Tribunale federale
Tribunal federal
H 27/05{T 7}
Urteil vom 22. Januar 2007
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Meyer U., Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Ferrari, Ursprung.
Gerichtsschreiber Grunder.
Parteien
N.________, 1941, Beschwerdeführer,
gegen
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Lagerhausstrasse 19, 8400 Winterthur, Beschwerdegegner.
Gegenstand
Alters- und Hinterlassenenversicherung,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Beschluss des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
vom 20. Januar 2005.
Sachverhalt:
A.
Die Ausgleichskasse des Kantons Zürich erfasste den 1941 geborenen N.________ ab 1. Januar 2003 als Nichterwerbstätigen (Schreiben vom 20. Oktober 2004) und setzte die Sozialversicherungsbeiträge der Jahre 2003 und 2004 mit zwei Beitragsverfügungen akonto auf insgesamt Fr. 3224.60 (einschliesslich Verwaltungskosten) fest. Eine Einsprache lehnte sie ab (Einspracheentscheid vom 3. November 2004).
B.
N.________ liess Beschwerde führen und beantragen, der Einspracheentscheid sei aufzuheben; eventualiter sei er ab 14. September 2004 als Nichterwerbstätiger einzustufen. Weiter stellte er ein Gesuch um "unentgeltliche Prozessführung und Rechtsvertretung", welches das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mangels Bedürftigkeit abwies (Entscheid vom 20. Januar 2005).
C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt N.________ unter Eingabe verschiedener Unterlagen, in Aufhebung des kantonalen Entscheids sei ihm die "unentgeltliche Prozessführung und die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands" zu bewilligen. Zudem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege für das letztinstanzliche Verfahren.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 395 Erw. 1.2).
1.2 Der kantonale Entscheid über die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege gehört zu den Zwischenverfügungen, die einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können. Er kann daher selbstständig mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten werden (Art. 5 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 und 2 lit. h VwVG sowie Art. 97 Abs. 1 und 128 OG ; BGE 100 V 62 Erw. 1, 98 V 115).
1.3 Die strittige Verfügung hat nicht die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen zum Gegenstand. Das Bundesgericht prüft daher nur, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).
2.
2.1 Nach Art. 61 lit. a ATSG muss das Verfahren vor dem kantonalen Gericht - ausser in Streitigkeiten der Invalidenversicherung - für die Parteien kostenlos sein. Soweit der Beschwerdeführer die unentgeltliche Rechtspflege im Sinne der Befreiung von den Gerichtskosten für den vorinstanzlichen Prozess beantragt, ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegenstandslos.
2.2 Am Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung im kantonalen Verfahren hat sich mit In-Kraft-Treten von Art. 61 lit. f ATSG am 1. Januar 2003 inhaltlich nichts geändert, sodass die zu alt Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG ergangene Rechtsprechung weiterhin anwendbar bleibt (SVR 2004 AHV Nr. 5 S. 17).
3.
3.1 Das kantonale Gericht stellte den unbestrittenen monatlichen Einnahmen des Beschwerdeführers (Fr. 5010.-, abzüglich eines Steuerbetrages von Fr. 7.-) Ausgaben in Höhe von Fr. 3510.85 gegenüber (Grundbetrag, Mietzins der Wohnung, Heizkosten, Krankenkassenprämie, Radio- und Fernsehempfangsgebühren, Telefonkosten, Sozialversicherungsbeiträge, Leasingzins sowie Unterhalts- und Betriebskosten des privaten Fahrzeuges im Umfang von Fr. 400.-, Aufwendungen für medizinische Behandlung in Höhne von Fr. 110.-) gegenüber. Diese Summe erhöhte sie um einen monatlichen Freibetrag von Fr. 300.- auf Fr. 3'810.85. Da die Einnahmen den prozessualen Notbedarf um Fr. 1'192.15 überstiegen, verneinte die Vorinstanz die Bedürftigkeit des Gesuchstellers.
3.2 Der Beschwerdeführer beanstandet, das kantonale Gericht habe einerseits die Auslagen für das Fahrzeug und die medizinische Versorgung nicht vollumfänglich, andererseits die Schulden gegenüber der Obergerichtskasse des Kantons Zürich und der Kreditkartenfirma X.________, die Prämien für die kollektive Krankengeldversicherung, den Mitgliederbeitrag des Berufsverbandes Y.________ und schliesslich die Kosten des Internetanschlusses überhaupt nicht berücksichtigt.
4.
4.1
4.1.1 Die Vorinstanz hat erkannt, die geltend gemachten Positionen "Raten Gerichtskosten" und "Rückzahlung Schulden" seien gemäss Kreisschreiben der Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich vom 23. Mai 2001 an die Bezirksgerichte und Betreibungsämter (Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums) nicht zu berücksichtigen.
4.1.2
4.1.2.1 Ermittelt das kantonale Gericht wie hier den prozessualen Notbedarf gestützt auf betreibungsrechtliche Grundlagen über die Berechnung des Existenzminimums, ist der unterschiedlichen Zielsetzung, die der Regelung der Pfändungsschranken gemäss Art. 92 und 93 SchKG einerseits und der unentgeltlichen Rechtspflege anderseits zu Grunde liegen, Rechnung zu tragen. Art. 92 und 93 SchKG bezwecken, dem Gläubiger vorzuenthalten, was der Schuldner und seine Familie zum Leben unabdingbar brauchen (vgl. Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, SchKG II, Staehelin/Bauer/Staehlin [Hrsg.], Basel/Genf/München 1998, Rz 3 zu Art. 92; Alfred Bühler, Betreibungs- und prozessrechtliches Existenzminimum, in: AJP 6/2002 S. 645; derselbe, Die Prozessarmut, in: Gerichtskosten, Parteikosten, Prozesskaution, unentgeltliche Prozessführung, Bern 2001, S. 156; je mit Hinweisen). Demgegenüber zielt das Institut der unentgeltlichen Rechtspflege darauf ab, einer einkommensschwachen Partei die Führung eines Prozesses zu ermöglichen. Sie darf nicht gezwungen werden, sich in eine Notlage zu begeben und die für den Prozess notwendigen Mittel dadurch zu beschaffen, dass sie anderen dringenden Verpflichtungen nicht nachkommt. Sie soll über die Mittel verfügen können, die zur Bestreitung eines normalen, bescheidenen Familienunterhalts nötig sind. Die Grenze für die Annahme der Bedürftigkeit im Sinne der Regeln über die unentgeltliche Rechtspflege liegen demnach höher als diejenige des betreibungsrechtlichen Existenzminimums (RKUV 2000 KV Nr. 119 S. 155 Erw. 2 [Urteil F. vom 24. Februar 2000, K 140/99], 1996 Nr. U 254 S. 208 Erw. 2; vgl. auch BGE 124 I 2 Erw. 2a; Alfred Bühler, Betreibungs- und prozessrechtliches Existenzminimum, a.a.O., S. 656; Derselbe, Die Prozessarmut, a.a.O., S. 177).
4.1.2.2 Bei der Ermittlung des prozessualen Notbedarfs darf nicht schematisch auf das betreibungsrechtliche Existenzminimum abgestellt werden (Urteil H. vom 4. Oktober 2005 [5P.295/2005] Erw. 2.2 und 2.3.2). Die prozessuale Bedürftigkeit beurteilt sich vielmehr nach den individuellen Umständen des konkreten Einzelfalles und der gesamten wirtschaftlichen Situation des Rechtsuchenden. Dazu gehören auch sämtliche finanziellen Verpflichtungen des Gesuchstellers (BGE 124 I 2 Erw. 2a, 120 Ia 181 Erw. 3a, je mit Hinweisen). So war gemäss nicht veröffentlichtem Urteil H. vom 20. Oktober 1993 Erw. 4 mit Hinweisen (5P.285/1993) die Annahme der Vorinstanz, es seien ausschliesslich die für den Erwerb unpfändbarer Vermögenswerte eingegangenen Schulden zu berücksichtigen, bundesrechtswidrig. Allerdings darf die unentgeltliche Rechtspflege nicht dazu dienen, auf Kosten des Gemeinwesens Gläubiger zu befriedigen, die nicht oder nicht mehr zum Lebensunterhalt beitragen (nicht veröffentlichtes Urteil N. vom 7. November 1997 Erw. 3d mit Hinweis [2P.90/1997]).
4.1.2.3 Nach der Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts sind fällige Steuerschulden in die Notbedarfsrechnung einzubeziehen (RKUV 2000 Nr. KV 119 S. 155 Erw. 2, 1996 Nr. U 254 S. 208 Erw. 2; Urteile B. vom 20. Dezember 2002 [B 52/02] Erw. 4, E. vom 25 September 2000 [C 62/00] Erw. 3a, E. vom 13. Juni 2000 [U 11/99] Erw. 5 sowie nicht veröffentlichte Urteile L. vom 17. Juni 1997 [I 228/97] Erw. 4b und H. vom 21. Juli 1987 [H 12/85] Erw. 3b; vgl. auch BGE 124 I 2 Erw. 2a sowie das nicht publizierte Urteil H. vom 20. Mai 1998 [4P.53/1998] Erw. 1b; Alfred Bühler, Betreibungs- und prozessrechtliches Existenzminimum, a.a.O., S. 656; Derselbe, Die Prozessarmut, a.a.O., S. 177).
4.1.2.4 Nicht anzurechnen sind ausgabenseitig Schulden, von welchen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie der Gesuchsteller nicht bezahlen wird oder nicht bezahlen muss. Für den Nachweis seiner Zahlungswilligkeit darf verlangt werden, dass er sich über die regelmässige Tilgung der geltend gemachten Schulden ausweist (Alfred Bühler, Betreibungs- und prozessrechtliches Existenzminimum, a.a.O., S. 656; Derselbe, Die Prozessarmut, a.a.O., S. 177 mit Hinweis auf die Rechtsprechung).
4.1.3 Indem die Vorinstanz die Berücksichtigung der geltend gemachten Schulden ausschliesslich und ohne nähere Prüfung gestützt auf das Kreisschreiben der Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich vom 23. Mai 2001 verneint, verletzt sie Bundesrecht. Vielmehr sind öffentlich-rechtliche Schulden als Verpflichtungen gegenüber dem Staat oder staatlichen Institutionen grundsätzlich in die Berechnung des prozessualen Notbedarfs einzubeziehen. Die gemäss Rechnung des Obergerichts des Kantons Zürich, Zentrales Inkasso, vom 15. Juli 2004 geschuldeten Gerichtskosten in Höhe von Fr. 7664.75 werden in monatlichen Raten von Fr. 300.- getilgt (vgl. Schreiben der Obergerichtskasse vom 16. August 2004). Dieser Betrag ist in die Notbedarfsrechnung einzusetzen. Damit vermindert sich der vorinstanzlich festgestellte Überschuss von Fr. 1192.- auf Fr. 892.-.
4.1.4 Bei den im vorinstanzlichen Verfahren belegten, in Zusammenhang mit der selbstständigen Erwerbstätigkeit stehenden Schulden handelt es sich nicht um Verpflichtungen, die dem unerlässlichen Lebensunterhalt dienen; sie haben daher ausser Acht zu bleiben, ebenso die mit der Kreditkarte "X.________" bezahlten Dienstleistungen und Konsumgüter, deren Bedarfscharakter vom Beschwerdeführer nicht nachgewiesen worden ist, was aber im Rahmen der prozessualen Mitwirkungspflicht zumutbar gewesen wäre.
4.2
4.2.1 Das kantonale Gericht hat die geltend gemachten Prämien für die Krankengeldversicherung mit der Begründung nicht in die Notbedarfsrechnung einbezogen, der Versicherungsvertrag sei laut vorgelegter Police vom 26. Februar 2003 am 31. Dezember 2003 abgelaufen. Dieses Dokument enthält indessen bloss die Festlegung des im Jahre 2003 maximal anrechenbaren Lohnes im Falle von unfall- oder krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit sowie des prozentualen Satzes, welcher zur Bestimmung der jährlichen Prämie dient. Unter diesen Umständen hat die Vorinstanz in diesem Punkt den Sachverhalt unvollständig (Erw. 1.3) festgestellt. Gemäss letztinstanzlich aufgelegten Rechnungen der Versicherung vom 29. Januar und 31. Juli 2004 hatte der Beschwerdeführer für die Periode vom 1. Juli bis 31. Dezember 2004 eine Prämie von Fr. 108.- monatlich zu bezahlen, welche in die Notbedarsrechnung einzubeziehen ist. Entsprechend vermindert sich der Einkommensüberschuss auf Fr. 784.-.
4.2.2 Was die Kosten für das als (unpfändbares) Kompetenzgut anerkannte Fahrzeug anbelangt, hat das kantonale Gericht übersehen, dass laut dem zwischen der Leasing-Firma E.________ und dem Beschwerdeführer abgeschlossenen Leasingvertrag vom 20. September 2004 vereinbart wurde, der Personenwagen verbleibe im "ausschliesslichen Eigentum der Leasing-Firma E.________" und dürfe "vom Leasingnehmer in keinem Fall veräussert und/oder verpfändet werden". Ob diese als Eigentumsvorbehalt zu verstehende Klausel im Eigentumsvorbehaltsregister eingetragen ist und daher die Leasingzinsen nach Ziffer III 5.2 der kantonalen Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums des Kantons Zürich vom 23. Mai 2001 Bestandteil des Notbedarfs sind, hat die Vorinstanz zwar nicht näher geprüft, was an sich zu beanstanden ist. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer nicht berufstätig ist, weshalb nicht ohne weiteres die effektiven Kosten für das Auto angerechnet werden können. Der Beschwerdeführer lebt in der Stadt U.________. Es wird zwar attestiert, dass er auf einen Autotransport angewiesen sei. Das überzeugt nicht, wenn man bedenkt, dass die im Bericht der Klinik S.________ vom 5. Februar 2004 beschriebenen Befunde und Beeinträchtigungen es sicher nicht verunmöglichen, ein Tram zu benutzen, eher schon - angesichts der Spasmen in beiden Armen - das Führen eines Motorfahrzeuges im Stadtverkehr. Dem Beschwerdeführer steht ein dichtes Netz öffentlicher Verkehrsmittel zur Verfügung, das ihm den Zugang zu der von ihm benötigten medizinischen Betreuung erschliesst. In Einzelfällen mag er auf ein Taxi angewiesen sein. Allen diesen Umständen tragen aber die vorinstanzlich anerkannten Fr. 400.- in einer Weise Rechnung, welche nicht als rechtsfehlerhafte Ermessensbetätigung (Art. 104 lit. a OG) bezeichnet werden kann. Ein weiterer Abzug unter dem Titel Auto- oder Verkehrskosten kommt daher nicht in Frage.
4.2.3 Nicht zu beanstanden sind endlich die vorinstanzlichen Erwägungen zu den anrechenbaren Gesundheitskosten. Es wird auf den angefochtenen Entscheid verwiesen. Der Mitgliederbeitrag für den Berufsverband Y.________ und die Kosten für den Internetanschluss werden letztinstanzlich erstmals geltend gemacht. Es handelt sich um unzulässige Noven (Erw. 1.3), die schon deswegen nicht berücksichtigt werden können.
4.3 Nach dem Gesagten verbleibt dem Beschwerdeführer ein verfügbarer Betrag von Fr. 700.- bis 800.-. Deshalb hat die Vorinstanz mit der Verneinung der Bedürftigkeit im Resultat Bundesrecht nicht verletzt.
5.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist zufolge Kostenfreiheit des letztinstanzlichen Prozesses gegenstandslos. Eine Verbeiständung war nicht erforderlich (Art. 152 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bundesamt für Sozialversicherungen und der Ausgleichskasse des Kantons Zürich zugestellt.
Luzern, 22. Januar 2007
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: