BGer 5C.215/2006
 
BGer 5C.215/2006 vom 18.10.2006
Tribunale federale
{T 0/2}
5C.215/2006 /blb
Urteil vom 18. Oktober 2006
II. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Marazzi,
Gerichtsschreiber Schett.
Parteien
X.________,
Berufungskläger,
gegen
Bezirksgericht Brig, Östlich-Raron und Goms, Bezirksrichter I, Stockalperschloss, 3900 Brig.
Gegenstand
Entmündigung nach Art. 370 ZGB,
Berufung gegen den Entscheid des Bezirksgerichts Brig, Östlich-Raron und Goms, Bezirksrichter I,
vom 14. Juli 2006.
Sachverhalt:
A.
X.________, geboren 1957, wurde seit 1996 wiederholt in das Psychiatriezentrum O.________ (PZO) in S.________ zur Behandlung eingewiesen. Am 27. Januar 2004 beschloss das Vormundschaftsamt V.________, ihn zu entmündigen und K.________ zu seinem Vormund zu ernennen. Diese Vormundschaft wurde am 9. Februar 2005 aufgehoben und stattdessen eine Beiratschaft mit Einkommens- und Vermögensverwaltung errichtet. Mit Beschluss vom 18. Januar 2006 hob das Vormundschaftsamt V.________ die Beiratschaft wieder auf und entmündigte X.________ erneut. Als Vormund wurde L.________ ernannt.
B.
Die von X.________ gegen die Entmündigung eingereichte Berufung wurde vom Bezirksgericht Brig am 14. Juli 2006 abgewiesen.
C.
X.________ ist mit Eingabe vom 12. September 2006 an das Bundesgericht gelangt. Er verlangt die Aufhebung des bezirksrichterlichen Entscheides. Zudem stellt er (sinngemäss) ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren.
Es sind keine Antworten eingeholt worden.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Berufungsentscheide des Bezirksgerichts im Bereich der Entmündigung sind kantonal letztinstanzlich (Art. 117 Abs. 6 EGZGB/VS). Die Berufung an das Bundesgericht erweist sich damit als zulässig (Art. 48 Abs. 2 lit. a OG; Art. 44 e OG).
1.2 In der Berufungsschrift ist darzulegen, welche Bundesrechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt sind. Ausführungen, die sich gegen die tatsächlichen Feststellungen richten, und das Vorbringen neuer Tatsachen und Beweismittel sind unzulässig (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). Für die Kritik an der Beweiswürdigung durch die Vorinstanz ist die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Willkürverbotes gegeben (Art. 9 BV, Art. 43 Abs. 1 OG). Das Bundesgericht ist an die tatsächlichen Feststellungen der letzten kantonalen Instanz gebunden, es wäre denn, dass sie unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen sind (BGE 130 III 113 E. 2.1). Vorbehalten bleibt die Berichtigung offensichtlich auf Versehen beruhender Feststellungen von Amtes wegen (Art. 63 Abs. 2 OG).
2.
Die Vorinstanz stützt die Entmündigung des Berufungsklägers auf Art. 370 ZGB. Nach dieser Bestimmung gehört unter Vormundschaft jede mündige Person, die durch Verschwendung, Trunksucht, lasterhaften Lebenswandel oder durch die Art und Weise ihrer Vermögensverwaltung sich oder ihre Familie der Gefahr des Notstandes oder der Verarmung aussetzt, zu ihrem Schutz dauernd des Beistandes und der Fürsorge bedarf oder die Sicherheit anderer gefährdet. Während die Vorinstanz die Entmündigungsgründe der Trunksucht, des lasterhaften Lebenswandels, der Verschwendung und Misswirtschaft ausschloss, droht ihrer Ansicht nach der Berufungskläger zu verarmen, da er durch sein Verhalten, welches auch auf Ersuchen der Nachbarn verschiedentlich polizeiliche Interventionen mit sich brachte, seine Wohnung verlieren könnte und aufgrund seiner eigensinnigen und querulatorischen Verhaltensweisen kaum ein neues Zuhause finden würde. Zudem habe er seit der Scheidung im Jahre 1996 für seine unmündige Tochter T.________, geboren 1989, aufzukommen. Im Weitern gefährde der Berufungskläger die Sicherheit Dritter. Vor allem Mitbewohner des Hauses ... aber auch Dritte fürchten sich nach den Feststellungen der Vorinstanz vor ihm und haben sogar Angst. Dadurch würden diese in ihrer Gesundheit gefährdet.
3.
Der Berufungskläger wurde im Verfahren betreffend fürsorgerischen Freiheitsentzug im Psychiatriezentrum P.________ begutachtet. Aus dem Bericht der Dres. D.________ und E.________ vom 22. Juli 2005 geht hervor, dass der Berufungskläger seine Einwilligung zum Beizug der medizinischen Akten nicht erteilt hatte. Insoweit ist die Bedeutung dieser Expertise im Hinblick auf das vorliegende Verfahren sehr begrenzt. Insbesondere kann auf die Antwort der Experten nicht abgestellt werden, es bestehe im jetzigen Zeitpunkt keine Notwendigkeit, vormundschaftliche Massnahmen zu prüfen. Einmal handelt es sich hierbei um eine Rechtsfrage, die von der Vormundschaftsbehörde beziehungsweise vom Gericht zu beantworten ist. Zudem gehen die Vorfälle, welche die Vormundschaftsbehörde zur nunmehr angefochtenen Massnahme bewogen hatten, auf den Spätherbst 2005 zurück und konnten von den Experten somit nicht berücksichtigt werden. Soweit der Berufungskläger auf das genannte Gutachten Bezug nimmt, um sich gegen eine erneute Entmündigung zur Wehr zu setzen, kann ihm daher nicht gefolgt werden. Ebenso ist sein Vorwurf, das Vormundschaftsamt habe sich bei seinem Beschluss auf den Bericht des PZO von Dr. F.________ gestützt, nicht von Belang. Angefochten ist nämlich der Berufungsentscheid des Bezirksgerichts, welcher auf keine Berichte des PZO Bezug nimmt, und nicht derjenige der verfügenden Instanz. Die Entmündigung des Berufungsklägers wurde im Übrigen nicht wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche ausgesprochen, womit sich die vom Berufungskläger aufgeworfene Frage nach der Berechtigung des behandelnden Arztes zur Begutachtung nicht stellt (Art. 369 Abs. 1 ZGB in Verbindung mit Art. 374 Abs. 2 ZGB).
4.
Soweit der Berufungskläger anführt, er verwahrlose nicht, er sei nicht gewalttätig und bedrohe auch niemanden, stellt er im Wesentlichen die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz über seine Wohnsituation und sein Verhalten gegenüber Nachbarn und Dritten in Frage. Dabei handelt es sich um unzulässige Vorbringen (E. 1.2). Zumindest die Gefährdung der Mitbewohner ist aufgrund der Polizeiintervention vom 16. Dezember 2005 nicht von der Hand zu weisen, ist doch im angefochtenen Entscheid von einem Zustand der Wohnung die Rede, die feuerpolizeilich eine grosse Gefahr darstelle. Damit kann offen bleiben, inwieweit sich der Berufungskläger durch sein Verhalten der Gefahr der Ausweisung aus der Wohnung, an der er ein Wohnrecht hat, aussetzt und dadurch zu verwahrlosen droht.
5.
Die Entmündigung ist ein schwerer Eingriff in die persönliche Freiheit. Sie darf daher nur angeordnet werden, wenn sich diese Massnahme im Hinblick auf das Schutzbedürfnis des Betroffenen als verhältnismässig erweist. Sie muss geeignet sein und darf nur soweit gehen, als es im konkreten Fall nötig ist (Bernhard Schnyder/Erwin Murer, Berner Kommentar, Systematischer Teil, N. 275 ff., S. 101; Ernst Langenegger, Basler Kommentar, ZGB I, 3. Aufl. 2006, N. 29 zu Art. 369 ZGB, S. 1810). Der Berufungskläger bedarf der Betreuung und Fürsorge, um seine auffälligen und gefährdenden Verhaltensweisen in Griff zu bekommen. Die Ernennung eines Vormundes, der ihn zudem für eine fachärztliche Behandlung seiner psychischen Anfälligkeiten und seiner Suchtprobleme motivieren kann, ist damit angebracht. Die Erfahrungen während der früheren Entmündigung weisen in diese Richtung. Das nunmehr gewählte Vorgehen ist zudem einer erneuten Verbringung in eine Anstalt nach den Regeln des fürsorgerischen Freiheitsentzuges auf jeden Fall fürs Erste vorzuziehen (vgl. dazu: Ernst Langenegger, a.a.O., N. 31 zu Art. 369 ZGB). Die Vorinstanz hat das ihr bei der Beurteilung der zutreffenden Massnahme zustehende Ermessen im vorliegenden Fall nicht überschritten und damit auch kein Bundesrecht verletzt.
6.
Nach dem Gesagten ist der Berufung insgesamt kein Erfolg beschieden. Sie war zumindest teilweise nicht von vornherein aussichtslos. Zudem ist der Berufungskläger bedürftig. Damit kann seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege entsprochen werden, womit auf die Erhebung von Kosten verzichtet wird (Art. 152 Abs. 1 OG). Da er im bundesgerichtlichen Verfahren nicht anwaltlich vertreten war, kann ihm keine Parteientschädigung zugesprochen werden.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen.
3.
Es werden keine Kosten erhoben.
4.
Dieses Urteil wird dem Berufungskläger und dem Bezirksgericht Brig, Östlich-Raron und Goms, Bezirksrichter I, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 18. Oktober 2006
Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: