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Original
 
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2P.2/2006 /vje
Urteil vom 3. Februar 2006
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiber Feller.
Parteien
X.________ Krankenkasse, A.________,
Beschwerdeführerin,
gegen
Regierungsrat des Kantons Bern, 3011 Bern,
Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern, 3011 Bern.
Gegenstand
Inkraftsetzung des Spitalversorgungsgesetzes,
Beschwerde gegen den Beschluss des Regierungsrats des Kantons Bern vom 30. November 2005.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
In der Volksabstimmung vom 5. Juni 2005 wurde das bernische Spitalversorgungsgesetz (SpVG) angenommen; der Regierungsrat des Kantons Bern gab die Ergebnisse der Volksabstimmung im Amtsblatt des Kantons Bern vom 22. Juni 2005 bekannt. Mit Beschluss Nr. 3697 vom 30. November 2005 setzte er das Gesetz auf den 1. Januar 2006 in Kraft, mit Ausnahme von Art. 29 und 32 SpVG (Bestimmungen über die Finanzierung), die am 1. Januar 2007 in Kraft treten sollen, und von Art. 109 Ziff. 4 SpVG, welcher nicht in Kraft gesetzt wurde. Ebenfalls am 30. November 2005 verabschiedete der Regierungsrat die Spitalversorgungsverordnung (SpVV) und setzte sie - mit Ausnahme der Finanzierungsbestimmungen - auf den 1. Januar 2006 in Kraft. Die Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern nahm am 7. Dezember 2005 eine ausserordentliche Veröffentlichung der Verordnung vor, d.h. sie stellte sie den Teilnehmern des im Sommer 2005 zu dieser Verordnung durchgeführten Konsultativverfahrens individuell zu. Adressatin war unter anderem die Genossenschaft X.________ Krankenkasse, A.________.
Die X.________ Krankenkasse gelangte am 29. Dezember 2005 mit Beschwerde an den Bundesrat. Sie stellte folgende Anträge:
1. Der Beschluss Nr. 3697 des Regierungsrats des Kantons Bern vom 30. November betreffend Inkraftsetzung des Spitalversorgungsgesetzes (SpVG) sei aufzuheben.
2. Die Sache sei mit verbindlichen Weisungen des Bundesrates im Sinne der Erwägungen an den Regierungsrat des Kantons Bern zurückzuweisen.
3. Der vorliegenden Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen."
Das Bundesamt für Justiz, Abteilung für Beschwerden an den Bundesrat, hat die Beschwerde am 3. Januar 2006 gestützt auf Art. 96 Abs. 1 OG an das Bundesgericht weitergeleitet, welches ein Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde eröffnet hat.
Namens des Regierungsrats hat die Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern beantragt, der Beschwerde sei keine aufschiebende Wirkung zu erteilen. Eine Vernehmlassung in der Sache selbst hat sich erübrigt.
Mit dem vorliegenden Urteil, das im vereinfachten Verfahren ergeht (Art. 36a OG), wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung, welchem am 6. Januar 2006 superprovisorisch nicht entsprochen worden ist, gegenstandslos.
2.
2.1 Gemäss Art. 84 Abs. 2 OG ist die staatsrechtliche Beschwerde nur zulässig, wenn die behauptete Rechtsverletzung nicht sonst wie durch Klage oder Rechtsmittel beim Bundesgericht oder einer andern Bundesbehörde gerügt werden kann.
Die Beschwerde ist beim Bundesrat eingereicht worden. Im Überweisungsschreiben des Bundesamtes für Justiz vom 3. Januar 2006 wird zutreffend festgestellt, dass der angefochtene Regierungsratsbeschluss nicht zu den gemäss Art. 53 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) mit Beschwerde an den Bundesrat anfechtbaren Beschlüssen der Kantonsregierung zählt. Sodann setzt der angefochtene Beschluss ein Gesetz in Kraft und stellt keine (auf Bundesrecht gestützte) Anordnung im Einzelfall dar; es handelt sich somit nicht um eine mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbare Verfügung im Sinne von Art. 97 Abs. 1 OG in Verbindung mit Art. 5 VwVG. Die Beschwerde kann einzig als staatsrechtliche Beschwerde betrachtet werden und ist als solche entgegenzunehmen (vgl. BGE 130 I 174 E. 1.1 S. 176 sowie BGE 128 II 66 E. 1a S. 67 f. und 124 I 145 E. 1a S. 148).
2.2 Gemäss Art. 90 Abs. 1 OG muss in der Beschwerdeschrift der angefochtene Erlass oder Entscheid bezeichnet werden. Sie hat die Anträge (lit. a) sowie die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber zu enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte und inwiefern sie durch den angefochtenen Erlass oder Entscheid verletzt worden sind (lit. b). Auf eine Beschwerde, die diesen Anforderungen nicht genügt, tritt das Bundesgericht nicht ein.
2.2.1 Die Beschwerdeführerin beantragt allein die Aufhebung des Regierungsratsbeschlusses Nr. 3697 vom 30. November 2005. Dieser Beschluss regelt das Inkrafttreten des Spitalversorgungsgesetzes vom 5. Juni 2005 (Beschluss-Ziff. 1), das Ausserkrafttreten des Spitalgesetzes vom 2. Dezember 1973 (Beschluss-Ziff. 2), das Ausserkrafttreten des Spitaldekrets vom 5. Februar 1975 (Beschluss-Ziff. 3), das Ausserkrafttreten des Gesetzes vom 11. März 1998 über ausserordentliche Lagen (Beschluss-Ziff. 4) sowie die Aufhebung eines ersten Regierungsratsbeschlusses vom 17. August 2005 betreffend Inkraftsetzung (Beschluss-Ziff. 5). Die Beschwerdeführerin nimmt an, dass mit diesem Beschluss sowohl das Spitalversorgungsgesetz als auch die Spitalversorgungsverordnung vom 30. November 2005 (SpVV) in Kraft gesetzt werden. Sie führt dann aus, "da erst mit der das Gesetz näher erläuternden und umschriebenden SpVV klar wird, wie der Beschwerdegegner das Gesetz zu interpretieren gedenkt, erfasst diese Beschwerde sowohl das Gesetz wie auch die Verordnung. Wie nachstehend erläutert wird, verletzen beide Rechtsakte Bundesrecht."
2.2.2 Nach dem vorstehend umschriebenen Regelungsbereich des regierungsrätlichen Inkraftsetzungsbeschlusses Nr. 3697 fällt die Spitalversorgungsverordnung nicht darunter. Die laut dem Rechtsbegehren (S. 2 der Beschwerdeschrift) ausdrücklich (nur) gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde "umfasst" daher, entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin, die fragliche Verordnung nicht. Was sodann das Spitalversorgungsgesetz betrifft, öffnet die Anfechtung des Inkraftsetzungsbeschlusses den Weg zu dessen inhaltlicher Prüfung nicht. Der Inkraftsetzungsbeschluss stellt einerseits keinen einzelfallbezogenen Anwendungsakt einer oder mehrerer Normen des Gesetzes dar, und er lässt andererseits die Frist zur Anfechtung des Gesetzes (bzw. einzelner Bestimmungen) im Hinblick auf eine abstrakte Normenkontrolle nicht neu laufen. Eine sich gegen das Gesetz bzw. einzelne seiner Normen richtende staatsrechtliche Beschwerde hätte innert 30 Tagen seit der nach kantonalem Recht massgebenden Eröffnung erhoben werden müssen (Art. 89 Abs. 1 OG). Die Tatsache, dass das Spitalversorgungsgesetz in der Volksabstimmung angenommen worden war (Erwahrungsbeschluss), ist im Amtsblatt des Kantons Bern am 22. Juni 2005 bekanntgegeben worden; der Gesetzestext selber ist am 19. Oktober 2005 in die Bernische Amtliche Gesetzessammlung aufgenommen worden (zur Bernischen Amtlichen Gesetzessammlung bzw. zum Amtsblatt s. Art. 1 ff. bzw. Art. 13 ff. des bernischen Publikationsgesetzes vom 18. Januar 1993, PuG). Der Zeitpunkt (erst) der Publikation des Inkraftsetzungsbeschlusses könnte bloss im vorliegend nicht gegebenen Falle massgeblich sein, da das Referendum gegen einen Erlass nicht zustandegekommen ist und keine Volksabstimmung stattgefunden hat (vgl. BGE 119 Ia 123 E. 1a S. 126; 103 Ia 191 E. 1 S. 193 f.; s. Art. 59 Abs. 3 des bernischen Gesetzes vom 5. Mai 1980 über die politischen Rechte). Die Frist zur Anfechtung des Gesetzes war am 29. Dezember 2005, als die Beschwerde an den Bundesrat erhoben wurde, in jedem Fall längst abgelaufen. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin zur angeblich fehlenden Bundesrechtskonformität des Gesetzes sind schon darum nicht zu hören.
Hinsichtlich des Inkrafttretungsbeschlusses ist die Beschwerde rechtzeitig erhoben worden. Dieser ist indessen nur insoweit mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar, als er selber eine Verfassungsverletzung bewirkt, vorab durch die Inkraftsetzungsmodalitäten als solche. Entsprechende Rügen erhebt die Beschwerdeführern nicht.
2.2.3 Im Unterschied zum Spitalversorgungsgesetz ist die Spitalversorgungsverordnung, gleich wie der sie betreffende Inkraftsetzungsbeschluss, erst am 7. Dezember 2005 eröffnet worden; die vorliegende Beschwerde wäre rechtzeitig, soweit damit auch die Verordnung formgerecht angefochten würde. Dies ist nicht der Fall. Die Beschwerdeführerin bezeichnet als Anfechtungsobjekt, wie erwähnt, allein den Inkraftsetzungsbeschluss Nr. 3697, der die Verordnung nicht beschlägt. Entsprechend stellt sie auch keinen Antrag auf Aufhebung der Verordnung bzw. gewisser darin enthaltener Normen, wie dies Art. 90 Abs. 1 lit. a OG verlangt. Die Beschwerdeführerin zeigt darüber hinaus ohnehin nicht in einer den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügenden Weise auf, inwiefern die einzelnen in ihrer Beschwerdebegründung erwähnten Verordnungsbestimmungen (Art. 3, 22 und 34 SpVV) gegen verfassungsmässige Rechte verstossen bzw. keiner verfassungskonformen (bzw. keiner mit vorrangigem Bundesrecht vereinbaren) Auslegung und Anwendung zugänglich sein sollen (vgl. zu letzterem BGE 130 I 82 E. 2.1 S. 86). Wie es sich damit verhält, liesse sich angesichts des weiten Wortlauts der fraglichen Bestimmungen auch kaum zum Voraus abstrakt bestimmen. So wird sich die Möglichkeit bundesrechtskonformer Anwendung von Art. 3 SpVV erst dann genügend konkret zeigen, wenn, nach Vorliegen der (zurzeit ausstehenden) Versorgungsplanung, gestützt darauf eine Spitalliste aufgelegt wird. Diese wird Art. 39 KVG zu berücksichtigen haben, und allfällige diesbezügliche Mängel könnten gemäss Art. 53 KVG mit Beschwerde an den Bundesrat gerügt werden.
2.3 Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin keine Rügen betreffend den konkret angefochtenen Inkraftsetzungsbeschluss Nr. 3697 erhebt und dass auf die Rügen, welche inhaltlich das Spitalversorgungsgesetz betreffen, wegen Verspätung, und auf die Rügen, welche die Spitalversorgungsverordnung betreffen, mangels formgerechter Anfechtung nicht eingetreten werden kann.
2.4 Da auf die Beschwerde nicht eingetreten wird, sind die bundesgerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht
im Verfahren nach Art. 36a OG:
1.
Die Beschwerde wird als staatsrechtliche Beschwerde entgegengenommen.
2.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.
3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'500.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin und dem Regierungsrat des Kantons Bern sowie, zur Information, dem Bundesamt für Justiz, Abteilung für Beschwerden an den Bundesrat, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 3. Februar 2006
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: