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Original
 
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2P.200/2006 /leb
Urteil vom 14. Dezember 2006
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Müller,
Ersatzrichter Locher,
Gerichtsschreiber Fux.
Parteien
A.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch a. emmenegger ag,
gegen
Steuerverwaltung des Kantons Zug,
Postfach, 6301 Zug,
Steuerverwaltung des Kantons Basel-Stadt,
Postfach, 4001 Basel.
Gegenstand
Art. 127 Abs. 3 BV (Steuerrechtlicher Wohnsitz für die Steuerperiode 2005),
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Einspracheentscheid der Steuerverwaltung
des Kantons Basel-Stadt vom 14. Juli 2006.
Sachverhalt:
A.
A.________ (geboren 1972) meldete sich von Brasilien herziehend am 15. März 2004 in der Gemeinde X.________/ZG an. Am 8. Dezember 2005 meldete er sich per 1. November 2005 in der Stadt Basel als Wochenaufenthalter an. Dort wohnt er während der Woche in einer 3½-Zimmer-Wohnung an der B.________strasse 20, wo zugleich seine Schwester gemeldet ist. Seit Anfang 2005 steht A.________ als Global Brand Manager (GBM) in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis bei der C.________ AG in Basel. Diese Tätigkeit bedingt häufige Auslandaufenthalte. Daneben besucht er im Ausland einen Studiengang zur Erlangung eines Master of Business Administration (MBA).
Die Wochenenden verbringt A.________ regelmässig bei seinem Onkel und Taufpaten in Y.________/ZG, wo er allerdings über keine eigene Wohnung verfügt. Entfernte Verwandte (Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen) wohnen in Z.________/UR und Umgebung. Im März 2005 hat A.________ zusammen mit seinem Onkel die "D.________ GmbH" gegründet; die Gesellschaft hat aber ihre Geschäftstätigkeit noch nicht aufgenommen.
B.
Die Steuerverwaltung des Kantons Basel-Stadt entschied am 1. März 2006, nachdem A.________ die Mietverträge in Basel und Y.________/ZG sowie den Arbeitsvertrag trotz Aufforderung nicht eingereicht hatte, der steuerrechtliche Wohnsitz von A.________ befinde sich für die Steuerperiode 2005 in der Stadt Basel. Diese Feststellungsverfügung bestätigte sie mit Einspracheentscheid vom 14. Juli 2006.
Für die Steuerperiode 2004 ist A.________ im Kanton Zug rechtskräftig eingeschätzt (Verfügung vom 7. Oktober 2005 der Kantonalen Steuerverwaltung Zug).
C.
A.________ hat am 11. August 2006 staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 127 Abs. 3 BV erhoben mit dem Begehren, der Einspracheentscheid der Steuerverwaltung des Kantons Basel-Stadt vom 14. Juli 2006 sei aufzuheben.
D.
Die Steuerverwaltung des Kantons Basel-Stadt beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Die Kantonale Steuerverwaltung Zug hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Der angefochtene Entscheid betrifft die Feststellung des steuerrechtlichen Wohnsitzes für die Steuerperiode 2005, somit einen Sachverhalt ausserhalb der (am 31. Dezember 2000 abgelaufenen) Frist, die den Kantonen zur Anpassung ihrer Gesetzgebung an die Steuerharmonisierungsvorschriften zur Verfügung gestanden war (vgl. Art. 72 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden, StHG; SR 642.14). Da hier jedoch nicht ein Entscheid der letzten kantonalen Instanz angefochten wird, sondern ein Einspracheentscheid, steht dagegen weiterhin nur die staatsrechtliche Beschwerde offen (vgl. Art. 73 Abs. 1 StHG; ASA 73, 420 E. 1.1.1, mit Hinweisen).
1.2 Bestreitet eine zur Veranlagung herangezogene Person die Steuerhoheit des Kantons, muss grundsätzlich in einem Vorentscheid rechtskräftig über die Steuerpflicht entschieden werden, bevor das Veranlagungsverfahren fortgesetzt werden darf. Ein solcher Steuerdomizilentscheid kann - wegen Verletzung von Art. 127 Abs. 3 BV - ohne Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs direkt mit staatsrechtlicher Beschwerde beim Bundesgericht angefochten werden (Art. 86 Abs. 2 OG; BGE 131 I 145 E. 2.1 S. 147; 125 I 54 E. 1a S. 55, je mit Hinweisen).
Die gegen den Einspracheentscheid vom 14. Juli 2006 der Steuerverwaltung des Kantons Basel-Stadt betreffend Feststellung des steuerrechtlichen Wohnsitzes für die Steuerperiode 2005 fristgerecht eingereichte Beschwerde ist daher zulässig. Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 88 OG zur Beschwerde legitimiert. Eine Veranlagung der Kantonalen Steuerverwaltung Zug betreffend die Steuerperiode 2005 ist hier nicht angefochten (vgl. Art. 89 Abs. 3 OG).
1.3 Bei staatsrechtlichen Beschwerden wegen Verletzung von Art. 127 Abs. 3 BV prüft das Bundesgericht Rechts- und Tatfragen frei, und es können auch neue Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden. Dies gilt ebenfalls bei der staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen Steuerdomizilentscheid, wobei allerdings Vorgänge nach dem kantonalen Entscheid vor Bundesgericht nicht mehr berücksichtigt werden (BGE 131 I 145 E. 2.4 S. 149, mit Hinweisen).
2.
Eine gegen Art. 127 Abs. 3 BV verstossende Doppelbesteuerung liegt vor, wenn eine steuerpflichtige Person von zwei oder mehreren Kantonen für das gleiche Steuerobjekt und für die gleiche Zeit zu Steuern herangezogen wird (aktuelle Doppelbesteuerung) oder wenn ein Kanton in Verletzung der geltenden Kollisionsnormen seine Steuerhoheit überschreitet und eine Steuer erhebt, die einem andern Kanton zusteht (virtuelle Doppelbesteuerung). Ausserdem darf ein Kanton eine steuerpflichtige Person grundsätzlich nicht deshalb stärker belasten, weil sie nicht in vollem Umfang seiner Steuerhoheit untersteht, sondern zufolge ihrer territorialen Beziehungen auch noch in einem andern Kanton steuerpflichtig ist (Schlechterstellungsverbot; vgl. BGE 132 I 29 E. 2.1 S. 31 f.; 131 I 285 E. 2.1 S. 286; ASA 74, 684 E. 2.1, je mit Hinweisen).
Der Beschwerdeführer ist für die Steuerperiode 2005 vom Kanton Zug noch nicht veranlagt, er soll aber aufgrund des angefochtenen Steuerdomizilentscheids im Kanton Basel-Stadt ab dem 1. Januar 2005 der unbeschränkten Steuerpflicht unterstellt werden. Damit besteht an sich keine aktuelle Doppelbesteuerung. Der Beschwerdeführer will jedoch auch für die Steuerperiode 2005 im Kanton Zug besteuert werden. Er rügt damit implizit eine virtuelle Doppelbesteuerung.
3.
3.1 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 127 Abs. 3 BV (bzw. Art. 46 Abs. 2 aBV) ist der steuerrechtliche Wohnsitz (Hauptsteuerdomizil) einer unselbständig erwerbenden Person derjenige Ort, wo sich die betreffende Person mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält bzw. wo sich der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen befindet (vgl. Art. 23 Abs. 1 ZGB; Art. 3 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer [DBG; SR 642.11]; Art. 3 Abs. 2 StHG; ASA 63, 836 ff.).
Der Mittelpunkt der Lebensinteressen bestimmt sich für die Steuerhoheit nach der Gesamtheit der objektiven, äusseren Umstände, aus denen sich diese Interessen erkennen lassen, nicht nach den bloss erklärten Wünschen der steuerpflichtigen Person. Auf die gefühlsmässige Bevorzugung eines Ortes kommt es nicht an; der steuerrechtliche Wohnsitz ist insofern nicht frei wählbar. Dem polizeilichen Domizil, wo die Schriften hinterlegt sind oder wo die politischen Rechte ausgeübt werden, kommt dagegen keine entscheidende Bedeutung zu; das sind bloss äussere Merkmale, die ein Indiz für den steuerrechtlichen Wohnsitz bilden können, wenn auch das übrige Verhalten der Person dafür spricht (statt vieler: BGE 132 I 29 E. 4.1 S. 36).
Wenn sich eine Person abwechslungsweise an zwei Orten aufhält, namentlich wenn ihr Arbeitsort und ihr sonstiger Aufenthaltsort auseinanderfallen, ist für die Bestimmung des steuerrechtlichen Wohnsitzes darauf abzustellen, zu welchem Ort sie die stärkeren Beziehungen unterhält. Bei unselbständig erwerbenden Steuerpflichtigen ist das gewöhnlich der Ort, wo sie für längere oder unbestimmte Zeit Aufenthalt nehmen, um von dort aus der täglichen Arbeit nachzugehen, ist doch der Zweck des Lebensunterhalts dauernder Natur. Die Frage, zu welchem der Aufenthaltsorte die steuerpflichtige Person die stärkeren Beziehungen unterhält, ist jeweils aufgrund der Gesamtheit der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (BGE 132 I 29 E. 4.2. 36 f., mit Hinweisen).
Bei verheirateten Personen mit Beziehungen zu mehreren Orten werden die persönlichen und familiären Kontakte zum Ort, wo sich ihre Familie (Ehegatte und Kinder) aufhält, als stärker erachtet als diejenigen zum Arbeitsort, wenn sie in nicht leitender Stellung unselbständig erwerbstätig sind und täglich oder an den Wochenenden regelmässig an den Familienort zurückkehren. Demnach unterstehen verheiratete Pendler oder Wochenaufenthalter grundsätzlich ausschliesslich der Steuerhoheit desjenigen Kantons, in dem sich ihre Familie aufhält; anders verhält es sich nur, wenn sie in leitender Stellung tätig sind (BGE 132 I 29 E. 4.2 und 4.3 S. 36 f., mit Hinweisen).
Diese Praxis findet auch auf ledige Personen Anwendung, zählt die Rechtsprechung doch Eltern und Geschwister ebenfalls zur Familie des Steuerpflichtigen. Allerdings werden die Kriterien, nach denen das Bundesgericht entscheidet, wann anstelle des Arbeitsorts der Aufenthaltsort der Familie als Hauptsteuerdomizil anerkannt werden kann, besonders streng gehandhabt; dies folgt aus der Erfahrung, dass die Bindung zur elterlichen Familie regelmässig lockerer ist als diejenige unter Ehegatten. Bei ledigen Steuerpflichtigen ist vermehrt noch als bei verheirateten Personen zu berücksichtigen, ob weitere als nur familiäre Beziehungen zum einen oder andern Ort ein Übergewicht begründen. Dadurch erhält der Grundsatz, wonach das Hauptsteuerdomizil von Unselbständigerwerbenden am Arbeitsort liegt, grösseres Gewicht: Selbst wenn ledige Steuerpflichtige allwöchentlich zu den Eltern oder Geschwistern zurückkehren, können die Beziehungen zum Arbeitsort überwiegen. Dies kann namentlich dann zutreffen, wenn sie sich am Arbeitsort eine Wohnung eingerichtet haben oder dort über einen Freundes- und Bekanntenkreis verfügen. Besonderes Gewicht haben in diesem Zusammenhang die Dauer des Arbeitsverhältnisses und das Alter des Steuerpflichtigen (BGE 125 I 54 E. 2b/bb S. 57, mit Hinweisen).
3.2 In Bezug auf die Beweisführung sind folgende Grundsätze massgebend: Der Umstand, dass der unverheiratete Steuerpflichtige vom Ort aus, wo er sich während der Woche aufhält, eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausübt, begründet nach der Rechtsprechung die natürliche Vermutung, dass der Steuerpflichtige dort sein Hauptsteuerdomizil hat. Diese Vermutung lässt sich nur entkräften, wenn er regelmässig, mindestens ein Mal pro Woche, an den Ort zurückkehrt, wo seine Familie lebt, mit welcher er aus bestimmten Gründen besonders eng verbunden ist, und wo er andere persönliche und gesellschaftliche Beziehungen pflegt. Nur wenn der steuerpflichtigen Person der Nachweis solcher familiärer und gesellschaftlicher Beziehungen am Ort, wo die Familie wohnt, gelingt, obliegt es dem Kanton des Wochenaufenthalts- oder Arbeitsorts nachzuweisen, dass die Person gewichtige wirtschaftliche und allenfalls persönliche Beziehungen zu diesem Ort unterhält (vgl. BGE 125 I 54 E. 3a S. 58, mit Hinweis).
4.
Die Anwendung der dargelegten Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, dass der Kanton Basel-Stadt die unbeschränkte Steuerpflicht des Beschwerdeführers für die Steuerperiode 2005 zu Recht beansprucht:
Der 1972 geborene Beschwerdeführer wohnt während der Woche an der B.________stasse 20 in Basel in einer 3½-Zimmer-Wohnung (zusammen mit seiner Schwester). Er ist als Global Brand Manager (GBM) bei der C.________ AG in Basel angestellt. Diese Umstände begründen, wie aufgezeigt (E. 3.2), die natürliche Vermutung für einen steuerrechtlichen Wohnsitz des Beschwerdeführers in der Steuerperiode 2005 in der Stadt Basel, auch wenn er sich, beruflich oder durch die zusätzliche Ausbildung bedingt, häufig im Ausland aufhält.
Diese Vermutung liesse sich entkräften, wenn der Beschwerdeführer regelmässig an einen Ort zurückkehren sollte, mit welchem er aus bestimmten Gründen besonders eng verbunden ist und wo er intensive persönliche und gesellschaftliche Beziehungen pflegt. Solches ist hier aber nicht dargetan. Wohl kehrt der Beschwerdeführer angeblich regelmässig zu seinem Onkel und Taufpaten nach Y.________/ZG zurück, er verfügt dort aber nicht über eine eigene Unterkunft. Der Hinweis auf nicht näher bezeichnete "Freunde aus der Studienzeit" und auf entfernte Verwandte im Urnerland genügt nicht, um besonders enge Verbindungen zu Y.________/ZG nachzuweisen oder auch nur glaubhaft zu machen. An dieser Beurteilung vermag schliesslich auch die - momentan offenbar nur auf dem Papier bestehende - "D.________ GmbH" nichts zu ändern (vgl. auch BGE 131 I 145 E. 5 S. 150 f.).
5.
Das Hauptsteuerdomizil des Beschwerdeführers befand sich somit in der Steuerperiode 2005 im Kanton Basel-Stadt. Die staatsrechtliche Beschwerde ist deshalb abzuweisen.
Bei diesem Verfahrensausgang werden die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer auferlegt (Art. 156 Abs. 1 OG in Verbindung mit Art. 153 und Art. 153a OG). Eine Parteientschädigung ist nicht geschuldet (Art. 159 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde gegen den Kanton Basel-Stadt wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Steuerverwaltung des Kantons Basel-Stadt sowie der Kantonalen Steuerverwaltung Zug schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 14. Dezember 2006
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: