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Original
 
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2A.267/2006 /len
Urteil vom 8. Februar 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Müller,
Bundesrichterin Yersin,
Gerichtsschreiber Wyssmann.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Stefan Wehrenberg,
gegen
Eidgenössische Bankenkommission, Amtshilfekammer, Postfach, 3001 Bern.
Gegenstand
Amtshilfeersuchen der Danish Financial Supervisory Authority (Finanstilsynet) im Fall A.________ Holding,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verfügung der Eidgenössischen Bankenkommission
vom 4. Mai 2006.
Sachverhalt:
A.
Die Danish Financial Supervisory Authority (Finanstilsynet, im Folgenden DFSA) untersucht mögliche Kursmanipulationen oder Insidergeschäfte im Zusammenhang mit dem öffentlichen Übernahmeangebot der schwedischen Tritel Media AG an die Aktionäre der A.________ Holding (AH) vom 12. Januar 2006. Das öffentliche Angebot beinhaltete den Umtausch von AH-Aktien in solche der Tritel Media AG. Der DFSA fielen im Zeitraum vom 3. Januar bis 24. Januar 2006 insgesamt 16 ungewöhnliche Transaktionen auf, bei denen es sich ausnahmslos um Verkäufe der Privatbank C.________, in Zürich, an die D.________ Securities, Kopenhagen, handelte.
Am 13. Februar 2006 übermittelte die DFSA ein Amtshilfegesuch an die Eidg. Bankenkommission (EBK). Sie ersucht um Mitteilung der Namen der Kunden bzw. wirtschaftlich Berechtigten ("end-clients"), für welche die Bank die Verkäufe tätigte. Sie wünscht ferner eine Beschreibung der normalen Investmentaktivitäten dieser Kunden und die Mitteilung allenfalls weiterer hilfreicher Informationen.
Die Eidg. Bankenkommission entsprach dem Ersuchen der dänischen Finanzmarktaufsichtsbehörde und forderte die Privatbank C.________ am 21. Februar 2006 auf, die für die Amtshilfe nötigen Informationen und Unterlagen zu übermitteln.
Am 1. März 2006 teilte die Privatbank C.________ der Eidg. Bankenkommission die Kundennamen und Namen der wirtschaftlich Berechtigten mit und händigte die Unterlagen aus. Im Auftrag von X.________, Stockholm, verkaufte die Bank am 19. Januar 2006 insgesamt 30'000 Aktien der A.________ Holding. X.________ sei bei der E.________, Stockholm, tätig und an den Titeln wirtschaftlich berechtigt gewesen.
B.
X.________ widersetzte sich der Übermittlung der Kundeninformationen an die dänische Finanzmarktaufsicht. Am 4. Mai 2006 verfügte die Eidgenössische Bankenkommission, dass Amtshilfe geleistet wird und der dänischen Finanzmarktaufsichtsbehörde die Informationen betreffend dieser Gesellschaft übermittelt werden.
C.
Mit rechtzeitiger Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt X.________, die Verfügung der Eidg. Bankenkommission vom 4. Mai 2006 sei aufzuheben.
Die zur Vernehmlassung eingeladene Eidg. Bankenkommission schliesst auf kostenfällige Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Anwendbar ist auf das vorliegende Beschwerdeverfahren noch das Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 1943 (OG).
2.
Die Amtshilfe gegenüber den ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörden richtet sich nach Art. 38 des Bundesgesetzes über die Börsen und den Effektenhandel vom 24. März 1995 (BEHG; SR 954.1). Die Vorschrift wurde am 7. Oktober 2005 geändert und trat am 1. Februar 2006 in Kraft. Als Verfahrensvorschrift findet die geänderte Bestimmung mit ihrem Inkrafttreten sofort Anwendung (Urteil 2A.213/1998 vom 29. Oktober 1998, E. 5b, in: EBK-Bulletin 37/1999 S. 21; Urteil 2A.170/2006 vom 8. Mai 2006, E. 2.1, in: EBK 49/2006 S. 105).
3.
Gemäss Art. 38 Abs. 2 lit. a BEHG n.F. darf die Eidgenössische Bankenkommission ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörden nicht öffentlich zugängliche Auskünfte und sachbezogene Unterlagen übermitteln, sofern die Informationen ausschliesslich zur Durchsetzung von Regulierungen über Börsen, Effektenhandel und Effektenhändler verwendet oder zu diesem Zweck an andere Behörden, Gerichte oder Organe weitergeleitet werden (sog. Spezialitätsprinzip); gemäss Abs. 2 lit. b daselbst müssen die ersuchenden Behörden an ein Amts- oder Berufsgeheimnis gebunden sein, wobei Vorschriften über die Öffentlichkeit von Verfahren und die Orientierung der Öffentlichkeit über solche Verfahren vorbehalten bleiben.
Wie das Bundesgericht bereits Gelegenheit hatte festzustellen (Urteil 2A.170/2006 vom 8. Mai 2006 E. 2.1.2 f., in: EBK-Bulletin 49/2006 S. 105), unterscheidet sich die neue Regelung von der bisherigen im Wesentlichen dadurch, dass das Vertraulichkeitsprinzip nur noch abgeschwächt gilt (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 10. November 2004, BBl 2004 S. 6754 u. 6765); zudem entfallen im Rahmen des Spezialitätsgrundsatzes das Prinzip der langen Hand sowie das Verbot der Weiterleitung an Strafverfolgungsbehörden bzw. der in diesem Zusammenhang bisher nötige Zusatzverdacht und das Erfordernis der doppelten Strafbarkeit (vgl. Botschaft, a.a.O., BBl 2004 S. 6764).
Im Übrigen gelten die bisherige Regelung und Rechtsprechung fort, insbesondere soweit Informationen unter Durchbrechung des Spezialitätsgrundsatzes weitergegeben werden sollen: In diesem Fall muss die Bankenkommission im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Justiz die Zustellung an die Strafbehörden vorgängig genehmigen; dabei hat sie die Rechtshilfevoraussetzungen und insbesondere das Erfordernis der doppelten Strafbarkeit zu beachten (Art. 38 Abs. 6 BEHG n.F.; Botschaft, a.a.O., BBl 2004 S. 6764 f.; vgl. Urteil 2A.170/2006 vom 8. Mai 2006, a.a.O., E. 2.1.3).
4.
Es ist unbestritten, dass es sich bei der Danish Financial Supervisory Authority (DFSA) um die dänische Finanzmarktaufsichtsbehörde im Sinne von Art. 38 Abs. 2 BEHG handelt. Ihre Stellung und Funktion ist im Briefwechsel mit der Eidg. Bankenkommission vom 5. Juli 2001 umschrieben. Sie untersteht dem dänischen Wirtschafts- und Handelsministerium und ist zuständig zur Überwachung aller regulierten Finanzintermediäre, insbesondere auch von Banken und Börsen. Sie gab, damals noch unter dem alten Art. 38 BEHG, die Zusicherung ab, die übermittelten Angaben nur zur Ausübung ihrer Aufsichtsfunktion über das Marktgeschehen zu verwenden und vor jeder Weiterleitung vertraulicher Informationen die Zustimmung der Eidg. Bankenkommission einzuholen. Der angefochtene Entscheid enthält die zur Durchsetzung des Spezialitätsprinzips nach Art. 38 Abs. 2 lit. a n.F. BEHG erforderlichen Vorbehalte. Bis zum Beweis des Gegenteils ist davon auszugehen, dass sich die DFSA daran halten wird (BGE 127 II 142 E. 6b S. 147 f.).
5.
5.1
Die DFSA stellte im kritischen Zeitraum vom 3. Januar 2006 bis 24. Januar 2006 folgende ungewöhnliche Transaktionen in AH-Titeln fest:
Datum
Anzahl verkaufter AH-Aktien
03.01.2006
200'000
04.01.2006
115'000
05.01.2006
35'000
09.01.2006
50'000
10.01.2006
35'000
12.01.2006
150'000
12.01.2006
1'065'000
13.01.2006
80'000
16.01.2006
335'000
17.01.2006
75'000
17.01.2006
70'000
18.01.2006
360'000
19.01.2006
30'000
19.01.2006
290'000
20.01.2006
35'000
24.01.2006
375'000
Diese Transaktionen wurden alle zwischen der Privatbank C.________, Zürich, als Verkäuferin und der D.________ Securities, Kopenhagen, als Käuferin ausgeführt.
5.2 Übernahmen oder nur schon deren Ankündigung bieten ein breites Feld für mögliche Kursmanipulationen zum Nachteil anderer Marktteilnehmer (vgl. Rolf Watter, Kursmanipulation am Aktienmarkt unter Berücksichtigung von sog. Stützungskäufen, SZW 62/1990 S. 199). Auch Insidergeschäfte sind in solchen Fällen nicht auszuschliessen. Es handelt sich um einen typischen Fall, wo eine Finanzmarktaufsichtsbehörde tätig werden muss. In solchen Fällen besteht, was auch der Beschwerdeführer einräumt, ein öffentliches Interesse beider Vertragsstaaten an Amtshilfe in Bezug auf Informationen bezüglich Kursmanipulationen. Es fällt auf, dass erhebliche Umsätze in AH-Titeln bereits vor, aber auch nach der öffentlichen Ankündigung zwischen zwei Hauptakteuren, der Privatbank C.________ und der D.________ Securities, getätigt wurden. Diese Umsätze überstiegen zum Teil die an "normalen" Tagen gehandelten Volumen um ein Vielfaches, wie der Chart von Bloomberg zeigt.
Das begründet die Annahme, dass der Markt eventuell in unzulässiger Weise beeinflusst worden sein könnte. Ein genügender Anfangsverdacht möglicher Kursmanipulationen (vgl. auch BGE 129 II 484 E. 4.2 S. 494 f.; 126 II 126 E. 6a/bb S. 137, 409 E. 5b/aa S. 414) ist nicht von der Hand zu weisen.
5.3
Gemäss Auskunft der Bank veräusserte sie im Auftrag des Beschwerdeführers am 19. Januar 2006 insgesamt 30'000 AH-Titel. Berechtigter sei der Beschwerdeführer gewesen. Tatsächlich hielt jedoch der Beschwerdeführer gemäss seinen eigenen Angaben die AH-Titel aufgrund eines Vermögensverwaltungsvertrages für die Y.________ Investment. Diese war somit an den veräusserten Aktien wirtschaftlich berechtigt. Dieser Sachverhalt wurde auch durch die Y.________ Investment bestätigt. Es handelt sich bei dieser um eine Gesellschaft mit Sitz auf den British Virgin Islands (BVI). Da die Y.________ Investment (BVI) im gleichen Zeitraum wie der Beschwerdeführer AH-Aktien veräusserte, ist sie ebenfalls vom vorliegenden Amtshilfeersuchen betroffen. Einer ihrer "Direktoren" ist G.________, Stockholm, der gemäss den herausverlangten Bankunterlagen auch CEO der A.________ Holding sein soll. Angesichts der personellen Verflechtung, die zwischen der Y.________ Investment und der Gesellschaft, deren Titel gehandelt worden sind, besteht, ist die Y.________ Investment offensichtlich nicht unbeteiligte Dritte und das Amtshilfegesuch grundsätzlich begründet (vgl. BGE 126 II 126 E. 6a/bb S. 137). Das gilt auch für den Beschwerdeführer, soweit er Aktien im Auftrag der Y.________ Investment veräusserte. Das rechtfertigt die Amtshilfe. Ob der Beschwerdeführer von Insiderinformationen profitierte oder an Kursmanipulationen beteiligt war, ist nicht Gegenstand des Amtshilfeverfahrens.
5.4
Der Beschwerdeführer bestreitet, dass ein öffentliches Interesse an der Herausgabe von Informationen über den Verkauf von AH-Aktien bestehe, nachdem die Transaktion nach dem 12. Januar 2006 erfolgte. Inwiefern eine Transaktion noch verdächtig sein und auf Insiderverdacht oder Kursmanipulationen untersucht werden könne, nachdem die Kaufabsicht öffentlich gemacht worden sei, sei unerfindlich. Aus diesem Grunde sei die in Aussicht gestellte Amtshilfe unverhältnismässig und die angefochtene Verfügung aufzuheben.
Der Einwand ist unbegründet. Die Techniken, mit denen auf Börsenkurse eingewirkt werden kann, sind vielfältig. Die meisten ausländischen Gesetzgebungen unterscheiden zwischen der Verbreitung (falscher) Informationen einerseits und Täuschung durch Handlungen (Transaktionen, Umsätze) andererseits (vgl. Robert Roth, Manipulation boursière: questions pour la construction d'une nouvelle incrimination, SZW 63/1991 S. 240). Alle Geschäfte sind geeignet, den Börsenkurs zu beeinflussen. Deshalb sind auch Scheingeschäfte, v.a. bei Emissionen oder Übernahmen, zu untersuchen. Letztlich führt stets die Information der Öffentlichkeit zu Kursbewegungen. Doch können deswegen weder Transaktionen vor noch nach der öffentlichen Ankündigung systematisch von vornherein als für die Beeinflussung des Kurses irrelevant qualifiziert werden. Zudem steht der fragliche Verkaufsauftrag des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit den Verkäufen der Y.________ Investment (BVI), welche nachgewiesenermassen sowohl vor als auch nach der öffentlichen Bekanntmachung vom 12. Januar 2006 AH-Titel veräusserte. Mit dem Einwand, die Transaktion sei in jeder Hinsicht unverdächtig, nachdem die Kaufabsicht öffentlich gemacht worden sei, dringt der Beschwerdeführer daher nicht durch.
5.5
Der Beschwerdeführer beruft sich auf das Bankkundengeheimnis. Dieses steht indes der Amtshilfe nicht entgegen (BGE 125 II 83 E. 5). Zu beachten ist freilich, dass die herausgegebenen Informationen ausschliesslich zur Durchsetzung der Finanzmarktaufsicht verwendet werden dürfen. Nach wie vor gilt nämlich das Spezialitätsprinzip, wonach eine allfällige Zweitbehörde, an welche vertrauliche Informationen weiter gegeben werden, solche nur zur "Durchsetzung von Regulierungen über Bösen, Effektenhandel und Effektenhändler" verwenden darf (Art. 38 Abs. 2 lit. a BEHG n.F.). Dass die DFSA in dieser Hinsicht die nötige Gewähr bietet, wird auch vom Beschwerdeführer nicht in Frage gestellt.
6.
Aufgrund dieser Erwägungen ist die Beschwerde abzuweisen. Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und der Eidgenössischen Bankenkommission schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 8. Februar 2007
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: