Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
6S.31/2006 /hum
Urteil vom 6. April 2006
Kassationshof
Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Karlen,
Gerichtsschreiber Briw.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch
Rechtsanwalt Dr. Rolf Schmid,
gegen
Z.________,
Beschwerdegegner, vertreten durch
Rechtsanwalt lic. iur. Ulrich Sommerhalder,
Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen, Herrenacker 26, 8200 Schaffhausen.
Gegenstand
Fahrlässige schwere Körperverletzung,
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Schaffhausen
vom 9. Dezember 2005.
Sachverhalt:
A.
Die Eheleute XY.________ vereinbarten mit dem Schlosser Z.________, das Terrassengeländer ihrer Wohnung im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses zu sanieren. Dazu hatte er das Geländer abzumontieren, in seine Werkstatt mitzunehmen und später wieder zu montieren. Er demontierte das Geländer am 18. Januar 1999 und sicherte die Terrasse mit einem rotweissen Plastikband. Am 5. März 1999 stürzte die Ehefrau X.________ um ca. 22.00 Uhr über den Rand der Terrasse auf die 4,40 m tiefer gelegene Böschung hinunter. Dabei wurde sie schwer verletzt (Querschnittlähmung).
B.
Das Untersuchungsrichteramt des Kantons Schaffhausen verurteilte Z.________ mit Strafbefehl vom 9. April 2003 wegen schwerer fahrlässiger Körperverletzung (Art. 125 Abs. 2 StGB) zu Fr. 500.-- Busse.
Auf Einsprache von Z.________ hin erhob die Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen Anklage wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung. Der Einzelrichter in Strafsachen des Kantonsgerichts Schaffhausen bestrafte ihn am 28. Oktober 2003 wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung mit Fr. 500.-- Busse.
Das Obergericht des Kantons Schaffhausen hiess am 9. Dezember 2005 die gegen das kantonsgerichtliche Urteil eingereichte Berufung von Z.________ gut und sprach ihn von Schuld und Strafe frei. Es begründete den Freispruch damit, dass sich die Eheleute XY.________ auf die "vom Angeklagten - in ihrem Auftrag - geschaffene Gefahr" eingelassen und deshalb dafür die Verantwortung zu tragen hätten. Sie hätten sich durch den Auftrag selbst gefährdet.
C.
X.________ erhebt Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur Verurteilung des Beschwerdegegners wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 2 StGB an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Gemäss Art. 270 lit. e Ziff. 1 BStP (und Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG) steht die Nichtigkeitsbeschwerde dem Opfer zu, das sich bereits vorher am Verfahren beteiligt hat, soweit der Entscheid seine Zivilansprüche betrifft oder sich auf deren Beurteilung auswirken kann.
Der Strafanspruch steht ausschliesslich dem Staate zu (BGE 128 I 218 E. 1.1). Gegen ein freisprechendes Strafurteil kann das Opfer im Strafpunkt grundsätzlich nur Rechtsmittel erheben, wenn es, soweit zumutbar, seine Zivilansprüche aus strafbarer Handlung im Strafverfahren geltend gemacht hat. Das Strafverfahren darf nicht nur ein Vehikel zur Durchsetzung von Zivilforderungen in einem Zivilprozess sein, den das Opfer erst nach Abschluss des Strafprozesses, je nach dessen Ausgang, anzustrengen gedenkt. Es ist dem Opfer frei gestellt, ob es im Strafverfahren adhäsionsweise Zivilansprüche geltend machen will. Verzichtet es aber darauf, obschon ihm die Einbringung einer solchen Forderung im Hauptverfahren zumutbar wäre, so ist es zur Ergreifung von Rechtsmitteln im Strafpunkt nicht legitimiert (BGE 131 IV 195 E. 1.2.2; 127 IV 185 E. 1a; 120 IV 44 E. 4b). Ob die Geltendmachung von Zivilansprüchen im Strafprozess zumutbar war oder nicht, hängt von den Umständen ab (BGE 127 IV 185 E. 1a; 120 IV 44 E. 4b). So ist die Beschwerdelegitimation bei Beschwerden gegen Einstellungsbeschlüsse bestätigende Gerichtsentscheide grundsätzlich unabhängig davon gegeben, ob das Opfer bis dahin im Strafverfahren Zivilforderungen geltend machte, wenn das Verfahren noch nicht ein Stadium erreichte, indem dies möglich gewesen wäre (BGE 129 IV 216 E. 1.2.2; vgl. aber BGE 123 IV 254). Sinn und Zweck dieser Regelung bestehen in der Ermöglichung der adhäsionsweisen Geltendmachung von Zivilansprüchen. Das Opfer muss deshalb begründen, weshalb es dies unterlassen hat (BGE 127 IV 185 E. 1a und b; 123 IV 254; 120 IV 44 E. 8).
Eine Opferstellung der Beschwerdeführerin im Sinne von Art. 2 Abs. 1 OHG kommt grundsätzlich in Betracht. Sie war im kantonalen Strafverfahren beteiligt. Sie hat indessen im Verfahren keine Zivilansprüche adhäsionsweise geltend gemacht. Sie führt dazu vor Bundesgericht aus, aufgrund der Schwere der erlittenen Verletzungen sowie der nicht absehbaren Entwicklung von Heilungsverlauf und Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess sei es ihr nicht zumutbar gewesen, ihre Zivilansprüche bereits adhäsionsweise geltend zu machen. Die Beurteilung ihrer Ansprüche gegenüber den Sozialversicherungen sei noch nicht abgeschlossen, weshalb es auch nicht möglich gewesen sei, den Direktschaden zuverlässig zu beziffern. Dasselbe gelte für den immateriellen Schaden, der heute noch nicht schlüssig absehbar sei. In Anbetracht der Komplexität des Falles sei es ihr nicht zumutbar gewesen, ihre Zivilansprüche bereits im Strafverfahren geltend zu machen.
Mit diesen allgemein gehaltenen Ausführungen legt die Beschwerdeführerin nicht konkret dar, weshalb eine Adhäsionsklage unzumutbar gewesen sein sollte. Eine Unzumutbarkeit ergibt sich nicht bereits aus dem Hinweis auf eine Komplexität der Sache. Der Unfall ereignete sich im März 1999, der Strafbefehl erging vier Jahre später im April 2003, das Urteil des Kantonsgerichts im Oktober 2003 und das angefochtene Urteil im Dezember 2005. Es muss angenommen werden, dass vier Jahre nach dem Unfall eine adhäsisonsweise Geltendmachung von Zivilansprüchen möglich war. Aus der Beschwerde ergibt sich nicht, dass dies überhaupt beabsichtigt war. Es wird nicht einsichtig, weshalb es nicht zumutbar gewesen sein sollte, die Beurteilung der Sache jedenfalls dem Grundsatze nach oder hinsichtlich gewisser Schadensposten oder zumindest bezüglich der Genugtuungsfrage zu beantragen (vgl. BGE 127 IV 185 E. 1b). Unter diesen Umständen ist die Legitimation zur Beschwerde gemäss Art. 270 lit. e Ziff. 1 BStP nicht gegeben.
Die Beschwerdelegitimation lässt sich im Übrigen auch nicht unter dem Titel von Art. 270 lit. g BStP bejahen, obwohl sich die Beschwerdeführerin als Privatklägerin bezeichnet. Denn sie hat nicht allein und ohne Beteiligung des öffentlichen Anklägers die Anklage geführt (vgl. BGE 127 IV 236 E. 2b/aa).
2.
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten vor Bundesgericht (Art. 278 Abs. 1 BStP). Dem Beschwerdegegner ist mangels Umtrieben keine Parteientschädigung auszurichten.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen und dem Obergericht des Kantons Schaffhausen schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 6. April 2006
Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: