BGer 5C.32/2006 |
BGer 5C.32/2006 vom 28.02.2006 |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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5C.32/2006 /blb
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Urteil vom 28. Februar 2006
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II. Zivilabteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Raselli, Präsident,
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Bundesrichterin Nordmann, Bundesrichter Meyer,
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Gerichtsschreiber Möckli.
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Parteien
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X.________,
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Berufungskläger,
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vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Franziska Ryser-Zwygart,
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gegen
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Y.________,
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Berufungsbeklagte,
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vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Max Flückiger.
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Gegenstand
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Anordnung eines Gutachtens, Besuchsrecht,
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Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts
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des Kantons Solothurn vom 21. Dezember 2005.
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Sachverhalt:
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A.
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Die unverheirateten, seit 2001 getrennten Parteien sind die Eltern des im Jahre 2000 geborenen A.________, über den die Vormundschaftsbehörde V.________ am 20. März 2002 eine Beistandschaft errichtete. Ausserdem gewährte sie dem Vater am 18. September 2002 ein Besuchsrecht an jedem zweiten Wochenende von Samstag 12 Uhr bis Sonntag 19 Uhr.
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B.
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Aufgrund mehrerer Gefährdungsmeldungen des Vaters, wonach die Mutter nicht erziehungsfähig sei und sich ihr Freund gegenüber Kindern problematisch verhalte, eröffnete die Vormundschaftsbehörde am 8. September 2004 ein Verfahren zur Neuregelung des Besuchsrechts. In dessen Ausdehnung beauftragte sie am 4. November 2004 den kinder- und jugendpsychiatrischen Dienst (KJPD) mit der Abklärung von Fragen insbesondere betreffend den Entwicklungsstand von A.________, allfällige auf das belastete Verhältnis zwischen den Eltern zurückzuführende Verhaltensauffälligkeiten, Anzeichen sexueller Übergriffe, Betreuung durch die Mutter, Entzug des Sorgerechts und die Besuchsrechtsregelung. Ausserdem verfügte die Vormundschaftsbehörde am 10. November 2004 ein begleitetes Besuchsrecht im Rahmen der begleiteten Besuchssonntage, wobei nach Vorliegen des Berichts des KJPD über die Besuchsregelung neu entschieden werde.
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Gegen die Verfügungen vom 4. und 10. November 2004 erhob der Vater Beschwerde, welche das Departement des Innern des Kantons Solothurn am 28. Juli 2005 abwies.
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In teilweiser Gutheissung der dagegen erhobenen Beschwerde änderte das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn das begleitete Besuchsrecht mit Urteil vom 21. Dezember 2005 in ein unbegleitetes mit schrittweiser Ausdehnung (die ersten drei Monate an einem Sonntag pro Monat von 11 bis 17 Uhr, sodann während drei weiteren Monaten an zwei Sonntagen pro Monat von 11 bis 17 Uhr, danach drei Monate lang ein Wochenende und ein Sonntag pro Monat und anschliessend zwei Wochenenden pro Monat); im Übrigen wies es die Beschwerde ab (unbeschränktes Besuchsrecht, Obhutsentzug und Fremdplatzierung des Kindes sowie sofortiger Entzug der elterlichen Sorge ohne vorgängiges Einholen eines Gutachtens).
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C.
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Am 30. Januar 2006 hat der Vater sowohl Berufung als auch staatsrechtliche Beschwerde eingereicht, im Wesentlichen mit den Begehren um Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Urteils, soweit dieses nicht ein Besuchsrecht im Umfang des Beschlusses der Vormundschaftsbehörde vom 18. September 2002 vorsieht, sowie des departementalen Entscheids und der vormundschaftlichen Verfügungen vom 4. und 10. November 2004, um sofortige Fremdplatzierung von A.________ und Anordnung der notwendigen Kindesschutzmassnahmen sowie um sofortige Gewährung eines Besuchsrechts an jedem zweiten Wochenende. Es wurde keine Berufungsantwort eingeholt.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Wird ein kantonales Urteil gleichzeitig mit staatsrechtlicher Beschwerde und Berufung angefochten, wird die Entscheidung über letztere in der Regel bis zur Erledigung der staatsrechtlichen Beschwerde ausgesetzt (Art. 57 Abs. 5 OG). Die Aussetzung rechtfertigt sich jedoch nicht, wenn der Entscheid in der Sache selbst zum vornherein nicht vom Ausgang des Beschwerdeverfahrens abhängt (Poudret/Sandoz-Monod, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Band II, Bern 1990, S. 464). Das ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts unter anderem dann der Fall, wenn sich die Berufung als unzulässig erweist (BGE 117 II 630 E. 1a S. 631). Folglich ist hier in Abweichung von der Regel die Berufung vorab zu behandeln und zu prüfen, ob darauf einzutreten ist.
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2.
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Von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen, steht die Berufung einzig gegen Endentscheide der oberen kantonalen Gerichte offen (Art. 48 Abs. 1 OG), weshalb auf sie von vornherein nicht eingetreten werden kann, soweit der departementale Entscheid bzw. die Verfügungen der Vormundschaftsbehörde angefochten werden.
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3.
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Mit Bezug auf das angefochtene verwaltungsgerichtliche Urteil ist als Eintretensvoraussetzung zu prüfen, ob dieses einen Endentscheid im Sinn von Art. 48 Abs. 1 OG darstellt.
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3.1 Ein Endentscheid liegt vor, wenn der kantonale Richter über den im Streit stehenden Anspruch materiell entschieden oder dessen Beurteilung aus einem Grund abgelehnt hat, der endgültig verbietet, dass derselbe Anspruch nochmals geltend gemacht wird, weshalb er insoweit materiell rechtskräftig wird (BGE 126 III 445 E. 3b S. 446 f.; 127 III 433 E. 1b S. 435, 474 E. 1a S. 475 f.). In diesem Sinn stellen insbesondere Entscheide über vorsorgliche Massnahmen im Rahmen einer Ehescheidung (BGE 126 III 261 E. 1 S. 163), aber auch solche zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft keine Endentscheide dar (BGE 115 II 297 E. 2 S. 299; 127 III 474 E. 2 S. 476 ff.).
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3.2 Das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht beschränkte sich auf die beiden Fragen, ob die Vormundschaftsbehörde zu Recht die Einholung eines Gutachtens angeordnet und die Kontakte zwischen Vater und Kind auf begleitete Besuche beschränkt hat (angefochtener Entscheid, S. 4 unten).
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Mit Bezug auf die Fremdplatzierung des Kindes und insbesondere auch hinsichtlich des Entzuges der elterlichen Sorge fällte das Verwaltungsgericht keinen materiellen Entscheid; vielmehr erliessen die kantonalen Instanzen mit der Anordnung eines Gutachtens, das als Grundlage für die spätere Beurteilung der genannten materiellen Fragen dienen soll, eine prozessleitende Verfügung. Diesbezüglich liegt kein berufungsfähiger Endentscheid im Sinn von Art. 48 Abs. 1 OG vor.
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Ebenso wenig ist die Besuchsrechtsregelung ein materieller Endentscheid im erwähnten Sinn, soll doch diese gemäss der vormundschaftlichen Verfügung vom 4. November 2004 nur bis zum Vorliegen des Gutachtens gelten (angefochtener Entscheid, S. 7 Mitte). Wird aber im Zusammenhang mit dem Entscheid über die Fragen der Obhut und der elterlichen Sorge auch das Besuchsrecht neu gestaltet, ist die angefochtene Regelung vorsorglicher Natur und damit ein Zwischenentscheid, der nur unter den - vorliegend nicht gegebenen - Voraussetzungen von Art. 50 OG berufungsfähig wäre.
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3.3 Nach dem Gesagten beschränkt sich das verwaltungsgerichtliche Urteil auf die Beurteilung einer prozessleitenden Verfügung bzw. einer vorsorglichen Regelung, weshalb es keinen Endentscheid darstellt und als Folge nicht berufungsfähig ist. Auf die Berufung kann deshalb auch insoweit nicht eingetreten werden, als sie sich gegen die Besuchsrechtsregelung richtet.
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4.
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Das Verwaltungsgericht hat in der Rechtsmittelbelehrung sowohl die Berufung als auch die staatsrechtliche Beschwerde erwähnt. Eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung schafft keine nicht bestehenden Rechtsmittel (BGE 108 III 23 E. 3 S. 26; 119 IV 330 E. 1c S. 334). Indes darf einer Partei nach stehender Praxis aus einer falschen Rechtsmittelbelehrung grundsätzlich kein Nachteil erwachsen, wobei sich nicht auf die unzutreffenden Angaben berufen kann, wer deren Unrichtigkeit kennt oder bei gebührender Sorgfalt hätte erkennen müssen (BGE 121 II 72 E. 2a S. 78). Dies ist der Fall, wenn eine Partei anwaltlich vertreten ist und sich die (Un)zulässigkeit eines Rechtsmittels bereits aus den einschlägigen Gesetzesnormen ergibt (BGE 127 II 198 E. 2c S. 205). Vorliegend besteht zu diesen Fragen überdies eine reichhaltige publizierte Rechtsprechung des Bundesgerichts. Die Fehlerhaftigkeit der Rechtsmittelbelehrung war somit bei der für einen Anwalt gebotenen Aufmerksamkeit leicht erkennbar.
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Nach dem Gesagten ist dem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer ungeachtet der kantonalen Rechtsmittelbelehrung die Gerichtsgebühr für den vorliegenden Nichteintretensentscheid aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Der Gegenpartei ist im bundesgerichtlichen Verfahren kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Auf die Berufung wird nicht eingetreten.
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2.
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Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Berufungskläger auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 28. Februar 2006
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Im Namen der II. Zivilabteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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