BGer 4C.402/2005 |
BGer 4C.402/2005 vom 19.01.2006 |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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4C.402/2005 /ruo
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Urteil vom 19. Januar 2006
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I. Zivilabteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Corboz, Präsident,
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Bundesrichterin Klett, Bundesrichter Nyffeler,
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Bundesrichter Favre, Bundesrichterin Kiss,
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Gerichtsschreiber Arroyo.
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Parteien
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A.________,
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B.________,
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Kläger und Berufungskläger,
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beide vertreten durch Fürsprecher Dr. Michel Béguelin,
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gegen
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C.________ AG,
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Beklagte und Berufungsbeklagte,
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vertreten durch Rechtsanwalt Abel Manrique.
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Gegenstand
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Arbeitsvertrag; missbräuchliche Massenentlassung,
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Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des
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Kantons Bern, Appellationshof, 2. Zivilkammer,
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vom 29. September 2005.
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Sachverhalt:
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A.
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A.________ (Kläger 1) und B.________ (Kläger 2) waren Arbeitnehmer der C.________ AG, Biel (Beklagte). Zu Beginn des Jahres 2002 beschäftigte die Beklagte 41 Arbeitnehmer. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage stellte sie zunächst den Produktionsbetrieb und anschliessend den gesamten Geschäftsbetrieb ein. Die Beklagte entliess nach und nach Arbeitnehmer. In der Zeit vom 29. November 2002 bis zum 16. Dezember 2002 kündigte die Beklagte ihren letzten zehn Angestellten, zu denen die beiden Kläger gehörten, auf Ende Februar 2003. Der Kläger 1 arbeitete bis Ende Februar bei der Beklagten und trat am 14. April 2003 eine neue Stelle an; der Kläger 2 trat am 24. März 2003 eine neue Stelle an. Gemäss dem im erstinstanzlichen Urteil festgestellten Sachverhalt, auf den das angefochtene Urteil verweist, arbeitete ein weiterer Angestellter (X.________) bis Ende Mai 2003 für die Beklagte. Der genaue Zeitpunkt der endgültigen Einstellung des Geschäftsbetriebes ergibt sich aus keinem der beiden Urteile.
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Die Beklagte sprach die erwähnten Kündigungen ohne Konsultation der Belegschaft aus. Das kantonale Arbeitsamt wurde nicht benachrichtigt. Das Arbeitsamt intervenierte erst im Juni 2003 von sich aus, nachdem es von den Kündigungen aus der Presse erfahren hatte.
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Am 31. Januar 2003 erhoben die Kläger Einsprache gegen die Kündigung gemäss Art. 336 Abs. 1 OR und verlangten eine Entschädigung. Am 19. September 2003 liessen sie zum Aussöhnungsversuch laden und gelangten am 20. Dezember 2004 an das Gerichtspräsidium des Gerichtskreises II Biel-Nidau. Sie beantragten, die Beklagte sei zur Zahlung eines je Fr. 8'000.-- übersteigenden Betrages, jedoch höchstens je Fr. 30'000.-- zuzüglich Zins zu verurteilen.
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Mit Urteil vom 26. Mai 2005 verpflichtete der Gerichtspräsident des Kreises Biel-Nidau die Beklagte, dem Kläger 1 eine Entschädigung von Fr. 16'260.-- sowie Lohn von Fr. 4'599.25 (brutto) je nebst Zins zu bezahlen; gegenüber dem Kläger 2 wurde die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung von Fr. 10'833.30 und Lohn von Fr. 1'933.95 (brutto) je nebst Zins verurteilt. Zur Begründung führte der Gerichtspräsident im Wesentlichen aus, es liege eine Massenentlassung vor, die missbräuchlich sei, weil die Beklagte die Konsultation der Belegschaft und die Benachrichtigung des Arbeitsamts unterlassen habe. Er kam zum Schluss, das Arbeitsverhältnis der Parteien habe erst geendigt, als die Kläger am 14. April 2003 bzw. am 24. März 2003 eine neue Arbeitsstelle angetreten hätten; denn bis zu diesem Zeitpunkt sei die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäss Art. 335g Abs. 4 OR hinausgeschoben worden. Mit der Einreichung der Aussöhnungsbegehren am 19. September 2003 sei daher die Verwirkungsfrist von 180 Tagen im Sinne von Art. 336b Abs. 2 OR gewahrt.
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B.
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Das Obergericht des Kantons Bern wies die Klagen in Gutheissung der Appellation der Beklagten mit Urteil vom 29. September 2005 ab. Das Obergericht stellte zunächst fest, dass die Qualifikation der Entlassungen als missbräuchliche Massenentlassung nicht mehr in Frage gestellt werde. Es kam jedoch zum Schluss, das Arbeitsverhältnis mit den Klägern sei rechtsgültig auf Ende Februar 2003 beendet worden. Die Kündigungen auf diesen Zeitpunkt hätten ihre Gültigkeit unabhängig davon behalten, ob die Vorschriften über die Massenentlassung eingehalten worden seien. Für den Fall, dass der Arbeitgeber die Verfahrensvorschriften nicht einhalte, gelte die Kündigung zwar als missbräuchlich; das Gesetz sehe jedoch nicht das Weiterbestehen des Arbeitsverhältnisses vor; Art. 335g Abs. 4 OR finde bei unterbliebener Anzeige an das Arbeitsamt keine Anwendung. Da die (missbräuchlichen) Kündigungen auf Ende Februar 2003 im vorliegenden Fall gültig seien, lief die 180-tägige Frist im Sinne von Art. 336b Abs. 2 OR am 28. August 2003 ab. Da das Ladungsbegehren vom 19. September 2003 datiert, schloss das Obergericht, dass die Entschädigungsansprüche der Kläger verwirkt seien.
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C.
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Die Kläger haben gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern - mit je separaten Eingaben - Berufung eingereicht. Die Kläger stellen die Rechtsbegehren, das angefochtene Urteil sei, soweit sie betreffend, aufzuheben. Der Kläger 1 beantragt, die Beklagte sei zu verurteilen, ihm eine Entschädigung von Fr. 8'130.30 nebst 5% Zins seit 16. 4. 2004 und Lohn von Fr. 4'599.25 brutto nebst 5% Zins auf verschiedenen Fälligkeiten zu bezahlen. Der Kläger 2 beantragt, die Beklagte sei zu verurteilen, ihm eine Entschädigung von Fr. 5'416.65 nebst 5% Zins seit 16. 4. 2004 und Lohn von Fr. 1'933.95 brutto nebst 5% Zins seit 24.3.2003 zu bezahlen. Mit gleichlautender Begründung rügen die Kläger, die Vorinstanz habe Art. 335g Abs. 4 OR verletzt, indem sie diese Bestimmung bei unterlassener Anzeige für nicht anwendbar gehalten habe.
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D.
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Die Beklagte schliesst in den Antworten auf Abweisung der Berufungen, soweit darauf einzutreten ist.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Die Berufungen haben eine vermögensrechtliche Zivilrechtsstreitigkeit mit hinreichendem Streitwert zum Gegenstand (Art. 46 OG), richten sich gegen einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid (Art. 48 Abs. 1 OG) und sind fristgerecht von den formell und materiell beschwerten Klägern eingereicht worden (Art. 54 Abs. 1 OG).
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1.1 Die Klagen wurden im kantonalen Verfahren vereinigt, so dass diese von der Vorinstanz (zusammen mit drei weiteren Klagen) in einem einzigen Entscheid beurteilt wurden. Auch wenn die Kläger mit zwei gesonderten Eingaben an das Bundesgericht gelangen, rechtfertigt sich nicht, zwei Urteile zu erlassen, zumal die Begründungen der Rechtsschriften wörtlich übereinstimmen. Die beiden Berufungen sind vielmehr auch im vorliegenden Verfahren gemeinsam zu beurteilen.
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1.2 Die Kläger beantragen die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung bestimmter Beträge. Diese Begehren genügen den Anforderungen von Art. 55 Abs. 1 lit. b OG ohne weiteres und sind auch nicht neu; die Kläger haben ihre Forderungen vielmehr gegenüber den Anträgen vor der Vorinstanz reduziert, denn sie verlangen eine Entschädigung in Höhe eines statt zweier Monatslöhne. Da die Vorinstanz die Klagen abgewiesen hat, fehlen im angefochtenen Entscheid die erforderlichen Feststellungen zur Höhe der Löhne der Kläger und damit zur Höhe ihrer Forderungen. Die Beklagte hat sich in ihren Antworten mit den Begehren auf Abweisung der Berufungen begnügt; sie hat sich zur Höhe der von den Klägern geltend gemachten Forderungen nicht geäussert. Im Falle der Gutheissung der Berufung kommt nur die Rückweisung in Betracht.
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2.
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Es ist nicht mehr umstritten, dass auf die von der Beklagten Ende 2002 ausgesprochenen Kündigungen die Bestimmungen über die Massenentlassung im Sinne der Art. 335d-335g OR Anwendung finden und dass die Beklagte das vorgeschriebene Verfahren gemäss Art. 335f OR (Konsultation der Arbeitnehmer) und Art. 335g OR (Anzeige an das kantonale Arbeitsamt) nicht befolgt hat. Da die Arbeitnehmer bzw. deren Vertreter nicht konsultiert worden sind, sind die Kündigungen nach Art. 336 Abs. 2 lit. c OR missbräuchlich und die Beklagte hat grundsätzlich gemäss Art. 336a OR eine Entschädigung von höchstens zwei Monatslöhnen auszurichten (Abs. 3).
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2.1 Wer gestützt auf Art. 336 und 336a OR eine Entschädigung geltend machen will, muss gegen die Kündigung spätestens bis zum Ende der Kündigungsfrist beim Kündigenden schriftlich Einsprache erheben (Art. 336b Abs. 1 OR). Ist die Einsprache wie hier gültig erfolgt und einigen sich die Parteien nicht über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, so kann die Partei, der gekündigt worden ist, ihren Anspruch auf Entschädigung geltend machen. Wird nicht innert 180 Tagen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Klage anhängig gemacht, ist der Anspruch verwirkt (Art. 336b Abs. 2 OR). Im vorliegenden Fall stellten die Kläger am 19. September 2003 das Aussöhnungsbegehren, was nach bernischem Zivilprozessrecht die Wahrung der Verwirkungsfrist bewirkt, sofern in der Folge die Klageerhebung - wie vorliegend - rechtzeitig erfolgt (Leuch/Marbach/Kellerhals/Sterchi, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 5. Aufl., N. 3 zu Art. 144 ZPO/BE). Die am 19. September 2003 erfolgte Einleitung des Aussöhnungsverfahrens ist somit als bundesrechtliche Klageerhebung anzusehen (BGE 111 II 186 E. 8b mit Hinweisen; vgl. auch BGE 118 II 479 E. 3). Der Anspruch der Kläger auf Entschädigung ist daher verwirkt, falls mit der Vorinstanz anzunehmen ist, dass die Arbeitsverhältnisse auf das Ende der vertraglichen Kündigungsfrist per Ende Februar 2003 beendet wurden. Für diesen Fall ist zudem unbestritten, dass den Klägern auch keine Lohnansprüche mehr zustehen. Dagegen ist die 180-tägige Verwirkungsfrist mit der Klageerhebung am 19. September 2003 gewahrt, wenn die Arbeitsverhältnisse erst nach dem 22. März 2003 endeten.
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2.2 Die Kläger berufen sich auf Art. 335g Abs. 4 OR. Danach endet das Arbeitsverhältnis, das im Rahmen einer Massenentlassung gekündigt worden ist, 30 Tage nach der Anzeige der beabsichtigten Massenentlassung an das kantonale Arbeitsamt, ausser wenn die Kündigung nach den vertraglichen oder gesetzlichen Bestimmungen auf einen späteren Termin wirksam wird. In der bundesrätlichen Botschaft wird dazu ausgeführt, der Arbeitgeber könne den betroffenen Arbeitnehmern kündigen, selbst wenn er keine Anzeige an das kantonale Arbeitsamt vorgenommen habe. Aber in einem solchen Fall könne die Kündigung unter Umständen erst nach dem vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungstermin wirksam werden. Dies wird am Beispiel eines Arbeitnehmers erläutert, dem am 30. Juni auf den 31. Juli gekündigt wird, während die Massenentlassung dem kantonalen Arbeitsamt erst am 15. Juli angezeigt wird. In diesem Falle wirkt die Kündigung nach den Ausführungen in der Botschaft erst auf den 15. August (Botschaft I über die Anpassung des Bundesrechts an das EWR-Recht vom 27. Mai 1992, BBl 1992 V 412; vgl. zur Berechnung bzw. Gültigkeit des Kündigungstermins allerdings auch Geiser, Massenentlassung, AJP 1995 S. 1412; Lienhard Meyer, Die Massenentlassung, Diss. Basel 1999, S. 229). Da im vorliegenden Fall überhaupt keine Anzeige an das kantonale Arbeitsamt erfolgt ist, vertreten die Kläger die Ansicht, die Folge dieser Anzeigepflichtverletzung bestehe in der Weitergeltung ihres Arbeitsvertrages bis zum Antritt ihrer neuen Arbeitsstellen am 14. April 2003 bzw. am 24. März 2003.
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2.3 Eine Kündigung, die unter Verletzung der (Verfahrens-)Vorschriften über die Massenentlassung - insbesondere ohne Anzeige an das kantonale Arbeitsamt gemäss Art. 335g Abs. 1 OR - erfolgt, ist gültig (Botschaft I über die Anpassung des Bundesrechts an das EWR-Recht vom 27. Mai 1992, a.a.O., S. 412; Geiser, Massenentlassung, a.a.O., S. 1411 f.; Vischer, Der Arbeitsvertrag, in: von Büren/Girsberger/Kramer et al. [Hrsg.], Schweizerisches Privatrecht, 3. Aufl., Basel 2005, S. 152). Art. 335g Abs. 4 OR stellt hingegen nicht eine Verfahrensbestimmung, sondern eine materiell-rechtliche Norm über den Kündigungstermin dar (Staehelin, Zürcher Kommentar, N. 1 zu Art. 335g OR). Der Zeitpunkt der Anzeige an das kantonale Arbeitsamt gemäss Art. 335g OR kann zu einer Verlängerung der Kündigungsfrist bzw. zu einem Hinausschieben der Beendigung des Arbeitsvertrags führen. In der Lehre ist umstritten, welche Folgen die Unterlassung der Anzeige an das Arbeitsamt insbesondere für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat. Ein Teil der Doktrin vertritt die Ansicht, das Gesetz enthalte für diesen Fall - abgesehen von einer allfälligen Busse gemäss Art. 39 Abs. 2 lit. b AVG (SR 823.11) - keine Sanktion (Aubert, Die neue Regelung über Massenentlassungen und den Übergang von Betrieben, AJP 1994 S. 703; Roland A. Müller, Die neuen Bestimmungen über Massenentlassungen, in: Mitteilungen des Instituts für Schweizerisches Arbeitsrecht, 1995, S. 135; vgl. auch das Urteil des Tribunal cantonal de Neuchâtel vom 24. November 2004, RJN 2004, E. 5c, S. 86). Mehrheitlich setzt die Lehre jedoch die Unterlassung der Anzeige der Verzögerung gleich und befürwortet damit für den Fall fehlender Anzeige mindestens sinngemäss die - unter bestimmten Vorbehalten grundsätzlich unbefristete - Weitergeltung des Arbeitsvertrags über den vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungstermin hinaus (Streiff/von Kaenel, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319-362 OR, 6. Auflage, 2006, N. 9 zu Art. 335g OR; Geiser, Die Änderungskündigung im schweizerischen Arbeitsrecht, AJP 1999 S. 66; Meyer, a.a.O., S. 238; Wyler, Droit du travail, Bern 2002, S. 359; Brühwiler, Kommentar zum Einzelarbeitsvertrag, 2. Aufl., 1996, N. 3 zu Art. 335g OR).
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2.4 Die Anzeige an das kantonale Arbeitsamt soll diesem ermöglichen, nach Lösungen zu suchen, nötigenfalls mit den Parteien Vermittlungsverhandlungen durchzuführen und Vorschläge - insbesondere über allfällige Abfindungen und soziale Begleitmassnahmen - auszuarbeiten, wofür mindestens 30 Tage zur Verfügung stehen sollen (Staehelin, a.a.O., N. 3 zu Art. 335g OR; Wyler, a.a.O., S. 358; Rehbinder/Portmann, Basler Kommentar, N. 1 zu Art. 335g OR; Meyer, a.a.O., S. 201 ff.; vgl. auch Oda Hinrichs, Kündigungsschutz und Arbeitnehmerbeteiligung bei Massenentlassungen, Diss. Halle 2001, S. 67). Der Gesetzgeber wollte mit dem Erlass von Art. 335d-335g OR die Zielsetzung der europäischen Richtlinie 75/129 zur Massenentlassung für das schweizerische Recht verwirklichen (Botschaft des Bundesrates vom 24. Februar 1993 über das Folgeprogramm nach der Ablehnung des EWR-Abkommens, BBl 1993 I 881, S. 978). Diese Richtlinie verlangt unter anderem, dass die (im innerstaatlichen Recht vorgesehenen) Sanktionen bei Verletzung der Informations-, Konsultations- und Anzeigepflichten wirksam sein müssen (vgl. Hinrichs, a.a.O., S. 68/78 ff. mit Verweis auf die Entscheidung des EuGH vom 8. Juni 1994 in der Rechtssache C-383/92, Kommission gegen Vereinigtes Königreich von Grossbritannien; Müller, a.a.O., S. 212f). Die vom Gesetzgeber bezweckte Angleichung des schweizerischen Rechts an die Richtlinie der Europäischen Union spricht daher dafür, dass nicht nur die Unterlassung der Konsultation der Arbeitnehmer (Art. 336 Abs. 2 lit. c OR), sondern auch die Unterlassung der Anzeige an das kantonale Arbeitsamt Rechtsfolgen nach sich zieht. Dem Zweck von Art. 335g OR entspricht insofern, an die Unterlassung der Anzeige die gleiche Rechtsfolge wie bei verspäteter Anzeige zu knüpfen und die Beendigung des Arbeitsvertrages hinauszuschieben.
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2.5 Wird dem kantonalen Arbeitsamt überhaupt nicht ermöglicht, vermittelnd tätig zu werden, so soll einerseits der Arbeitgeber, der seiner Pflicht nicht nachkommt, nicht besser gestellt sein, als wenn er wegen einer verspäteten Anzeige die Arbeitsverträge erst auf einen späteren Termin beenden kann. Anderseits sollen die Arbeitnehmer, die ihrer Rechte auf eine vermittelnde Tätigkeit der Amtsstelle verlustig gehen, nicht zusätzlich schlechter gestellt sein, als wenn die Anzeige verspätet erfolgt wäre und sich entsprechend ihr Kündigungstermin um die 30 Tage verlängert hätte, die dem Arbeitsamt für seine Bemühungen hätten zur Verfügung stehen müssen. Die Vorinstanz führt zwar an sich zutreffend aus, dass ein Hinausschieben des Termins der Beendigung der Arbeitsverträge während Jahren nicht angehe, da diesfalls die Arbeitnehmer unter Umständen noch jahrelang Nachforderungen stellen könnten. Indessen können Gründe der Rechtssicherheit allein nicht dazu führen, die Unterlassung der Anzeige an das kantonale Arbeitsamt im Unterschied zur verspäteten Erfüllung dieser Rechtspflicht ohne jede Rechtsfolge zu lassen. Das Ende der Arbeitsverträge ist vielmehr in diesem Falle unter Rücksicht darauf festzulegen, wann allfällige Tätigkeiten des kantonalen Arbeitsamtes nach dem Zweck von Art. 335g OR nicht mehr sinnvoll durchgeführt werden können. Diese Tätigkeit dürfte sich in der Regel allerdings nicht auf die reine Vermittlung unter den Parteien des Arbeitsvertrages etwa im Blick auf den Abschluss eines Sozialplanes beschränken, sondern die rechtzeitige Anzeige an das Arbeitsamt dient auch der Unterstützung der entlassenen Arbeitnehmer bei der Suche einer neuen Arbeitsstelle. Im vorliegenden Fall ist das kantonale Arbeitsamt nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil noch im Juni 2003 von sich aus tätig geworden, nachdem es in der Presse von der Massenentlassung Kenntnis erlangte.
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2.6 Grundsätzlich ist den Klägern beizupflichten, dass sich der Endtermin ihrer Arbeitsverträge spätestens bis zum Antritt ihrer neuen Stellen verlängert hat. Denn mit der Annahme einer neuen Stelle haben sie jedenfalls sinngemäss ihr Einverständnis mit der Beendigung des - von der Beklagten gültig gekündigten - Arbeitsvertrages erklärt. Der Kläger 1 hat am 14. April 2003 und der Kläger 2 am 24. März 2003 eine neue Stelle angetreten. Am 19. September 2003 reichten die Kläger das Aussöhnungsbegehren ein (vgl. E. 2.1). Die 180-tägige Verwirkungsfrist gemäss Art. 336b Abs. 2 OR wurde somit in beiden Fällen gewahrt. Die Vorinstanz stellt im angefochtenen Entscheid allerdings fest, dass die Kläger bis Ende Februar 2003 für die Beklagte gearbeitet haben, dass sie danach aber weder eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses verlangt, noch ihre Arbeitskraft weiter angeboten haben. Die Kläger erheben gegen diese Feststellung keine zulässigen Rügen (Art. 63 Abs. 2 OG). Bietet der Arbeitnehmer aber seine Arbeitsleistung nicht an, ohne dass anerkannte Verhinderungsgründe vorliegen, gerät er wegen Nichterfüllung des Vertrages in Verzug und der Arbeitgeber kann in diesem Fall für die Dauer der fehlenden Arbeitsleistung den Lohn verweigern (BGE 115 V 437 E. 5a). Die Lohnforderungen der Kläger wären insoweit unbegründet, sofern der Betrieb der Beklagten Ende Februar 2003 nicht bereits geschlossen war, was aufgrund der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz unklar bleibt. Dagegen schliesst das von der Vorinstanz festgestellte Verhalten der Kläger die gesetzliche Verlängerung des Endtermins der Verträge nicht ohne weiteres aus. Denn aus einem bloss passiven Verhalten kann nach Treu und Glauben nicht auf das Einverständnis mit dem ordentlichen Kündigungstermin und auf einen Verzicht auf die Verlängerung gemäss Art. 335g Abs. 4 OR geschlossen werden. Die Verwirkungsfrist für die Geltendmachung der Entschädigungsansprüche der Kläger nach Art. 336b OR wurde daher entgegen der Ansicht der Vorinstanz eingehalten.
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3.
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Die Berufung der Kläger ist teilweise gutzuheissen und das angefochtene Urteil aufzuheben. Da sich die Beklagte zur Höhe der Forderungen der Kläger nicht geäussert hat, ist die Sache zur Ergänzung in diesem Punkt an die Vorinstanz zurückzuweisen. Da die massgebenden Streitwerte der Klagebegehren je Fr. 30'000.-- nicht überschreiten, ist keine Gerichtsgebühr zu erheben (Art. 343 Abs. 3 OR). Dagegen hat die Beklagte den anwaltlich vertretenen Klägern eine reduzierte Parteientschädigung zu bezahlen, die praxisgemäss mit einem Pauschalbetrag, einschliesslich Mehrwertsteuer und Auslagen, zu bemessen ist (Art. 159 Abs. 2 OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Berufungen werden teilweise gutgeheissen, Ziffern 4 und 7 (soweit die Kläger betreffend) des Urteils des Obergerichts des Kantons Bern vom 29. September 2005 werden aufgehoben und die Sache wird an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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2.
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Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.
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3.
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Die Beklagte hat die Kläger für das bundesgerichtliche Verfahren mit je Fr. 1'000.-- zu entschädigen.
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4.
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Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Appellationshof, 2. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 19. Januar 2006
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Im Namen der I. Zivilabteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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