Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2C_249/2007 /fco
Urteil vom 3. Juli 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Müller, Karlen,
Gerichtsschreiber Merz.
Parteien
X.________, alias XS.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Advokatin Verena Gessler,
gegen
Sicherheitsdepartement (SiD) des Kantons Basel-Stadt, Bereich Recht, Spiegelgasse 6-12, 4001 Basel,
Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Stadt, Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, Bäumleingasse 1, 4051 Basel.
Gegenstand
Verlängerung der Ausschaffungshaft,
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, vom 26. April 2007.
Sachverhalt:
A.
Ein in der Schweiz gestelltes Asylgesuch des aus Nigeria stammenden X.________ (geb. 1984) wurde im Jahre 2002 abgewiesen. Im Frühjahr 2003 eröffnete ihm das Bundesamt für Ausländerfragen (heute: Bundesamt für Migration) eine bis zum 22. März 2008 geltende Einreisesperre. Im November 2005 wurde er in seine Heimat ausgeschafft. Nachdem er im Februar 2007 wieder in die Schweiz eingereist war, wies ihn das Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt am 6. Februar 2007 formlos weg und nahm ihn in Ausschaffungshaft. Diese bestätigte die Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht am Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Stadt (im Folgenden: Haftgericht) bis zum 5. Mai 2007. Am 26. April 2007 genehmigte sie die Verlängerung der Ausschaffungshaft bis zum 4. August 2007 und wies gleichzeitig ein am 16. April 2007 eingegangenes Haftentlassungsgesuch von X.________ ab. Der Entscheid wurde auf die Haftgründe des Betretens der Schweiz trotz Einreisesperre (Art. 13b Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Art. 13a lit. c des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung [ANAG; SR 142.20]) und der Untertauchensgefahr unter anderem wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht durch den Ausländer (Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG) gestützt.
B.
Mit Rechtsschrift vom 28. Mai 2007 (Postaufgabe 29. Mai 2007) hat X.________ beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht. Er beantragt, das Urteil des Haftgerichts vom 26. April 2007 aufzuheben und ihn aus der Haft zu entlassen. Ausserdem ersucht er um Entrichtung einer angemessenen Entschädigung "für die zu Unrecht erlittene Haft".
C.
Mit Verfügung vom 31. Mai 2007 hat der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts dem gleichzeitig mit Beschwerdeerhebung gestellten Gesuch um sofortige Haftentlassung nicht entsprochen.
D.
Das Haftgericht sowie das Sicherheitsdepartment des Kantons Basel-Stadt ersuchen um Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Migration hat sich vernehmen lassen, stellt jedoch keinen Antrag. Am 13. und 27. Juni 2007 hat X.________ dem Bundesgericht Unterlagen übermittelt. Mit Eingabe vom 19. Juni 2007 hat er sich zu den Vernehmlassungen der Vorinstanzen und des Bundesamtes geäussert. Er hält an seinen ursprünglichen Anträgen fest.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die zuständige Behörde darf einen Ausländer in Ausschaffungshaft nehmen bzw. in dieser belassen, wenn die Voraussetzungen von Art. 13b ANAG erfüllt sind. Danach ist erforderlich, dass ein erstinstanzlicher, nicht notwendigerweise auch rechtskräftiger Weg- oder Ausweisungsentscheid vorliegt. Zudem muss einer der in Art. 13b Abs. 1 ANAG genannten Haftgründe bestehen und die Ausschaffung rechtlich und tatsächlich innert absehbarer Zeit möglich sein (Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG). Die für den Vollzug der Weg- oder Ausweisung notwendigen Vorkehren (z.B. Papierbeschaffung) müssen mit dem nötigen Nachdruck verfolgt werden (Art. 13b Abs. 3 ANAG, Beschleunigungsgebot; BGE 130 II 488 E. 4 S. 492 f.; 124 II 49 ff.). Die Haft soll als Ganzes verhältnismässig sein (vgl. BGE 130 II 56 E. 4 S. 59 ff.; 125 II 377 E. 4 S. 383).
2.
Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, die Einreisesperre sei spätestens dadurch obsolet geworden, dass er am 30. Juni 2006 eine Schweizer Bürgerin geheiratet habe bzw. dass er als ihr Ehemann in die Schweiz eingereist sei. Sodann sei er der Vater der beiden im Jahre 2004 und 2005 geborenen Töchter seiner Ehefrau. Er habe sie von Geburt an mitbetreut, bis sie im September 2006 Nigeria verlassen hätten, wohin sie ihm Ende 2005 zusammen mit der Kindesmutter gefolgt seien. Somit hätten er und die Kinder ein Recht auf gegenseitigen Kontakt und auf seine Obhut. Hieraus ergäbe sich für ihn auch ein Anspruch auf Bewilligung des Aufenthalts in der Schweiz.
3.
3.1 Im Haftprüfungsverfahren wird grundsätzlich nur untersucht, ob ein Wegweisungs- oder Ausweisungsentscheid vorliegt. Das Sicherheitsdepartement hat den Beschwerdeführer am 6. Februar 2007 gemäss Art. 12 Abs. 1 ANAG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 ANAV (SR 142.201) formlos weggewiesen. Damit ist das erwähnte Erfordernis erfüllt. Etwas anderes kann nur gelten, wenn der Wegweisungsentscheid augenfällig unzulässig bzw. derart offensichtlich falsch ist, dass er sich letztlich als nichtig erweist (vgl. BGE 128 II 193 E. 2.2 S. 197 ff.; 121 II 59 E. 2c und d S. 61 ff.).
Gemäss den soeben erwähnten Bestimmungen kann ein "Ausländer, der keine Bewilligung besitzt", jederzeit zur Ausreise aus der Schweiz verhalten werden. Zwar ist der Beschwerdeführer mit einer Schweizer Bürgerin verheiratet, wobei eine solche Ehe im Prinzip einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vermittelt (Art. 7 ANAG); ausserdem hatte die Ehefrau zunächst ein entsprechendes Nachzugsgesuch gestellt. Nachdem die Ehefrau dieses vor Einreise des Beschwerdeführers nicht mehr weiter verfolgt hatte, wurde es jedoch entsprechend der Ankündigung der Behörden abgeschrieben. Auch hat die Ehefrau sich inzwischen vom Beschwerdeführer getrennt und mehrfach kundgetan, dass sie an einer Wiedervereinigung nicht interessiert sei. Insoweit müsste eine Berufung auf die Ehe derzeit wohl als rechtsmissbräuchlich bezeichnet werden (vgl. BGE 130 II 113 E. 4.2 S. 117 mit Hinweisen).
Bezüglich der Kinder, die momentan offenbar von Pflegeeltern betreut werden, könnte der Beschwerdeführer gestützt auf Art. 8 EMRK einen grundsätzlichen Anspruch auf eine Anwesenheitsbewilligung haben. Es ist indes noch nicht klar, ob er ihr leiblicher Vater ist. Und selbst wenn das feststünde, ist auch noch ungewiss, wie sich sein Verhältnis zu den Kindern (z.B. Besuchsrecht, Obhut) rechtlich gestalten wird und ob er daraus ein Anwesenheitsrecht in der Schweiz ableiten kann.
3.2 Schliesslich reiste der Beschwerdeführer im Februar 2007 trotz einer bestehenden Einreisesperre (siehe dazu auch nachfolgende E. 3.2) ohne Erlaubnis unter Benutzung fremder Ausweispapiere in die Schweiz ein.
Mithin ist die Schlussfolgerung der Vorinstanz nicht zu beanstanden, dass die Wegweisung nicht als offensichtlich unhaltbar oder augenfällig unzulässig zu bezeichnen ist. Im Gegensatz zu den im Urteil des Bundesgerichts 2A.472/1997 vom 6. November 1997 (dort E. 3) angesprochenen Fällen hat sich der Beschwerdeführer seit seiner Wiedereinreise im Februar 2007 von vornherein illegal in der Schweiz aufgehalten. Mit Blick auf das soeben Gesagte kommt er (jedenfalls derzeit) auch nicht in den Genuss der aufschiebenden Wirkung eines Bewilligungsverfahrens (vgl. Art. 1 ANAV; BGE 122 II 148 E. 3 S. 153).
3.3 Die (rechtskräftige) Einreisesperre hat bis zum 22. März 2008 Bestand. Durch die Heirat mit der Schweizer Bürgerin und die anschliessende Einreise in die Schweiz ist sie nicht von selbst weggefallen. Insbesondere würde es sich beim Entscheid über die Aufhebung der Sperre nicht um einen bloss deklaratorischen Akt handeln. Die zuständige Behörde hätte vielmehr unter Würdigung der Gesamtumstände zu prüfen, ob sich der vorzeitige Widerruf der Sperre rechtfertigt. Demzufolge ist hier vom Fortwirken der (nicht aufgehobenen) Einreisesperre auszugehen, deren inhaltliche Überprüfung im Übrigen nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet. Demnach ist der Haftgrund des Art. 13b Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Art. 13a lit. c ANAG gegeben.
Wie das Haftgericht im angefochtenen Entscheid sowie in seinem Entscheid vom 7. Februar 2007 zutreffend darlegt, ist ebenso der Haftgrund des Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG erfüllt. Fehl geht der diesbezügliche Einwand des Beschwerdeführers, er habe ein Bleiberecht in der Schweiz; daher könne ihm nicht angelastet werden, dass er an seiner Rückschaffung in seine Heimat nicht mitwirke. Zum einen lässt sich vorliegend der Haftgrund nicht nur auf die Verletzung der Mitwirkungspflicht nach Art. 13f ANAG stützen, sondern auch auf weiteres Verhalten des Beschwerdeführers, das eine Untertauchensgefahr begründet (z.B. Weigerung zur Ausreise, Vereitelung früherer Ausschaffungsversuche, Verwendung fremder Reisepapiere). Zum anderen kann der Beschwerdeführer seine Mitwirkungspflicht nicht in guten Treuen verweigern, da er - trotz Einreisesperre - illegal eingereist ist, keine gültigen Reisepapiere vorgelegt hat und sich einer (nicht offensichtlich unzulässigen) Wegweisung gegenübersieht.
3.4 Nach dem Gesagten erweist sich die Ausschaffungshaft als verhältnismässig. Dem Beschwerdeführer ist es - entgegen seiner Ansicht - zuzumuten, den Ausgang eines aufenthaltsrechtlichen Bewilligungsverfahrens in der Heimat abzuwarten.
Die Ausschaffung erscheint derzeit rechtlich und tatsächlich als durchführbar (Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG). Für die Undurchführbarkeit müssten triftige Gründe sprechen, d.h. es müsste praktisch feststehen, dass sich die Ausschaffung nicht innert absehbarer, vernünftiger Frist wird realisieren lassen (BGE 130 II 56 E. 4.1.2 und 4.1.3 S. 60 f.; 127 II 168 E. 2c S. 172; 125 II 217 E. 2 S. 220). Der Beschwerdeführer beruft sich zwar darauf, dass die nigerianische Botschaft die Ausstellung von Ersatzreisepapieren von der Abklärung seiner familiären Rechte und Pflichten abhängig mache. Richtig ist offenbar, dass die Behörden des Heimatstaates des Beschwerdeführers momentan verlangen, er habe einen Vaterschaftstest bezüglich der Kinder durchzuführen; falls sich herausstellen sollte, dass er nicht der Vater der Kinder sei, würden sie einen Laissez-passer ausstellen. Wie der Beschwerdeführer selber darlegt, sind Massnahmen im Gange, um die Vaterschaft der Kinder festzustellen. Somit kann vorerst nicht gesagt werden, dass sich seine Ausschaffung nicht innert absehbarer Zeit organisieren liesse. Gerade wegen Vollzugsschwierigkeiten und Ungewissheiten hat der Gesetzgeber die maximale Haftdauer erhöht und die Möglichkeit der Haftverlängerung - nunmehr bis zu einer Höchstdauer von 18 Monaten für Ausschaffungshaft - geschaffen (Art. 13b Abs. 2 ANAG; BGE 127 II 168 E. 2c S. 172; nicht publizierte E. 6.1 von BGE 133 II 1 [2C_1/2007]). Im Übrigen obliegt es gerade dem Beschwerdeführer, alles daran zu setzen, den Vaterschaftstest durchzuführen. Es ist somit nicht ausgeschlossen, dass - falls er entsprechende Bemühungen missen lässt - die nigerianische Vertretung Reisepapiere ohne einen solchen Test ausstellen wird. Den Ausländerbehörden ist bisher auch kein Verstoss gegen das Beschleunigungsgebot vorzuwerfen.
Wie die Vorinstanz zudem richtig bemerkt, wäre die Umwandlung der Ausschaffungshaft in Durchsetzungshaft nach Art. 13g ANAG zu erwägen, falls der Erhalt eines Laissez-passer nicht möglich wäre. Der Beschwerdeführer verfügt über einen gültigen Reisepass, den er seinen Angaben zufolge entweder in Nigeria oder in Italien hinterlegt hat und den er sich beschaffen lassen könnte. Mit diesem Ausweis könnte er in seine Heimat zurückreisen.
4.
Da die Ausschaffungshaft bestätigt wird, ist auch der Antrag auf Ausrichtung einer Entschädigung wegen zu Unrecht erlittener Haft abzuweisen. Im Übrigen hätte der Beschwerdeführer einen derartigen Antrag zunächst an die zuständigen kantonalen Behörden richten müssen.
5.
Unbeachtlich ist schliesslich die implizit erhobene Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV). Selbst wenn das Haftgericht einen wesentlichen Teil des Urteilstextes bereits vor der mündlichen Verhandlung aufgesetzt haben sollte, heisst das noch nicht, es hätte die dortigen Vorbringen des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt. Wie der Beschwerdeführer selber einräumt, dauerte die Verhandlung inklusive Urteilsberatung relativ lange. Aus dem angefochtenen Urteil und den Akten ergibt sich sodann, dass das Haftgericht die für die Ausschaffungshaft entscheidenden Fragen (sogar ausführlich) behandelt hat. Unter anderem hat es sich - entgegen den Andeutungen des Beschwerdeführers - mit den familiären Verhältnissen auseinandergesetzt.
6.
Demnach erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Dem Verfahrensausgang entsprechend würde der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 BGG). Er hat indes um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ersucht. Da er bedürftig ist und sein Rechtsbegehren nicht geradezu als aussichtslos bezeichnet werden kann, ist diesem Gesuch nach Art. 64 BGG stattzugeben.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen.
2.1 Es werden keine Kosten erhoben.
2.2 Advokatin Verena Gessler wird für das bundesgerichtliche Verfahren als unentgeltlicher Rechtsbeistand eingesetzt und aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 1'500.-- entschädigt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Sicherheitsdepartement sowie dem Verwaltungsgericht, Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, des Kantons Basel-Stadt und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 3. Juli 2007
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: