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Original
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess {T 7}
M 12/05
Urteil vom 23. November 2006
I. Kammer
Besetzung
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Ferrari, Ursprung, Lustenberger und Frésard; Gerichtsschreiberin Heine
Parteien
G.________, 1971, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Rolf P. Steinegger, Hirschengraben 2, 3011 Bern,
gegen
SUVA Militärversicherung, Schermenwaldstrasse 10, 3001 Bern, Beschwerdegegnerin
Vorinstanz
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern
(Entscheid vom 18. Oktober 2005)
Sachverhalt:
A.
Als Folgen eines während der Fourierschule am 7. November 1992 erlittenen Autounfalls mit Schädel-Hirntrauma leidet G.________ (geb. 1971) unter einer posttraumatischen Epilepsie und einer neuropsychologischen Hirnfunktionsstörung. Das Bundesamt für Militärversicherung (BAMV) sprach ihm mit Verfügung vom 26. Juli 2004 eine Integritätsschadenrente von 5 % ab 1. März 2003 zu. Die hiegegen erhobene Einsprache hiess das BAMV teilweise gut, indem es den Rentenbeginn auf den 1. Oktober 1999 vorverlegte, ansonsten bestätigte es die bisherige Festsetzung des Integritätsschadens (Einspracheentscheid vom 8. Februar 2005).
B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern ab (Entscheid vom 18. Oktober 2005).
C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt G.________ beantragen, es sei ihm eine Integritätsschadenrente von mindestens 10 % zuzusprechen.
Die SUVA, Abteilung Militärversicherung, schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Parteien und Vorinstanz stimmen darin überein, dass der Beschwerdeführer Anspruch auf eine Integritätsschadenrente im Sinne von Art. 48 ff. MVG hat. Zu prüfen ist, ob ihm, entsprechend der Auffassung der Verwaltung und der Vorinstanz, eine Rente von 5 %, oder aber, entsprechend seinem Rechtsbegehren, eine solche von mindestens 10 % zusteht.
2.
2.1 Das kantonale Gericht hat die für die Bemessung des Integritätsschadens in der Militärversicherung massgeblichen Grundsätze im Wesentlichen zutreffend wiedergegeben und insbesondere in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung ausgeführt, dass in der Militärversicherung, anders als in der obligatorischen Unfallversicherung, die Integritätsentschädigung nicht egalitär-abstrakt, sondern individuell-konkret erfolgt (BGE 113 V 221 Erw. 4b). Dies bedeutet, dass für die Festsetzung des Schadens nicht die vergleichende medizinisch-theoretische Beurteilung des Gesundheitsschadens, sondern das Ausmass, in welchem der Versicherte in den Lebensfunktionen und der allgemeinen Lebensgestaltung eingeschränkt ist, massgebend ist (Maeschi/ Schmidhauser, Die Abgeltung von Integritätsschäden in der Militärversicherung, SZS 1997 S. 177 ff., insbesondere S. 184).
Gemäss vorinstanzlichem Entscheid ist der Integritätsschaden unter Berücksichtigung der individuell-konkreten Situation mit Dauermedikation zu ermitteln. Nach einlässlicher Würdigung der gesamten Umstände und der medizinischen Akten setzte das kantonale Gericht die Integritätsschadenrente auf 5 % fest.
2.2 Der Beschwerdeführer bringt hiegegen vor, dass er ohne die Einnahme von Antiepileptika an schweren Lebensfunktionsstörungen leide. Die dauernde Medikation komme einem Hilfsmittel gleich, weshalb bei der Bemessung des Integritätsschadens vom Zustand ohne Einnahme der Medikamente ausgegangen werden müsse, so dass eine Integritätsschadenrente von mindestens 10 % angemessen sei.
3.
3.1 Gemäss BGE 115 V 149 Erw. 3a setzt der Anspruch auf eine Integritätsentschädigung im Bereiche der Unfallversicherung voraus, dass der Versicherte durch den Unfall eine dauernde erhebliche Schädigung der körperlichen oder geistigen Integrität erleidet. Eine solche Schädigung besteht meistens in einem anatomischen, funktionellen, geistigen oder psychischen Defizit. Entscheidend ist somit, ob der Versicherte eine derartige Schädigung erlitten hat. Ob diese dank einem Hilfsmittel mehr oder weniger vollständig ausgeglichen werden kann mit der Folge, dass sie sich im täglichen Leben nicht mehr oder nur noch im geringem Masse nachteilig auswirkt, ist hingegen unerheblich. Diese Rechtsprechung ist in der Folge auch für den Bereich der Militärversicherung übernommen worden (BGE 117 V 84 Erw. 3c/cc). Danach ist es für die Schwere der Auswirkungen des Gesundheitsschadens auf die Vornahme der primären Lebensfunktionen unmassgeblich, ob die Einschränkung in der primären Lebensfunktion durch Hilfsmittel ganz oder teilweise ausgeglichen werden kann. Die Abgabe von geeigneten Hilfsmitteln ändert am Integritätsschaden nichts, dies im Gegensatz zu den Krankenpflegemassnahmen, welche direkt die Verbesserung des beeinträchtigten Gesundheitszustands zum Ziele haben.
Nach der (zur Invalidenversicherung ergangenen) Rechtsprechung ist unter Hilfsmittel ein Gegenstand zu verstehen, dessen Gebrauch den Ausfall gewisser Teile oder Funktionen des menschlichen Körpers zu ersetzen vermag (BGE 115 V 194 Erw. 2c, 112 V 15 Erw. 1b mit Hinweis). Zusätzlich fällt ein Gegenstand als Hilfsmittel grundsätzlich nur in Betracht, wenn er ohne strukturelle Änderung ablegbar und wieder verwendbar ist. Dieses Erfordernis bezieht sich jedoch nicht nur auf den Gegenstand selbst, sondern auch auf den menschlichen Körper und dessen Integrität. Ein Gegenstand, der seine Ersatzfunktionen nur erfüllen kann, wenn er zuerst durch einen eigentlichen chirurgischen Eingriff ins Körperinnere verbracht wird und nur auf gleiche Weise wieder zu ersetzen ist, stellt kein Hilfmittel im Sinne des Gesetzes dar (BGE 115 V 194 Erw. 2c).
3.2 Die Einnahme von Medikamenten kann aus verschiedenen Gründen nicht der Hilfsmittelabgabe gleichgestellt werden. So fallen u.a. die Wiederverwertbarkeit wie auch die Ersatzfunktion ausser Betracht. Vielmehr dient die Medikation dazu, ein Leiden zu behandeln, entweder durch Heilung oder Linderung labilen pathologischen Geschehens. Bereits im Urteil H.K. vom 21. Dezember 1962 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht entschieden, dass die medikamentöse Behandlung, die auf die Linderung einer Epilepsie ausgerichtet ist, als eigentliche Leidensbehandlung zu qualifizieren ist. Im gleichen Urteil wurde dargelegt, dass selbst bei einer dauernden Medikation nicht von einer "inneren Prothese" im Sinne eines Hilfsmittels ausgegangen werden könne, da unter diesen Begriff nur Geräte und Instrumente fallen, nicht aber Medikamente (ZAK 1963 S. 286 Erw. 2).
Durch die Feststellung, dass eine dauernde Medikation nicht einem Hilfsmittel gleichgestellt werden kann, ist entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers der Integritätsschaden in Anwendung von Art. 49 Abs. 1 MVG festzusetzen. Nach dieser Norm wird die Schwere des Integritätsschadens in Würdigung aller Umstände nach billigem Ermessen ermittelt. Gleich lautete bereits der frühere, bis 31. Dezember 1993 gültig gewesene Art. 25 Abs. 1 MVG. Demnach erfolgt in der Militärversicherung im Gegensatz zur Unfallversicherung keine abstrakte und egalitäre Bemessung der Entschädigung. Die Formulierung des Gesetzes (Art. 49 Abs. 1 MVG) gebietet es, die positiven Auswirkungen der medikamentösen Behandlung auf die körperliche, psychische und geistige Verfassung des Versicherten (Behandlungserfolg) als (günstige) Umstände zu berücksichtigen. Zu keiner anderen Betrachtungsweise führt das vom Versicherten erwähnte Urteil S. vom 12. April 2002 (SVR 2002 MV Nr. 1 S.1, [M 10/01]). Darin ging es um den Anspruch auf Vergütung von Arzneimittelkosten, wobei Kernaussage des Urteils war, dass medizinische Behandlung und Integritätsschadenrente komplementär sind.
3.3 Auf Grund der optimalen medikamentösen Einstellung ist im vorliegenden Fall von einem reduzierten Integritätsschaden auszugehen. Abzugelten sind somit die trotz Medikation verbleibenden unfallbedingten, in casu neuropsychologischen Defizite, die vermutlich lebenslange Einnahme von Medikamenten sowie die deswegen erforderlichen Kontrollen des Blutspiegels.
Mit Rücksicht auf die Gesundheitsbeeinträchtigungen setzte das kantonale Gericht gestützt auf Art. 49 Abs. 1 MVG, nach dem ihm zustehenden Ermessen im Einklang mit den allgemeinen Rechtsprinzipien und nach einlässlicher Würdigung der medizinischen Akten den Integritätsschaden auf 5 % fest (vgl. BGE 114 V 316 Erw. 5a mit Hinweisen). Triftige Gründe für eine von der Vorinstanz abweichende Ermessensausübung sind nicht ersichtlich, und der vorinstanzliche Entscheid ist demnach rechtens.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
Luzern, 23. November 2006
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Die Präsidentin der I. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: