Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
6S.54/2006 /hum
Sitzung vom 2. November 2006
Kassationshof
Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Kolly, Karlen, Zünd,
Gerichtsschreiber Willisegger.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch
Rechtsanwalt Dr. Thierry Calame und
Rechtsanwalt Dr. Jürg Simon,
gegen
Firma Z.________,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Michael Hüppi,
Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell A.Rh., Rathaus, 9043 Trogen.
Gegenstand
Unbefugte Datenbeschaffung; Verletzung des Geschäftsgeheimnisses; Widerhandlung gegen das BG über den unlauteren Wettbewerb,
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts von Appenzell A.Rh., 2. Abteilung,
vom 30. August 2005.
Sachverhalt:
A.
Mit Urteil vom 30. August 2005 sprach das Obergericht von Appenzell Ausserrhoden X.________ in zweiter Instanz schuldig der unbefugten Datenbeschaffung (Art. 143 StGB), der Verletzung des Geschäftsgeheimnisses (Art. 162 StGB) sowie der Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb (Art. 5 lit. a i.V.m. Art. 23 UWG) und verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von sechs Wochen und einer Busse von Fr. 1'000.--.
B.
X.________ führt gegen das Urteil des Obergerichts eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde (sowie staatsrechtliche Beschwerde im Verfahren 6P.27/2006) mit dem Antrag, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. Gleichzeitig ersucht er mit Eingabe vom 27. Januar 2006 um Wiederherstellung der Beschwerdefrist. Die Beschwerdegegnerin beantragt, auf die Nichtigkeitsbeschwerde nicht einzutreten, eventualiter sei die Beschwerde abzuweisen. Die Staatsanwaltschaft Appenzell Ausserrhoden und das Obergericht verzichten auf eine Stellungnahme zur Beschwerde.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das Urteil des Obergerichts wurde dem Beschwerdeführer in vollständiger Ausfertigung am 15. Dezember 2005 zugestellt, womit die 30-tägige Beschwerdefrist zur Einreichung der Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 272 Abs. 1 BStP zu laufen begann und am 16. Januar 2006 endete ( Art. 32 Abs. 1 und 2 OG ). Die Beschwerdeschrift wurde anerkanntermassen erst nach Ablauf der gesetzlichen Frist eingereicht. Das Bundesgericht kann auf die verspätet eingereichte Nichtigkeitsbeschwerde nur eintreten, wenn ein Fristwiederherstellungsgrund vorliegt.
2.
2.1 Gemäss Art. 35 Abs. 1 OG setzt die Wiederherstellung gegen die Folgen der Fristversäumung voraus, dass der Gesuchsteller oder sein Vertreter durch ein unverschuldetes Hindernis abgehalten worden ist, innert der Frist zu handeln, und binnen zehn Tagen nach Wegfall des Hindernisses unter Angabe desselben die Wiederherstellung verlangt und die versäumte Rechtshandlung nachholt.
Der Gesuchsteller gibt als Säumnisgrund an, sein bisheriger Rechtsvertreter A.________ habe aufgrund einer nicht wahrnehmbaren Störung des Gesundheitszustandes übersehen, dass die Vorschrift von Art. 34 Abs. 1 lit. c OG über den Stillstand der Frist zwischen dem 18. Dezember und dem 1. Januar für die Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen nicht gilt (Art. 34 Abs. 2 OG).
2.2
2.2.1 Auf Wiederherstellung der Frist ist nur zu erkennen, wenn die Säumnis auf ein "unverschuldetes Hindernis", also auf die - objektive oder subjektive - Unmöglichkeit, rechtzeitig zu handeln, zurückzuführen ist. Waren der Gesuchsteller bzw. sein Vertreter wegen eines von ihrem Willen unabhängigen Umstandes verhindert, zeitgerecht zu handeln, liegt objektive Unmöglichkeit vor. Subjektive Unmöglichkeit wird angenommen, wenn zwar die Vornahme einer Handlung objektiv betrachtet möglich gewesen wäre, der Betroffene aber durch besondere Umstände, die er nicht zu verantworten hat, am Handeln gehindert worden ist. Die Wiederherstellung ist nach der bundesgerichtlichen Praxis nur bei klarer Schuldlosigkeit des Gesuchstellers und seines Vertreters zu gewähren (Urteil 1P.123/2005 vom 14. Juni 2005 E. 1.1 - 1.2, mit zahlreichen Hinweisen). Ein Krankheitszustand bildet, wenn und solange er jegliches auf die Fristwahrung gerichtete Handeln verunmöglicht, ein unverschuldetes, zur Wiederherstellung führendes Hindernis (vgl. BGE 119 II 86; 112 V 255). In einem unveröffentlichten Bundesgerichtsentscheid vom 23. Oktober 1978 (zitiert bei: Erhard Schweri, Eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen, Bern 1993, N. 417), auf den der Gesuchsteller sich beruft, wurde dies für den Fall einer nicht ohne weiteres wahrnehmbaren geistigen Störung des Anwalts (Schizophrenie) bejaht.
2.2.2 Unstreitig waren der Gesuchsteller bzw. sein damaliger Vertreter nicht objektiv verhindert, die Nichtigkeitsbeschwerde rechtzeitig einzureichen. Im Gesuch wird auch anerkannt, dass der unmittelbare Grund für die Säumnis ein Versehen bzw. mangelnde Aufmerksamkeit war. Nach der Zustellung des obergerichtlichen Urteils vom 15. Dezember 2005 übersah A.________ bei der Berechnung der Beschwerdefrist, dass die Vorschrift über den Stillstand der Fristen nach Art. 34 Abs. 1 OG für die Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen durch Abs. 2 derselben Bestimmung ausgeschlossen wird. Er nahm daher irrtümlich an, die Frist laufe - wie für die staatsrechtliche Beschwerde - erst am 30. Januar 2006 (statt am 16. Januar 2006) ab. Ein Irrtum über die Tragweite von Rechtsregeln (insbesondere verfahrensrechtlicher Natur) kann grundsätzlich keinen Anlass zur Fristwiederherstellung geben (Urteil 2A.175/2006 vom 11. Mai 2006 E. 2.2.2). Nach eigener Einschätzung war A.________ denn auch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte, als er die Frist berechnete. Er fühlte sich von dem am 27. Juli 2005 erlittenen Hirnschlag vollständig erholt und intellektuell uneingeschränkt leistungsfähig. Sein diesbezüglicher Gesundheitszustand fällt daher als Fristwiederherstellungsgrund ausser Betracht.
Der Gesuchsteller will hingegen die eigentliche Ursache für die fehlerhafte Fristberechnung in einer nicht wahrnehmbaren Herzerkrankung von A.________ erkennen, die sich "offenbar" in einem verminderten Konzentrationsvermögen niedergeschlagen habe. Das eingereichte ärztliche Zeugnis bestätigt, dass nach einer Routineuntersuchung und anschliessender Angiographie vom 23. Januar 2006 eine Schädigung der Herzkranzgefässe festgestellt wurde. Entscheidend für die Frage des unverschuldeten Hindernisses ist indes, ob das Herzleiden sich derart auf die Konzentrationsfähigkeit ausgewirkt hat, dass der Vorwurf der mangelnden Aufmerksamkeit bei der Fristberechnung entfallen müsste. Eine solche Störung wird durch das Arztzeugnis nicht belegt. Aus der Gesuchsbegründung geht vielmehr hervor, dass weder A.________ noch seine Bürokollegen oder der Gesuchsteller irgendwelche Anzeichen ausmachen konnten, die auf eine verminderte Konzentrationsfähigkeit hingedeutet hätten. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung wären aber Konzentrationsstörungen wahrgenommen und vom Betroffenen selbst ohne weiteres bemerkt worden. Im Übrigen ist die behauptete (unbemerkte) Konzentrationsschwäche nicht vergleichbar mit den Denkstörungen des an Schizophrenie erkrankten Anwaltes, dessen prozessualer Fehler nachweislich Folge der vorhandenen Geisteskrankheit war (Bundesgerichtsentscheid vom 23. Oktober 1978 E. 3). Fehlt es somit vorliegend am Nachweis, dass das Herzleiden bzw. eine dadurch hervorgerufene Konzentrationsstörung für die fehlerhafte Fristberechnung ursächlich war, liegt ein unverschuldetes Hindernis im Sinne von Art. 35 Abs. 1 OG nicht vor.
2.3 Das Gesuch um Wiederherstellung der Frist ist demnach abzuweisen und auf die ohne zureichenden Grund verspätet eingereichte Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht einzutreten.
2.4 Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 278 Abs. 1 BStP). Die Beschwerdegegnerin ist aus der Bundesgerichtskasse angemessen zu entschädigen und der Beschwerdeführer zu verpflichten, ihr dafür Ersatz zu leisten (Art. 278 Abs. 3 BStP).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Das Wiederherstellungsgesuch wird abgewiesen.
2.
Auf die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht eingetreten.
3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Der Beschwerdegegnerin Firma Z.________ wird für das Verfahren der Nichtigkeitsbeschwerde eine Entschädigung von Fr. 3'000.-- aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet; der Beschwerdeführer wird verpflichtet, ihr dafür Ersatz zu leisten.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell A.Rh. und dem Obergericht von Appenzell A.Rh., 2. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 2. November 2006
Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: