Tribunale federale
Tribunal federal
{T 7}
C 159/06
Urteil vom 7. März 2007
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Schön, Frésard,
Gerichtsschreiberin Polla.
Parteien
A.________, 1965, Beschwerdeführer,
gegen
Unia Arbeitslosenkasse, Zentralverwaltung, Strassburgstrasse 11, 8004 Zürich, Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Arbeitslosenversicherung,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
vom 28. April 2006.
Sachverhalt:
A.
Mit Verfügung vom 22. Dezember 2003 und Einspracheentscheid vom 12. Februar 2004 lehnte die Unia Arbeitslosenkasse (Unia) einen Anspruch des 1965 geborenen A.________ auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung wegen arbeitgeberähnlicher Stellung im Betrieb ab. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die hiegegen geführte Beschwerde - soweit es darauf eintrat - in dem Sinne gut, dass der angefochtene Einspracheentscheid vom 12. Februar 2004 aufgehoben und die Sache an die Unia zurückgewiesen wurde, damit diese, nach erfolgten Abklärungen im Sinne der Erwägungen, über den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung neu verfüge (Entscheid vom 3. Februar 2005). Daraufhin bejahte die Arbeitslosenkasse mit Verfügung vom 3. März 2005 den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab 12. Juni 2003 für die "geltend gemachten Kontrollperioden". Im Einspracheentscheid vom 25. Mai 2005 führte sie präzisierend aus, der Anspruch beschränke sich auf die Kontrollperioden der Monate Juni, Juli, August und Dezember 2003 sowie Januar 2004, einen weitergehenden Taggeldanspruch verneinte die Kasse mangels Erfüllung der Kontrollvorschriften.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 28. April 2006 ab.
C.
A.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, es seien ihm für die gesamte Dauer der Leistungsrahmenfrist Taggelder der Arbeitslosenversicherung zuzusprechen oder das "während dieser Periode aufgezehrte Pensionskassenguthaben" zurückzuerstatten.
Arbeitslosenkasse und Staatssekretariat für Wirtschaft haben auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).
2.
2.1 Im Einspracheentscheid werden die Bestimmungen über die rechtzeitige Geltendmachung des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung (Art. 20 Abs. 3 AVIG in Verbindung mit Art. 29 Abs. 1 und 2 AVIV ; zum Begriff der Kontrollperiode siehe Art. 27a AVIV in Verbindung mit Art. 18 Abs. 2 AVIG) und die diesbezüglichen Säumnisfolgen (Art. 20 Abs. 3 AVIG in Verbindung mit Art. 29 Abs. 3 AVIV), zutreffend dargelegt, wobei die nach Inkrafttreten (1. Januar 2003) des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 gültigen Fassungen massgebend sind (BGE 129 V 1 E. 1.2 S. 4 mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen.
2.2 Zweck der in Art. 20 Abs. 3 AVIG in Verbindung mit Art. 29 Abs. 2 AVIV statuierten dreimonatigen Verwirkungsfrist (vgl. BGE 117 V 244 E. 3a und b S. 245, 114 V 123) für die Geltendmachung des Taggeldanspruchs ist es, der Arbeitslosenkasse die rechtzeitige Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen und Bemessungsgrundlagen zu ermöglichen sowie allfällige Missbräuche zu verhindern (BGE 124 V 75 E. 4b/bb S. 80, 113 V 66 E. 1b S. 68; vgl. Thomas Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Koller/Müller/Rhinow/Zimmerli [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, S. 31, Rz 74). Nach der Rechtsprechung beginnt die Frist zur Geltendmachung des Anspruchs ungeachtet eines in der Sache hängigen Gerichtsverfahrens nach dem (faktischen) Ende der jeweiligen Kontrollperiode zu laufen, auf welche sich der Anspruch bezieht (ARV 2000 Nr. 6 S. 30 Erw. 1c, C 461/98; vgl. auch BGE 124 V 75, ferner BGE 124 V 215). In analoger Weise entbindet ein von der versicherten Person eingeleitetes Beschwerdeverfahren nach aus andern Gründen erfolgter Ablehnung der Taggeldbezugsberechtigung grundsätzlich nicht von der Pflicht zur Einhaltung der Kontrollvorschriften, wie Teilnahme an Kontrollgesprächen, Nachweis hinreichender Bemühungen um zumutbare Arbeit, etc. Aus diesbezüglicher Rechtsunkenntnis vermag die leistungsansprechende Person nichts zu ihren Gunsten abzuleiten. Eine abweichende Behandlung fällt lediglich dann in Betracht, wenn die praxisgemässen Voraussetzungen einer erfolgreichen Berufung auf den öffentlich-rechtlichen Vertrauensschutz erfüllt sind (E. 2.3.2 hernach; zum Ganzen: BGE 124 V 215 E. 2b/aa S. 220 f., Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts C 7/03 vom 31. August 2004 E. 3.2).
2.3
2.3.1 Gemäss Art. 27 ATSG sind die Versicherungsträger und Durchführungsorgane der einzelnen Sozialversicherungen verpflichtet, im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereiches die interessierten Personen über ihre Rechte und Pflichten aufzuklären (Abs. 1). Jede Person hat Anspruch auf grundsätzlich unentgeltliche Beratung über ihre Rechte und Pflichten. Dafür zuständig sind die Versicherungsträger, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind. Für Beratungen, die aufwändige Nachforschungen erfordern, kann der Bundesrat die Erhebung von Gebühren vorsehen und den Gebührentarif festlegen (Abs. 2). Absatz 1 des Art. 27 ATSG stipuliert eine allgemeine und permanente Aufklärungspflicht der Versicherungsträger und Durchführungsorgane, die nicht erst auf persönliches Verlangen der interessierten Personen zu erfolgen hat, und hauptsächlich durch die Abgabe von Informationsbroschüren, Merkblättern und Wegleitungen erfüllt wird. Der im hier zu beurteilenden Fall relevante Absatz 2 derselben Bestimmung beschlägt dagegen ein individuelles Recht auf Beratung durch den zuständigen Versicherungsträger. Jede versicherte Person kann vom Versicherungsträger im konkreten Einzelfall eine unentgeltliche Beratung über ihre Rechte und Pflichten verlangen (BGE 131 V 472 E. 4.1 S. 476). Das Bundesgericht hat bisher offen gelassen, wo die Grenzen der in Art. 27 Abs. 2 ATSG verankerten Beratungspflicht in generell-abstrakter Weise zu ziehen sind. Das Gericht hat jedoch entschieden, dass es auf jeden Fall zum Kern der Beratungspflicht gehört, die versicherte Person darauf aufmerksam zu machen, ihr Verhalten könne eine der Voraussetzungen des Leistungsanspruches gefährden (BGE 131 V 472 E. 4.3 S. 479 f. in fine).
2.3.2 Eine ungenügende oder fehlende Wahrnehmung der Beratungspflicht nach Art. 27 Abs. 2 ATSG kommt gemäss konstanter (BGE 124 V 215 E. 2b S. 221, 113 V 71 E. 2, 112 V 115 Erw. 3b S. 120; ARV 2003 S. 127 E. 3b, C 417/00, 2002 S. 115 Erw. 2c, C 239/99, 2000 S. 98 Erw. 2b, C 125/97) und unter der Herrschaft des ATSG weitergeltenden Rechtsprechung (BGE 131 V 472 E. 5 S. 480 f.) einer falsch erteilten Auskunft des Versicherungsträgers gleich. Dieser hat in Nachachtung des Vertrauensprinzips hierfür einzustehen, sofern sämtliche Voraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Vertrauensschutzes (dazu BGE 131 V 472 E. 5 S. 480 f, 127 I 31 E. 3a S. 36; RKUV 2000 Nr. KV 126 S. 223 K 23/98; zu Art. 4 Abs. 1 aBV ergangene, weiterhin geltende Rechtsprechung: BGE 121 V 65 E. 2a S. 66 mit Hinweisen) erfüllt sind.
3.
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung während der vom 12. Juni 2003 bis 11. Juni 2005 dauernden Rahmenfrist für den Leistungsbezug, wobei ausser Frage steht, dass der Versicherte für die Monate Juni bis August und Dezember 2003 sowie Januar 2004 die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt. Das in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gestellte Begehren um Rückerstattung der aufgezehrten Leistungen aus der beruflichen Vorsorge hat keinen Bezug zum Anfechtungsgegenstand, weshalb darauf nicht einzutreten ist (BGE 131 V 164 E. 2.1, 125 V 413 E. 1a S. 414, 119 Ib 33 E. 1b S. 36, je mit Hinweisen).
3.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, er sei von der Verwaltung nicht genügend darüber informiert worden, dass er auch nach der verfügten Ablehnung des Taggeldanspruchs und mithin während des anschliessenden gerichtlichen Verfahrens die Kontrollpflicht weiterhin hätte erfüllen müssen. Wie er in seiner Einsprache vom 12. April 2005 ausführte, gab es für ihn keinen Grund mehr, dem RAV einen Nachweis seiner Arbeitsbemühungen zu erbringen, nachdem die Verwaltung die Anspruchsberechtigung wiederholt mündlich zuerst an- dann schriftlich aberkannt und zudem die Arbeitslosenversicherungsbeiträge nicht zurückerstattet hätte. Zudem sei er unter Bezug auf Urteile des Eidgenössischen Versicherungsgerichts auf die Aussichtslosigkeit einer Beschwerde beim Sozialversicherungsgericht hingewiesen worden. In der vorinstanzlichen Beschwerde wurde sodann ergänzt: "...was hatte ich noch für einen Anlass, Kontrollzettel auszufüllen, und weiterhin regelmässig beim RAV vorstellig zu werden, nachdem man mir dort jedes Mal freundlich, aber bedauernd zu verstehen gab, über Ansprüche entscheide allein die Kasse, der Sinn meiner Bemühungen sei deshalb fraglich, und ich müsse selber wissen, ob ich noch weiterhin bei ihnen vorsprechen wolle oder nicht...".
3.2 Mit Blick auf die Monate September, Oktober und November 2003 ist mit der Arbeitslosenkasse festzustellen, dass der Versicherte am 27. August 2003 auf dem Formular "Angaben der versicherten Person für den Monat August 2003" angab, ab 1. September 2003 nicht mehr arbeitslos zu sein, weshalb ihn die Arbeitslosenkasse daraufhin korrekterweise Ende August 2003 von der Arbeitslosenversicherung abgemeldet und erst nach erneuter Anmeldung am 24. November 2003 ab 1. Dezember 2003 wieder als Arbeitsloser erfasst hatte. In den Unterlagen findet sich kein Hinweis, dass der Versicherte mit diesem Vorgang nicht einverstanden gewesen war und sich gegen eine Abmeldung gewehrt hätte. Eine Berufung auf den öffentlich-rechtlichen Vertrauensschutz wegen Verletzung der Informationspflicht fällt daher für die Zeit in der der Beschwerdeführer bei der Arbeitslosenversicherung nicht angemeldet war, von vornherein ausser Betracht.
3.3 Hinsichtlich der übrigen Monate geht aus den Akten hervor, dass der Versicherte letztmals am 9. Februar 2004 - während des hängigen Einspracheverfahrens - die zur Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs für den Monat Januar 2004 erforderlichen Unterlagen der Kasse eingereicht hatte. Nach seiner Einsprache am 29. Januar 2004 wurde er sodann unbestrittenermassen von der Arbeitslosenkasse mit Schreiben vom 6. Februar 2004 ausdrücklich und unmissverständlich auf den drohenden Rechtsnachteil im Sinne des Anspruchsuntergangs bei verspäteter Einreichung der benötigten Unterlagen aufmerksam gemacht. Dass dem Versicherten mündlich eine gegenteilige und somit falsche Auskunft erteilt worden wäre, wird nicht geltend gemacht. Seinen Ausführungen ist vielmehr zu entnehmen, dass Unia wie RAV wiederholt auf das - gemäss ihrer Einschätzung - chancenlose Gerichtsverfahren hingewiesen haben und deshalb das weitere Erfüllen der Kontrollvorschriften zwar für sinnlos, aber zweifelsohne für korrekt hielten. Daraufhin sah der Versicherte jedoch offenbar keinen Anlass mehr, diese Vorschriften zu erfüllen, wobei er aus "reiner Wut" dennoch Beschwerde erhoben habe.
3.4 Nach Lage der Akten und den Parteivorbringen besteht demnach kein Zweifel, dass dem Beschwerdeführer das Vorgehen zur Wahrung seines Anspruchs bewusst war. Es musste ihm - gerade auch mit Blick auf die unmissverständliche Androhung des Untergangs des Taggeldanspruchs bei nicht rechtzeitiger Geltendmachung desselben - klar sein, dass er - da der behördliche Entscheid über die fehlende Anspruchsberechtigung durch seinen Weiterzug an die kantonale Gerichtsinstanz, entgegen seinem Vorbringen, gerade nicht rechtskräftig war - zur Anspruchswahrung auch weiterhin an Beratungs- und Kontrollgesprächen teilzunehmen und die benötigten Unterlagen einzureichen hatte. Aus den Äusserungen von RAV und Kasse ergibt sich nichts Gegenteiliges. Bei dieser Sachlage ist der Beschwerdeführer hinsichtlich seines Versicherungsschutzes im fraglichen Zeitraum nicht als gutgläubig einzustufen. Die Berufung auf eine Informationspflichtverletzung der Organe der Arbeitslosenversicherung und eine daraus resultierende, schützenswerte Vertrauensposition geht somit mangels Gutgläubigkeit fehl, weshalb kein Entschädigungsanspruch besteht.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
Luzern, 7. März 2007
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: