BGer U 205/2006
 
BGer U 205/2006 vom 06.10.2006
Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess {T 7}
U 205/06
Urteil vom 6. Oktober 2006
IV. Kammer
Besetzung
Präsident Ursprung, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Schön; Gerichtsschreiber Lanz
Parteien
D.________, 1970, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsberater und Treuhänder Dr. Reza Shahrdar, Dynamostrasse 2, 5400 Baden,
gegen
Winterthur Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft, Generaldirektion, General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur, Beschwerdegegnerin
Vorinstanz
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
(Entscheid vom 27. Februar 2006)
Sachverhalt:
A.
Der 1970 geborene D.________ war ab 1. Juni 2001 als Hilfskoch im Restaurant X.________ tätig und dadurch bei der Winterthur Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: "Winterthur") obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 2. April 2003 liess er dem Unfallversicherer durch den Arbeitgeber melden, er habe sich am 21. Februar 2002 in der Restaurantküche beim Heben einer schweren Pfanne eine Sehnenruptur an der linken Schulter zugezogen. Die "Winterthur" bejahte zunächst ihre Leistungspflicht und sprach dem Versicherten mit Verfügung vom 14. Mai 2004 eine Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse von 10 % zu, während sie einen Anspruch auf eine Invalidenrente mangels einer auf das Ereignis vom 21. Februar 2002 zurückzuführenden Invalidität verneinte. Am 20. Januar 2005 erliess die "Winterthur" eine neue Verfügung. Darin hob sie die vorangegangene Verfügung auf, und sie lehnte mit der Begründung, es liege weder ein Unfall noch eine unfallähnliche Körperschädigung vor, die Ausrichtung weiterer Leistungen ab; auf die Rückforderung der irrtümlich bereits bezahlten Integritätsentschädigung werde verzichtet. Die hierauf vom obligatorischen Krankenversicherer des D.________ vorsorglich erhobene Einsprache wurde wieder zurückgezogen. Die Einsprache des Versicherten wies die "Winterthur" ab (Einspracheentscheid vom 30. Juni 2005).
B.
Die von D.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 27. Februar 2006 ab.
C.
D.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, es sei in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides der Gesundheitszustand, nötigenfalls gestützt auf ergänzende Abklärungen, neu zu beurteilen und eine Invalidenrente zuzusprechen.
Die "Winterthur" beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, ohne sich weiter zur Sache zu äussern. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Streitig und zu prüfen ist, ob die "Winterthur" aus dem Ereignis vom 21. Februar 2002 weitere Leistungen zu erbringen hat. Der Unfallversicherer verneint dies mit der Begründung, es liege weder ein Unfall noch eine unfallähnliche Körperschädigung vor. Das kantonale Gericht ist zum gleichen Ergebnis gelangt.
2.
Die Beantwortung der Frage, ob das Ereignis vom 21. Februar 2002 einen Unfall oder eine unfallähnliche Körperschädigung darstellt, hat intertemporalrechtlich nach den damals in Kraft gestandenen Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen zu erfolgen. Das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) ist nicht anwendbar. Dies betrifft namentlich Art. 4 ATSG über den Unfallbegriff, welche Bestimmung indessen inhaltlich ohnehin dem bis 31. Dezember 2002 in Kraft gestandenen Art. 9 Abs. 1 UVV entspricht (RKUV 2004 Nr. U 530 S. 576 [Urteil F. vom 5. Juli 2004, U 123/04]). Danach gilt als Unfall die plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den menschlichen Körper. Das kantonale Gericht hat die hiezu von der Praxis erarbeiteten Grundsätze zutreffend dargelegt.
Richtig wiedergegeben ist auch die auf Art. 6 Abs. 2 UVG gestützte Regelung des Art. 9 Abs. 2 UVV, wonach bestimmte unfallähnliche Körperschädigungen, worunter Sehnenrisse (lit. f), auch ohne ungewöhnliche äussere Einwirkung Unfällen gleichgestellt sind, sofern sie nicht eindeutig auf eine Erkrankung oder eine Degeneration zurückzuführen sind. Gemäss der hiezu ergangenen Rechtsprechung müssen mit Ausnahme der Ungewöhnlichkeit auch bei den unfallähnlichen Körperschädigungen die übrigen Tatbestandsmerkmale des Unfallbegriffs erfüllt sein. Besondere Bedeutung kommt hierbei der Voraussetzung eines äusseren Ereignisses zu, d.h. eines ausserhalb des Körpers liegenden, objektiv feststellbaren, sinnfälligen, eben unfallähnlichen Vorfalles. Wo ein solches Ereignis mit Einwirkung auf den Körper nicht stattgefunden hat, und sei es auch nur als Auslöser eines in Art. 9 Abs. 2 lit. a-h UVV aufgezählten Gesundheitsschadens, liegt eine eindeutig krankheits- oder degenerativ bedingte Gesundheitsschädigung vor (BGE 129 V 467 Erw. 2.2 mit Hinweisen).
Zu erwähnen bleibt, dass das Gericht im Sozialversicherungsrecht seinen Entscheid, sofern das Gesetz nicht etwas Abweichendes vorsieht, nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu fällen hat. Die blosse Möglichkeit eines bestimmten Sachverhalts genügt den Beweisanforderungen nicht. Der Richter und die Richterin haben vielmehr jener Sachverhaltsdarstellung zu folgen, die sie von allen möglichen Geschehensabläufen als die wahrscheinlichste würdigen (BGE 126 V 360 Erw. 5b, 125 V 195 Erw. 2, je mit Hinweisen; vgl. 130 III 324 f. Erw. 3.2 und 3.3).
3.
Zwischen den Parteien ist in erster Linie umstritten, wie sich das Ereignis vom 21. Februar 2002 konkret zugetragen hat. Die "Winterthur" geht davon aus, dass die Sehnenläsion an der Schulter beim Heben einer schweren Pfanne eintrat. Demgegenüber beruft sich der Versicherte darauf, er sei, auf ölig-feuchtem Boden stehend, unter der Last der Pfanne weggerutscht resp. habe sein Gleichgewicht verloren und sich dabei an der Schulter verletzt.
3.1 Wie das kantonale Gericht zutreffend erkannt hat, fehlt es an einem äusseren Faktor, wenn allein beim Heben einer schweren Pfanne in der Küche, welcher Vorgang gemäss der Darstellung des Versicherten regelmässig stattfand, ein Schmerz verspürt wird. Damit ist nach der dargelegten Rechtsprechung (Erw. 2), welche entgegen der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zumindest sinngemäss vertretenen Auffassung nicht in Frage zu stellen ist, eine unfallähnliche Körperschädigung ebenso zu verneinen wie ein Unfall, welcher überdies die hier ebenfalls nicht gegebene Ungewöhnlichkeit des äusseren Faktors voraussetzen würde. Es kann hiezu auf die in BGE 129 V 469 f. Erw. 4.1 und - auch zum Folgenden - 471 Erw. 4.3 erwähnten Beispiele verwiesen werden. Von den dort aufgeführten Sachverhalten zu erwähnen ist der Fall des Versicherten, welcher im Rahmen der gewohnten beruflichen Tätigkeit mit ausgestrecktem Arm einen 20 kg schweren Plastiksack von der Ladebrücke eines Lastwagens nahm und dabei Schulterschmerzen verspürte. Dieses Ereignis, bei welchem das Eidgenössische Versicherungsgericht den äusseren Faktor verneinte, ist weitgehend mit dem hier zur Diskussion stehenden Heben einer schweren Pfanne vergleichbar und dementsprechend zu beurteilen. An dieser Betrachtungsweise ändert nichts, wenn - wie in der Verwaltungsgerichtbeschwerde erstmals geltend gemacht wird - die Pfanne eine heisse Flüssigkeit enthielt und der Umgang mit ihr daher besonderer Konzentration bedurfte.
3.2 Anders könnte es sich verhalten, wenn der Versicherte in der Tat beim Heben der Pfanne weg- oder ausgerutscht wäre und sich dabei die Schulterverletzung zugezogen hätte. Der Unfallversicherer erachtet dies indessen als nicht gesichert. Das kantonale Gericht ist zum gleichen Ergebnis gelangt. Diese Beurteilung beruht auf einer einlässlichen Würdigung der sich aus den Akten ergebenden Gesichtspunkte. Hervorzuheben ist, dass der Versicherte ein (Aus- oder Weg-)Rutschen erstmals in der Stellungnahme vom 22. Dezember 2004 zur Mitteilung der "Winterthur" vom 21. Dezember 2004 über die vorgesehene leistungsablehnende Verfügung erwähnte. Sowohl in der Unfallmeldung vom 2. April 2003, als auch im Protokoll über eine am 2. September 2003 von der "Winterthur" mit dem Versicherten durchgeführte Befragung, in der Beschreibung der Anamnese im orthopädischen Gutachten des Dr. med. S.________ vom 7. Mai 2004 und im Bericht der Klinik Y.________ vom 4. August 2004 wird einzig ausgeführt, die Schulterverletzung sei beim Heben resp. Wegnehmen vom Herd einer schweren Pfanne aufgetreten. Dass der Versicherte aus- oder weggerutscht wäre, wird in diesen wie auch den übrigen Akten aus der Zeit vor der Stellungnahme vom 22. Dezember 2004 nicht erwähnt. Wenn Unfallversicherer und Vorinstanz bei dieser Ausgangslage einen Rutschvorgang beim Ereignis vom 21. Februar 2002 für nicht mindestens wahrscheinlich erachtet und deswegen das Vorliegen eines äusseren schädigenden Faktors verneint haben, ist dies nicht zu beanstanden.
An diesem Ergebnis vermögen die weiteren Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nichts zu ändern. Dies gilt namentlich auch, soweit erneut geltend gemacht wird, der Versicherte sei wegen seinen beschränkten Deutschkenntnisse bei der Befragung vom 2. September 2003 falsch verstanden worden. Das kantonale Gericht hat zutreffend erwogen und gewürdigt, dass auch bei mehreren anderen Gelegenheiten, unter anderem bei der Anamneseerhebung durch Dr. med. S.________, im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers, der dessen Sprache beherrscht, lediglich das Heben einer Pfanne, nicht aber ein Aus- oder Wegrutschen erwähnt wurde. Nicht stichhaltig ist sodann der Hinweis auf das Urteil S. vom 7. März 2006, U 390/05, in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Dass dort zugunsten der versicherten Person entschieden wurde, war auf eine Beweislage zurückzuführen, wie sie hier nicht vorliegt. Festzuhalten bleibt, dass von ergänzenden Abklärungen, ob zum Hergang des Ereignisses vom 21. Februar 2002 oder zum Gesundheitszustand, kein entscheidrelevanter neuer Aufschluss erwartet werden kann, weshalb darauf zu verzichten ist. Es kann im Übrigen auf die zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden.
3.3 Fehlt es demnach an dem für die Annahme eines Unfalles oder einer unfallähnlichen Körperverletzung erforderlichen äusseren Faktor, hat der Unfallversicherer seine Leistungen zu Recht eingestellt. Dies gilt entgegen der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretenen Auffassung trotz der anfänglichen Anerkennung der Leistungspflicht durch den Versicherer (vgl. BGE 130 V 380). Einsprache- und angefochtener Entscheid sind demnach rechtens.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
Luzern, 6. Oktober 2006
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: