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Original
 
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2A.648/2005 /leb
Urteil vom 11. April 2006
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Betschart,
Bundesrichterin Yersin,
Gerichtsschreiber Uebersax.
Parteien
A.C.________ und B.C.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch
Rechtsanwalt Dr. Philip Funk,
gegen
Steueramt des Kantons Aargau, Rechtsdienst,
Telli-Hochhaus, 5004 Aarau,
Verwaltungsgericht des Kantons Aargau,
2. Kammer, Obere Vorstadt 40, 5000 Aarau.
Gegenstand
direkte Bundessteuer 1997/98,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 2. Kammer, vom 6. Juli 2005.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 A.C.________ schloss am 5. April 1995 mit einer noch zu gründenden Gesellschaft, vertreten durch deren Mitgründer D.________, einerseits und demselben andererseits eine Vereinbarung über die Veräusserung von 48 Aktien der E.________ AG zum Preis von Fr. 3'000'000.--. Zug um Zug gegen Aushändigung der Aktienzertifikate und Rücktrittserklärung aus dem Verwaltungsrat wurde ihm ein Bankcheck in Höhe des Kaufpreises übergeben. Am 8. Juni 1995 gründete D.________ mit weiteren Aktionären die F.________ AG, wobei die von A.C.________ erworbenen Aktien der E.________ AG mit "Sachübernahmevertrag" vom 2. Juni 1995 zum Preis von Fr. 3'000'000.-- eingebracht wurden.
1.2 Mit Einspracheentscheid vom 5. Dezember 2001 veranlagte die Steuerkommission Meisterschwanden das Ehepaar A.C.________ und B.C.________ für die direkte Bundessteuer der Steuerperiode 1997/98 mit einem steuerbaren Einkommen von Fr. 1'628'300.--. Dabei beurteilte sie den beschriebenen Aktienverkauf als indirekte Teilliquidation, weshalb sie die Differenz zwischen Veräusserungserlös und Nominalwert als steuerbares Einkommen berechnete.
Dagegen erhobene Beschwerden beim Steuerrekursgericht und beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau blieben erfolglos.
1.3 Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 28. Oktober 2004 (richtig: 2005) an das Bundesgericht beantragen A.C.________ und B.C.________, den Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 6. Juli 2005 aufzuheben und das steuerbare Einkommen auf Fr. 152'300.-- festzusetzen. Zur Begründung machen sie im Wesentlichen geltend, das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt qualifiziert unrichtig festgestellt und zu Unrecht das Vorliegen einer indirekten Teilliquidation bejaht.
Das Kantonale Steueramt Aargau sowie die Eidgenössische Steuerverwaltung schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Verwaltungsgericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
2.
Gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide betreffend die direkte Bundessteuer ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig (Art. 97 Abs. 1 OG i.V.m. Art. 98 lit. g OG und Art. 146 DBG). Damit kann die Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden (Art. 104 lit. a und b OG). Hat jedoch - wie hier - eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden und den Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften erhoben, ist das Bundesgericht an ihre Sachverhaltsfeststellungen gebunden (Art. 105 Abs. 2 OG).
3.
3.1 Nach Art. 20 Abs. 1 lit. c DBG sind als Erträge aus beweglichem Vermögen insbesondere Dividenden, Gewinnanteile, Liquidationsüberschüsse und geldwerte Vorteile aus Beteiligungen aller Art einschliesslich Gratisaktien und unentgeltlichen Erhöhungen des Nennwertes von Aktien steuerbar. Kapitalgewinne aus der Veräusserung von Privatvermögen sind dagegen steuerfrei (Art. 16 Abs. 3 DBG). Die Steuerbehörden sind bei der Auslegung von Art. 20 Abs. 1 lit. c DBG nicht strikte an die zivilrechtliche Gestaltung von Rechtsgeschäften gebunden, sondern haben den Sachverhalt rechtlich entsprechend seinem wirtschaftlichen Gehalt zu würdigen. Zu den steuerpflichtigen Tatbeständen gehört die so genannte indirekte Teilliquidation. Eine solche liegt vor, wenn eine Gesellschaft, deren Aktien veräussert werden, eine Ausschüttung von Gesellschaftsmitteln vornimmt, d.h. wenn der Käufer den Kaufpreis nicht aus eigenen Mitteln, sondern aus Mitteln der übernommenen Gesellschaft (Reserven, liquiden und betriebswirtschaftlich nicht notwendigen Aktiven) aufbringt, ohne dieser die Mittel wieder zuzuführen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts müssen drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein, damit Einkommen aus indirekter Teilliquidation der Besteuerung unterliegt: Erstens müssen die Beteiligungsrechte in das Geschäftsvermögen eines Käufers überführt werden, für den das Buchwertprinzip gilt; zweitens muss bei der übernommenen Gesellschaft eine Mittelentnahme bzw. eine Substanzverminderung eintreten oder zumindest eingeleitet werden; und drittens müssen Verkäufer und Käufer durch gemeinsames Zusammenwirken die Entnahme der Mittel eingeleitet haben (vgl. ASA 73 402 E. 4; ASA 72 218 E. 3; je mit Hinweisen). Die Beschwerdeführer stellen diese Rechtsprechung nicht grundsätzlich in Frage. Sie sind jedoch der Ansicht, in ihrem Fall seien die Voraussetzungen der indirekten Teilliquidation nicht erfüllt.
3.2 Die Beschwerdeführer machen unter anderem geltend, die Vorinstanz habe den Sachverhalt unrichtig erhoben. Qualifizierte Mängel bei der Sachverhaltsfeststellung sind jedoch nicht ersichtlich. Insbesondere stimmen die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts mit den vorliegenden Akten überein. Auf den Sachübernahmevertrag vom 2. Juni 1995, dessen Gültigkeit strittig ist, hat die Vorinstanz nicht abgestellt. Auch vor Bundesgericht kommt es darauf nicht entscheidend an. Liegen keine qualifizierten Mängel vor, ist das Bundesgericht an die Sachverhaltsfeststellungen des Verwaltungsgerichts gebunden (vgl. E. 2). Zu prüfen ist demnach einzig die (rechtliche) Frage, ob es dem Bundesrecht entspricht, gestützt darauf von einer indirekten Teilliquidation auszugehen.
3.3 Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer schliesst das Fehlen der Rechtspersönlichkeit sowie der subjektiven Steuerpflicht der erst nachträglich gegründeten Übernahmegesellschaft im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bzw. der Übergabe der fraglichen Aktien einen Übergang der Beteiligungsrechte in das Geschäftsvermögen des Käufers nach dem Buchwertprinzip nicht aus. Ein Wechsel vom Nenn- zum Buchwertprinzip tritt insbesondere dann ein, wenn im Zusammenhang mit privaten Aktienverkäufen die Ausschüttungssteuerlast aufgehoben oder reduziert wird, indem in der Beteiligung verkörperte Mittel, die dem Aktionär nur als Beteiligungsertrag zufliessen können, im Zug einer Veräusserung von Aktien des Privatvermögens gezielt in den Bereich von Geschäftsvermögen verschoben werden (vgl. ASA 70 289 E. 2c). Nach dem Wortlaut im Kaufvertrag vom 5. April 1995 erfolgte der Kauf ausdrücklich für "eine noch zu gründende Gesellschaft", und diese war "vertreten durch deren Mitgründer Herr D.________". Überdies übertrug der Verkäufer das Eigentum an den fraglichen Akten "der Käuferin" und überreichte die Aktien "Herrn D.________ zuhanden der Käuferin". Dies lässt offensichtlich darauf schliessen, dass D.________ die Vereinbarung nicht für sich, sondern für die in Gründung befindliche F.________ AG abschloss. Mit deren Eintragung ins Handelsregister am 8. Juni 1995 wurde das von den Vertragsparteien angestrebte Ziel, die Übernahme der 48 Namenaktien der E.________ AG durch die F.________ AG, denn auch verwirklicht. Die F.________ AG kaufte die Beteiligungsrechte an der E.________ AG über die Mittelsperson D.________, woraus sich im Ergebnis ein Wechsel vom Nenn- zum Buchwertprinzip unabhängig davon ergab, von wann an die neue Gesellschaft über Rechtspersönlichkeit verfügte bzw. was in einer allfälligen Übergangszeit privatrechtlich galt.
3.4 Mit Blick auf die Frage der Mittelentnahme bzw. Substanzverminderung aus der erworbenen Gesellschaft lösen alle Vorgänge eine Besteuerung aus, die wirtschaftlich eine Liquidation oder Teilliquidation bewirken, durch welche die Gesellschaft im Ergebnis den Beteiligten Vermögen preisgibt. Im vorliegenden Fall griff die Käufergesellschaft zur Begleichung des Kaufpreises auf die Mittel der erworbenen E.________ AG zurück, wozu sie aufgrund ihrer finanziellen Lage offenbar auch angewiesen war. Der Check, mit welchem der Kaufpreis bezahlt wurde, war über ein Konto der E.________ AG gedeckt, und der Betrag wurde auf diesem Konto bezogen, wie ein in den Akten liegender Bankbeleg bestätigt. Die Mittel zur Finanzierung des Kaufpreises stammten somit aus der E.________ AG. Damit ist eine Mittelentnahme aus der erworbenen Gesellschaft zu bejahen. Die von den Beschwerdeführern dagegen erhobenen Einwände sind unbehelflich und vermögen daran nichts zu ändern.
3.5 Was das notwendige Zusammenwirken von Verkäufer und Käufer betrifft, genügt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung für die Mitwirkung des Verkäufers bereits, dass sich dieser nicht ausreichend über die Zahlungsfähigkeit des Käufers erkundigt, wenn genügend Anlass für entsprechende Nachfragen besteht (vgl. ASA 59 717 E. 7). Weil es sich vorliegend um ein Rechtsgeschäft mit einer erst noch zu gründenden Gesellschaft handelte, deren Finanzlage unklar war, wären Erkundigungen beim Mittelsmann über die Zahlungsfähigkeit und über die Art und Weise der Finanzierung unerlässlich gewesen. Dass der Verkäufer im vorliegenden Fall keine Einsicht mehr in die Bücher der E.________ AG hatte, kann ihn nicht entlasten. Im Gegenteil hätte ihn dies zusammen mit dem weiteren Umstand, dass der Kaufvertrag keine Hinweise auf die Finanzierung des Kaufpreises enthielt, zusätzlich hellhörig machen müssen. Nicht nur aus privatrechtlichen Gründen, sondern nicht zuletzt auch im Hinblick auf die steuerliche Tragweite des Verkaufs einer Beteiligung an einer Gesellschaft hätte der anwaltlich vertretenen Verkäufer daher vertiefte Erkundigungen zur Finanzierung des Kaufpreises einholen müssen. Dass er dies nicht getan hat, muss er sich steuerrechtlich entgegenhalten lassen.
3.6 Damit erweisen sich die Voraussetzungen der indirekten Teilliquidation als klarerweise erfüllt, weshalb der angefochtene Entscheid nicht gegen Bundesrecht verstösst.
4.
Infolgedessen ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abzuweisen.
Bei diesem Verfahrensausgang werden die Beschwerdeführer unter Solidarhaft kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 und 7, Art. 153 und 153a OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 10'000.-- wird den Beschwerdeführern unter Solidarhaft auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Steueramt und dem Verwaltungsgericht, 2. Kammer, des Kantons Aargau sowie der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 11. April 2006
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: