BGer I 59/2006 |
BGer I 59/2006 vom 27.04.2007 |
Tribunale federale
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{T 7}
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I 59/06
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Urteil vom 27. April 2007
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II. sozialrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
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Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
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Gerichtsschreiber Traub.
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Parteien
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M.________, 1958, Beschwerdeführer,
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vertreten durch Rechtsanwalt Fredy Fässler,
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Oberer Graben 42, 9000 St. Gallen,
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gegen
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IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Invalidenversicherung,
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Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
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vom 13. Dezember 2005.
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Sachverhalt:
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A.
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Der 1958 geborene M.________ leidet an Rückenproblemen (Panvertebralsyndrom); er musste sich mehrfach Diskushernienoperationen unterziehen. Am 24. Februar 1999 meldete er sich deswegen bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Gestützt auf medizinische und erwerbliche Abklärungen sprach die IV-Stelle Bern dem Versicherten mit Wirkung ab Juni 1999 eine halbe Invalidenrente zu (Verfügung vom 26. Juni 2002). Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern hiess die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 28. August 2003 gut und wies die Sache zur Abwicklung eines bereits ab Februar 1999 bestehenden Leistungsanspruchs und zu weiteren Abklärungen an die Verwaltung zurück. Diese verfügte am 6. Oktober 2003 mit Wirkung ab Februar 1999 eine ganze und ab September 2000 eine halbe Invalidenrente. Dieser Verwaltungsakt blieb unangefochten.
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Am 4. November 2004 wies der Versicherte auf eine Verschlechterung seines Gesundheitszustands hin und beantragte Revision der laufenden Leistung. Die IV-Stelle lehnte das Revisionsbegehren am 10. Februar 2005 ab, ebenso die gegen diesen Bescheid erhobene Einsprache (Entscheid vom 27. April 2005).
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B.
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Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies die gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 13. Dezember 2005).
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C.
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M.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, es sei ihm, unter Aufhebung von kantonalem und Einspracheentscheid, mit Wirkung ab November 2004 eine ganze Invalidenrente zuzusprechen; eventuell sei die Sache zur gutachtlichen Abklärung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf Vernehmlassung.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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1.1 Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).
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1.2 Der angefochtene Entscheid betrifft Leistungen der Invalidenversicherung. Nach Art. 132 Abs. 1 OG in der Fassung gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG (in Kraft seit 1. Juli 2006) kann das Bundesgericht in Verfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen in Abweichung von den Art. 104 und 105 OG auch die Unangemessenheit der angefochtenen Verfügung beurteilen und ist an die vorinstanzliche Feststellung des Sachverhalts nicht gebunden. Gemäss Art. 132 Abs. 2 OG gelten diese Abweichungen nicht, wenn der angefochtene Entscheid Leistungen der Invalidenversicherung betrifft. Nach Ziff. II lit. c des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 ist indessen auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung beim Bundesgericht hängigen Beschwerden bisheriges Recht anwendbar. Da die hier zu beurteilende Beschwerde am 1. Juli 2006 beim (damaligen) Eidgenössischen Versicherungsgericht hängig war, richtet sich dessen Kognition noch nach der bis Ende Juni 2006 gültigen Fassung von Art. 132 OG, welche dem neuen Abs. 1 entspricht.
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2.
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Die Streitfrage lautet, ob die laufenden Dauerleistungen revisionsweise an geänderte Verhältnisse anzupassen sind. Konkret zu prüfen ist, ob sich der Gesundheitszustand im massgeblichen Vergleichszeitraum (vgl. BGE 133 V 108) so verschlimmert hat, dass neu ein die laufende halbe Invalidenrente übersteigender Anspruch (Dreiviertels- oder ganze Invalidenrente) besteht. Einander gegenüberzustellen sind einerseits die Verhältnisse im Zeitpunkt der auf Entscheid des kantonalen Gerichts vom 28. August 2003 hin ergangenen Verfügung vom 6. Oktober 2003, wonach vom 1. Februar 1999 bis zum 31. August 2000 eine ganze, ab 1. September 2000 eine halbe Invalidenrente geschuldet war; anderseits diejenigen im Zeitpunkt des Einspracheentscheids vom 27. April 2005. Das kantonale Gericht hat die zur Beurteilung dieser Frage heranzuziehenden invaliditäts- und revisionsrechtlichen Grundlagen im Wesentlichen zutreffend dargestellt (Art. 17 Abs. 1 ATSG; BGE 130 V 343 E. 3.5 S. 349). Darauf wird verwiesen.
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3.
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3.1 Im den laufenden Rentenleistungen zugrunde liegenden Entscheid hat die Verwaltung im Wesentlichen auf das Gutachten der Medizinischen Abklärungsstation am Spital X.________ (MEDAS) vom 23. August 2001 abgestellt, in welchem die Diagnosen einer somatoformen Schmerzstörung, eines Panvertebralsyndroms (je chronisches lumbospondylogenes, thorakovertebrales und zervikovertebrales Schmerzsyndrom), erhöhter arterieller Blutdruckwerte sowie des Verdachts auf eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung gestellt wurden. Insgesamt bestehe eine hälftige Leistungsfähigkeit für leichte Arbeiten. Die Beschwerdegegnerin ist auf das Rentenrevisionsgesuch vom 4. November 2004 eingetreten (vgl. Art. 87 Abs. 3 IVV) und hat es nach materieller Prüfung der Verhältnisse als unbegründet abgewiesen. Sie stützt sich hierbei auf einen Bericht des Hausarztes Dr. S.________ vom 21. Dezember 2004, ferner auf von diesem zu den Akten gegebene Berichte vom 18. und 26. Mai 2004 über (zum Teil schon 2003) in der Schmerzklinik Y.________ durchgeführte multidisziplinäre Untersuchungen, sodann auf einen Bericht der den Versicherten seit dem 7. Mai 2002 behandelnden Frau Dr. A.________, Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom 6. Dezember 2004. Die Verwaltung hat das Dossier dem Regionalen Ärztlichen Dienst der IV-Stellen (RAD) vorgelegt, welcher am 7. April 2005 zum Schluss kam, es sei keine objektive und wesentliche Verschlimmerung des Gesundheitszustandes auszumachen. Das kantonale Gericht ist dieser Sichtweise im Wesentlichen gefolgt.
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3.2 Im Lichte der für die ausnahmsweise Annahme einer invalidisierenden Wirkung der somatoformen Schmerzstörung (BGE 130 V 352, 396; 131 V 49) aufgestellten Leitkriterien besteht beim noch relativ jungen, im Zeitpunkt des Einspracheentscheides 47-jährigen Versicherten hinreichender Anlass, die Verhältnisse psychiatrisch gründlich abzuklären. Eine eigentliche fachärztliche psychiatrische Exploration (vgl. BGE 130 V 352 E. 2.2.2 S. 353), die den Anforderungen an die Begutachtung eines Schmerzpatienten genügt, hat zuletzt anlässlich der Abklärung in der MEDAS im April 2001 stattgefunden. Die im Zusammenhang mit späteren Abklärungen und Behandlungen entstandenen Berichte, namentlich jene der Schmerzklinik Y.________ - als einer in erster Linie somatisch ausgerichteten Institution -, ersetzen eine spezifisch psychiatrische Begutachtung nicht. Zudem sind sie bei Gelegenheit der vom Hausarzt immer wieder neu initiierten Suche nach einem wirksamen Therapiekonzept erstattet worden und nicht mit Blick auf die Ermittlung der zumutbaren Arbeitsfähigkeit.
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3.3 Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen langjährigen Schmerzpatienten, der zumindest seit 1993 wegen seiner diversen Rückenleiden praktisch ununterbrochen sowie mit wechselnden therapeutischen Ansätzen stationär und ambulant behandelt wurde und immer noch wird, ohne dass es jemals zu längeren beschwerdefreien Intervallen gekommen wäre. Er hat sich immerhin drei Operationen (1995, 1998, 1999) unterzogen, in deren Gefolge sich ebenfalls keine Beschwerdefreiheit einstellte (Bericht des Psychiatrischen Dienstes am Spital Z.________ vom 22. September 2000). In den Arztberichten finden sich zwar auch gewisse Hinweise, die auf das Fehlen einer versicherten Gesundheitsschädigung hindeuten könnten (vgl. BGE 131 V 49 S. 51), so die immer wieder beschriebene Aggravationstendenz. Zu beachten ist diesbezüglich aber, dass Verdeutlichung zum normalen Bild einer Schmerzerkrankung gehört. Hinzu kommt, dass das Revisionsgesuch vom 4. November 2004 zeitlich mit der Aussteuerung durch die Arbeitslosenversicherung (auf Ende Oktober 2004) zusammenfällt. Diese Punkte dürfen indessen nicht isoliert betrachtet werden; es ist eine Gesamtbeurteilung erforderlich. Das - aus psychiatrischer Sicht - seit langem chronifizierte Beschwerdebild dürfte durch die andauernde medizinische Behandlung begünstigt und verfestigt worden sein. Es ist heute, nach vielen Jahren ununterbrochener Arbeitsabstinenz, völlig unklar, ob der dekonditionierte Beschwerdeführer noch die Möglichkeit hat, die erforderliche Willensanstrengung aufzubringen, um trotz seiner Beschwerden einer Teilzeitarbeit nachzugehen. Die behandelnde Psychiaterin Dr. A.________ verneint die Möglichkeit zur Mobilisierung entsprechender Ressourcen. Diese Auffassung wird mit Stellungnahme des RAD vom 7. April 2005 nicht schlüssig widerlegt, weil sich der IV-Arzt nicht auf eine aktuelle psychiatrische Untersuchung stützen kann. In diesem von der behandelnden Ärztin festgestellten Fehlen von Ressourcen liegt eine vom MEDAS-Gutachten aus dem Jahre 2001 abweichende Feststellung, wurde doch dort eine therapeutische Verbesserung des psychischen Zustands als möglich betrachtet. Entgegen der ansonsten zutreffenden vorinstanzlichen Würdigung kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Sachverhalt (und nicht bloss seine Beurteilung) geändert hat. Es bedarf einer entsprechenden Entscheidungsgrundlage, welche sowohl Angaben über die Entwicklung des bisher berücksichtigten Leidens wie auch über allfällige zusätzliche Gesundheitsschädigungen umfasst.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 13. Dezember 2005 und der Einspracheentscheid der IV-Stelle Bern vom 27. April 2005 werden aufgehoben. Die Sache wird an die IV-Stelle zurückgewiesen, damit sie, nach Einholung eines psychiatrischen Gutachtens, über den Rentenanspruch neu verfüge. Im Übrigen wird die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abgewiesen.
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2.
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Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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3.
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Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Bundesgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
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4.
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Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wird über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben.
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5.
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Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse Milchwirtschaft, Bern, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.
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Luzern, 27. April 2007
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Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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