BGer P 53/2005
 
BGer P 53/2005 vom 18.09.2006
Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess {T 7}
P 53/05
Urteil vom 18. September 2006
IV. Kammer
Besetzung
Präsident Ursprung, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Frésard; Gerichtsschreiber Lanz
Parteien
Ausgleichskasse des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, 5001 Aarau, Beschwerdeführerin,
gegen
F.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Fürsprecher Dr. Heinz Gehrig, Gütschstrasse 2, 5737 Menziken
Vorinstanz
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau
(Entscheid vom 16. August 2005)
Sachverhalt:
A.
Der 1923 geborene F.________ bezieht seit 1. Februar 1999 Ergänzungsleistungen zur eigenen AHV-Altersrente und zu derjenigen seiner Ehefrau. Im Januar 2001 zog das Ehepaar von K.________ nach H.________, wo es zunächst in einer Wohnung und ab 15. Juni 2002 in einem Einfamilienhaus wohnte. Die vom Bezüger angegebenen Wohnkosten wurden jeweils bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen als Ausgaben berücksichtigt. Mit Verfügung vom 13. Januar 2004 und Einspracheentscheid vom 25. August 2004 setzte die Sozialversicherungsanstalt des Kantons Aargau, Ausgleichskasse, die Ergänzungsleistungen ab 1. Januar 2004 ohne Anrechnung von Wohnkosten neu fest. Zur Begründung wurde ausgeführt, es sei nicht rechtsgenüglich dargetan, dass F.________ für das Einfamilienhaus an dessen Eigentümerin, die Firma Firma B.________ GmbH, einen Mietzins bezahle. Mit Verfügung vom 26. August 2004 nahm die Sozialversicherungsanstalt eine Neuberechnung der Ergänzungsleistungen ab 1. März 2004 vor. Den Grund hiefür bildete eine Änderung in den Verhältnissen, welche indessen keine Auswirkungen auf die Höhe der Ergänzungsleistungen hatte. An der Nichtberücksichtigung von Wohnkosten wurde festgehalten. Die von F.________ hiegegen erhobene Einsprache wies die Sozialversicherungsanstalt ab (Einspracheentscheid vom 13. Januar 2005).
B.
Beschwerdeweise beantragte F.________, der Einspracheentscheid vom 13. Januar 2005 und die Verfügung vom 13. Januar 2004 seien aufzuheben, und es sei eine Neuberechnung der Ergänzungsleistungen unter Anrechnung von Wohnkosten sowie des durch die Steuerbehörden veranlagten Einkommens vorzunehmen und neu zu verfügen. Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau hiess die Beschwerde insoweit gut, als es den Einspracheentscheid vom 13. Januar 2005 aufhob und die Sache zur neuen Verfügung über den Anspruch auf Ergänzungsleistungen ab 1. März 2004 unter Anrechnung von Wohnkosten, welche der Versicherte nachweislich erbracht habe, an die Verwaltung zurückwies. Soweit sich die Beschwerde gegen die Verfügung vom 25. August 2004 richtete, trat das Gericht unter Hinweis auf den hiezu ergangenen, rechtskräftigen Einspracheentscheid vom 25. August 2004 nicht auf sie ein (Entscheid vom 16. August 2005).
C.
Die Sozialversicherungsanstalt führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, es sei der kantonale Entscheid vom 16. August 2005 aufzuheben und der Einspracheentscheid (vom 13. Januar 2005) zu bestätigen.
F.________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.
D.
Am 18. September 2006 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht eine parteiöffentliche Beratung durchgeführt.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Streitig und zu prüfen ist die Höhe des Ergänzungsleistungsanspruchs ab 1. März 2004 und dabei die Frage, ob die Verwaltung bei den anrechenbaren Ausgaben zu Recht keine Wohnkosten berücksichtigt hat.
2.
Im angefochtenen Entscheid ist die gesetzliche Regelung über die Anerkennung des Mietzinses als Ausgabe bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen zur AHV/IV (Art. 3b Abs. 1 lit. b ELG) und über die vom Kanton Aargau in Ausübung der vom Bundesrecht eingeräumten Kompetenz (Art. 5 Abs. 1 lit. b ELG) festgesetzte maximale Höhe dieses Abzuges (§ 3 Abs. 1 lit. b des kantonalen Ergänzungsleistungsgesetzes) zutreffend dargelegt. Richtig ist auch, dass bei Leistungsansprechern, welche eine in ihrem Eigentum stehende Liegenschaft bewohnen, der Mietwert anstelle des Mietzinses als Ausgabe berücksichtigt wird (vgl. BGE 126 V 257 Erw. 3).
3.
3.1 Das kantonale Gericht hat erwogen, der Beschwerdegegner habe die von ihm bewohnte Liegenschaft offenkundig gekauft, weshalb diese ergänzungsleistungsrechtlich zu berücksichtigen sei. Insbesondere sei die mit 4 % zu verzinsende Kaufpreisrestanz von Fr. 460'000.- bei den Ausgaben als Wohnkosten anzurechnen. Schranke bilde die Höhe des Bruttoertrages der betreffenden Liegenschaft. Diese Kosten seien aber nur insoweit zu berücksichtigen, als der Versicherte nachweisen könne, dass er sie bezahlt habe.
3.2 Die Sozialversicherungsanstalt wendet ein, der Versicherte sei nicht Eigentümer der betreffenden Liegenschaft.
3.2.1 In der Tat geht aus den Akten hervor, dass das vom Beschwerdegegner und seiner Ehefrau seit 15. Juni 2002 bewohnte Haus zunächst im Eigentum von U.________ und der Firma R.________ AG stand und von diesen mit Kaufvertrag vom 12. September 2003 an die Firma B.________ GmbH verkauft wurde. Seither haben sich die Eigentumsverhältnisse nach Lage der Akten und der Vorbringen der Parteien nicht geändert. Es liegt zudem ein Vertrag vom 31. Dezember 2003 vor, wonach die Firma B.________ GmbH das Einfamilienhaus ab 1. Januar 2004 an den Versicherten und seine Ehegattin vermietet.
3.2.2 Der Beschwerdegegner stellt die Eigentumsverhältnisse nicht anders dar. Er macht vielmehr geltend, aus dem kantonalen Entscheid gehe entgegen der Annahme der Beschwerdeführerin hervor, dass ihn das kantonale Gericht gar nicht als Eigentümer betrachtet habe.
Dies trifft nicht zu. Zwar wird im angefochtenen Entscheid an anderer Stelle der Übergang der Liegenschaft von der früheren Eigentümerschaft auf die Firma B.________ GmbH erwähnt. Aus der oben zitierten Entscheidsstelle geht aber unzweideutig hervor, dass die Vorinstanz den Versicherten als Eigentümer der Liegenschaft betrachtet und diese - unzutreffende - Tatsachenannahme ihrer rechtlichen Würdigung zugrunde gelegt hat. Dem mag die Überlegung zugrunde gelegen haben, dass der Versicherte und seine Ehefrau die einzigen Gesellschafter der Firma B.________ GmbH sind und diese damit wirtschaftlich beherrschen. Dies gestattet aber nicht, den Versicherten selber als Eigentümer der Liegenschaft zu betrachten. Denn die GmbH ist ein selbstständiges Rechtssubjekt mit eigener Rechtspersönlichkeit, besteht mithin als von ihren Mitgliedern losgelöste juristische Person und besitzt im Rechtsverkehr Rechts- und Handlungsfähigkeit. Die Berechtigung am Gesellschaftsvermögen steht der GmbH, nicht den Gesellschaftern zu. Diese besitzen nur Mitgliedschaftsrechte gegenüber der verselbstständigten GmbH (Carl Baudenbacher, Basler Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht II, 2. Aufl., Basel 2002, N 5 zu Art. 772).
Der Beschwerdegegner und seine Ehefrau sind somit nicht Eigentümer des von ihnen bewohnten Einfamilienhauses. Daher können die geltend gemachten Wohnkosten bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen nicht nach der Regelung bei selbstbewohntem Wohneigentum berücksichtigt werden.
4.
Es fragt sich, ob die geltend gemachten Wohnkosten als Mietzinsausgabe im Sinne von Art. 3b Abs. 1 lit. b ELG anerkannt werden können, was die Beschwerdeführerin ebenfalls verneint.
4.1 Gemäss Mietvertrag vom 31. Dezember 2003 haben der Beschwerdegegner und seine Ehefrau der Firma B.________ GmbH einen vierteljährlich zahlbaren Mietzins von Fr. 1500.- (einschliesslich Nebenkosten) im Monat zu entrichten. Die Sozialversicherungsanstalt bestreitet indessen, dass der Versicherte tatsächlich einen Mietzins an die Firma B.________ GmbH bezahlt. Dies wird vom Beschwerdegegner auch nicht behauptet. Er macht geltend, der Mietzins werde entrichtet, indem in Nachachtung eines Darlehensvertrages Zinszahlungen für die Restanz des Kaufpreises des Einfamilienhauses erfolgten.
4.2 Im Kaufvertrag vom 12. September 2003 hatten die Vertragsparteien vereinbart, dass die Käuferin - mithin die Firma B.________ GmbH - die Kaufpreisrestanz von Fr. 460'000.- gemäss separater Vereinbarung schuldig bleibe. Bei der damit angesprochenen Vereinbarung handelt es sich um einen ebenfalls am 12. September 2003 abgeschlossenen Darlehensvertrag. Darin verpflichteten sich die Firma B.________ GmbH und der Versicherte als Darlehensnehmer solidarisch, der Firma R.________ AG als Darleiherin die Kaufpreisrestanz von Fr. 460'000.- ab 31. Dezember 2003 resp. 1. Januar 2004 zu 4 % im Jahr zu verzinsen, zahlbar vierteljährlich. Weiter sollen die Darlehensnehmer ab 31. Januar 2004 monatliche Amortisationen von Fr. 500.- leisten und die Restschuld bis 31. Dezember 2006 begleichen.
4.3 Bei dem im Darlehensvertrag vereinbarten Zinsfuss von 4 % ergibt sich auf der Darlehenssumme von - anfänglich - Fr. 460'000.- ein Zins von Fr. 18'400.- im Jahr resp. Fr. 4600.- bei der vereinbarten vierteljährlichen Zahlung. Auf den Monat umgerechnet entspricht dies einem Betrag etwa in der Höhe des Mietzinses von Fr. 1500.-, den der Beschwerdegegner und seine Ehefrau gemäss Mietvertrag vom 31. Dezember 2003 an die Firma B.________ GmbH zu bezahlen hätten. Insofern wird der Beschwerdegegner durch die Entrichtung des Darlehenszinses als Wohnkosten wirtschaftlich gleich getroffen wie wenn er den vertraglichen Mietzins an die Firma B.________ GmbH bezahlen würde. Es ist unter diesen Umständen gerechtfertigt, den Darlehenszins wie Mietzins zu behandeln und als entsprechende Auslage zu berücksichtigen. Dies gilt, wie das kantonale Gericht zutreffend erkannt hat, jedenfalls wenn und soweit der Beschwerdegegner solche Zahlungen tatsächlich selber leistet und dies nachweisen kann. Sodann können nur Wohnkosten bis zur maximalen Höhe von Fr. 15'000.-/Jahr (§ 3 Abs. 1 lit. b des kantonalen Ergänzungsleistungsgesetzes) als Abzug anerkannt werden. Die Formulierung in Erw. 2d letzter Absatz des angefochtenen Entscheides ist diesbezüglich missverständlich und wird hiermit klargestellt.
4.4 Nach dem Gesagten ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unbegründet und der angefochtene Entscheid im Sinne der Erwägungen zu bestätigen. Letzteres gilt auch, soweit das kantonale Gericht auf die Beschwerde des Versicherten nicht eingetreten ist, zumal sich die Parteien hiezu nicht äussern.
5.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Seinem Ausgang entsprechend hat der Beschwerdegegner Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 159 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 135 OG).
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsgerichtsbeschwerde wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Die Beschwerdeführerin hat dem Beschwerdegegner für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 800.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.
Luzern, 18. September 2006
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: