Tribunale federale
Tribunal federal
{T 7}
I 253/06
Urteil vom 5. Juni 2007
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber Schmutz.
Parteien
W.________, Beschwerdeführer, vertreten durch den Rechtsdienst Integration Handicap, Bürglistrasse 11, 8002 Zürich,
gegen
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich 8087 Zürich, Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
vom 31. Januar 2006.
Sachverhalt:
A.
W.________, geboren 1950, ist gelernter Metallbauschlosser und war in diesem Beruf seit 1. November 1998 in der Firma T.________ tätig. Am 13. November 2001 meldete er sich wegen Klumpfüssen und Meniskusbeschwerden bei der Invalidenversicherung zur Umschulung auf eine neue Tätigkeit an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich holte verschiedene Arzt- sowie einen Arbeitgeberbericht ein und führte eine berufsberaterische Abklärung im Arbeitszentrum für Behinderte X.________ durch. Auf den 31. März 2002 verlor W.________ den Arbeitsplatz, er fand jedoch zunächst eine neue Stelle, worauf das Leistungsgesuch am 15. Juli 2002 als erledigt abgeschrieben wurde.
Am 8. August 2002 beantragte W.________ erneut die Gewährung beruflicher Massnahmen. Die IV-Stelle veranlasste eine Berufswahlabklärung in der Stiftung E.________. Es folgte ein Aufenthalt in der Beruflichen Abklärungsstätte (BEFAS). Am 28. Januar 2004 verfügte die IV-Stelle als berufliche Massnahme die Kostengutsprache für ein Arbeitstraining in einem Tankstellenshop und am 30. Januar 2004 für die betreffende Zeit (vom 22. Januar - 21. Juli 2004) ein Invalidentaggeld. Im Anschluss daran wurde W.________ dort bei einem Beschäftigungsgrad von rund 65 % zu einem reduzierten Stundenlohn fest angestellt.
Am 14. Juni 2004 verfügte die IV-Stelle den Abschluss der beruflichen Massnahmen und am 13. Juli 2004 erteilte sie die Kostengutsprache für den durch die neue Arbeit verursachten Mehrbedarf an orthopädischen Spezialschuhen. Mit Verfügung vom 22. Oktober 2004 erkannte sie W.________ ab 1. Juli 2004 bei einem Invaliditätsgrad von 53 % eine halbe Invalidenrente zu. Die gegen den Rentenbescheid erhobene Einsprache wies sie mit Entscheid vom 5. Januar 2005 ab.
B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 31. Januar 2006 ab.
C.
W.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt die Zusprechung einer ganzen Rente; eventualiter sei ihm eine Dreiviertelsrente zuzuerkennen.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Vorinstanz und Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf Vernehmlassung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).
2.
Da die Beschwerde am 1. Juli 2006 letztinstanzlich schon anhängig war, richtet sich die Kognition des Bundesgerichts nach der bis Ende Juni 2006 gültigen Fassung von Art. 132 OG.
3.
Im angefochtenen Gerichtsentscheid werden die Bestimmungen über den Begriff der Invalidität (Art. 8 ATSG, Art. 4 IVG), die Ermittlung des Invaliditätsgrades (Art. 16 ATSG), die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch und dessen Umfang (Art. 28 Abs. 1 IVG) sowie die Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 28 Abs. 2 IVG, Art. 16 ATSG) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
4.
Es besteht Einigkeit darin, dass der Beschwerdeführer in einer körperlich leichten, behinderungsangepassten Tätigkeit zu 70 % arbeitsfähig ist, und dass beim Validenlohn von dem im Jahr 2001 in der Firma T.________ erzielten Einkommen auszugehen ist. Streitig und zu prüfen ist, wie bei der Bestimmung des Invaliditätsgrades das Invalideneinkommen festzulegen ist.
5.
Der Beschwerdeführer fordert, für das Invalideneinkommen müsse auf den bei der Tätigkeit im Tankstellenshop effektiv ausgerichteten Lohn abgestellt werden, denn diese Arbeit erfülle die auf Grund der beruflichen Abklärungen definierten Ansprüche ideal; es werde damit sämtlichen von der Rechtsprechung gestellten Anforderungen für den Beizug des tatsächlich erzielten Verdienstes als Invalidenlohn entsprochen; da die IV-Berufsberaterin dort ein Arbeitstraining verfügt habe und dann die Stelle mit ihrem Einverständnis definitiv angetreten worden sei, sei es rechtsmissbräuchlich und verstosse gegen Treu und Glauben, wenn nun nicht auf das hier erlangte, allenfalls auf ein Pensum von 70 % aufgerechnete Einkommen abgestellt werde.
6.
Vorab ist festzustellen, dass aus dem Umstand, dass die Beschwerdegegnerin das Arbeitstraining im Tankstellenshop verfügt hat, und dass dann dort mit ihrem Wissen ein festes Arbeitsverhältnis eingegangen worden ist, kein Anspruch auf die Berücksichtigung des hier ausgerichteten Lohnes im Einkommensvergleich abgeleitet werden kann. Es fehlen Anhaltspunkte dafür, dass dem Beschwerdeführer entsprechende Angaben oder Zusagen gemacht worden sind. Ebenso finden sich keine Hinweise auf ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen. Zudem fehlt es an Dispositionen, welche im Vertrauen auf ein behördliches Verhalten oder auf die Richtigkeit einer gegebenen Auskunft getroffen worden sind und nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht werden können. Damit mangelt es zumindest an zwei der fünf kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen für Vertrauensschutz (vgl. dazu BGE 131 II 627 E. 6.1 S. 636, 129 I 161 E. 4.1 S. 170, 126 II 377 E. 3a S. 387, 122 II 113 E. 3b/cc S. 123, 121 V 65 E. 2a S. 66; RKUV 2000 Nr. KV 126 S. 223).
7.
Wie die Vorinstanz gegen die Berücksichtigung des im Tankstellenshop tatsächlich ausgerichteten Lohnes zutreffend angeführt hat, wird der behinderungsbedingten Einschränkung grundsätzlich bereits mit dem auf 65 % reduzierten Arbeitspensum entsprochen, und rechtfertigt sich darum die zusätzliche Herabsetzung des Stundenlohnes - zumindest in der arbeitsvertraglich vereinbarten Höhe von 35 % - nicht. Mit den eingegangenen Konditionen schöpft der Beschwerdeführer an diesem Arbeitsplatz die ihm verbliebene Erwerbsfähigkeit nicht voll aus. Verwaltung und Vorinstanz haben darum das Invalideneinkommen zu Recht auf der Basis der statistischen Werte der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) des Bundesamtes für Statistik ermittelt. Ebenso gerechtfertigt ist es, dass die Vorinstanz im Hinblick darauf, dass gesundheitlich beeinträchtigte Personen im Vergleich zu voll leistungsfähigen und entsprechend einsetzbaren Arbeitnehmern lohnmässig benachteiligt sind, und deshalb in der Regel mit unterdurchschnittlichen Lohnansätzen rechnen müssen (BGE 129 V 472 E. 4.2.3 S. 481), einen leidensbedingten Abzug gewährte.
8.
Das beschwerdeführerische Argument, die Arbeit im Tankstellenshop erfülle das bei der BEFAS-Abklärung auf Grund der verbliebenen Fähigkeiten definierte Anforderungsprofil optimal, ist jedoch insofern stichhaltig, als auf Grund der klaren Untersuchungsergebnisse die bisherige Berechnung des Invalidenlohns zu verfeinern ist.
8.1 Verwaltung und Vorinstanz haben bei der Ermittlung des Invaliditätsgrades auf den standardisierten Durchschnittslohn gemäss Tabelle TA 1 der Männer für einfache und repetitive Tätigkeiten im gesamten privaten Sektor abgestellt. Dieser umfasst im Wesentlichen die Sektoren "Produktion" und "Dienstleistungen". Nach dem BEFAS-Schlussbericht vom 20. Februar 2004 sind jedoch für den Beschwerdeführer produktive Tätigkeiten wegen einer allgemeinen Verlangsamung und der dadurch bedingten Leistungseinschränkung weniger geeignet. Laut dem Bericht wirkt er, sobald er in intellektueller Hinsicht stärker gefordert ist, rasch gestresst, und er überhört oder vergisst einzelne Instruktionen. Er ist so nach Einschätzung der Experten nicht in der Lage, innerhalb nützlicher Frist eine qualitativ wie quantitativ wirtschaftlich verwertbare Leistung zu erbringen. Günstiger sind behinderungsangepasste Tätigkeiten in Dienstleistungsbereichen wie Verkauf und Beratung, wobei solche Arbeiten wegen der linksbetonten Sehschwäche keine hohe visuellen Anforderungen stellen dürfen. Als gut angepasst erachtet wird eine Beschäftigung als Allrounder in einem Altersheim oder bei einem Tankstellenshop, Parkplatzwart in einem Spital, Mitarbeiter in einem Copy-Shop, Mitarbeiter einer Autovermietung im Bereich Reinigung, Überbringen von Fahrzeugen, Übergeben und Abnehmen von Fahrzeugen an Kunden, Chauffeur für Labor- und Medizinaltransporte, oder eine Tätigkeit in der Museumsaufsicht.
8.2 Damit steht dem Beschwerdeführer aber nicht die breite Palette an Beschäftigungsmöglichkeiten offen, von der Verwaltung und Vorinstanz bei der Bestimmung des Invaliditätsgrades ausgegangen sind. Unter den konkreten Verhältnissen rechtfertigt es sich, im Einkommensvergleich bei der Bestimmung des Invalidenlohns auf den Ansatz für den Sektor "Dienstleistungen" (2004: Fr. 4251.-) abzustellen, und nicht auf den standardisierten Monatslohn im gesamten privaten Sektor (2004: Fr. 4588.-), der massgeblich durch das vergleichsweise hohe Durchschnittseinkommen in dem für den Beschwerdeführer nicht geeigneten Sektor "Produktion" (2004: Fr. 4853.-) geprägt ist.
8.3 Unter Berücksichtigung einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 41,7 Stunden, einer Arbeitsfähigkeit von 70 % und eines leidensbedingten Abzuges von 10 % errechnet sich so ein hypothetischer Invalidenlohn von Fr. 33'503.- (= Fr. 4251 x 12 : 40 x 41,7 x 0,7 x 0,9). Ins Verhältnis gesetzt zu dem unbestrittenen Valideneinkommen von Fr. 86'785.- ergibt sich ein Invaliditätsgrad von abgerundet 61 % und damit ein Anspruch auf eine Dreiviertelsrente. Da der für den Anspruch auf eine ganze Rente erforderliche Invaliditätsgrad von 70 % auch bei Berücksichtigung des maximal zulässigen leidensbedingten Abzuges von 25 % nicht erreicht würde (welcher nach der Rechtsprechung hier sowieso ausser Betracht fällt), kann offen bleiben, ob wie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gefordert ein höherer Abzug als 10 % hätte gewährt werden können.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 31. Januar 2006 und der Einspracheentscheid der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 5. Januar 2005 werden aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer ab 1. Juli 2004 Anspruch auf eine Dreiviertels-Invalidenrente hat.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Bundesgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2000.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
4.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wird über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.
Luzern, 5. Juni 2007
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: