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Original
 
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 7}
I 872/06
Urteil vom 31. Mai 2007
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Borella,
Gerichtsschreiber Fessler.
Parteien
H.________, 1949, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Robert Friolet, Freiburgstrasse 69, 3280 Murten,
gegen
IV-Stelle des Kantons Freiburg, Impasse de la Colline 1, 1762 Givisiez, Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Freiburg vom 13. Juli 2006.
Sachverhalt:
A.
Der 1949 geborene H.________ meldete sich im August 2002 bei der Invalidenversicherung u.a. zum Bezug einer Rente an. Nach Abklärungen sprach ihm die IV-Stelle des Kantons Freiburg mit Verfügung vom 16. September 2004 für die Zeit vom 1. Mai 2002 bis 31. Dezember 2003 eine halbe Rente und ab 1. Januar bis 31. März 2004 eine Dreiviertelrente samt Zusatzrente für die Ehefrau zu unter Hinweis, der Leistungsanspruch ab 1. April 2004 sei noch Gegenstand weiterer Abklärungen. Mit Einspracheentscheid vom 10. Juni 2005 bestätigte die IV-Stelle den Umfang des Anspruchs sowie Beginn und Dauer der Rente.
B.
Die Beschwerde des H.________ wies das Verwaltungsgericht des Kantons Freiburg, Sozialversicherungsgerichtshof, mit Entscheid vom 13. Juli 2006 ab, soweit es darauf eintrat.
C.
H.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem hauptsächlichen Rechtsbegehren, der kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben und es sei ihm eine ganze Invalidenrente zuzusprechen.
Die IV-Stelle beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (BGG [SR 173.110]) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205 und 1243). Da der angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 395 E. 1.2).
2.
In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der IV-Stelle wie schon in der vorinstanzlichen Beschwerde Rechtsverzögerung und dem kantonalen Gericht diesbezüglich eine Verletzung der Begründungspflicht vorgeworfen. Beide Rügen sind unbegründet. Nach Erlass des Einspracheentscheides bestand kein schutzwürdiges Interesse mehr an der Feststellung einer Rechtsverzögerung durch die Verwaltung (vgl. BGE 125 V 374 E. 1 und SVR 1998 UV Nr. 11 S. 32 E. 5b/aa). Mit dieser Begründung hätte das kantonale Gericht (auch) insoweit nicht auf die Beschwerde eintreten dürfen. Dass es stattdessen das erstinstanzliche Verfahren in diesem Punkt als gegenstandslos bezeichnete, stellt jedoch keine Verletzung der Begründungspflicht dar.
3.
Der angefochtene Entscheid betrifft Leistungen der Invalidenversicherung. Das Bundesgericht prüft daher nur, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens (Art. 104 lit. a OG), oder ob sie den Sachverhalt im Sinne von Art. 105 Abs. 2 OG offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt hat (Art. 132 OG in der Fassung gemäss Ziff. III der Änderung des IVG vom 16. Dezember 2005 [AS 2006 2003 f.]).
4.
Streitgegenstand bildet die von der IV-Stelle bis 31. März 2004 zugesprochene Invalidenrente (BGE 125 V 414).
5.
Das kantonale Gericht hat durch Einkommensvergleich (alt Art. 28 Abs. 2 IVG und Art. 16 ATSG; BGE 128 V 30 E. 1) einen Invaliditätsgrad von 63 % ermittelt ([Fr. 82'200.- - Fr. 30'575.-]/Fr. 82'200.- x 100 %; zum Runden BGE 130 V 121), was Anspruch auf eine halbe Rente und ab 1. Januar 2004 auf eine Dreiviertelrente gibt (Art. 28 Abs. 1 IVG in der bis 31. Dezember 2003 gültig gewesenen und in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung). Das Valideneinkommen hat die Vorinstanz dem an die Nominallohnentwicklung angepassten durchschnittlichen Geschäftsgewinn 1995 bis 2000 gleichgesetzt. Die Zahlen sind unbestritten. Sie betragen Fr. 108'477.55 (1995), Fr. 103'800.70 (1996), Fr. 84'749.75 (1997), Fr. 78'787.55 (1998), Fr. 49'523.65 (1999) und Fr. 35'968.75 (2000). Das Invalideneinkommen hat das kantonale Gericht aus der Verfügung der IV-Stelle vom 16. September 2004 übernommen. Die Verwaltung ermittelte das trotz gesundheitlicher Beeinträchtigung zumutbarerweise erzielbare Einkommen auf der Grundlage der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung 2000 des Bundesamtes für Statistik (LSE 00; BGE 129 V 475 f. E. 4.2.1, 124 V 321). Dabei ging sie vom monatlichen Bruttolohn von Männern mit Berufs- und Fachkenntnissen (Anforderungsniveau 3) im privaten Sektor 2 Produktion von Fr. 5330.-, aufindexiert mit dem Landesindex der Konsumentenpreise von 1,9 %, sowie einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 41,7 Stunden aus. Das trotz gesundheitlicher Beeinträchtigung zumutbare Arbeitspensum setzte sie auf 50 % fest. Ferner berücksichtigte die IV-Stelle eine Leistungseinbusse (leidensbedingter Abzug vom Tabellenlohn nach BGE 126 V 75). Den Leistungsbeginn hat das kantonale Gericht auf den 1. Mai 2002 festgesetzt (vgl. alt Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG, in der bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung), was unbestritten ist.
6.
In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden Valideneinkommen und Invalideneinkommen in Bezug auf die Arbeitsfähigkeit und der Abzug vom Tabellenlohn sowie die Befristung der Rente beanstandet.
6.1 Zum Valideneinkommen wird geltend gemacht, die Vorinstanz lasse unberücksichtigt, dass die gesundheitlichen Probleme bereits 1995 begonnen und sich der Gesundheitszustand 1999 und 2000 drastisch verschlechtert hätten. Es dürften daher lediglich die Geschäftsergebnisse 1995 bis 1998 berücksichtigt werden. Dies ergebe - an den Nominallohnindex angepasst - für 2002 ein Valideneinkommen von Fr. 100'830.20.
Die Betriebsgewinne nahmen seit 1995 kontinuierlich ab. Insbesondere die Ergebnisse für 1999 und 2000 waren markant tiefer als in den vorangehenden Geschäftsjahren. Das kantonale Gericht hat nicht geprüft, worauf dieser Gewinneinbruch zurückzuführen war. Soweit gesundheitliche Gründe hiefür verantwortlich waren, was sich aufgrund der Akten nicht ausschliessen lässt, könnte darauf nicht abgestellt werden. Ebenfalls hat die Vorinstanz die Bilanz- und Erfolgsrechnungen nicht einer genaueren Analyse unterzogen, um die auf dem eigenen Leistungsvermögen beruhende Einkommensschöpfung hinreichend genau zu bestimmen (AHI 1998 S. 254 E. 4a, Urteil D. vom 1. Mai 2006 [I 660/05] E. 1.2 mit Hinweisen). Schliesslich hat die Vorinstanz übersehen, dass das Geschäftsjahr 2000 lediglich neun Monate umfasste. Der Geschäftsabschluss erfolgte zum 30. September 2000. Der in diesem Zeitraum erwirtschaftete Gewinn hat daher bei der Berechnung des Valideneinkommens ausser Betracht zu bleiben.
Das kantonale Gericht hat insoweit den rechtserheblichen Sachverhalt unvollständig festgestellt (E. 3). Weitere Abklärungen erübrigen sich indessen (E. 6.3).
6.2 Das kantonale Gericht setzte die trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigungen zumutbare Arbeitsfähigkeit auf 50 % in angepassten leichten und wechselbelastenden Tätigkeiten fest. Dabei stellte es auf die Gutachten (recte: Arztberichte) des Dr. med. W.________ vom 20. September 2002 und der Frau Dr. med. C.________, vom 16. Januar 2003 ab. Nach Dr. med. W.________ war die angestammte selbstständige Tätigkeit seit 1. November 2001 nicht mehr zumutbar. In Betracht fielen einfache Überwachungsarbeiten, welche einen Wechsel der Position durch Gehen erlaubten, ohne jegliche Anstrengung und ohne Stress während vier Stunden im Tag. Die Frage, ob in diesem zeitlichen Rahmen eine verminderte Leistungsfähigkeit bestehe, bejahte er. Frau Dr. med. C.________ bezeichnete leichte Tätigkeiten («demandant peu d'investissement physique») bei einem Pensum von 30 % bis 50 % als möglich, dies aber nur unter der einschränkenden Voraussetzung, dass die Arbeitszeit entsprechend dem fluktuierenden Auftreten der Gesundheitsstörungen angepasst werden könne.
In Anbetracht dieser Einschätzungen von Spezialisten verschiedener Fachrichtungen, insbesondere jener des Dr. med. W.________, welcher ausdrücklich eine verminderte Leistungsfähigkeit bei einem Arbeitspensum von täglich vier Stunden bestätigt hat, hält die vorinstanzliche Feststellung einer gesundheitlich zumutbaren Arbeitsfähigkeit von 50 % auch im Rahmen des Art. 105 Abs. 2 OG (E. 3) nicht Stand.
6.3 Wird beim Valideneinkommen auf die durchschnittlichen Betriebsergebnisse 1995 bis 1999 abgestellt (E. 5 und 6.1), ergibt sich unter Berücksichtigung der Nominallohnentwicklung im Bereich Verarbeitendes Gewerbe und Industrie (Die Volkswirtschaft 3/2004, S. 95 Tabelle B10.2) für 2002 ein Valideneinkommen von Fr. 90'995.75 (Fr. 85'067.80 x 1.069). Das Invalideneinkommen berechnet sich auf der Grundlage der LSE 02 bei einer Arbeitsfähigkeit von 40 % und im Übrigen unveränderten Bemessungsfaktoren (E. 5) auf Fr. 24'738.25 (12 x Fr. 5493.- x [41,7/40] x 0,4 x 0,9). Daraus resultiert ein Invaliditätsgrad von 73 %. Somit besteht Anspruch auf eine ganze Rente ab 1. Mai 2002.
7.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 zweiter Satz OG). Dem Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der IV-Stelle aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG in Verbindung mit Art. 135 OG). Zudem hat die Verwaltung dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Freiburg, Sozialversicherungsgerichtshof, vom 13. Juli 2006 und der Einspracheentscheid der IV-Stelle des Kantons Freiburg vom 10. Juni 2005 aufgehoben und es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer ab 1. Mai 2002 Anspruch auf eine ganze Rente der Invalidenversicherung hat.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der IV-Stelle des Kantons Freiburg auferlegt; der vom Beschwerdeführer geleistete Kostenvorschuss in dieser Höhe wird ihm zurückerstattet.
3.
Die IV-Stelle des Kantons Freiburg hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Bundesgericht eine Parteientschädigung (einschliesslich Mehrwertsteuer) von Fr. 2500.- zu bezahlen.
4.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Freiburg, Sozialversicherungsgerichtshof, hat die Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses festzusetzen.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Freiburg, Sozialversicherungsgerichtshof, der Ausgleichskasse des Kantons Bern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.
Luzern, 31. Mai 2007
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: