuchen vom 18. April 2005 (bzw. der Entwurf dazu) wurde dem Beschwerdeführer weder zusammen mit der Ladung zugestellt noch während der Anhörung vorgelegt. Dies war jedoch nicht zwingend erforderlich: Wie oben dargelegt wurde, findet Art. 52 Abs. 1 IRSG auf das Verfahren vor der ausländischen Justizbehörde grundsätzlich keine Anwendung, sondern ist auf Rechtshilfeverfahren in der Schweiz zugeschnitten, die durch ein ausländisches Rechtshilfeersuchen eingeleitet werden. Dagegen liegt im Zeitpunkt der Anhörung im Ausland noch kein Ersuchen um Ausweitung der Auslieferung vor, kann dieses Gesuch gemäss Art. 14 Abs. 1 lit. a EAUe doch erst nach erfolgter Anhörung gestellt werden.
Allerdings muss gewährleistet sein, dass der Verfolgte bei der Anhörung weiss, dass und weswegen eine Ausdehnung der Auslieferung verlangt wird. Im vorliegenden Fall war dies der Fall, da dem Beschwerdeführer die Gerichtsurteile und der Haftbefehl zugestellt worden waren, die dem Nachtragsersuchen zugrunde liegen. Zudem wurde ihm in der Anhörung mündlich erläutert, weshalb für die beabsichtigte Strafvollstreckung bzw. -verfolgung die Zustimmung der Schweizer Behörden erforderlich sei und unter welchen Voraussetzungen diese Zustimmung gemäss Art. 14 EAUe zu erteilen sei.
Der Beschwerdeführer äusserte sich anschliessend zur beabsichtigten Strafvollstreckung und -verfolgung und damit zur beantragten Ausdehnung der Auslieferung. Dabei machte er weder geltend, nicht genügend Zeit zur Vorbereitung gehabt zu haben, noch verlangte er, zuvor weitere Akten einzusehen oder einen Rechtsanwalt konsultieren zu dürfen.
4.4 Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung deutschen Rechts (Ladungsfristen, Zuständigkeits- und Verfahrensfristen des deutschen Rechtshilfegesetzes; Anklageverbrauch) rügt, ist darauf nicht einzutreten. Die schweizerischen Rechtshilfebehörden haben nur zu prüfen, ob das Ersuchen um Ausdehnung der Auslieferung den anwendbaren staatsvertraglichen Bestimmungen entspricht, und müssen ihrerseits die Verfahrensregeln des IRSG respektieren. Verstösse der deutschen Behörden gegen deutsches Recht muss der Beschwerdeführer vor den deutschen Gerichten geltend machen.
Es ist kein Grund ersichtlich, das Auslieferungsverfahren bis zu einem letztinstanzlichen Entscheid der deutschen Gerichte über diese Rechtsmittel auszusetzen.
5.
Der Beschwerdeführer macht weiter einen Verstoss gegen Treu und Glauben geltend, weil sich der Haftbefehl vom 30. März 2004, welcher der Auslieferung an Deutschland im Mai 2004 zugrunde lag, auf minderschwere Fälle beschränkt habe. Die deutschen Behörden hätten damals verschwiegen, dass weitaus schwerwiegendere Anklagen bzw. Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer hängig seien. Er habe deshalb darauf vertraut, dass keine weiteren Strafvorwürfe gegen ihn vorlägen. Nur aus diesem Grunde habe er der vereinfachten Auslieferung zugestimmt. Dieses Vertrauen sei zu schützen. Der Verfolgte dürfe nicht auf Grund eines minderschweren Deliktes im Rahmen eines vereinfachten Auslieferungsverfahrens zurückgelockt werden, um ihm erst nach seiner Rückkehr die wahre Tragweite der effektiv vorgeworfenen Straftaten offen zu legen. Das Verhalten der deutschen Behörden müsse daher als Verzicht auf eine spätere Ausdehnung der Auslieferung auf alle Delikte qualifiziert werden, die ihnen damals bereits bekannt gewesen seien.
5.1 Die allgemeinen Prinzipien des Völkerrechtes können einer Auslieferung entgegenstehen, selbst wenn die Voraussetzungen für die Auslieferung nach dem EAUe erfüllt sind. Zu diesen Prinzipien gehört der Grundsatz von Treu und Glauben. Darauf kann sich der Beschwerdeführer berufen, um sich der Auslieferung zu widersetzen (BGE 117 Ib 337 E. 2a S. 340 mit Hinweisen; Robert Zimmermann, La coopération judiciaire internationale en matière pénale, 2. Aufl., N. 88-90, S. 93 ff.).
Nach der Rechtsprechung verbietet der Grundsatz von Treu und Glauben einem Staat, Zwang oder List anzuwenden, um sich einer gesuchten Person zu bemächtigen, die sich im Gebiet eines anderen Staates aufhält, wo sie auslieferungsrechtliche Immunität geniesst. Verboten ist jede missbräuchliche Machenschaft, die darauf abzielt, jemandem diese Immunität zu entziehen und ihn zu veranlassen, sich in das Gebiet des verfolgenden Staates zu begeben oder in das Gebiet eines anderen Staates, der grundsätzlich zur Auslieferung verpflichtet wäre. Der ersuchte Staat, auf dessen Gebiet sich jemand aufgrund solcher Machenschaften begeben hat, ist zur Ablehnung eines vom betreffenden Staat gestellten Auslieferungsgesuchs verpflichtet (BGE 117 Ib 337 E. 2a S. 340 mit Hinweisen).
Sodann kann Treu und Glauben einer Auslieferung für bestimmte Delikte entgegenstehen, wenn der ersuchende Staat auf die Stellung eines Auslieferungsersuchens für diese Straftaten verzichtet hatte, sei es gegenüber dem ersuchenden Staat, sei es in einem Vertrag mit dem Verfolgten (vgl. Entscheid 1A.199/2001 vom 21. Januar 2002 E. 3).
5.2 Im vorliegenden Fall haben die deutschen Behörden weder gegenüber dem Beschwerdeführer noch gegenüber der Schweiz erklärt, auf eine nachträgliche Auslieferung des Beschwerdeführers für die dem Urteil des Amtsgerichts Güstrow vom 14. Mai 2002, dem Strafbefehl des Amtsgerichts Rostock vom 5. Mai 2003 und dem Haftbefehl des Amtsgerichts Rostock vom 4. Februar 2005 zugrunde liegenden Straftaten verzichten zu wollen. Der Beschwerdeführer genoss in der Schweiz auch keine auslieferungsrechtliche Immunität: Hätte er im Mai 2004 der vereinfachten Auslieferung nicht zugestimmt, hätte die Auslieferung im ordentlichen Verfahren erfolgen können.
Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Beschwerdeführer zwar der vereinfachten Auslieferung zugestimmt, nicht aber auf die Einhaltung des Spezialitätsprinzips verzichtet hat. Vor der Übergabe begangene, im damaligen Auslieferungsersuchen nicht genannte Straftaten dürfen deshalb nur mit Zustimmung der Schweiz verfolgt bzw. dafür verhängte Strafen vollstreckt werden. Diese Zustimmung darf nur erteilt werden, wenn die Auslieferungsvoraussetzungen erfüllt sind, d.h. es gelten dieselben Voraussetzungen, die gegolten hätten, wenn schon im Mai 2004 über die (akzessorische) Auslieferung für die vorliegend beantragte Strafvollstreckung und -verfolgung hätte entschieden werden müssen. Die Rechtsstellung des Beschwerdeführers ist deshalb durch das Vorgehen der deutschen Behörden nicht verschlechtert und sein Vertrauen, nur wegen der im Haftbefehl vom 30. März 2004 genannten Straftaten ausgeliefert worden zu sein, nicht enttäuscht worden.
5.3 Nach dem Gesagten steht Treu und Glauben der Ausdehnung der Auslieferung nicht entgegen. Auf die vom Beschwerdeführer beantragte Befragung des deutschen Staatsanwalts sowie von Zeugen zu den Gründen für das Vorgehen der deutschen Behörden kann daher verzichtet werden. Gleiches gilt für die anderen beantragten Beweismassnahmen.
6.
Nach dem Gesagten erweist sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als unbegründet und ist abzuweisen. Angesichts der besonderen Umstände des Falles wird auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Bundesamt für Justiz, Abteilung Internationale Rechtshilfe, Sektion Auslieferung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 9. November 2005
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: