BGer 5C.310/2006 |
BGer 5C.310/2006 vom 23.05.2007 |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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5C.310/2006 /blb
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Urteil vom 23. Mai 2007
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II. zivilrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Raselli, Präsident,
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Bundesrichterinnen Escher, Hohl,
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Gerichtsschreiber Levante.
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Parteien
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X.________,
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Beschwerdeführer,
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vertreten durch Rechtsanwältin Bernadette Staub Weidmann,
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gegen
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Y.________, geb. 1994,
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Beschwerdegegnerin,
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vertreten durch ihre Mutter M.________.
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Gegenstand
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Verfahrenssistierung (Abänderung von Unterhaltsbeiträgen),
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Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Steckborn vom 26. Oktober 2006.
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Sachverhalt:
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A.
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Am 29. Juni 2006 erhob X.________, wohnhaft in S.________, beim Bezirksgericht Steckborn/TG Klage gegen seine Tochter Y.________ (geb. 1994), mit Domizil bei ihrer Mutter in T.________/USA und mit Heimatort U.________/TG. Er verlangte die Abänderung der mit Unterhaltsvereinbarung vom 4. März 1996 festgesetzten Unterhaltsbeiträge.
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B.
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Das Bezirksgericht Steckborn setzte mit Beschluss vom 26. Oktober 2006 das Verfahren in Anwendung von Art. 9 IPRG aus. Zur Begründung hielt es im Wesentlichen fest, dass die Tochter, vertreten durch ihre Mutter M.________, am 16. Dezember 2005 beim Marin County Superior Court, T.________/USA, eine Klage betreffend Abänderung der Unterhaltsbeiträge eingereicht hatte. Da die Klage über denselben Gegenstand und zwischen denselben Parteien in den USA zuerst hängig gemacht worden sei, sei das Verfahren in der Schweiz gemäss Art. 9 Abs. 1 IPRG auszusetzen, da zu erwarten sei, dass das Gericht in den USA in angemessener Frist eine Entscheidung fälle und diese in der Schweiz anerkennbar sei.
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C.
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X.________ führt mit Eingabe vom 9. August 2006 zivilrechtliche Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt dem Bundesgericht, den Beschluss des Bezirksgerichts vom 26. Oktober 2006 aufzuheben. Vernehmlassungen zur Nichtigkeitsbeschwerde sind nicht eingeholt worden.
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D.
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Auf die in der gleichen Sache von X.________ erhobene staatsrechtliche Beschwerde ist das Bundesgericht mit Urteil vom heutigen Tag nicht eingetreten (Verfahren 5P.505/2006).
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Auf das vorliegende Verfahren gelangen die Vorschriften des Bundesrechtspflegegesetzes (OG) zur Anwendung, da der angefochtene Entscheid vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG; SR 173.110) am 1. Januar 2007 ergangen ist (Art. 132 Abs. 1 BGG).
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2.
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Die Nichtigkeitsbeschwerde richtet sich gegen den Entscheid des Bezirksgerichts, mit welchem die Sistierung des in der Schweiz hängigen Prozesses betreffend Unterhaltsbeiträge gestützt auf Art. 9 IPRG beschlossen wird.
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2.1 Die Nichtigkeitsbeschwerde nach Art. 68 ff. OG ist der Berufung subsidiär. Sie kann bloss gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide erhoben werden, die nicht nach den Art. 44-46 OG der Berufung unterliegen (Art. 68 Abs. 1 OG). Sobald ein kantonaler Entscheid der Berufung unterliegt, ist die Nichtigkeitsbeschwerde ausgeschlossen.
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2.2 Entscheide in Anwendung von Art. 9 IPRG stellen selbständige Zwischenentscheide über die internationale Zuständigkeit dar, deren Verletzung - unter Vorbehalt der Berufung (Art. 49 Abs. 1 OG) - mit der Nichtigkeitsbeschwerde (Art. 68 Abs. 1 lit. e OG) gerügt werden kann (BGE 126 III 327 E. 1c S. 328; 123 III 414 E. 2 S. 417; 118 II 188 E. 3b S. 192). Voraussetzung zur Berufung ist, dass der angefochtene (Zwischen-) Entscheid von einer der in Art. 48 Abs. 1 und 2 OG bezeichneten Instanzen ausgeht (Art. 49 Abs. 1 OG). Das Bezirksgericht, das den angefochtenen Entscheid erlassen hat, stellt jedoch kein oberes kantonales Gericht dar (Art. 48 Abs. 1 OG). Sodann sind die Voraussetzungen von Art. 48 Abs. 2 OG nicht erfüllt: Das Bezirksgericht als unteres Gericht hat als einzige kantonale Instanz entschieden (vgl. Art. 48 Abs. 2 lit. a OG), ohne dass das Bundesrecht in der Sache eine einzige kantonale Instanz vorsehen würde (vgl. Art. 48 Abs. 2 lit. b OG). Die Berufung gegen den Entscheid des Bezirksgericht ist daher unzulässig.
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2.3 Wie die Berufung kann die Nichtigkeitsbeschwerde nur gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide erhoben werden, gegen die keine ordentlichen Rechtsmittel mehr gegeben sind. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist - im Gegensatz zur Berufung - auch gegen Entscheide einer unteren kantonalen Behörde zulässig, wenn diese letztinstanzlich (Art. 68 Abs. 1 OG), d.h. als letzte Instanz mit freier Prüfungsbefugnis über die Streitfrage befunden hat (BGE 112 II 366 E. 1 S. 367; vgl. Messmer/Imboden, Die eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, Ziff. 129, S. 178 f.; Vogel/Spühler, Grundriss des Zivilprozessrechts, 8. Aufl. Bern 2006, § 13 Rz. 188).
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2.3.1 Nach der kantonalen Rechtsprechung (RBOG 2002 Nr. 20 Ziff. 3 lit. b/aa, S. 118) kann als Rechtsverzögerung im Sinne von § 242 ZPO/TG (Aufsichtsbeschwerde) beim Obergericht des Kantons Thurgau gerügt werden, wenn entgegen den gesetzlichen Bestimmungen statt der Fortführung die Einstellung des Verfahrens verfügt wird (Merz, Die Praxis zur thurgauischen Zivilprozessordnung, 2. Aufl. Bern 2007, N. 10 lit. b, N. 11 lit. a zu § 242; vgl. Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl. Zürich 1979, S. 539, zur Rechtsmittelfunktion der Aufsichtsbeschwerde bei ungerechtfertigter Einstellung eines Prozesses). Die innert 20 Tagen (§ 243 ZPO/TG) zu erhebende Beschwerde gemäss § 242 ZPO/TG erlaubt die uneingeschränkte Überprüfung eines Sistierungsentscheides in Bezug auf die richtige Rechtsanwendung. Dies ergibt aus der Verweisung auf den Umfang der im Rekurs vorzunehmenden Überprüfung (§ 244 i.V.m. § 241 ZPO/TG; Bürgi/Schläpfer/Hotz/Parolari, Handbuch zur Thurgauer Zivilprozessordnung, Zürich 2000, N. 1 zu § 244; Merz, a.a.O., N. 1 zu § 241) und aus der kantonalen Praxis, welche frei überprüft, ob entgegen den gesetzlichen Bestimmungen statt der Fortführung die Einstellung des Verfahrens verfügt worden ist (vgl. RBOG 2002 Nr. 20 Ziff. 4, S. 119 ff.). Im Weiteren wird im Verfahren der Aufsichtsbeschwerde der Sachverhalt von Amtes wegen abgeklärt (§ 244 ZPO/TG) und werden sogar verspätete Vorbringen berücksichtigt (Merz, a.a.O., N. 2 zu § 244).
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2.3.2 Vor diesem Hintergrund ergibt sich, dass das Obergericht die erstinstanzliche Sistierung des Verfahrens wegen angeblicher Verletzung von Art. 9 IPRG mit Aufsichtsbeschwerde vollumfänglich überprüfen kann. Da das Bezirksgericht nicht als letzte Instanz mit freier Prüfungsbefugnis über die Streitfrage befunden hat, stellt der angefochtene Entscheid keinen letztinstanzlichen Entscheid im Sinne von Art. 68 Abs. 1 OG dar (BGE 112 II 366 E. 1 S. 367; 96 II 266 E. 1 S. 269). Der Sistierungsentscheid des Bezirksgerichts kann nicht mit Nichtigkeitsbeschwerde angefochten werden.
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3.
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Auf die Nichtigkeitsbeschwerde kann nicht eingetreten werden. Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Auf die Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht eingetreten.
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2.
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Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bezirksgericht Steckborn schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 23. Mai 2007
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Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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