BGer C 162/2005
 
BGer C 162/2005 vom 27.12.2005
Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
C 162/05
Urteil vom 27. Dezember 2005
III. Kammer
Besetzung
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Kernen und Seiler; Gerichtsschreiberin Kopp Käch
Parteien
T.________, 1983, Beschwerdeführer, vertreten durch
W.________,
gegen
Amt für Wirtschaft und Arbeit, Abt. Rechtsdienst und Entscheide, Verwaltungsgebäude Promenade,
8510 Frauenfeld, Beschwerdegegner
Vorinstanz
Rekurskommission des Kantons Thurgau für die Arbeitslosenversicherung, Eschlikon TG
(Entscheid vom 14. März 2005)
Sachverhalt:
Mit Verfügung vom 10. Februar 2004 verneinte das Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons Thurgau die Vermittlungsfähigkeit des 1983 geborenen T.________ und somit dessen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. Dezember 2003. An seinem Standpunkt hielt es mit Einspracheentscheid vom 22. März 2004 fest.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies die Rekurskommission des Kantons Thurgau für die Arbeitslosenversicherung mit Entscheid vom 14. März 2005 ab.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt T.________ die Bejahung der Vermittlungsfähigkeit für die Zeit vom 1. Dezember 2003 bis anfangs März 2004 beantragen. Während die Rekurskommission und das AWA auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen, verzichtet das Staatssekretariat für Wirtschaft auf eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Verwaltung und Vorinstanz haben die massgebenden gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze über die Vermittlungsfähigkeit als eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung (Art. 8 Abs. 1 lit. f in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1 AVIG) sowie die dazu ergangene Rechtsprechung (BGE 125 V 58 Erw. 6a, 123 V 216 Erw. 3, 120 V 388 Erw. 3a, je mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen werden. Richtig ist insbesondere auch, dass nach der Rechtsprechung eine versicherte Person, die auf einen bestimmten Termin anderweitig disponiert hat und deshalb für eine neue Beschäftigung nur noch während relativ kurzer Zeit zur Verfügung steht, in der Regel als nicht vermittlungsfähig gilt (BGE 126 V 522 Erw. 3a, 123 V 217 Erw. 5a, je mit Hinweisen). In einem solchen Fall sind nämlich die Aussichten, für die verbleibende Zeit von einem andern Arbeitgeber angestellt zu werden, verhältnismässig gering. Entscheidend für die Beurteilung des Einzelfalles ist dabei, ob mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass ein Arbeitgeber die versicherte Person für die konkret zur Verfügung stehende Zeit noch einstellen würde (BGE 110 V 208 Erw. 1 mit Hinweisen; SVR 2000 AlV Nr. 1 S. 1 Erw. 2b; ARV 1991 Nr. 3 S. 24 Erw. 2b, 1990 Nr. 14 S. 84 Erw. 2a; Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], S. 86 Rz 216).
1.2 Die Frage der Vermittlungsfähigkeit ist prospektiv (BGE 120 V 387 Erw. 2 mit Hinweisen) und aufgrund einer gesamthaften Würdigung der für die Anstellungschancen im Einzelfall wesentlichen, objektiven und subjektiven Faktoren zu beurteilen. Ausser dem Umfang des für die versicherte Person in Betracht fallenden Arbeitsmarktes ist auch die Art der gesuchten zumutbaren Arbeit von Bedeutung (ARV 1992 Nr. 2 S. 74 f. Erw. 1b und 3, 1991 Nr. 3 S. 24 Erw. 3a).
2.
2.1 Aus den Akten ersichtlich und unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer nach Abschluss der Lehre mit Berufsmatura bei der Firma U.________ ab August 2002 bis Ende November 2003 im Rahmen eines befristeten Anstellungsverhältnisses bei dieser Firma als Mitarbeiter in der Privatkundenberatung tätig war. Ab 1. Dezember 2003 hat er sich zur Arbeitsvermittlung angemeldet und ab diesem Datum um Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigung ersucht, dies unter Hinweis darauf, dass er in der Zeit vom 8. März bis 6. August 2004 die Unteroffiziersschule absolvieren müsse. Mit Schreiben vom 19. Januar 2004 wurden die Kaderanwärter durch Oberst L.________ darauf hingewiesen, dass über 250 Kandidaten für die erste Unteroffiziersschule gemeldet worden seien, dass indessen aus Kapazitätsgründen maximal 170 berücksichtigt werden könnten. Darüber informierte der Beschwerdeführer das AWA Ende Januar 2004.
2.2 Die Rekurskommission hat in Bestätigung der Verwaltung die Vermittlungsfähigkeit des Beschwerdeführers für die Zeit vom 1. Dezember 2003 bis anfangs März 2004 verneint. Die für eine allfällige Vermittlung zur Verfügung stehende Zeit von rund drei Monaten sei im konkreten Fall zu kurz, um mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit davon ausgehen zu können, ein Arbeitgeber hätte den Versicherten noch angestellt. Erschwerend falle dabei ins Gewicht, dass einerseits der Arbeitssuche vor den Weihnachts- und Neujahrsfeiertagen erfahrungsgemäss wenig Erfolg beschieden sei, und dass andrerseits im kaufmännischen Bereich, in welchem der Beschwerdeführer vorwiegend gesucht habe, nicht viele Temporärstellen vorhanden seien. Dementsprechend habe sich der Versicherte denn auch nicht für Temporär-, sondern für Dauerstellen beworben, was seine Chancen in keiner Weise vergrössert habe, sei doch ein Arbeitgeber in der Regel kaum bereit, bei einer neu zu besetzenden Stelle eine zum Vornherein nur für kürzere Zeit zur Verfügung stehende und anschliessend für mehrere Monate abwesende Person mit kleiner Berufserfahrung zu berücksichtigen.
2.3 Der Beschwerdeführer wendet dagegen im Wesentlichen ein, bei einem entsprechenden Stellenangebot hätte er die Unteroffiziersschule bis zum Einrückungstag am 8. März 2004 verschieben können, so dass der Militärdienst nie ein Hinderungsgrund für eine Anstellung gewesen sei.
3.
Für die Prüfung der Vermittlungsfähigkeit ist die zu beurteilende Zeitspanne vom 1. Dezember 2003 bis anfangs März 2004 in zwei Phasen aufzuteilen.
3.1 Was zunächst die Zeit vom 1. Dezember 2003 bis zum Schreiben des Oberst L.________ vom 19. Januar 2004 anbelangt, hat die Rekurskommission nach sorgfältiger Würdigung der Umstände und Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts die Vermittlungsfähigkeit des Beschwerdeführers zu Recht verneint. Für diese Phase war nämlich davon auszugehen, dass der Versicherte am 8. März 2004 in die Unteroffizierschule einrücken und deshalb für eine neue Beschäftigung nur noch während relativ kurzer Zeit zur Verfügung stehen würde. Auf die überzeugenden Erwägungen der Vorinstanz kann diesbezüglich verwiesen werden.
3.2 Anders präsentiert sich die Ausgangslage für die Zeit ab 19. Januar 2004, da der Beschwerdeführer mit Schreiben dieses Datums darauf hingewiesen worden war, aus Kapazitätsgründen könnten nicht sämtliche der Kandidaten wie vorgesehen am 8. März 2004 in die Unteroffiziersschule einrücken, sondern die Artillerie Kaderschulen seien darauf angewiesen, dass einige der Anwärter das Einrücken auf Juni 2004 oder gar Oktober 2004 verschieben würden. Die entsprechende Verschiebungsbereitschaft teilte der Beschwerdeführer dem AWA Ende Januar 2004 schriftlich mit. Oberst L.________ bestätigte zudem im Schreiben vom 20. Juli 2004, dass sich der Versicherte vor der Unteroffiziersschule telefonisch nach der Verschiebungsmöglichkeit erkundigt habe, woraufhin ihm erklärt worden sei, bei Antritt einer Arbeitsstelle könne er selbst am Einrückungstag wieder entlassen werden. Dies habe - so Oberst L.________ - seinen Grund darin gehabt, dass für die besagte Unteroffiziersschule zu viele Kaderanwärter gemeldet worden seien und sie versucht hätten, einzelne Kandidaten, u.a. den Beschwerdeführer, dazu zu bewegen, die Unteroffiziersschule auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. In Absprache mit der zuständigen Stelle hätten sie Einrückende wieder entlassen und für eine spätere Schule vormerken können. In Anbetracht dieser Umstände ist für die Zeit ab 19. Januar 2004 nicht mehr davon auszugehen, der Beschwerdeführer wäre für eine neue Beschäftigung nur bis anfangs März 2004 zur Verfügung gestanden, sondern vielmehr davon, er hätte bei einem entsprechenden Stellenangebot die Unteroffiziersschule auf Juni 2004 oder gar auf Oktober 2004 verschoben. Diesfalls kann mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit angenommen werden, ein Arbeitgeber hätte den Versicherten für die konkret zur Verfügung stehende Zeit noch eingestellt, weshalb die Vermittlungsfähigkeit des Beschwerdeführers ab 19. Januar 2004 zu bejahen ist. Für die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe bereits vor dem erwähnten Schreiben vom 19. Januar 2004 um die Verschiebungsmöglichkeit gewusst und dies dem RAV mitgeteilt, fehlen indessen jedwelche Anhaltspunkte.
3.3 Infolge der Bejahung der Vermittlungsfähigkeit ab 19. Januar 2004 wird die Verwaltung die übrigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab diesem Zeitpunkt zu prüfen haben.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid der Rekurskommission des Kantons Thurgau für die Arbeitslosenversicherung vom 14. März 2005 und der Einspracheentscheid des Amtes für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Thurgau vom 22. März 2004 insoweit abgeändert, als die Vermittlungsfähigkeit des Beschwerdeführers ab 19. Januar 2004 bejaht wird.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Rekurskommission des Kantons Thurgau für die Arbeitslosenversicherung, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Thurgau, Abteilung Arbeitslosenkasse, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
Luzern, 27. Dezember 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Die Präsidentin der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: