Tribunale federale
Tribunal federal
{T 7}
C 169/06
Urteil vom 9. März 2007
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Leuzinger,
Gerichtsschreiberin Kopp Käch.
Parteien
W.________, 1978, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Franz Fischer, Seehofstrasse 9, 6004 Luzern,
gegen
Dienststelle für Wirtschaft und Arbeit Luzern (wira) Abteilung Zentrale Dienste, Bürgenstrasse 12, 6005 Luzern, Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Arbeitslosenversicherung,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 29. Mai 2006.
Sachverhalt:
A.
Die 1978 geborene W.________ war ab 8. Oktober 2001 bis 29. Februar 2004 sowie ab 16. August 2004 bis 15. Februar 2005 als Kundenberaterin bei der Versicherung X.________, und ab 1. März bis 31. Mai 2005 als Pflegepraktikantin im Kantonalen Spital Y.________ tätig. Am 30. Mai 2005 meldete sie sich zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung und zur Arbeitsvermittlung ab 1. Juni 2005 an. Mit Abrechnung vom 28. Juli 2005 richtete die Arbeitslosenkasse des Kantons Luzern W.________ für den Juni 2005 Taggelder in der Höhe von Fr. 1385.05 aus.
Am 14. September 2005 überwies die Arbeitslosenkasse des Kantons Luzern die Sache der Dienststelle Wirtschaft und Arbeit (wira) zur Überprüfung der Vermittlungsfähigkeit der Versicherten in der Zeit ab 1. Juni 2005 bis zum Beginn der Berufsmittelschule am 22. August 2005. Die wira verneinte mit Verfügung vom 27. September 2005 die Vermittlungsfähigkeit ab 1. Juni 2005. Die dagegen erhobene Einsprache wies sie mit Entscheid vom 22. November 2005 ab, soweit sie darauf eintrat.
Gestützt auf den Einspracheentscheid erliess die Arbeitslosenkasse des Kantons Luzern am 9. Januar 2006 eine Rückforderungsverfügung bezüglich der ausbezahlten Leistungen im Betrag von Fr. 1385.05. Das daraufhin eingeleitete Einspracheverfahren wurde bis zum Erlass eines rechtskräftigen Urteils über die Vermittlungsfähigkeit von W.________ sistiert.
B.
Die gegen den Einspracheentscheid betreffend Vermittlungsfähigkeit vom 22. November 2005 erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern mit Entscheid vom 29. Mai 2006 ab.
C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt W.________ die Aufhebung des Entscheids des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 29. Mai 2006 sowie des Einspracheentscheids der wira vom 22. November 2005 beantragen.
Die wira schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Staatssekretariat für Wirtschaft verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).
2.
2.1 Die Beschwerdeführerin rügt zunächst in formeller Hinsicht, dass das kantonale Gericht im angefochtenen Entscheid lediglich über die Frage der Vermittlungsfähigkeit, nicht jedoch über das Vorliegen der Wiedererwägungsvoraussetzungen entschieden habe. Zudem hätte keine reine Feststellungsverfügung über die Vermittlungsfähigkeit erlassen werden dürfen, da die Rückforderung in Form einer rechtsgestaltenden Verfügung möglich gewesen wäre.
2.2 Wie die Beschwerdegegnerin geltend macht, sind diese Vorbringen nicht stichhaltig, handelt es sich doch bei der Prüfung der Vermittlungsfähigkeit einerseits und bei der Rückforderung andrerseits um unterschiedliche Verwaltungsverfahren. Wie sich diese beiden Verfahren und die in deren Rahmen ergangenen Verfügungen zueinander verhalten, wurde in BGE 126 V 399 aufgezeigt und seither mehrfach bestätigt. Demnach klärt gemäss Art. 85 Abs. 1 AVIG die kantonale Amtsstelle in den ihr übertragenen Fällen einzig die Anspruchsberechtigung ab (lit. b) oder überprüft die Vermittlungsfähigkeit der Arbeitslosen (lit. d). In den Fällen nach Art. 81 Abs. 2 AVIG entscheidet sie über die Anspruchsberechtigung, gegebenenfalls die Vermittlungsfähigkeit (Art. 85 Abs. 1 lit. e AVIG). Dies geschieht in Form einer Feststellungsverfügung. Wird diese rechtskräftig, ist die Feststellung der kantonalen Amtsstelle (oder, im Falle der Anfechtung, jene des Gerichts) bezüglich der Vermittlungsfähigkeit für die Kasse bindend. Doch trifft dies nur insofern zu, als diese zu entscheiden hat, ob und allenfalls für welchen Zeitraum eine versicherte Person diese materielle Anspruchsvoraussetzung für den Bezug von Arbeitslosenentschädigung erfüllt oder nicht. Daraus ergibt sich dreierlei: Wird die Vermittlungsfähigkeit bejaht, so hat die Kasse ihre Leistungen, allenfalls auch nachträglich, zu erbringen, und es ist ihr verwehrt, bereits erfolgte Zahlungen zurückzufordern (Urteil C 289/98 vom 12. Mai 1999). Wurde hingegen, zweitens, die Vermittlungsfähigkeit verneint und hat die Kasse noch keine Leistungen erbracht, so darf sie für den fraglichen Zeitraum keine Leistungen erbringen. Hat die Kasse, drittens, für einen Zeitraum bereits Taggelder ausbezahlt, für welche zufolge des negativen rechtskräftigen Entscheids der kantonalen Amtsstelle die Anspruchsvoraussetzungen nachträglich nicht mehr erfüllt sind, gelten diese Leistungen als unrechtmässig bezogen, weshalb die Kasse sie gemäss Art. 95 Abs. 1 AVIG zurückzufordern hat. Dies darf sie nach der Rechtsprechung jedoch nur, wenn zudem die Wiedererwägungs- oder Revisionsvoraussetzungen erfüllt sind. Ob dies zutrifft, hat die kantonale Amtsstelle weder zu prüfen noch zu entscheiden; denn im Zweifelsfallverfahren geht es weder um eine Wiedererwägung noch um allfällige Rückforderungen, sondern einzig um die - unter Umständen rückwirkende - Prüfung der materiellen Anspruchsvoraussetzungen. Deshalb obliegt es der Kasse bei im Zweifelsfallverfahren festgestellter Rechtswidrigkeit einer bestimmten Leistungsausrichtung, ihrerseits im Rückforderungsverfahren zu prüfen, ob die zweifellose Unrichtigkeit und die erhebliche Bedeutung ihrer Berichtigung als Voraussetzungen der Wiedererwägung (oder gegebenenfalls die Voraussetzungen der prozessualen Revision) der verfügten Taggeldzusprechung erfüllt sind.
3.
Im vorliegenden Verfahren ist demzufolge einzig die Frage der Vermittlungsfähigkeit der Beschwerdeführerin in der Zeit ab 1. Juni bis 21. August 2005 zu prüfen .
3.1 Das kantonale Gericht hat die für die Vermittlungsfähigkeit massgebenden gesetzlichen Bestimmungen (Art. 8 Abs. 1 lit. f und Art. 15 Abs. 1 AVIG ) sowie die hiezu ergangene Rechtsprechung (BGE 126 V 520 E. 3a S. 522, 125 V 51 E. 6a S. 58, 123 V 214 E. 3 S. 216, 120 V 385 E. 3a S. 388) korrekt dargelegt. Richtig ist insbesondere, dass nach der Rechtsprechung eine versicherte Person, die auf einen bestimmten Termin anderweitig disponiert hat und deshalb für eine neue Beschäftigung nur noch während relativ kurzer Zeit zur Verfügung steht, in der Regel als nicht vermittlungsfähig gilt. In einem solchen Fall sind nämlich die Aussichten, zwischen dem Verlust der alten und dem Antritt der neuen Stelle von einem andern Arbeitgeber angestellt zu werden, verhältnismässig gering. Entscheidend für die Beurteilung des Einzelfalles sind dabei nicht in erster Linie der Arbeitswille und die Arbeitsbemühungen der versicherten Person oder gar die Frage, ob sie in dieser Zeit effektiv eine Beschäftigung gefunden hat, sondern vielmehr die Frage, ob mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass ein Arbeitgeber die versicherte Person für die konkret zur Verfügung stehende Zeit noch einstellen würde (BGE 126 V 520 E. 3a S. 522 mit Hinweisen).
3.2 Die Beschwerdeführerin ist gelernte Pharma-Assistentin und hat hauptsächlich als Kundenberaterin bei der Versicherung X.________ sowie drei Monate als Pflegepraktikantin gearbeitet. Bei der Anmeldung zur Arbeitsvermittlung ab 1. Juni 2005 gab sie an, eine ganztägige Tätigkeit als kaufmännische Angestellte zu suchen, wobei sie ab 22. August 2005 die Berufsmittelschule besuchen werde. In sorgfältiger Würdigung der Rechtsprechung kam die Vorinstanz zu Recht zum Schluss, dass die für eine allfällige Vermittlung zur Verfügung stehende Zeit von rund 2 ½ Monaten im konkreten Fall zu kurz war, um mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit davon ausgehen zu können, die Beschwerdeführerin wäre von einem andern Arbeitgeber angestellt worden. Erschwerend war insbesondere, dass die Monate Juli und August für kaufmännische Tätigkeiten - nicht wie beispielsweise für das Gastgewerbe - typische Ferienmonate sind (vgl. auch den nicht publizierten Teil der E. 3b des Urteils BGE 126 V 520). Daran vermag nichts zu ändern, dass die Versicherte ab 27. Juni 2005 eine befristete Stelle gefunden hat, denn angesichts der damaligen Lage auf dem Arbeitsmarkt konnte - wie das kantonale Gericht dargelegt hat - bei prospektiver Beurteilung nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von einer Anstellung ausgegangen werden, sondern musste eine solche als Glücksfall bezeichnet werden.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
Luzern, 9. März 2007
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: