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Original
 
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2C_297/2007 /leb
Urteil vom 6. August 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Müller, Karlen,
Gerichtsschreiber Feller.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch
Rechtsanwalt Roger Müller,
gegen
Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau, Regierungsgebäude, 8510 Frauenfeld,
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, Frauenfelderstrasse 16, 8570 Weinfelden.
Gegenstand
Aufenthaltsbewilligung,
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 2. Mai 2007.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das Ausländeramt des Kantons Thurgau lehnte es am 28. Oktober 2005 ab, die Aufenthaltsbewilligung der brasilianischen Staatsangehörigen X.________, geboren 26. März 1976, verheiratet mit einem Schweizer Bürger, zu verlängern. Das Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau wies den gegen diese Verfügung erhobenen Rekurs ab. Die Ausländerin erhob gegen diesen Rekursentscheid am 22. Februar 2007 Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau. Dessen Präsident setzte ihr mit einer an ihren Rechtsvertreter adressierten Verfügung vom 28. Februar 2007 eine Frist von 14 Tagen zur Leistung eines Kostenvorschusses an, unter Androhung des Nichteintretens im Unterlassungsfall. Am 18. April 2007, lange nach Ablauf der Zahlungsfrist, ersuchte der Rechtsvertreter um Erstreckung der Frist; der Vorschuss wurde schliesslich am 23. April 2007 einbezahlt. Das Verwaltungsgericht trat mit Entscheid vom 2. Mai 2007 auf die Beschwerde nicht ein, weil der Vorschuss nicht unverschuldet zu spät einbezahlt worden sei.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 19. Juni 2007 beantragt X.________ dem Bundesgericht, den Nichteintretensentscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben und dieses anzuweisen, auf die Sache einzutreten.
Die kantonalen Akten sind eingeholt, ein Schriftenwechsel ist nicht angeordnet worden.
2.
2.1 Da die Beschwerdeführerin mit einem Schweizer Bürger verheiratet ist, hat sie gestützt auf Art. 7 ANAG einen Rechtsanspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung. Damit aber greift der Ausschlussgrund von Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG nicht, und der auf kantonales Verfahrensrecht gestützte Nichteintretensentscheid des Verwaltungsgerichts kann mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten angefochten werden, wobei nur die in Art. 95 BGG vorgesehenen Rügen gehört werden können.
2.2 Das Verwaltungsgericht stützt seinen Entscheid auf § 79 des thurgauischen Gesetzes vom 23. Februar 1981 über die Verwaltungsrechtspflege (VRG). Gemäss dessen Absatz 1 kann die Behörde einen Kostenvorschuss verlangen. Absatz 2 bestimmt, dass, wenn der Vorschuss trotz Hinweis auf die Säumnisfolgen nicht geleistet wird, das Verfahren abgeschrieben werden oder die beantragte Amtshandlung unterbleiben kann, sofern nicht öffentliche Interessen entgegenstehen.
Die Beschwerdeführerin hat den Kostenvorschuss nicht rechtzeitig geleistet, weil sie kurz nach Beschwerdeerhebung für mehrere Wochen in die Ferien verreist ist; sie will aus diesem Grund unverschuldet von der Zahlungsaufforderung nicht Kenntnis genommen haben und am rechtzeitigen Handeln verhindert gewesen sein. Das Verwaltungsgericht erblickt in diesem Umstand kein unverschuldetes Hindernis für rechtzeitiges Handeln, was gemäss § 26 VRG Voraussetzung für die Wiederherstellung einer verpassten Frist wäre. Es hält dafür, dass mit der Beschwerdeeinreichung ein Prozessrechtsverhältnis begründet worden sei, gestützt worauf die Beschwerdeführerin bzw. ihr Anwalt verpflichtet gewesen wären, der angerufenen Behörde die Zustellung von Entscheiden oder der Kostenvorschussverfügung, mit der zu rechnen gewesen sei, zu ermöglichen.
Die Beschwerdeführerin rügt, diese Vorgehensweise des Verwaltungsgerichts verstosse gegen die Grundsätze der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (Art. 49 Abs. 1 BV) bzw. der Verhältnismässigkeit staatlichen Handelns sowie gegen das Verbot des überspitzten Formalismus und insofern gegen das Willkürverbot. Nun steht die Nichteintretensbegründung des Verwaltungsgerichts im Einklang mit der jahrzehntelangen Praxis des Bundesgerichts zu Art. 150 Abs. 1 und 4 in Verbindung mit Art. 35 des bis Ende 2006 in Kraft stehenden Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege (Bundesrechtspflegegesetz, OG); das Bundesrechtspflegegesetz sah ebenso wenig wie das thurgauische Verwaltungsverfahrensgesetz vor, dass bei versäumter Vorschussleistung eine Zahlungsnachfrist anzusetzen sei; erst im am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 2005 hat der Bundesgesetzgeber für die Verfahren vor dem Bundesgericht die Pflicht zur Ansetzung einer (einmaligen angemessenen) Nachfrist bei Säumnis statuiert (Art. 62 Abs. 3 BGG). Die Auslegung der weitgehend mit dem Bundesrechtspflegegesetz übereinstimmenden kantonalen Regelung nach der für jenes geltenden Rechtsprechung verletzt im konkreten Einzelfall regelmässig weder das Willkürverbot noch das Verbot des überspitzten Formalismus (vgl. BGE 118 Ia 8).
Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass in ihrem Einzelfall die Folgen des Nichteintretensentscheids in keinem tragbaren Verhältnis zum Ausmass ihrer Nachlässigkeit lägen. Sie beruft sich dabei auf BGE 104 Ia 105. Das Bundesgericht hat in jenem Urteil erkannt, dass der definitive Klageausschluss wegen Nichtbezahlung eines Kostenvorschusses nach Klageanmeldung den Grundsatz des Vorrangs des Bundesrechts sowie das Verbot des überspitzten Formalismus und das Verhältnismässigkeitsgebot verletze. Die damals (vorfrageweise) zu beurteilende kantonale gesetzliche Regelung hatte zur Folge, dass ein - unverjährter - bundeszivilrechtlicher Klageanspruch materiell endgültig unterging, ohne dass er je einmal zur Beurteilung gelangen konnte (BGE 104 Ia 105 E. 4 S. 108 ff.). Daraus lässt sich nichts für die Frage ableiten, welche Folge eine Fristversäumnis bei der Kostenvorschussleistung in einem Beschwerdeverfahren haben kann, wo ein materieller Entscheid (Verfügung) über den bundesrechtlich geregelten Streitgegenstand vorliegt oder zusätzlich gar - wie vorliegend - ein diesbezüglicher Rekursentscheid erwirkt werden konnte. Von vornherein stellt sich dabei die Frage der Vorrangs des Bundesrechts bzw. der Vereitelung von dessen Durchsetzung nicht.
Nachdem sich die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin nach Einreichung der Beschwerde in keiner Weise um den Verlauf des Beschwerdeverfahrens gekümmert und ihr Anwalt sich offenbar mit der Zustellung der Rechnung an sie begnügt hat, ohne sich über ihre allfällige An- bzw. Abwesenheit zu vergewissern, liegt nicht ein unverschuldetes Hindernis, sondern mangelnde Sorgfalt vor. Die gesetzlich vorgesehene Konsequenz des unmissverständlich angedrohten Nichteintretens auf die Beschwerde erweist sich nicht als unverhältnismässig und verletzt in keinerlei Hinsicht Bundesrecht.
2.3 Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als offensichtlich unbegründet (Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG), und sie ist im vereinfachten Verfahren abzuweisen.
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten (Art. 65 BGG) der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht
im Verfahren nach Art. 109 BGG:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau und dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 6. August 2007
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: