Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2C_203/2007 /ble
Urteil vom 21. Mai 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Karlen,
Gerichtsschreiberin Dubs.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Kantonales Ausländeramt St. Gallen,
Oberer Graben 32, 9001 St. Gallen,
Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen, Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, Unterstrasse 28, 9001 St. Gallen.
Gegenstand
Durchsetzungshaft gemäss Art. 13g ANAG,
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Entscheid der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen, Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, vom 1. Mai 2007.
Das Bundesgericht stellt fest und zieht in Erwägung:
1.
1.1 X.________ (geb. 1975) reiste am 5. März 2003 illegal in die Schweiz ein und stellte ein Asylgesuch, wobei er angab, Y.________ zu heissen und aus Palästina zu stammen. Das Bundesamt für Flüchtlinge (heute: Bundesamt für Migration) trat mit Verfügung vom 22. September 2003 auf das Gesuch nicht ein und wies X.________ mit sofortiger Wirkung aus der Schweiz weg. Dieser Aufforderung leistete X.________ keine Folge.
1.2 Unmittelbar im Anschluss an die Entlassung aus einem Strafvollzug am 28. April 2007 ordnete das Ausländeramt des Kantons St. Gallen gegen X.________ die Durchsetzungshaft an. Der Einzelrichter der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen prüfte diese und bestätigte sie bis zum 27. Mai 2007 (Entscheid vom 1. Mai 2007).
1.3 Mit als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten entgegengenommenem, in französischer Sprache abgefasstem Schreiben vom 10. Mai (Postaufgabe 11. Mai, Eingang beim Bundesgericht am 14. Mai) 2007 beantragt X.________ sinngemäss die Aufhebung des Entscheids des Haftrichters und die Entlassung aus der Haft, damit er die Schweiz innert ein paar Tagen verlassen könne.
Die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen hat dem Bundesgericht per Fax seinen Entscheid vom 1. Mai 2007 sowie Akten übermittelt. Ein Schriftenwechsel ist nicht angeordnet worden.
2.
2.1
2.1.1 Hat ein Ausländer seine Pflicht zur Ausreise aus der Schweiz innerhalb der ihm angesetzten Frist nicht erfüllt und kann die rechtskräftige Weg- oder Ausweisung auf Grund seines persönlichen Verhaltens nicht vollzogen werden, so darf er, um der Ausreisepflicht Nachachtung zu verschaffen, in Durchsetzungshaft genommen werden, sofern die Anordnung der Ausschaffungshaft nicht zulässig ist oder keine andere, mildere Massnahme zum Ziel führt (Art. 13g Abs. 1 ANAG in der seit dem 1. Januar 2007 gültigen Fassung gemäss der Änderung des Asylgesetzes vom 16. Dezember 2005 [AS 2006 4745 ff., dort S. 4767 und S. 4771]). Die Haft ist erstmals für einen Monat zulässig und kann danach mit der Zustimmung der zuständigen kantonalen richterlichen Behörde (vgl. Art. 13g Abs. 3 ANAG) jeweils um zwei Monate verlängert werden, sofern der Ausländer weiterhin nicht bereit ist, sein Verhalten zu ändern und auszureisen. Die maximale Haftdauer beträgt grundsätzlich 18 Monate (Art. 13g Abs. 2 ANAG). Die Haft wird beendet, falls eine selbständige pflichtgemässe Ausreise nicht möglich ist, obwohl der Ausländer den behördlich vorgegebenen Mitwirkungspflichten nachkommt (Art. 13g Abs. 6 lit. a ANAG), oder die Schweiz weisungsgemäss verlassen (lit. b), die Ausschaffungshaft angeordnet (lit. c) oder einem Haftentlassungsgesuch entsprochen wird (lit. d). Die Vorbereitungs-, Ausschaffungs- und Durchsetzungshaft dürfen zusammen die maximale Haftdauer von 24 Monaten (bzw. bei Minderjährigen zwischen 15 und 18 Jahren von 12 Monaten) nicht überschreiten (Art. 13h ANAG in der Fassung vom 16. Dezember 2005).
2.1.2 Die Durchsetzungshaft findet ihre konventionsrechtliche Rechtfertigung vorab in Art. 5 Ziff. 1 lit. b (Haft zur Erzwingung einer durch das Gesetz vorgeschriebenen Verpflichtung) und nicht wie die Vorbereitungs- und Ausschaffungshaft ausschliesslich in Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK (Haft zur Sicherung eines schwebenden Ausweisungsverfahrens; vgl. BGE 130 II 56 E. 4.2.3 S. 62 f., 377 E. 3.1 S. 380). Sie bezweckt, die ausreisepflichtige Person in jenen Fällen zu einer Verhaltensänderung zu bewegen, in denen nach Ablauf der Ausreisefrist der Vollzug der rechtskräftig gegen sie angeordneten Weg- oder Ausweisung - trotz der behördlichen Bemühungen - ohne ihre Kooperation nicht möglich ist. Die Durchsetzungshaft soll das letzte Mittel darstellen, wenn und soweit keine andere Zwangsmassnahme zum Ziel führt, den illegal anwesenden Ausländer - auch gegen seinen Willen - in seine Heimat verbringen zu können (Urteil 2C_22/2007 vom 22. Februar 2007 E. 2.2.2). Wie alle staatlichen Massnahmen hat sie dem Verhältnismässigkeitsprinzip zu entsprechen; es ist jeweils im Einzelfall auf Grund der konkreten Umstände zu prüfen, ob sie geeignet bzw. erforderlich ist und nicht gegen das Übermassverbot, d.h. das sachgerechte und zumutbare Verhältnis von Mittel (Haft) und Zweck (Verhaltensänderung, damit die Ausschaffung vollzogen werden kann), verstösst. Dabei ist im Rahmen von Art. 190 BV (gemäss Justizreform; früher Art. 191 BV) den Prämissen des Gesetzgebers Rechnung zu tragen, dass die Massnahme je nach Umständen bis zu einer maximalen Haftdauer von 18 Monaten (bzw. bei Minderjährigen zwischen 15 und 18 Jahren von neun Monaten) als verhältnismässig gelten kann und der Betroffene es im Übrigen in der Hand hat, die Haft jederzeit zu beenden, indem er seiner Ausreisepflicht nachkommt. Art. 13g ANAG ist im Rahmen dieser Vorgaben verfassungs- und konventionskonform auszulegen (vgl. zum Ganzen: Urteil 2C_19/2007 vom 2. April 2007 E. 2 und 3).
2.2 Der Beschwerdeführer ist im Asylverfahren rechtskräftig mit sofortiger Wirkung aus der Schweiz weggewiesen worden (Verfügung des Bundesamts für Flüchtlinge vom 22. September 2003), ohne dass er das Land verlassen hätte. Vom 19. November 2003 bis zum 18. Mai 2004 wurde er in Ausschaffungshaft genommen. Auch nach seiner Entlassung kam er der mehrfachen Aufforderung, die Schweiz zu verlassen, nicht nach. Im Übrigen wurde er wiederholt straffällig und befand sich daher mehrmals wieder im Strafvollzug. Die Behörden konnten trotz seines renitenten Verhaltens seine algerische Identität ausfindig machen und von den heimatlichen Behörden die Ausstellung von Ersatzreisepapieren erwirken. Am 10. März 2005 weigerte sich der Beschwerdeführer jedoch, die Rückreise nach Algerien anzutreten. Die auf den 16. Juni 2005 angesetzte begleitete Ausschaffung konnte ebenfalls wegen seiner Weigerung, in sein Heimatland zurückzukehren, nicht vollzogen werden. Da mit Algerien kein Abkommen über Sonderflüge für Personen besteht, die nur zwangsweise ausgeschafft werden können, kann der Beschwerdeführer bloss in seine Heimat zurückgeführt werden, wenn er bereit ist, hierbei zu kooperieren. Eine Ausschaffungshaft ist ihrerseits zurzeit nicht möglich, da diese voraussetzen würde, dass sich der zwangsweise Vollzug der Wegweisung auch gegen den Willen des Beschwerdeführers in absehbarer Zeit realisieren liesse (vgl. BGE 130 II 56 E. 4.2.3 S. 62 f. mit Hinweisen). Dieser weigert sich jedoch vehement, nach Algerien zurückzukehren und hat bereits einmal eine Ausschaffung vereitelt. Sämtliche gegen den Beschwerdeführer bisher getroffenen milderen Massnahmen blieben ohne Erfolg, weshalb letztlich nur die Durchsetzungshaft bleibt, um ihn dazu zu bringen, mit den Behörden zu kooperieren und weisungsgemäss aus der Schweiz auszureisen. Diese Form der Haft ist dazu geeignet und im Hinblick auf das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers erforderlich und auch verhältnismässig. Das Angebot des Beschwerdeführers, er würde nach einer Freilassung die Schweiz sofort verlassen, ist für die Beurteilung der Rechtmässigkeit und Angemessenheit der Haft schon angesichts seines bisherigen Verhaltens unbeachtlich; ohnehin hat er keine legale Möglichkeit, in ein Drittland auszureisen und der Wegweisung - wirksam - Folge zu leisten. Für alles Weitere wird auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid verwiesen (Art. 109 Abs. 3 BGG).
3.
3.1 Die im Sinne von Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG offensichtlich unbegründete Beschwerde ist im vereinfachten Verfahren abzuweisen. Dem Verfahrensausgang entsprechend würde der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es rechtfertigt sich jedoch, von der Erhebung einer Gerichtsgebühr abzusehen (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG).
3.2 Das Ausländeramt des Kantons St. Gallen wird ersucht, dafür besorgt zu sein, dass der vorliegende Entscheid dem Beschwerdeführer korrekt eröffnet und nötigenfalls verständlich gemacht wird.
Demnach erkennt das Bundesgericht
im Verfahren nach Art. 109 BGG:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Ausländeramt und der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen, Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 21. Mai 2007
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: