BGer 2A.255/2006
 
BGer 2A.255/2006 vom 06.06.2006
Tribunale federale
{T 0/2}
2A.255/2006 /vje
Urteil vom 6. Juni 2006
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiber Feller.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführerin,
gegen
Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt, Bereich Recht, Spiegelgasse 6-12, 4001 Basel,
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht, Bäumleingasse 1, 4051 Basel.
Gegenstand
Aufenthaltsbewilligung / Wegweisung,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht vom 16. März 2006.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die schwedische Staatsangehörige X.________, finnischer Herkunft, erhielt am 1. Oktober 2002 eine Aufenthaltsbewilligung für den Kanton Basel-Stadt. Die Bewilligung wurde bis zum 30. November 2004 verlängert. Am 19. Januar 2005 wurde ihr eine Kurzaufenthaltsbewilligung L (EU/EFTA) für sechs Monate (Dezember 2004 bis Ende Mai 2005) zur Stellensuche bzw. zur Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit ausgestellt. Die Dienste Aufenthalt des Sicherheitsdepartements des Kantons Basel-Stadt lehnten am 20. Juni 2005 das Gesuch von X.________ um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zwecks selbständiger Erwerbstätigkeit bzw. Studienaufenthaltes ab und setzten ihr Frist zum Verlassen des Kantonsgebiets an. Den gegen diese Verfügung erhobenen Rekurs wies das Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt am 18. November 2005 ab und forderte X.________ zum Verlassen der Schweiz bis zum 15. Dezember 2005 auf (Wegweisung), unter Androhung ausländerrechtlicher Zwangsmassnahmen im Falle der Nichtbefolgung. Mit Urteil vom 16. März 2006 wies das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht den gegen den Departementsentscheid erhobenen Rekurs ab, soweit es darauf eintrat.
Am 8. Mai 2006 deponierte X.________ bei der Schweizerischen Botschaft in Stockholm zu Handen des Bundesgerichts fristgerecht eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde sowie eine staatsrechtliche Beschwerde, je vom 5. Mai 2006 datiert, die sich gegen das ihr am 6. April 2006 eröffnete Urteil des Appellationsgerichts vom 16. März 2006 richten. Gestützt darauf ist ein beide Beschwerden umfassendes Verfahren eröffnet worden. Nebst verschiedenen Feststellungsbegehren stellt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen die Anträge, das Urteil des Appellationsgerichts sei aufzuheben und es sei ihr ein permanenter, eventualiter ein provisorischer Aufenthalt zwecks Studienabschlusses in Basel auf Kosten des Kantons, eventualiter des Bundes zu gestatten.
Das Appellationsgericht hat aufforderungsgemäss die kantonalen Akten eingereicht. Ein Schriftenwechsel ist nicht angeordnet worden.
2.
3.
4.
4.1 Die Beschwerdeführerin hat Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde, welche gegenüber ersterer subsidiär ist (vgl. Art. 84 Abs. 2 OG), erhoben. Die Zulässigkeit von Rechtsmitteln prüft das Bundesgericht von Amtes wegen mit freier Kognition (BGE 130 I 312 E. 1 S. 317; 130 II 509 E. 8.1 S. 510, je mit Hinweisen).
Gegenstand des angefochtenen Urteils bildet die Verweigerung einer Aufenthaltsbewilligung. Da die Beschwerdeführerin Angehörige eines EU-Landes ist, hat sie im Rahmen des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen, FZA; SR 0.142.112.681) einen - bedingten - Anspruch auf eine ausländerrechtliche Bewilligung. Der Ausschlussgrund von Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG greift damit nicht, und die Beschwerdeführerin kann das Urteil des Appellationsgerichts grundsätzlich mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechten; ob sie die Voraussetzungen des Freizügigkeitsabkommens bzw. des Anhangs I dazu erfüllt, um konkret eine Bewilligung beanspruchen zu können, ist nicht als Eintretensfrage, sondern als materielle Frage zu prüfen (BGE 130 II 339 E. 1.2 S. 343).
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher einzutreten, allerdings nur insoweit, als sie sich auf den Gegenstand des angefochtenen Urteils bezieht (Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung); nicht einzutreten ist auf die staatsrechtliche Beschwerde.
4.2 Die Sachverhaltsfeststellungen einer richterlichen Behörde als Vorinstanz sind für das Bundesgericht verbindlich, wenn sie nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen getroffen worden sind (Art. 105 Abs. 2 OG). Die Beschwerdeführerin wirft dem Appellationsgericht mangelhafte Darstellung des Sachverhalts vor. Sie bezieht sich dabei vorab auf Umstände, die für die vom Appellationsgericht zu beurteilende Rechtsfrage nicht von Bedeutung waren. Die Sachverhaltsfeststellungen des angefochtenen Urteils sind für die Zwecke des vorliegenden Rechtsstreits umfassend genug. Es ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Nach früheren Anwesenheiten in der Schweiz erwirkte die Beschwerdeführerin im Herbst 1999 eine Aufenthaltsbewilligung im Kanton Basel-Stadt zwecks Studiums. Im Frühjahr 2000 meldete sie sich nach Deutschland ab. Im September 2002 meldete sich die Beschwerdeführerin als Jus-Studentin und Dolmetscherin wiederum im Kanton Basel-Stadt an. Nach Ablauf der einmal verlängerten Bewilligung (30. November 2004) stellte sich heraus, dass die Beschwerdeführerin seit November 2004 von der Sozialhilfe unterstützt werden musste. Im Hinblick auf eine weitere Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung erklärte sie gegenüber der Ausländerbehörde, sie suche sich als Selbständigerwerbende zu etablieren. Entsprechend wurde ihr bloss noch eine EG/EFTA-Kurzaufenthaltsbewilligung erteilt, wobei sie aufgefordert wurde, Unterlagen zum Nachweis einer selbständigen Erwerbstätigkeit bzw. der finanziellen Selbständigkeit vorzulegen. Die Beschwerdeführerin eröffnete ein eigenes Übersetzungsbüro, ohne dass sie je Mandate nachweisen konnte, die mit einer gewissen Regelmässigkeit Honorare in namhafter Höhe einbrachten. Sie scheint auch die Absicht, das Studium weiterzuführen und abzuschliessen, nicht aufgegeben zu haben, wobei feststeht, dass sie über keine Mittel verfügt, um sich den Aufenthalt zu Studienzwecken finanzieren zu können, wie insbesondere ihre seit November 2004 kontinuierliche Abhängigkeit von Sozial- und später Nothilfe zeigt.
4.3 Gemäss Art. 12 Abs. 1 Anhang I FZA hat, wer eine Aufenthaltsregelung als Selbständiger erwirken will, der zuständigen nationalen Behörde nachzuweisen, dass er sich zu diesem Zwecke niederlassen will. Im Hinblick darauf erhält er eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Gültigkeitsdauer von sechs Monaten, vor deren Ablauf er den Nachweis erbringen muss, dass er die beabsichtigte selbständige Erwerbstätigkeit ausübt (Art. 31 Anhang I FZA). Bei den geschilderten tatsächlichen Gegebenheiten haben die kantonalen Behörden richtig erkannt, dass die Beschwerdeführerin keine selbständige Erwerbstätigkeit im Sinne dieser Vorschriften ausübt (zum Begriff einer effektiven Erwerbstätigkeit [eines Arbeitnehmers] gemäss Freizügigkeitsabkommen s. BGE 131 II 339 E. 3 und 4 S. 344 ff.; zu den Anforderungen an den Nachweis einer selbständigen Erwerbstätigkeit s. Urteil 2A.169/2004 vom 31. August 2004 E. 6.2 und 6.3).
Soweit die Beschwerdeführerin eine Bewilligung zum erwerbslosen Aufenthalt, insbesondere zu Studienzwecken, erhältlich machen will, sind Art. 24 Abs. 1 und Abs. 4 Anhang I FZA massgeblich. Erforderlich für den Erwerb einer solchen Bewilligung wäre, dass sie glaubhaft machen könnte, über genügend finanzielle Mittel zu verfügen, um während ihres Aufenthaltes keine Sozialhilfe des Aufnahmestaates in Anspruch nehmen zu müssen. Diese Voraussetzung erfüllt die Beschwerdeführerin offensichtlich nicht.
Zu Recht haben die kantonalen Behörden daher erkannt, dass die Beschwerdeführerin unter keinem Titel eine Aufenthaltsbewilligung gemäss Freizügigkeitsabkommen beanspruchen kann. Es kann dazu insbesondere auf E. 3 des angefochtenen Urteils verwiesen werden (vgl. Art. 36a Abs. 3 OG).
4.4 Einen Anspruch auf Aufenthaltsbewilligung kann die Beschwerdeführerin auch nicht aus einer anderen Norm ableiten. Ein solcher ergibt sich insbesondere nicht aus der Eigentumsgarantie, worauf sie sich im Zusammenhang mit Schwierigkeiten beim Umzug beruft, oder aus dem Grundrecht der Wirtschaftsfreiheit. Frühere Landesanwesenheit bzw. die Erteilung einer zeitlich begrenzten Anwesenheitsbewilligung zu einem bestimmten Zweck sodann vermag für sich allein kein schützenswertes Vertrauen auf eine Bewilligungserneuerung zu begründen.
4.5 Nicht ersichtlich ist, gestützt worauf der Beschwerdeführerin im ausländerrechtlichen Bewilligungsverfahren ein Rechtsanwalt hätte beigegeben werden müssen bzw. warum ihr die Honorarkosten eines offenbar von ihr konsultierten Anwalts ersetzt werden müssten (s. dazu E. 5 des angefochtenen Urteils). Da das Urteil des Appellationsgerichts weder hinsichtlich der Bewilligungsfrage noch sonst wie zu beanstanden ist, besteht keine Handhabe, die Auferlegung der vorinstanzlichen Gerichtsgebühr wie beantragt aufzuheben.
4.6 Nicht zu hören ist die Beschwerdeführerin, soweit sie sich zu Vollzugsproblemen (wie zwangsweise Ausschaffung, Androhung von Ausschaffungshaft) äussert. Insbesondere kann die Frage eines angeblich ungerechtfertigten Gefängnisaufenthalts und eine entsprechende Genugtuungsforderung nicht zum Gegenstand des vorliegenden bundesgerichtlichen Verfahrens betreffend Aufenthaltsbewilligung gemacht werden.
4.7 Die offensichtlich unbegründete Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist, soweit darauf eingetreten werden kann, im vereinfachten Verfahren (Art. 36a OG) abzuweisen.
4.8 Dem Verfahrensausgang entsprechend wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 156 OG). Dem Gesuch um Kostenerlass kann wegen Aussichtslosigkeit beider Beschwerden nicht entsprochen werden (Art. 152 OG). Den finanziellen Verhältnissen der Beschwerdeführerin kann bei der Bemessung der Gerichtsgebühr (Art. 153 Abs. 1 und 153a OG) Rechnung getragen werden.
Demnach erkennt das Bundesgericht
im Verfahren nach Art. 36a OG:
1.
1.1 Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.
1.2 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um Kostenbefreiung wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 800.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Sicherheitsdepartement und dem Appellationsgericht als Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Stadt sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 6. Juni 2006
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: