BGer 9C_177/2007
 
BGer 9C_177/2007 vom 10.07.2007
Tribunale federale
{T 0/2}
9C_177/2007
Urteil vom 10. Juli 2007
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber Wey.
Parteien
B.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Erik Wassmer, Fischmarkt 12, 4410 Liestal,
gegen
IV-Stelle Basel-Stadt, Lange Gasse 7, 4052 Basel, Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom 19. März 2007.
Sachverhalt:
Mit Verfügung vom 29. Juni 2005 und Einspracheentscheid vom 12. September 2006 verneinte die IV-Stelle Basel-Stadt einen Anspruch des 1962 geborenen B.________ auf eine Rente der Invalidenversicherung mangels eines leistungsbegründenden Invaliditätsgrades.
Das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt wies die gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 19. März 2007 ab.
B.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag auf Zusprechung einer ganzen Invalidenrente mit Wirkung ab 1. April 2001. Das überdies gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wurde mit Entscheid vom 11. Juni 2007 abgewiesen.
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. zur auch unter der Herrschaft des BGG gültigen Abgrenzung von Tat- und Rechtsfragen im Bereich der Invaliditätsbemessung [Art. 16 ATSG] für die Ermittlung des Invaliditätsgrades nach Art. 28 Abs. 1 IVG BGE 132 V 393).
2.
Im vorinstanzlichen Entscheid finden sich die gesetzlichen Bestimmungen und die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, die zur Beurteilung des streitigen Anspruchs erforderlich sind, richtig dargelegt: Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG in der bis 31. Dezember 2003 gültig gewesenen und in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung), Bemessung des Invaliditätsgrads bei erwerbstätigen Versicherten nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (bis 31. Dezember 2003: Art. 1 Abs. IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG; ab 1. Januar 2004: Art. 28 Abs. 2 IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG; BGE 130 V 343 E. 3.4 S. 348, 128 V 29 E. 1 S. 30, 104 V 135 E. 2a und b S. 136) und Regeln zur Beweiswürdigung und zum Beweiswert medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352, 122 V 157 E. 1c S. 160 mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen.
3.
Streitig und aufgrund der Beschwerde zu prüfen ist, ob der Versicherte ab 1. April 2001 Anspruch auf eine ganze Invalidenrente hat, wobei der Versicherte namentlich die folgenden Faktoren der Invaliditätsbemessung rügt: Ausmass der medizinisch-theoretischen Arbeits(un)fähigkeit sowie Bemessung des Validen- und Invalideneinkommens.
3.1 In Bezug auf die Arbeits(un)fähigkeit hat die Vorinstanz nach pflichtgemässer Würdigung der gesamten Aktenlage, namentlich gestützt auf das Gutachten des Psychiaters Dr. med. F.________ vom 15. November 2004, erkannt, der Beschwerdeführer sei in Anbetracht seiner Leiden (anhaltende somatoforme Schmerzstörung [ICD-10 F45.4], leichte bis mittelgradige depressive Episode [ICD-10 F32.0], Fibromyalgiesyndrom [ICD-10 M79.0], symptomatische Femoropatellararthrosen [Genua vara; ICD-10 M17.0]) in einer angepassten Tätigkeit (körperlich leichte bis mittelschwere Arbeit, vermehrte Pausen, keine hektische Tätigkeit unter Zeitdruck) im Umfang von 70 % arbeitsfähig. An diese Sachverhaltsfeststellung ist das Bundesgericht vorbehältlich offensichtlicher Unrichtigkeit gebunden (E. 1). Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die vorinstanzliche Beurteilung und verweist insbesondere auf die Einschätzungen des Psychiaters Dr. med. H.________ vom 7. Mai 2003, des Rheumatologen Dr. med. A.________ vom 17. September 2001 sowie des Allgemeinmediziners Dr. med. Z.________ vom 2. Oktober 2001, die im Wesentlichen eine Fibromyalgie, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine pathologische Erlebensverarbeitung im Sinne einer deutlichen, d.h. schweren, depressiven Entwicklung diagnostizierten, weshalb von einer maximal 50%igen Leistungsfähigkeit auszugehen sei. Bei dieser Kritik lässt der Versicherte jedoch insbesondere ausser Acht, dass die Rechtsprechung aetiologisch-pathogenetisch unerklärlichen Leidenszuständen (wie etwa der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung oder der Fibromyalgie) die invalidisierende Wirkung grundsätzlich abspricht (BGE 132 V 65, 131 V 49, 130 V 352 und 396), zumal keines der rechtsprechungsgemäss erforderlichen Morbiditätskriterien als erfüllt zu betrachten wäre. Im Übrigen erblickt etwa auch Dr. med. A.________ invaliditätsfremde Komponenten der geklagten Leiden, wenn er darauf hinweist, im Rahmen der weichteilrheumatischen Beschwerden des Versicherten stünden diverse psychosoziale Problematiken im Vordergrund. Nach dem Gesagten ist die Betrachtungsweise des kantonalen Gerichts nicht zu beanstanden, zumal sie jedenfalls nicht offensichtlich unrichtig ist.
3.2 Des Weiteren wendet sich die Beschwerde gegen die Auffassung der Vorinstanz, wonach das Valideneinkommen auf der Grundlage von Tabellenlöhnen zu ermitteln sei. Nach Meinung des Versicherten ist für die Berechnung vom zuletzt als Schweisser verdienten Stundenlohn in der Höhe von Fr. 32.- (und nicht von lohnstatistischen Angaben) auszugehen; daher ergebe sich für das Jahr 2002 hochgerechnet ein Einkommen von Fr. 77'378.-.
Gemäss den grundsätzlich verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer in den Jahren vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit ein stark schwankendes Einkommen erzielt, das einschliesslich Arbeitslosenentschädigung Fr. 48'109.- nie überstiegen wurde. Zwar sieht der in den Akten liegende Arbeitsvertrag vom 17. August 1999 einen Stundenlohn von Fr. 28.45 (zuzüglich Ferien- und Feiertagsentschädigung, total Fr. 32.-) vor; auf dieser Basis beruht wohl auch die Berechnung des versicherten Verdienstes der Arbeitslosenversicherung. Doch handelte es sich dabei um einen temporären Arbeitsvertrag. Ein entsprechender Lohn wurde jedenfalls nach Lage der Akten bis zum Eintritt der teilweisen Arbeitsunfähigkeit (gemäss Gutachten F.________ ab November 2002) nicht effektiv erzielt. Es liegt damit kein regelmässiges Einkommen vor, so dass es sich rechtfertigt, auf die Tabellenlöhne abzustellen. Ebenso wenig ist im Lichte der für das Bundesgericht bindenden vorinstanzlichen Tatsachenfeststellung (E. 1), wonach der Versicherte keine in der Schweiz anerkannte Ausbildung als Schweisser aufweist, zu beanstanden, dass das kantonale Gericht das Valideneinkommen unter Zugrundelegung des Anforderungsniveaus 4 (einfache und repetitive Tätigkeiten) ermittelt hat. Insgesamt ist somit die Annahme eines Valideneinkommens von Fr. 57'008.- bundesrechtskonform.
3.3 Sodann hat die Vorinstanz das Invalideneinkommen auf der Grundlage des (parallelisierten) Einkommens von Fr. 57'008.-errechnet. Dabei hat es den Verdienst zufolge 30 %iger Arbeitsunfähigkeit reduziert (Fr. 39'905.-) und hernach in korrekter Ausübung des Ermessens einen 5%igen leidensbedingten Abzug vorgenommen. Daraus resultierte ein Invalideneinkommen im Umfang von Fr. 37'910.-. Aus der Gegenüberstellung der beiden Vergleichseinkommen ergibt sich somit ein nicht rentenbegründender Invaliditätsgrad von 33.5 %, der zu keinen Beanstandungen Anlass gibt. Der zeitweilig als Gesunder erzielte Lohn (vorne E. 3.2) belegt immerhin, dass es dem Beschwerdeführer grundsätzlich möglich wäre, ein zumindest durchschnittliches Einkommen zu erzielen, so dass kein Anlass besteht, im Sinne einer Parallelisierung von Validen- und Invalideneinkommen (BGE 129 V 222 E. 4.4 S. 225) von diesem einen Abzug vorzunehmen. Die Rüge, wonach sich der Arbeitsmarkt für Stellensuchende im Bereich der leichten, wechselbelastenden Hilfstätigkeiten strukturell verändert, d.h. weiter verengt habe, sodass das Abstellen auf die LSE nicht mehr zulässig sei, ist nicht stichhaltig, sind doch solche Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem heutigen Arbeitsmarkt nach wie vor vorhanden. Im Übrigen handelt es sich beim Begriff des ausgeglichenen Arbeitsmarkts im Sinne des Art. 16 ATSG um einen abstrakten und theoretischen Begriff, der einerseits ein bestimmtes Gleichgewicht zwischen dem Angebot von und der Nachfrage nach Arbeitsstellen sowie anderseits einen Arbeitsmarkt beinhaltet, der von seiner Struktur her einen Fächer verschiedenartiger Stellen offen hält. Nach diesen Gesichtspunkten bestimmt sich im Einzelfall, ob ein Invalider die Möglichkeit hat, seine restliche Erwerbsfähigkeit zu verwerten und ob er ein rentenausschliessendes Einkommen zu erzielen vermag oder nicht (BGE 110 V 273 E. 4b S. 276; AHI 1998 S. 291 E. 3b; ZAK 1991 S. 320 E. 3b). Mit Blick auf die konkreten zumutbaren Verweisungstätigkeiten kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Versicherte unter Zugrundelegung einer solchen ausgeglichenen Arbeitsmarktlage die Möglichkeit hätte, seine verbleibende Arbeitsfähigkeit erwerblich zu verwerten.
4.
Die Gerichtskosten werden dem Beschwerdeführer als unterliegender Partei auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, der Ausgleichskasse Arbeitgeber Basel, Basel, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.
Luzern, 10. Juli 2007
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: