Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
1A.188/2006 /fun
Urteil vom 8. Februar 2007
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Reeb,
Gerichtsschreiber Steinmann.
Parteien
Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, 3003 Bern, Beschwerdeführer, vertreten durch das Bundesamt für Polizei, Nussbaumstrasse 29, 3003 Bern,
gegen
S.________, Beschwerdegegner,
Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter, Feldeggweg 1, 3003 Bern,
Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitskommission, 3074 Muri b. Bern.
Gegenstand
Empfehlungen der Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitskommission,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Mitteilung
der Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitskommission vom 8. August 2006.
Sachverhalt:
A.
Mit Entscheid vom 15. Februar 2006/23. Mai 2006 hat die Eidgenössische Datenschutzkommission (EDSB), bzw. Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitskommission (im Folgenden: Kommission) einen Grundsatzentscheid zum Umfang der (indirekten bzw. direkten) Auskunft über polizeiliche Bearbeitungen von Daten im Rahmen des Bundesgesetzes über die Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) bzw. des Bundesgesetzes über kriminalpolizeiliche Zentralstellen des Bundes (ZentG) getroffen. Die Kommission kam zum Schluss, dass die Praxis des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten, nunmehr Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter (im Folgenden: Beauftragter) mit den verfassungs- und konventionsrechtlichen Garantien nicht zu vereinbaren sei. Sie traf folgende Feststellungen:
1. Der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte hat zu Unrecht mit der Bundesverfassung und dem Europarecht nicht konforme Auslegung von Art. 18 Abs. 3 BWIS vorgenommen. Es wird ihm empfohlen, den Gesuchsteller X darüber zu informierten, dass er nicht registriert ist.
2. Dem Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten wird weiter empfohlen, die Modalitäten der Information von Personen, die um eine Auskunft in einem Bereich polizeilicher Datenbearbeitung des Bundes ersuchen, in welchem der EDSB stellvertretend eine Kontrolle durchführt, so zu modifizieren, damit er im Sinne dieses Entscheides der EDSK auch, wenn angezeigt, Auskunft erteilen kann.
3. Das Bundesamt für Polizei wird aufgefordert, im Rahmen der laufenden Revision des BWIS eine EMRK-konforme Regelung des datenschutzrechtlichen Auskunftsrechts im BWIS einzuleiten.
B.
Mit Schreiben vom 1. August 2006 wandte sich S.________ an die Kommission. Er nahm - unter dem Titel "Einsichtsbegehren in alle über mich vorhandenen Personen- und Bilddaten bei den Bundesämtern für Polizei und Justiz" - Bezug auf einen Presseartikel über den genannten Kommissionsentscheid und wollte sich über den aktuellen Zwischenstand seiner Begehren informieren.
Der Präsident der Kommission antwortete in deren Namen S.________ am 8. August 2006. Er führte aus, dass die Kommission unlängst ein Urteil zum Auskunftsrecht im Bereich geheimer polizeilicher Datenbearbeitungen des Bundes gefällt habe. Dabei habe sie festgestellt, dass die geltende Auskunftsregelung nach Art. 18 BWIS der Europäischen Menschenrechtskonvention und damit auch der Bundesverfassung widerspreche. Das Ersuchen von S.________ werde an den in der Sache zuständigen Beauftragten weitergeleitet. Ferner werde der genannte Entscheid der Kommission beigelegt.
C.
Mit Eingabe vom 7. September 2006 erhob das Bundesamt für Polizei im Namen des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Es beantragt die Feststellung,
1) dass die Mitteilung der Kommission bzw. ihres Präsidenten vom 8. August 2006 bundesrechtswidrig sei,
2) dass weder die Kommission noch ihr Präsident befugt seien, hinsichtlich Datenbearbeitungen in den Datenbanken JANUS und GEWA direkte Auskünfte zu erteilen resp. Mitteilungen an Private zu machen, und
3) dass weder die Kommission noch ihr Präsident befugt seien, ausserhalb des ordentlichen Instanzenzuges zur Überprüfung von Entscheidungen des Beauftragten hinsichtlich Datenbearbeitungen in der Datenbank ISIS direkte Auskünfte zu erteilen bzw. Mitteilungen an Private zu machen, welche in ihrer Wirkung direkten Auskünften gleichkommen.
Die Kommission beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten bzw. die Beschwerde abzuweisen. Der Beauftragte hat auf Vernehmlassung verzichtet. S.________ als Beschwerdegegner hat sich nicht vernehmen lassen.
In Replik und Duplik halten das Bundesamt für Polizei und die Kommission an Begründung und Anträgen fest.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Beschwerde ist vom Bundesamt für Polizei im Namen des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes erhoben worden. Dieses ist nach Art. 103 lit. b OG - vorbehältlich weiterer Voraussetzungen - grundsätzlich zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt. Das Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz (RVOG; SR 172.010) regelt in Art. 49 die Unterschriftsberechtigung bzw. die Delegation hierzu. Die Delegation ist auf die in dieser Bestimmung erwähnten Personengruppen beschränkt; es handelt sich um Personen im Führungskreis des Departementes (vgl. Thomas Sägesser, Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz, Bern 2007, N. 7 ff. zu Art. 49). Es ist nicht ersichtlich, dass hierzu auch Personen von Bundesämtern gehören. Nach Ziff. 7 Abs. 1 lit. a der Weisung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes zur Delegation der Unterschriftenberechtigung der Departementsvorsteherin/des Departementsvorstehers vom 21. Juni 2004 sind zur Unterzeichnung von Verwaltungsgerichtsbeschwerden ermächtigt die Direktionsmitglieder der Ämter, sofern das Amt gemäss der betreffenden Spezialgesetzgebung in der Sache zuständig ist; eine solche Zuständigkeit des Bundesamtes für Polizei wird nicht belegt. Vor diesem Hintergrund ist die Gültigkeit der Unterschrift fraglich. Die Frage kann indes angesichts von Art. 30 Abs. 2 OG offen bleiben.
2.
Die Beschwerde knüpft unmittelbar an die dem Beschwerdegegner zugekommene Mitteilung der Kommission vom 8. August 2006 an. Dieser ist in allgemeiner Weise auf die Sicht der Kommission gemäss ihrem Entscheid vom 15. Februar 2006/23. Mai 2006 hingewiesen worden; zusätzlich erhielt er ein Exemplar dieser Entscheidung.
Diese blosse Mitteilung stellt keine Verfügung im Sinne von Art. 97 Abs. 1 OG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 VwVG dar. Insbesondere werden keine Rechte oder Pflichten begründet, geändert oder aufgehoben, entsprechende Feststellungen getroffen oder entsprechende Begehren abgewiesen. Auch vor diesem Hintergrund ist die Zulässigkeit der vorliegenden Beschwerde fraglich. Die neu ins Verwaltungsverfahrensgesetz aufgenommene Bestimmung von Art. 25a VwVG kommt auf das vorliegende Verfahren nicht zur Anwendung.
Soweit mit der Beschwerde geltend gemacht wird, die Kommission habe mit ihrer Mitteilung vom 8. August 2006 in unzulässiger Weise Auskunft erteilt und damit Bundesrecht verletzt, ist aufgrund des Schriftenwechsels und der Akten davon auszugehen, dass der Beschwerdegegner ein anonymisiertes Exemplar des Entscheides vom 15. Februar 2006/23. Mai 2006 erhalten hat; der Beschwerdeführer zieht dies nunmehr nicht mehr in Zweifel. Dieser Urteilsauszug, wie er den Akten beiliegt, enthält keinerlei Informationen, aus denen auf konkrete Datenbearbeitungen bezüglich bestimmter Personen geschlossen werden könnte. Daran vermögen weder die Gesamtumstände noch die Bezugnahme der Kommission in ihrer Mitteilung vom 8. August 2006 auf das Schreiben des Beschwerdegegners vom 1. August 2006 oder der neutral gehaltene Hinweis, dass dessen Gesuch dem Beauftragten weitergeleitet wird, etwas zu ändern. Insoweit erweist sich die Beschwerde (mit dem Antrag 1) als unbegründet.
3.
Mit den Anträgen 2 und 3 werden abstrakte Feststellungen über die Auslegung der entsprechenden Bundesgesetze und deren Anwendung verlangt. Feststellungsverfügungen gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. b VwVG haben stets individuelle und konkrete Rechte und Pflichten, d.h. Rechtsfolgen zum Gegenstand; nicht feststellungsfähig ist eine abstrakte Rechtslage, wie sie sich aus einem Rechtssatz für eine Vielzahl von Personen und Tatbeständen ergibt (vgl. BGE 130 V 388 E. 2.5 S. 392, mit Hinweisen). Dementsprechend können auch im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren keine entsprechenden Feststellungsbegehren gestellt werden. Daher kann auf die Anträge 2 und 3 nicht eingetreten werden.
4.
Demnach ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Es sind keine Kosten zu erheben. Parteientschädigungen fallen nicht in Betracht.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten sowie der (ehemaligen) Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitskommission und dem Bundesverwaltungsgericht schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 8. Februar 2007
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: