BGer I 360/2006 |
BGer I 360/2006 vom 06.09.2006 |
Eidgenössisches Versicherungsgericht
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Tribunale federale delle assicurazioni
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Tribunal federal d'assicuranzas
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Sozialversicherungsabteilung
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des Bundesgerichts
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Prozess {T 7}
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I 360/06
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Urteil vom 6. September 2006
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III. Kammer
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Besetzung
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Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Seiler; Gerichtsschreiber Scartazzini
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Parteien
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IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern, Beschwerdeführerin,
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gegen
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N.________, Beschwerdegegner
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Vorinstanz
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Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern
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(Entscheid vom 31. März 2006)
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Sachverhalt:
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A.
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Der 1953 geborene N.________ arbeitete bis Ende Juni 2002 in leitender Position in der Versicherungsbranche. Seit einigen Jahren leidet er an einem Alkoholabhängigkeitssyndrom mit mehreren Begleiterscheinungen. Am 19. November 2003 meldete er sich bei der Invalidenversicherung zum Rentenbezug an. Die IV-Stelle Luzern führte Abklärungen in wirtschaftlicher und medizinischer Hinsicht durch. Mit Verfügung vom 12. November 2004 lehnte sie das Leistungsbegehren ab mit der Begründung, die Arbeitsunfähigkeit sei vor allem auf das Abhängigkeitsverhalten des Versicherten zurückzuführen und sei keine Invalidität im Sinne des Gesetzes. Die dagegen erhobene Einsprache, in welcher auch Epilepsie und Depressionen geltend gemacht wurden, lehnte die IV-Stelle mit Entscheid vom 5. April 2005 ab.
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B.
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Dagegen erhob N.________ Beschwerde und beantragte sinngemäss die Aufhebung des Einspracheentscheides sowie die Zusprache einer Rente nach neuer Beurteilung unter Einbezug eines Vertrauensarztes. Mit Entscheid vom 31. März 2006 hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern die Beschwerde in dem Sinne gut, als in Aufhebung des Einspracheentscheides die Sache an die IV-Stelle zurückgewiesen wurde, damit sie den Erwägungen entsprechend verfahre und neu verfüge.
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C.
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Die IV-Stelle führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den Rechtsbegehren, in Aufhebung des gerichtlichen Entscheides sei der Einspracheentscheid zu bestätigen.
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N.________ schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung verzichtet.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
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1.
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1.1
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Der kantonale Rückweisungsentscheid ist einzig in Bezug auf die Frage umstritten, ob der rechtserhebliche Sachverhalt anhand der beigezogenen medizinischen Grundlagen eine abschliessende Beurteilung über die gesundheitlich bedingte Einschränkung und den Invaliditätsgrad erlaubt, aus welcher sich die beantragte Rentenleistung ableitet.
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1.2 Der angefochtene Entscheid betrifft Leistungen der Invalidenversicherung. Nach Art. 132 Abs. 1 OG in der Fassung gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG (in Kraft seit 1. Juli 2006) kann das Eidgenössische Versicherungsgericht in Verfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen in Abweichung von Art. 104 und 105 OG auch die Unangemessenheit der angefochtenen Verfügung beurteilen und ist an die vorinstanzliche Feststellung des Sachverhalts nicht gebunden. Gemäss Art. 132 Abs. 2 OG gelten diese Abweichungen nicht, wenn der angefochtene Entscheid Leistungen der Invalidenversicherung betrifft. Nach Ziff. II lit. c des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 ist indessen auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung beim Eidgenössischen Versicherungsgericht hängigen Beschwerden bisheriges Recht anwendbar. Da die hier zu beurteilende Beschwerde am 1. Juli 2006 beim Eidgenössischen Versicherungsgericht hängig war, richtet sich dessen Kognition noch nach der bis Ende Juni 2006 gültigen Fassung von Art. 132 OG, welche dem neuen Abs. 1 entspricht.
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1.3 Die Vorinstanz hat die einschlägigen Bestimmungen und Grundsätze zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. Das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) und die dazugehörige Verordnung vom 11. September 2002 (ATSV) sowie die seit 1. Januar 2004 geltenden Änderungen im Rahmen der 4. IV-Revision sind anwendbar (BGE 130 V 447 Erw. 1.2.1, 129 V 4 Erw. 1.2). Zu ergänzen ist, dass die Verwaltung gestützt auf den Untersuchungsgrundsatz von Amtes wegen für die richtige und vollständige Abklärung des rechtserheblichen Sachverhaltes zu sorgen hat (Art. 43 ATSG, Art. 57 IVG in Verbindung mit Art. 69 ff. IVV; SVR 2006 IV Nr. 10 S. 39 Erw. 4.1 [I 457/04]), wobei sich angesichts der Besonderheiten des Einzelfalles nicht allgemein sagen lässt, welche konkreten Abklärungsmassnahmen in gesundheitlicher und beruflich-erwerblicher Hinsicht im Hinblick auf eine rechtsgenügliche Sachverhaltsermittlung geboten sind.
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2.
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2.1 Im angefochtenen Entscheid stellt das kantonale Gericht fest, aus einem Bericht vom 9. Juli 2001 gehe hervor, dass der Beschwerdegegner seinerzeit notfallmässig wegen Suizidalität und Alkoholabhängigkeitssyndrom in die Klinik X.________ eingewiesen worden sei. Daraus sei hauptsächlich ersichtlich, dass sich psychopathologisch in der damals durchgeführten testpsychologischen Abklärung deutliche Defizite im Gedächtnis und im kognitiven Bereich gezeigt hätten. Der Patient habe bislang wenig Problembewusstsein bezüglich seiner fortgeschrittenen Abhängigkeit mit bereits einsetzenden körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen gezeigt. Gestützt auf diesen Bericht folgert die Vorinstanz, es bestehe die sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass beim Versicherten sekundäre neurologische Folgeschäden der langjährigen Alkoholkrankheit entstanden seien. Mit den deutlichen Defiziten im Gedächtnis und im kognitiven Bereich liege der Schluss nahe, dass infolge hirnorganischer Veränderungen die geistige Leistungsfähigkeit beeinträchtigt sei. Der Hausarzt Dr. med. A.________ spreche in seinem Bericht vom 11. Juni 2004 von einer Polyneuropathie, was er jedoch befundmässig nicht belege. Vom klinischen Verlauf her sei indes ein polyneuropathisches Leiden sehr wohl möglich und würde die Vermutung nahelegen, dass über rauschbedingte Sturzereignisse hinaus neurologisch bedingte Gleichgewichtsstörungen vorlägen. Die in den Akten genannten gehäuften Krampfanfälle, welche eine antiepileptische Medikation erfordern, könnten ebenfalls Ausdruck einer funktionellen organischen Hirnschädigung sein.
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Gestützt auf diese Angaben befand die Vorinstanz, die Frage, ob der angesprochene Gesundheitsschaden nicht eine Folge der Alkoholsucht sei, müsse medizinisch genauer abgeklärt werden. Dies habe anhand einer aktuellen neurologisch-psychiatrischen Beurteilung zu erfolgen. Im Übrigen stelle sich auch die Frage, ob nicht eine diagnostisch schwierig fassbare alkoholbedingte Wesensveränderung im Verlauf der Jahre stattgefunden habe, welche es dem Versicherten zusammen mit der kombinierten Benzodiazepin-Abhängigkeit in Freiheit praktisch unmöglich mache, sein Suchtverhalten aufzugeben. Nicht nur allfällige Organschäden seien abzuklären, sondern es stelle sich darüber hinaus die Frage, ob der weiter betriebene Alkohol- und Benzodiazepinmissbrauch auf einer krankheitswertigen irreversiblen Persönlichkeitsveränderung beruhe. Demzufolge hat das kantonale Gericht die Streitsache zu ergänzender Abklärung und neuer Verfügung an die Verwaltung zurückgewiesen.
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2.2 Dagegen wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebracht, das kantonale Gericht stütze seinen Entscheid auf Vermutungen und Verdachtsmomente ab, welche nicht zutreffend seien. Weitere Abklärungen seien nicht erforderlich, da aus medizinischer Sicht keine klar objektivierbaren Befunde für aethylisch bedingte Folgeschäden der Alkoholsucht vorliegen würden. Auch die vor fünf Jahren in der Klinik X.________ vorgenommene testpsychologische Abklärung mit Einschränkungen der kognitiven Leistungen und des Gedächtnisses beweise keine organischen Folgeschäden einer langjährigen Alkoholkrankheit. Dem Bericht des Hausarztes Dr. med. A.________ vom 11. Juni 2004 sei zu entnehmen, dass der Beschwerdegegner durch den fortgesetzten Alkoholkonsum und nicht durch organische Folgeschäden eingeschränkt sei. Aufgrund der wiederholt durchgeführten Schädel-CT und EEG-Befunde aus den Jahren 2000 und 2001 würden sich ausserdem keine klaren Hinweise für eine hirnorganische Pathologie ergeben, wobei eine Polyneuropathie nicht zu Gleichgewichtsstörungen führe. Ein psychisches Leiden im Sinne einer Persönlichkeitsstörung sei nie beschrieben worden und Hinweise würden auch keine darauf bestehen, dass die Alkoholsucht aufgrund einer krankheitswertigen Persönlichkeitsveränderung nicht therapiert werden könnte.
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2.3 Das kantonale Gericht ist nach sorgfältiger und überzeugender Würdigung der in den Akten liegenden lediglich zwei medizinischen Unterlagen zutreffend zum Schluss gelangt, es lasse sich ohne weitere Abklärungen nicht beurteilen, in welchem Ausmass die gesundheitlichen Beschwerden des Versicherten seine Arbeits- und Erwerbsfähigkeit beeinträchtigen. Der am 9. Juli 2001 in der Klinik X.________ erstellte Bericht bildet in der Tat keine hinreichende Grundlage für einen abschliessenden Entscheid in der Sache und der Arztbericht von Dr. med. A.________ vom 11. Juni 2004 diagnostiziert u.a. ein beginnendes Korsakow-Syndrom und eine Polyneuropathie, empfiehlt aber selber weitere medizinische Abklärungen. Die Beschwerdeführerin führt selber aus, dass die Ergebnisse von 2001 kritisch zu hinterfragen und unklar seien. Die bislang vorhandenen medizinischen Akten hinterlassen somit eine ungesicherte Beweislage, wobei aus den bisherigen Entscheidungsgrundlagen kein nach überwiegender Wahrscheinlichkeit zutreffender Sachverhalt zu gewinnen ist. Insoweit und namentlich auch wegen der fehlenden Aktualität der von der Verwaltung beigezogenen Arztberichte drängt sich die Einholung einer aktuellen neurologisch-psychiatrischen Beurteilung auf. Was hiegegen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebracht wird, vermag somit nicht zu überzeugen.
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2.4 Im Lichte des Gesagten ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin die vorinstanzliche Rückweisung der Sache an die Verwaltung zur Abklärung der möglicherweise bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Versicherten zu bestätigen.
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3.
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Das Verfahren hat Versicherungsleistungen zum Gegenstand und ist deshalb kostenlos (Art. 134 OG).
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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1.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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2.
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Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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3.
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Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.
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Luzern, 6. September 2006
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Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
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Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
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