Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
5A_121/2007 /blb
Urteil vom 3. Juli 2007
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiber Levante.
Parteien
Einwohnergemeinde X.________, Vormundschaftsbehörde,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Miescher,
gegen
1. Y.________,
2. Z.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Boner.
Gegenstand
Parteientschädigung (Besuchsrecht),
Subsidiäre Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil
des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn
vom 21. Februar 2007.
Sachverhalt:
A.
Vor dem Departement des Innern des Kantons Solothurn ist die Beschwerde von Y.________ und Z.________ hängig, welche sich gegen die von der Vormundschaftsbehörde X.________ verweigerte Ausdehnung ihres Rechts zum persönlichen Verkehr mit ihrem Enkel A.________ (geb. 1999) wehren. Mit verfahrensleitender Verfügung vom 2. Oktober 2006 wies das kantonale Departement die Vormundschaftsbehörde an, ein Fachgutachten erstellen zu lassen, und auferlegte der Vormundschaftsbehörde die Kosten für die Erstellung des Gutachtens. Gegen diese Verfügung des kantonalen Departements gelangte die Vormundschaftsbehörde an das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn. Mit Urteil vom 8. Februar 2007 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab und auferlegte der Vormundschaftsbehörde die Kosten für das Beschwerdeverfahren.
B.
Mit Urteil vom 21. Februar 2007 beschloss das Verwaltungsgericht, dass die Einwohnergemeinde X.________ dem Rechtsvertreter von Y.________ und Z.________ eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- zu bezahlen habe, im Wesentlichen mit der Begründung, dass das Urteil vom 8. Februar 2007 unvollständig und zu ergänzen sei, weil über die Parteientschädigung nicht befunden worden sei.
C.
Die Vormundschaftsbehörde X.________ führt mit Eingabe vom 29. März 2007 subsidiäre Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung von Art. 9 BV und beantragt dem Bundesgericht, es sei das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 21. Februar 2007 aufzuheben.
Y.________ und Z.________ beantragen, die Verfassungsbeschwerde sei abzuweisen. Das Verwaltungsgericht schliesst ebenfalls auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gegenstand des kantonalen Verfahrens bildet die Regelung des persönlichen Verkehrs zwischen einem Kind und Dritten (Art. 274a ZGB); dabei geht es um eine Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG) nicht vermögensrechtlicher Natur. Mit dem angefochtenen Entscheid wird die Parteientschädigung, d.h. ein Nebenpunkt zum Entscheid vom 8. Februar 2007 betreffend die Anordnung eines Gutachtens geregelt. Jener Entscheid über einen Beweisbeschluss stellt einen Zwischenentscheid gemäss Art. 93 BGG dar, zumal für Zwischenentscheide der Rechtsweg jenem der Hauptsache folgt. Der angefochtene Entscheid, bzw. der nachträglich und separat beurteilte - und selbständig angefochtene - Nebenpunkt der Parteientschädigung zulasten der Beschwerdeführerin kann einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken, weil fraglich ist, ob die nachträglich auferlegte Parteientschädigungspflicht mit dem Entscheid in der Sache selber noch überprüft werden kann. Die Beschwerde in Zivilsachen ist insoweit zulässig und die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist - entgegen der Rechtsmittelbelehrung - als Beschwerde in Zivilsachen zu behandeln.
1.2 Im angefochtenen Urteil wird die Parteientschädigung der "Einwohnergemeinde X.________" auferlegt. Beschwerdeführerin ist die "Vormundschaftsbehörde der Einwohnergemeinde X.________". Es ist anzunehmen, dass die Vormundschaftsbehörde die Interessen der Einwohnergemeinde, welche an der Aufhebung des angefochtenen Entscheides bzw. der Pflicht zur Bezahlung der Parteientschädigung ein rechtlich geschütztes Interesse hat (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG), wahrnimmt. Die Beschwerdelegitimation der Einwohnergemeinde X.________ ist gegeben.
1.3 Mit der Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Verletzung von Grundrechten prüft das Bundesgericht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).
2.
Das Verwaltungsgericht hat die Ergänzung des Urteils vom 8. Februar 2007 im Wesentlichen damit begründet, dass jenes Urteil unvollständig sei, weil über die Parteientschädigung nicht befunden worden sei.
Die Beschwerdeführerin stellt nicht in Frage, dass im Urteil vom 8. Februar 2007 über die Parteientschädigung nicht entschieden wurde. Sie wirft dem Verwaltungsgericht jedoch eine Verletzung von Art. 9 BV vor, weil es keine gesetzliche Grundlage gebe, welche erlaube, von Amtes wegen das Urteil vom 8. Februar 2007 betreffend die Parteientschädigung zu ergänzen. Zudem verstosse das Vorgehen des Verwaltungsgerichts gegen Treu und Glauben.
3.
Das Verwaltungsgericht hat während laufender Rechtsmittelfrist sein Urteil vom 8. Februar 2007 betreffend die Parteientschädigung ergänzt. Es spricht (in der Vernehmlassung) von einem pragmatischen und verfahrensökonomischen Vorgehen, um die Lücke im Urteil vom 8. Februar 2007 zu füllen. Über den Antrag der Beschwerdegegner auf Parteientschädigung sei aus Versehen nicht befunden worden, was sich aus den Erwägungen und dem Dispositiv ergebe.
3.1 Nach Rechtsprechung und Lehre gilt der Grundsatz, dass das Gericht schon vor dem Eintritt der Rechtskraft ein gefälltes und eröffnetes Urteil nicht mehr abändern kann (BGE 122 I 97 E. 3a/bb S. 99 mit Hinweisen; Hohl, Procédure civile, Bd. I, Bern 2001, Rzn. 1233 und 1265; Vogel/Spühler, Grundriss des Zivilprozessrechts, 8. Aufl. Bern 2006, 8. Kap. Rz. 63). Weiter ist anerkannt, dass je nach gesetzlicher Regelung der Betrag der geschuldeten Parteikosten erst nach Urteilsfällung festgesetzt werden kann (Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 1979, S. 408). Zu prüfen ist, ob vor dem Willkürverbot standhält, wenn das Verwaltungsgericht von Amtes wegen das Urteil vom 8. Februar 2007 betreffend die Parteientschädigung ergänzt hat.
3.2 Aus dem für die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton Solothurn massgebenden Gesetz über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen vom 15. November 1970 folgt kein unmittelbarer Hinweis betreffend den Kostenspruch bzw. dessen Unterlassung im Dispositiv, ebenso wenig in der sinngemäss (§ 58, § 77 VRP/SO) anwendbaren Zivilprozessordnung vom 11. September 1966. Nach der ZPO/SO wird betreffend Inhalt des Urteils festgelegt, dass das Urteil über die von den Parteien gestellten Anträge ergehe (Art. 203 Abs. 1 ZPO/SO), und nach der Praxis zur ZPO/SO wird die Parteientschädigung nur auf Antrag hin zugesprochen (SOG 1990 Nr. 15, S. 45).
3.3 Ob der unbeurteilt gebliebene Antrag auf Parteientschädigung Gegenstand einer Revision (§ 311 ZPO/SO) oder einer Erläuterung (§ 317 ZPO/SO) sein kann, muss nicht erörtert werden. Es steht fest, dass kein entsprechendes förmliches Gesuch eingereicht worden ist, wie dies in den erwähnten Bestimmungen vorausgesetzt wird.
3.4 Nach der solothurnischen Praxis kann hingegen im Falle der versehentlich unterlassenen Entscheidung betreffend die Parteikosten über diesen Punkt nach der Urteilseröffnung entschieden werden; es handle sich insoweit um eine "Urteilsergänzung, da über einen Antrag einer Partei nicht entschieden worden sei" (SOG 1996 Nr. 8 E. 3, S. 23; Walter/Stampfli, Zivilprozessordnung des Kantons Solothurn mit Praxis des Obergerichts, Bern 1999, § 93). Demnach legt das Obergericht die ZPO/SO im Ergebnis dahingehend aus, dass ein Urteil mit Urteilsspruch, aber ohne (vollständigen) Kostenentscheid durch eine separate Entscheidung über die Parteientschädigung von Amtes wegen ergänzt werden kann. Dies entspricht der Praxis auch in anderen Kantonen. So wird nach der Zivilprozessordnung des Kantons Bern die Parteientschädigung ebenfalls auf Antrag hin zugesprochen (Leuch/Marbach/Kellerhals/Sterchi, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, Bern 2000, N. 5a zu Art. 58). Ebenso besteht die Praxis zur Berichtigung zum Zweck der Nachholung einer versehentlich unterlassenen Kostenentscheidung, welche als Ergänzung des eine Lücke aufweisenden Urteils anerkannt ist (Leuch/Marbach/Kellerhals/ Sterchi, a.a.O., N. 3d zu Art. 334). Vor dem Hintergrund, dass je nach gesetzlicher Regelung die Festsetzung der geschuldeten Parteikosten erst nach Urteilsfällung möglich ist (E. 3.1), kann nicht gesagt werden, das Ergebnis im angefochtenen Entscheid verletze in krasser Weise eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz oder laufe in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwider. Es ist nicht willkürlich (vgl. zum Willkürbegriff: BGE 128 I 177 E. 2.1 S. 182; 127 I 54 E. 2b S. 56 mit Hinweisen), wenn das Verwaltungsgericht am 21. Februar 2007 zum Zweck der Nachholung der versehentlich unterlassenen Parteikostenentscheidung das Urteil vom 8. Februar 2007 ergänzt hat. Die Beschwerdeführerin dringt insoweit mit ihrem Vorwurf einer Verletzung von Art. 9 BV nicht durch.
3.5 Weiter wirft die Beschwerdeführerin dem Verwaltungsgericht eine Verletzung von Treu und Glauben (Art. 9 BV) vor. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz setzt ein Verhalten oder eine Äusserung der Behörde voraus, die gegenüber einer bestimmten Person eine Vertrauensgrundlage schafft (BGE 111 Ib 116 E. 4 S. 124). Die Beschwerdeführerin legt nicht dar, inwiefern die Voraussetzungen des Vertrauensschutzes erfüllt seien und Art. 9 BV verletzt sei, wenn es sein Urteil vom 8. Februar 2007 betreffend die versehentlich unterlassene Regelung der Parteientschädigung gestützt auf die amtlich publizierte kantonale Gerichtspraxis ergänzt hat. Insoweit genügt die Beschwerde den Begründungsanforderungen nicht und kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden (Art. 106 Abs. 2 BGG).
4.
Aus diesen Gründen ist der Beschwerde in Zivilsachen kein Erfolg beschieden. Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig, zumal es - mit Bezug auf den (Ergänzungs-) Entscheid vom 21. Februar 2007 - um ihr Vermögensinteresse geht (Art. 66 Abs. 4 BGG). Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 68 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird als Beschwerde in Zivilsachen behandelt.
2.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
4.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit insgesamt Fr. 1'000.-- zu entschädigen.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 3. Juli 2007
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: