Tribunale federale
Tribunal federal
I 171/06
{T 7}
Urteil vom 8. Mai 2007
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Schön,
Gerichtsschreiberin Schüpfer.
Parteien
V.________, 1955, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Peter von Moos, Kasernenplatz 2, 6003 Luzern,
gegen
IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern, Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern
vom 2. Februar 2006.
Sachverhalt:
A.
Die 1955 geborene V.________ war als Monteurin in Akkordarbeit bei der Firma W.________ AG angestellt. Sie meldete sich am 30. Januar 1995 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an, da sie unter anderem an einem rezidivierenden Panvertebralsyndrom lumbal und zervikal leide. Nach Einholung verschiedener Arztberichte sprach ihr die IV-Stelle des Kantons Luzern mit Verfügung vom 25. Juni 1996 ab 1. Dezember 1994 eine halbe Invalidenrente nebst Zusatzrente bei einem Invaliditätsgrad von 50 % zu. V.________ gelangte am 23. Mai 2002 erneut an die Invalidenversicherung und machte geltend, ihr Gesundheitszustand habe sich verschlechtert. Die IV-Stelle liess die Versicherte durch die MEDAS polydisziplinär begutachten. Nach Einsicht in die Expertise vom 25. Februar 2004 ermittelte die Versicherung einen Invaliditätsgrad von 57.64 % und wies das Gesuch um Erhöhung des Rentenanspruchs mit Verfügung vom 23. März 2004 ab. Daran hielt sie auch auf Einsprache hin fest (Entscheid vom 10. Juni 2005).
B.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern wies die dagegen erhobene Beschwerde, mit welcher die Zusprechung einer ganzen, eventuell einer Dreiviertelsrente beantragt wurde, mit Entscheid vom 2. Februar 2006 ab.
C.
V.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei die Sache zu ergänzender Abklärung an die Verwaltung zurückzuweisen. Eventuell sei ihr ab September 2002 eine ganze Rente zu gewähren.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherungen auf Vernehmlassung verzichtet.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Damit wurden das Eidgenössische Versicherungsgericht und das Bundesgericht in Lausanne zu einem einheitlichen Bundesgericht (an zwei Standorten) zusammengefügt (Seiler/von Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, S. 10 Rz 75) und es wurde die Organisation und das Verfahren des obersten Gerichts umfassend neu geregelt. Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist (Art. 132 Abs. 1 BGG). Da der kantonale Gerichtsentscheid am 2. Februar 2006 und somit vor dem 1. Januar 2007 erlassen wurde, richtet sich das Verfahren nach dem bis 31. Dezember 2006 in Kraft gestandenen Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG) vom 16. Dezember 1943 (vgl. BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).
1.2 Da die Verwaltungsgerichtsbeschwerde am 1. Juli 2006 bereits am Eidgenössischen Versicherungsgericht hängig war, sind die auf diesen Zeitpunkt in Kraft getretenen, für Streitigkeiten um Leistungen der Invalidenversicherung geltenden Anpassungen von Art. 132 und Art. 134 OG gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG nicht anwendbar. Die Beurteilung hat daher mit voller Kognition zu erfolgen und das Verfahren ist kostenfrei (Art. 132 und Art. 134 OG je in der massgebenden, bis 30. Juni 2006 in Kraft gestandenen Fassung).
2.
Streitig ist, ob seit der erstmaligen Leistungszusprechung (Verfügung vom 25. Juni 1996) bis zum Einspracheentscheid vom 10. Juni 2005 revisionsrechtlich relevante Tatsachenänderungen eingetreten sind, welche die Zusprechung einer ganzen Rente rechtfertigen würde, und ob der Sachverhalt zur Beantwortung dieser Frage genügend abgeklärt ist.
3.
3.1 Im vorinstanzlichen Entscheid und im Einspracheentscheid vom 10. Juni 2005 wurden die für die Beurteilung massgeblichen Bestimmungen und Grundsätze zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. Zu ergänzen ist, dass die allfällige höhere Rente ab September 2002 beantragt wird. Im Rahmen der 4. IV-Revision wurde in Art. 28 Abs. 1 IVG eine neue Abstufung des Rentenanspruchs verankert, indem nunmehr bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 40 % ein Viertel, von mindestens 50 % ein Zweitel und von mindestens 60 % drei Viertel einer ganzen Rente gewährt werden, während Anspruch auf eine ganze Rente erst bei einer Invalidität von mindestens 70 % besteht. Da der Einspracheentscheid am 10. Juni 2005 ergangen ist, finden bei der Beurteilung des geltend gemachten Leistungsanspruches sowohl die Bestimmungen des auf den 1. Januar 2003 in Kraft getretenen ATSG - einschliesslich der damit verbundenen Änderungen des IVG und der IVV - als auch die mit der 4. IV-Revision auf den 1. Januar 2004 neu eingeführten oder geänderten Normen Anwendung (BGE 131 V 11 E. 1, 130 V 259 E. 3.5). Bei Bejahung einer vor dem Inkrafttreten der 4. IV-Revision noch nach früherem Recht entstandenen höheren Rentenberechtigung wäre daher allenfalls zu prüfen, ob angesichts der neuen gesetzlichen Regelung ab 1. Januar 2004 eine Modifizierung des Leistungsanspruchs in Betracht fällt.
3.2 Um den Invaliditätsgrad bemessen zu können, ist die Verwaltung (und im Beschwerdefall das Gericht) auf Unterlagen angewiesen, die ärztliche und gegebenenfalls auch andere Fachleute zur Verfügung zu stellen haben. Aufgabe des Arztes oder der Ärztin ist es, den Gesundheitszustand zu beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten die versicherte Person arbeitsunfähig ist. Im Weiteren sind die ärztlichen Auskünfte eine wichtige Grundlage für die Beurteilung der Frage, welche Arbeitsleistungen der Person noch zugemutet werden können (BGE 125 V 261 E. 4, 115 V 134 E. 2, 114 V 314 E. 3c, 105 V 158 E. 1). Entscheidend ist dabei die nach einem weitgehend objektivierten Massstab zu erfolgende Beurteilung, ob und inwiefern der versicherten Person trotz ihres Leidens die Verwertung ihrer Restarbeitsfähigkeit auf dem ihr nach ihren Fähigkeiten offen stehenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt noch sozial-praktisch zumutbar und für die Gesellschaft tragbar ist (BGE 127 V 298 E. 4c mit Hinweisen). Ihr subjektives Empfinden kann demgegenüber, insbesondere wenn es sich nicht mit der Auffassung der medizinischen Fachleute deckt, für sich allein nicht massgebend sein (Urteil T. vom 28. Mai 2004, I 677/03, E. 2.3.1).
4.
Die Parteien sind sich vorliegend darin einig, dass sich der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin seit der erstmaligen Rentenzusprache verschlechtert hat. Uneinigkeit herrscht hinsichtlich der Auswirkungen dieser Verschlechterung auf die Erwerbsfähigkeit.
4.1 In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beruft sich die Beschwerdeführerin auf Zeugnisse ihres Hausarztes Dr. med. B.________, wonach ihr wegen massiven chronischen Schmerzen überhaupt keine Tätigkeit mehr zumutbar sei. Im weiteren lässt sie die Schlussfolgerungen des MEDAS-Gutachtens insoweit kritisieren, als darin bei je einer attestierten 50%igen Arbeitsfähigkeit aus rheumatologischer und psychiatrischer Sicht auch gesamthaft lediglich eine Arbeitsunfähigkeit in dieser Höhe attestiert wird. Da sich ihr Gesundheitszustand verschlechtert habe, müsse auch die Arbeitsfähigkeit niedriger sein, als bei der erstmaligen Rentenzusprechung im Jahre 1996. Zusammenfassend wird das Gutachten vom 25. Februar 2004 als widersprüchlich erachtet, weshalb beantragt wird, es sei eine weitere Expertise zu erstellen.
4.2 Auch die die Beschwerdeführerin behandelnden Ärzte stellen keine anderen oder weitergehenden Diagnosen, als sie im Gutachten angeführt sind. So beschränkt sich die Kritik in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde letztlich auf die Interpretation der sich aus Befunden ergebenden Folgen für die Arbeitsfähigkeit. Verschlechtert hat sich der Gesundheitszustand mit den Diagnosen einer Tendinitis der Supraspinatussehne beidseits und einer depressiven Reaktion. Es ist nachvollziehbar, dass sich insbesondere Erstere auf die Arbeitsfähigkeit in der angestammten Tätigkeit als Monteurin in Akkordarbeit auswirkt. So schätzen die Gutachter diese nunmehr noch auf 30 % gegenüber den bisherigen 50 % bei einer Ganztagespräsenz. Ungünstig ist dabei die rein sitzende Position (Rückenproblematik) mit der feinmotorischen Arbeit im Akkord (Tendinits der Supraspinatussehne). Indessen ist einleuchtend, dass die Arbeitsfähigkeit an einer angepassten Arbeitsstelle mit einer körperlich leichten Tätigkeit, welche einen regelmässigen Positionswechsel erlaubt, höher ist und 50 % beträgt. Entgegen der Darstellung in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist ebenso einleuchtend, dass sich die rheumatologische und die psychiatrische Einschränkung nicht addieren. Gemäss den Befunden der Dr. med. H.________, Fachärztin FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, wirkt sich ihre Diagnose einer längeren depressiven Reaktion in einer gedrückten, pessimistischen Stimmung mit reduziertem Antrieb, Müdigkeit und Energielosigkeit aus, wobei sie keine Konzentrations-, Auffassungs- und Gedächtnisstörungen fand. Die depressive Symptomatik sei als Reaktion auf die Lebensumstände zu werten. Ganz klar drückt sich die Expertin in der Einschätzung der Arbeitsfähigkeit aus, welche sie mit "weiterhin" 50 % angibt. Entgegen der Darstellung in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist auf das MEDAS-Gutachten vom 25. Februar 2004 abzustellen. Die darin angeführten Schlussfolgerungen sind begründet und leuchten nachvollziehbar ein. Die von der Rechtsprechung an eine medizinische Expertise gestellten Anforderungen (BGE 125 V 352 E. 3a) sind erfüllt. Der Antrag auf eine weitere Begutachtung wird abgewiesen.
4.3 Die Beschwerdeführerin wendet weiter ein, der leidensbedingte Abzug vom hypothetisch auf Grund statistischer Werte anhand der Tabellen der Schweizerischen Lohnstrukturerhebungen (LSE) ermittelten Invalidenlohn sei auf 25 % festzusetzen. Hiefür ist mit der Vorinstanz kein Anlass zu sehen. Der von der Verwaltung verfügte und im angefochtenen Entscheid bestätigte Abzug von 15 % trägt den lohnrelevanten Faktoren, welche rechtsprechungsgemäss einen Abzug vom anhand von Tabellenlöhnen bestimmten Invalideneinkommen zu begründen vermögen (BGE 126 V 75), angemessen Rechnung. Es kann hiezu auf die zutreffenden vorinstanzlichen Erwägungen verwiesen werden. Insbesondere wirkt sich die Nationalität der seit Jahren integrierten und gut deutsch sprechenden Beschwerdeführerin entgegen der Darstellung in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde bei der Lohnfestsetzung für eine Arbeit auf dem niedrigsten Anforderungsniveau ebenso wenig aus wie mangelnde Schulbildung und das mittlere Alter der Versicherten. Das Vorgehen der Vorinstanz entspricht auch im Übrigen Gesetz und Praxis. Der angefochtene Entscheid ist somit rechtens.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse Luzern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.
Luzern, 8. Mai 2007
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: