BGer I 206/2006 |
BGer I 206/2006 vom 13.03.2007 |
Tribunale federale
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I 206/06 {T 7}
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Urteil vom 13. März 2007
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I. sozialrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Ursprung, Präsident,
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Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Schön,
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Gerichtsschreiber Krähenbühl.
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Parteien
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D.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Gerhard Lanz, Schwanengasse 8, 3011 Bern,
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gegen
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IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3001 Bern, Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Invalidenversicherung,
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Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
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vom 25. Januar 2006.
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Sachverhalt:
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A.
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Mit Verfügung vom 19. Dezember 1997 wies die IV-Stelle Bern ein am 2. Mai 1996 gestelltes Leistungsbegehren des 1956 geborenen D.________ gestützt auf die Ergebnisse ihrer medizinischen Abklärungen ab. Auf eine Neuanmeldung vom 17. Juli 2000 hin holte sie ein polydisziplinäres Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle der Invalidenversicherung (MEDAS) im Spital X.________ vom 22. März 2001 ein. Gestützt darauf sprach sie mit in Rechtskraft erwachsener Verfügung vom 9. August 2001 wegen verspäteter Anmeldung rückwirkend ab 1. Juli 1999 eine ganze Invalidenrente zu.
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Am 4. März 2005 liess D.________ bezüglich der rechtskräftig gewordenen Verfügung vom 19. Dezember 1997 ein Wiedererwägungsgesuch einerseits und ein Gesuch um eine prozessuale Revision andererseits stellen, je mit dem Begehren um Zusprache einer ganzen Invalidenrente rückwirkend bereits ab Mai 1996. Mit Verfügung vom 23. Juni 2005 trat die IV-Stelle auf das Wiedererwägungsgesuch wie auch auf das Revisionsbegehren nicht ein. Die dagegen gerichtete Einsprache wies sie mit Entscheid vom 16. August 2005 ab.
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B.
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Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 25. Januar 2006 ab.
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C.
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Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt D.________ beantragen, die IV-Stelle sei anzuweisen, ihm rückwirkend ab Mai 1996 Rentenleistungen gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 100 % zu erbringen.
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Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Stellungnahme.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Der angefochtene Entscheid ist indessen vorher ergangen, weshalb sich das Verfahren nach dem Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 1943 (OG) richtet (Art. 132 Abs. 1 BGG, BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).
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2.
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2.1 Wie das kantonale Gericht richtig ausführte, müssen formell rechtskräftige Verfügungen und Einspracheentscheide gemäss Art. 53 ATSG in Revision gezogen werden, wenn die versicherte Person oder der Versicherungsträger nach deren Erlass erhebliche neue Tatsachen entdeckt oder Beweismittel auffindet, deren Beibringung zuvor nicht möglich war (Abs. 1); auf formell rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide kann der Versicherungsträger zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist (Abs. 2). Mit dieser Regelung ist keine Änderung der Rechtslage beabsichtigt, sondern vielmehr die bisher geltende Rechtsprechung gesetzlich verankert worden (SVR 2004 ALV Nr. 1 S. 1 E. 2; BBl 1991 II 262; Kieser, ATSG-Kommentar, N 22 zu Art. 53). Die noch vor Inkrafttreten des ATSG am 1. Januar 2003 zur Wiedererwägung und zur prozessualen Revision rechtskräftiger Verfügungen ergangene Rechtsprechung (BGE 127 V 466 E. 2c S. 469, 117 V 8 E. 2a S. 12, je mit Hinweisen; vgl. auch BGE 119 V 475 E. 1b/cc S. 479) ist deshalb weiterhin zu beachten. Diesbezüglich kann auf die Ausführungen im kantonalen Entscheid verwiesen werden.
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2.2 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtet sich gegen den kantonalen Entscheid vom 25. Januar 2006, mit welchem der die Nichteintretensverfügung vom 23. Juni 2005 bestätigende Einspracheentscheid der IV-Stelle vom 16. August 2005 geschützt worden ist. Das Gericht hat daher zu prüfen, ob der kantonale Entscheid rechtens ist, mithin die Verwaltung zu Recht auf die Anträge um Wiedererwägung oder prozessuale Revision der rechtskräftigen Verfügung vom 19. Dezember 1997 nicht eingetreten ist. Dagegen kann auf den direkt die materielle Seite des Streitfalles beschlagenden Antrag auf Festsetzung eines früheren Rentenbeginns nicht eingetreten werden (vgl. BGE 132 V 74 E. 1.1 S. 76, 117 V 121 E. 1 S. 122 f. mit Hinweisen).
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2.3 Weil damit nicht die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen im Sinne von Art. 132 OG, sondern die rein verfahrensrechtliche Frage nach dem Eintreten auf das Revisionsgesuch vom 4. März 2005 streitig ist, prüft das Gericht nur, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).
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3.
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3.1 Nach der Rechtsprechung kann die Verwaltung weder von den Betroffenen noch vom Gericht zu einer Wiedererwägung verhalten werden. Es besteht demnach kein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Wiedererwägung. Verfügungen, mit welchen das Eintreten auf ein Wiedererwägungsgesuch abgelehnt wird, sind somit grundsätzlich nicht anfechtbar (BGE 117 V 8 E. 2a S. 12 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 119 V 475 E. 1b/cc S. 479), was der Beschwerdeführer im Übrigen schon im Verwaltungsverfahren ausdrücklich anerkannt hat.
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3.2 Zu prüfen bleibt demnach einzig, ob das MEDAS-Gutachten vom 22. März 2001 Anlass zu einer prozessualen Revision der leistungsverweigernden Verfügung vom 19. Dezember 1997 bietet. Dies wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unter Hervorhebung einer einzelnen Passage der Expertise bejaht, welche belegen soll, dass zufolge einer somatoformen Schmerzstörung schon in der Zeit zwischen 1995 und 1997 eine vollständige Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist und eine "Interaktion zwischen Rücken- und psychischen Beschwerden" vorliegt, welche in den Jahren 1996/1997 nicht erkannt wurde.
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Ob das MEDAS Gutachten vom 22. März 2001 dem Grundsatz nach überhaupt als neu entdeckte Tatsache oder neu aufgefundenes Beweismittel im Sinne von Art. 53 ATSG oder aber - wie die Vorinstanz in für das Bundesgericht an sich verbindlicher Weise (vgl. BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 f. und E. 4.1 S. 399 f.) annahm - bloss als eine gegenüber früher abweichende ärztliche Würdigung des nämlichen Sachverhalts zu werten ist, kann dahingestellt bleiben. Wird die Expertise losgelöst von der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zitierten Stelle in ihrer Gesamtheit betrachtet, ist offenkundig, dass sie von vornherein keine schon in den Jahren vor 1997 vorhanden gewesene rentenrelevante Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit zu belegen vermag. Vielmehr hält Dr. med. M.________, welcher das Gutachten verfasst hat, wiederholt fest, dass sich der Gesundheitszustand seit den Begutachtungen durch den Psychiater Dr. med. H.________ vom 3. Dezember 1996 und den Orthopäden Dr. med. A.________ vom 21. Oktober 1997 stetig verschlechtert hat, bis es zur nunmehr attestierten vollständigen Arbeitsunfähigkeit gekommen ist. Noch deutlicher ergibt sich das Vorliegen einer seit 1997 evolutiven Entwicklung aus dem Psychiatrischen Teilgutachten des Dr. med. L.________ vom 26. Februar 2001, auf welche sich die Expertise der MEDAS stützt. Dass Dr. med. H.________ und Dr. med. A.________ ein Zusammenwirken somatischer und psychischer Faktoren übersehen hätten, kann demnach aus dem neu vorliegenden ärztlichen Gutachten nicht geschlossen werden. Liegt damit aber offensichtlich kein Grund für eine prozessuale Revision vor, kann der Vorinstanz auch nicht vorgeworfen werden, mit ihrem abweisenden Entscheid Bundesrecht verletzt zu haben. Ebenso wenig kann von einer mangelhaften Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts (E. 2.3 hievor, in fine) gesprochen werden. Ob die Verwaltung ihrerseits auf das Revisionsbegehren zu Recht nicht eingetreten ist oder dieses - streng formaljuristisch betrachtet - richtigerweise eher hätte abweisen müssen, braucht nicht abschliessend beantwortet zu werden.
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4.
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Weil es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen, sondern um das Eintreten auf das Revisionsbegehren vom 4. März 2005 (E. 2.2 und 2.3 hievor) und damit um eine rein prozessrechtliche Frage ging, ist das Verfahren kostenpflichtig (Umkehrschluss aus Art. 134 OG ). Die Gerichtskosten gehen zu Lasten des unterliegenden Beschwerdeführers (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2.
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Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.
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3.
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Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.
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Luzern, 13. März 2007
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Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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