Tribunale federale
Tribunal federal
{T 7}
I 928/06
Urteil vom 25. April 2007
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiber Flückiger.
Parteien
I.________, 1961, Beschwerdeführer, vertreten durch
die Fortuna Rechtsschutz-Versicherungs-Gesellschaft,
Rechtsdienst, Soodmattenstrasse 2, 8134 Adliswil,
gegen
IV-Stelle Zug, Baarerstrasse 11, 6304 Zug, Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug
vom 28. September 2006.
Sachverhalt:
A.
Der 1961 geborene I.________ meldete sich am 9. Januar 2004 bei der Eidgenössischen Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Zug traf erwerbliche Abklärungen und zog Berichte der behandelnden Ärzte bei. Zudem gab sie bei Dr. med. G.________, Psychiatrie und Psychotherapie FMH, ein Gutachten in Auftrag, welches am 13. September 2004 erstattet wurde. Daraufhin sprach die Verwaltung dem Versicherten mit Verfügung vom 1. Oktober 2004 Eingliederungsmassnahmen in Form von Berufsberatung und Abklärung der beruflichen Eingliederungsmöglichkeiten zu. Die entsprechenden Aktivitäten wurden jedoch nach einem Bericht der IV-internen Berufsberaterin vom 25. Januar 2005 eingestellt. Die Verwaltung zog des Weiteren einen Kurzbericht des Spitals X.________ vom 17. Dezember 2004, Auskünfte des Dr. med. W.________, Innere Medizin FMH, vom 29. April 2005 sowie Stellungnahmen des Regionalen ärztlichen Dienstes (RAD) vom 22. Februar und 24. Mai 2005 bei. Anschliessend lehnte sie es mit Verfügung vom 6. Juni 2005 ab, eine Rente auszurichten. Daran wurde mit Einspracheentscheid vom 5. Dezember 2005 festgehalten.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde, mit welcher die Zusprechung weiterer beruflicher Massnahmen sowie einer Rente, eventuell die Rückweisung der Sache an die IV-Stelle verlangt worden war, wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug ab (Entscheid vom 28. September 2006). Im Verlauf des Rechtsmittelverfahrens hatte der Versicherte Berichte des Spitals Y._______, Psychiatrie, vom 7. Januar 2006 und des Dr. med. W.________ vom 19. Januar 2006 sowie eine von ihm selbst unterzeichnete Bestätigung vom 9. Januar 2006 einreichen lassen.
C.
I.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit folgenden Rechtsbegehren: Es seien im Rahmen einer Wiedereingliederung umgehend weitere berufliche Massnahmen in die Wege zu leiten; es sei auf der Basis eines Invaliditätsgrades von 72,3 % ab November 2003 eine volle (richtig: ganze) Invalidenrente zuzusprechen; eventualiter: es sei auf der Basis eines Invaliditätsgrades von mindestens 60 % ab November 2003 eine halbe Invalidenrente und ab 1. Januar 2004 eine Dreiviertelsrente zuzusprechen; subeventualiter: es seien zur Vervollständigung des Sachverhaltes weitere medizinische Abklärungen vorzunehmen.
Vorinstanz und IV-Stelle schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).
1.2 Der angefochtene Entscheid betrifft Leistungen der Invalidenversicherung. Das Bundesgericht prüft daher nur, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde (Art. 132 Abs. 2 OG [in der Fassung gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG, in Kraft gewesen vom 1. Juli bis 31. Dezember 2006], in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).
1.3 Bezogen auf die medizinischen Grundlagen der Invaliditätsbemessung handelt es sich bei den vorinstanzlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers grundsätzlich um Entscheidungen über eine Tatfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 398), welche letztinstanzlich nur darauf überprüft werden können, ob sie offensichtlich unrichtig, unvollständig oder in Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen erfolgt sind. Dagegen steht eine frei überprüfbare Rechtsfrage zur Diskussion, soweit gerügt wird, das kantonale Gericht habe den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (dazu BGE 125 V 351 E. 3a S. 352) und die daraus fliessende Pflicht zu umfassender, sorgfältiger, objektiver und inhaltsbezogener Würdigung der medizinischen Berichte und Stellungnahmen verletzt (BGE 132 V 393 E. 4.1 S. 400).
2.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze über den Begriff der Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit Art. 4 IVG), insbesondere auch bei geistigen Gesundheitsschäden (Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts I 517/01 vom 24. Juni 2002; vgl. auch BGE 131 V 49 E. 1.2 S. 50), die Voraussetzungen und den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG in der bis Ende 2003 und der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung), die Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG), den Rentenbeginn ( Art. 29 Abs. 1 und 2 IVG ) sowie den Anspruch auf berufliche Massnahmen im Allgemeinen (Art. 8 Abs. 1 IVG) und Arbeitsvermittlung im Besonderen (Art. 18 Abs. 1 Satz 1 IVG) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. Richtig sind auch die vorinstanzlichen Erwägungen zur Würdigung und zum Beweiswert medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3 S. 352).
3.
Umstritten ist zunächst der Rentenanspruch.
3.1 Das kantonale Gericht gelangte zum Ergebnis, der Beschwerdeführer sei für Tätigkeiten ohne Heben und Tragen schwerer Lasten - wie die angestammte Tätigkeit - zu 100 % arbeitsfähig. Diese Beurteilung resultiert aus einer ausführlichen und sorgfältigen Würdigung der medizinischen Unterlagen, welche den rechtsprechungsgemässen Anforderungen (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352) gerecht wird. Insbesondere hat die Vorinstanz in nachvollziehbarer Weise dargelegt, auf welcher medizinischen Basis sie eine somatisch begründete Arbeitsunfähigkeit für Tätigkeiten ohne Heben schwerer Lasten verneinte, warum sie dem psychiatrischen Gutachten der Dr. med. G.________ grundsätzlich volle Beweiskraft zubilligte und gestützt auf welche Überlegungen sie aus dieser Expertise - unter Berücksichtigung der übrigen medizinischen Akten - mit Blick auf die gestellten Diagnosen sowie in Anwendung der Rechtsprechung zum invalidisierenden Charakter psychischer Gesundheitsschädigungen auf volle Arbeitsfähigkeit in einer geeigneten Tätigkeit schloss. Diese Feststellung lässt sich auch unter Berücksichtigung der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebrachten Einwände nicht als offensichtlich unrichtig (E. 1.3 hiervor) qualifizieren. Ebenso wenig hat die Vorinstanz den Untersuchungsgrundsatz (Art. 61 lit. c ATSG) und damit eine wesentliche Verfahrensbestimmung verletzt, indem sie keine weiteren Abklärungen vornahm, denn sie konnte zulässigerweise davon ausgehen, diese versprächen keine zusätzlichen Erkenntnisse (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 124 V 90 E. 4b S. 94; SVR 2005 MV Nr. 1 S. 2 E. 2.3, M 1/02, mit Hinweisen; vgl. auch BGE 131 I 153 E. 3 S. 157).
3.2 Im Rahmen des Einkommensvergleichs haben Verwaltung und Vorinstanz das Valideneinkommen gestützt auf die Angaben der Arbeitgeberin vom 2. Februar 2004 (Lohnkonto 2002, Beilage zum Arbeitgeberbericht) sowie unter Berücksichtigung der Nominallohnentwicklung von 2002 auf 2003 mit Fr. 76'954.- beziffert, was in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu Recht nicht bestritten wird. Wenn zur Ermittlung des Invalideneinkommens auf die Werte der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) abgestellt wurde - wobei die Nominallohnentwicklung und die durchschnittliche Arbeitszeit im Jahr 2003 Berücksichtigung fanden (vgl. BGE 126 V 75 E. 7a S. 81) -, ist dies ebenfalls korrekt (vgl. dazu BGE 129 V 472 E. 4.2.1 S. 475 ff.). Ob sich die Verweigerung eines prozentualen Abzugs vom Tabellenlohn (BGE 129 V 471 E. 4.2.3 S. 481 mit Hinweisen) rechtfertigt, kann offen bleiben; denn jedenfalls wäre die Bemessung eines derartigen Abzugs mit 15 %, wie sie das kantonale Gericht im Sinne einer Eventualbegründung erwogen hat, nicht als ermessensmissbräuchlich zu qualifizieren (vgl. zur Kognition des Bundesgerichts hinsichtlich dieses Abzugs BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399). Das auf dieser Grundlage (also mit einem Abzug von 15 %) resultierende Invalideneinkommen von Fr. 49'083.- ergibt in Relation zum Valideneinkommen von Fr. 76'954.- einen Invaliditätsgrad von 36 %, der keinen Rentenanspruch begründet.
4.
Streitig ist des Weiteren, ob Verwaltung und Vorinstanz zu Recht einen Anspruch auf berufliche Eingliederungsmassnahmen verneint haben.
4.1 Nach der Zusprechung beruflicher Massnahmen (Berufsberatung und Abklärung der beruflichen Eingliederungsmöglichkeiten) durch die Verfügung vom 1. Oktober 2004 wurde - gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen - mit dem Versicherten ein Arbeitsplatz besichtigt, welchen die Verwaltung als zumutbar beurteilte. Anschliessend vereinbarte die IV-Stelle mit dem Versicherten einen Gesprächstermin, um die Rahmenbedingungen des Arbeitstrainings zu regeln. Dieses Gespräch sagte der Beschwerdeführer unter Hinweis auf ein momentanes Unwohlsein ab. In der Folge meldete er sich nicht mehr bei der Verwaltung, welche nach Lage der Akten ihrerseits ebenfalls untätig blieb und ihre diesbezüglichen Leistungen mit dem Bericht der Berufsberaterin vom 25. Januar 2005 faktisch einstellte. Rund ein Jahr später verfasste der Versicherte die Bestätigung vom 9. Januar 2006, wonach er bereit sei, im Rahmen des gesundheitlich Möglichen einer Arbeit nachzugehen. Das kantonale Gericht erwog, der Beschwerdeführer habe, konfrontiert mit konkreten beruflichen Massnahmen, keinerlei Motivation gezeigt und ein angebotenes Arbeitstraining faktisch ausgeschlagen. Damit fehle es an der Anspruchsvoraussetzung der subjektiven Eingliederungsfähigkeit, und die IV-Stelle habe die Massnahme zu Recht beendet.
4.2 Eine Verweigerung weiterer Leistungen wegen fehlender subjektiver Eingliederungsfähigkeit setzt ohne Rücksicht auf das Verhalten der versicherten Person zwingend die vorgängige Durchführung des Mahn- und Bedenkzeitverfahrens voraus (Art. 21 Abs. 4 ATSG; Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts I 265/05 vom 3. Oktober 2005, E. 4.1 und 4.2; vgl. auch SVR 2005 IV Nr. 30 S. 114 f. E. 2 und 3, I 605/04). Dass ein solches stattgefunden hätte, ergibt sich weder aus den Feststellungen des kantonalen Gerichts noch aus den Akten. Unter diesen Umständen war es unzulässig, weitere berufliche Eingliederungsmassnahmen zu verweigern. Die Sache ist daher an die IV-Stelle zurückzuweisen, damit sie über den entsprechenden Anspruch neu verfüge. Dies entspricht einer teilweisen Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
5.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 Satz 2 OG in der vom 1. Juli bis 31. Dezember 2006 gültig gewesenen Fassung). Die Rückweisung bezüglich der beruflichen Massnahmen gilt in diesem Punkt als Obsiegen des Beschwerdeführers (BGE 132 V 215 E. 6.1 S. 235 mit Hinweisen). Da dieser im zentraleren Rentenpunkt unterliegt, hat er den grösseren Anteil der Gerichtskosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 und 3 in Verbindung mit Art. 135 OG). Überdies ist ihm eine reduzierte Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 159 Abs. 2 und 3 in Verbindung mit Art. 135 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug, Sozialversicherungsrechtliche Kammer, vom 28. September 2006 und der Einspracheentscheid der IV-Stelle Zug vom 5. Dezember 2005 werden aufgehoben, soweit sie die beruflichen Massnahmen betreffen. Es wird die Sache an die IV-Stelle Zug zurückgewiesen, damit sie über den Anspruch des Beschwerdeführers auf berufliche Massnahmen neu verfüge. Im Übrigen wird die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abgewiesen.
2.
Von den Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer Fr. 300.- und der Beschwerdegegnerin Fr. 200.- auferlegt. Der Anteil des Beschwerdeführers ist durch den geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 500.- gedeckt; der Differenzbetrag von Fr. 200.- wird zurückerstattet.
3.
Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer für das letztinstanzliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 800.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
4.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Sozialversicherungsrechtliche Kammer, wird über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Sozialversicherungsrechtliche Kammer, der Ausgleichskasse der Schweizer Maschinenindustrie und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.
Luzern, 25. April 2007
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: