BGer 2C_390/2007
 
BGer 2C_390/2007 vom 15.08.2007
Tribunale federale
{T 0/2}
2C_390/2007 /leb
Urteil vom 15. August 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiberin Dubs.
Parteien
A.________ und B.X.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Amt für Migration des Kantons Luzern,
Hallwilerweg 7, 6002 Luzern,
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, Obergrundstrasse 46, 6002 Luzern.
Gegenstand
Durchsetzungshaft (3. Verlängerung),
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 4. Juli 2007.
Das Bundesgericht stellt fest und zieht in Erwägung:
1.
1.1 A.X.________ (geb. angeblich 1963) stammt nach eigenen Angaben aus dem Kosovo. Er will mit seinem Vater durch ganz Westeuropa gezogen sein und sich dabei während 21 Jahren in Deutschland aufgehalten haben. Seit Mai 2000 soll er mit seiner angeblichen Ehefrau B.X.________ (geb. soweit feststellbar 1974) zusammenleben.
1.2 Das Bundesamt für Flüchtlinge trat am 28. August 2003 auf das Asylgesuch von A.________ und B.X.________ nicht ein und hielt sie an, die Schweiz sofort zu verlassen, wogegen sich die beiden erfolglos bei der Schweizerischen Asylrekurskommission beschwerten (Nichteintretensentscheid vom 22. Oktober 2003). Am 4. März 2004 kam in Luzern ihre gemeinsame Tochter C.________ zur Welt.
1.3 Das Amt für Migration des Kantons Luzern nahm A.X.________ am 30. Januar 2007 in Durchsetzungshaft, welche der Haftrichter am Verwaltungsgericht des Kantons Luzern prüfte und bis zum 28. Februar 2007 bestätigte. Die vom Haftrichter genehmigte Verlängerung der Durchsetzungshaft bis zum 28. April 2007 wurde vom Bundesgericht auf Beschwerde hin mit Urteil 2C_83/2007 vom 24. April 2007 bestätigt. In der Folge bewilligte der Haftrichter eine zweite Haftverlängerung um zwei Monate und mit Urteil vom 4. Juli 2007 eine weitere Verlängerung der Durchsetzungshaft bis zum 28. August 2007.
1.4 Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 8. August 2007 (Eingang beim Bundesgericht am 10. August 2007) beantragen A.________ und B.X.________ sinngemäss, das Urteil des Haftrichters am Verwaltungsgericht des Kantons Luzern vom 4. Juli 2007 aufzuheben und A.X.________ aus der Haft zu entlassen, eventualiter zumindest nach Kriens zu verlegen, damit ihn die Familie öfters besuchen könne, da die Zugreise nach Sursee ziemlich teuer sei.
Ein Schriftenwechsel ist nicht angeordnet worden.
2.
2.1
2.1.1 Hat ein Ausländer seine Pflicht zur Ausreise aus der Schweiz innerhalb der ihm angesetzten Frist nicht erfüllt und kann die rechtskräftige Weg- oder Ausweisung auf Grund seines persönlichen Verhaltens nicht vollzogen werden, so darf er, um der Ausreisepflicht Nachachtung zu verschaffen, in Durchsetzungshaft genommen werden, sofern die Anordnung der Ausschaffungshaft nicht zulässig ist oder keine andere, mildere Massnahme zum Ziel führt (Art. 13g Abs. 1 ANAG in der seit dem 1. Januar 2007 gültigen Fassung gemäss der Änderung des Asylgesetzes vom 16. Dezember 2005 [AS 2006 4745 ff., dort S. 4767 und S. 4771]). Die Haft ist erstmals für einen Monat zulässig und kann danach mit der Zustimmung der zuständigen kantonalen richterlichen Behörde (vgl. Art. 13g Abs. 3 ANAG) jeweils um zwei Monate verlängert werden, sofern der Ausländer weiterhin nicht bereit ist, sein Verhalten zu ändern und auszureisen. Die maximale Haftdauer beträgt grundsätzlich 18 Monate (Art. 13g Abs. 2 ANAG). Die Haft wird beendet, falls eine selbständige pflichtgemässe Ausreise nicht möglich ist, obwohl der Ausländer den behördlich vorgegebenen Mitwirkungspflichten nachkommt (Art. 13g Abs. 6 lit. a ANAG), oder die Schweiz weisungsgemäss verlassen (lit. b), die Ausschaffungshaft angeordnet (lit. c) oder einem Haftentlassungsgesuch entsprochen wird (lit. d). Die Vorbereitungs-, Ausschaffungs- und Durchsetzungshaft dürfen zusammen die maximale Haftdauer von 24 Monaten (bzw. bei Minderjährigen zwischen 15 und 18 Jahren von 12 Monaten) nicht überschreiten (Art. 13h ANAG in der Fassung vom 16. Dezember 2005).
2.1.2 Die Durchsetzungshaft findet ihre konventionsrechtliche Rechtfertigung vorab in Art. 5 Ziff. 1 lit. b (Haft zur Erzwingung einer durch das Gesetz vorgeschriebenen Verpflichtung) und nicht wie die Vorbereitungs- und Ausschaffungshaft ausschliesslich in Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK (Haft zur Sicherung eines schwebenden Ausweisungsverfahrens; vgl. BGE 130 II 56 E. 4.2.3 S. 62 f., 377 E. 3.1 S. 380). Sie bezweckt, die ausreisepflichtige Person in jenen Fällen zu einer Verhaltensänderung zu bewegen, in denen nach Ablauf der Ausreisefrist der Vollzug der rechtskräftig gegen sie angeordneten Weg- oder Ausweisung - trotz der behördlichen Bemühungen - ohne ihre Kooperation nicht möglich ist. Die Durchsetzungshaft soll das letzte Mittel darstellen, wenn und soweit keine andere Zwangsmassnahme zum Ziel führt, den illegal anwesenden Ausländer - auch gegen seinen Willen - in seine Heimat verbringen zu können (Urteil 2C_22/2007 vom 22. Februar 2007 E. 2.2.2). Wie alle staatlichen Massnahmen hat sie dem Verhältnismässigkeitsprinzip zu entsprechen; es ist jeweils im Einzelfall auf Grund der konkreten Umstände zu prüfen, ob sie geeignet bzw. erforderlich ist und nicht gegen das Übermassverbot, d.h. das sachgerechte und zumutbare Verhältnis von Mittel (Haft) und Zweck (Verhaltensänderung, damit die Ausschaffung vollzogen werden kann), verstösst. Dabei ist im Rahmen von Art. 190 BV (gemäss Justizreform; früher Art. 191 BV) den Prämissen des Gesetzgebers Rechnung zu tragen, dass die Massnahme je nach Umständen bis zu einer maximalen Haftdauer von 18 Monaten (bzw. bei Minderjährigen zwischen 15 und 18 Jahren von neun Monaten) als verhältnismässig gelten kann und der Betroffene es im Übrigen in der Hand hat, die Haft jederzeit zu beenden, indem er seiner Ausreisepflicht nachkommt. Art. 13g ANAG ist im Rahmen dieser Vorgaben verfassungs- und konventionskonform auszulegen (vgl. zum Ganzen: Urteil 2C_19/2007 vom 2. April 2007 E. 2 und 3).
2.2
2.2.1 Der Beschwerdeführer und seine angebliche Ehefrau sind im Asylverfahren rechtskräftig aus der Schweiz weggewiesen worden. Die Schweizer Behörden haben während Jahren versucht, ihre Identitäten zu ermitten, um sie in ihre Heimat zurückschaffen zu können. Die Beschwerdeführer sind dabei ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen und haben zudem mit widersprüchlichen Angaben versucht, die entsprechenden behördlichen Bemühungen zu hintertreiben. Die Fingerabdruckvergleiche mit anderen europäischen Staaten haben ergeben, dass A.X.________ in Italien, Holland, Frankreich und Deutschland insgesamt unter 14 Identitäten aufgetreten ist, wobei seine wirkliche Herkunft nicht definitiv erstellt werden konnte. Die serbischen Behörden sind nicht bereit, ihm ein Rückreisepapier auszustellen, da seine Identität und Herkunft nicht erwiesen sind. Aufgrund des mit der UNMIK-Verwaltung im Jahre 2000 unterzeichneten Memorandums of Understanding können der Beschwerdeführer und seine Familie nur in den Kosovo zurückgeführt werden, wenn sie hierzu freiwillig bereit sind, was sie bisher abgelehnt haben. Von einer Kooperation des Beschwerdeführers mit den Behörden kann somit nicht die Rede sein. Mangels eines schwebenden Ausweisungsverfahren im Sinne von Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK ist deshalb nur die Durchsetzungshaft gegen ihn möglich.
2.2.2 Diese bzw. deren angefochtene Verlängerung erweist sich nicht als unverhältnismässig. Die Notversorgung der Partnerin und des Kindes des Beschwerdeführers ist in der Schweiz auch ohne ihn gesichert. Der Familie werden zudem regelmässige Besuche im Ausschaffungsgefängnis ermöglicht. Aufgrund der Ausführungen im angefochtenen Entscheid betreffend die mit öfteren Besuchen verbundenen zusätzlichen Transportkosten (E. 4a) erweist sich das in der Eingabe an das Bundesgericht gestellte Eventualbegehren im Übrigen als überflüssig. Die Beschwerdeführer haben keinen Anspruch auf Aufenthalt in der Schweiz. Sie haben daher das Land zu verlassen und in ihre Heimat zurückzukehren. Da die Beschwerdeführer über keine Papiere verfügen, haben sie von vornherein keine legale Möglichkeit, in ein Drittland auszureisen. Einzig der Heimatstaat ist verpflichtet, sie wieder zurückzunehmen (BGE 130 II 56 E. 4.1.2 S. 60 mit Hinweis). Anhaltspunkte dafür, dass ihre Wegweisung offensichtlich unzulässig wäre, sind nicht ersichtlich (vgl. BGE 128 II 193 E. 2.2; 125 II 217 E. 2 S. 220). Sie machen zwar geltend, sie seien staatenlos. Dabei verkennen sie jedoch, dass nicht schon ein langer Auslandaufenthalt und das momentane Fehlen von Identitätsausweisen zum Verlust der ursprünglichen Staatsangehörigkeit bzw. zu Staatenlosigkeit führen. Eigenen Angaben zufolge sind der Beschwerdeführer sowie dessen Vater im Kosovo geboren. Seine Partnerin stammt ebenfalls von dort. Anlässlich der Befragung durch die Schweizer Behörden erklärte der Beschwerdeführer am 7. Oktober 2004, dass er sich zwischen 2000 und 2003 an seinem angeblichen Geburtsort Brezovica (Kosovo) aufgehalten habe, was er inzwischen wieder bestreitet. Sämtliche gegen die Beschwerdeführer bisher getroffenen milderen Massnahmen blieben ohne Erfolg, weshalb letztlich nur die Durchsetzungshaft bleibt, um sie dazu zu bringen, ihre Identität offenzulegen und weisungsgemäss aus der Schweiz auszureisen. Die administrative Festhaltung des Familienoberhaupts ist hierzu geeignet sowie im Hinblick auf das bisherige Verhalten der Beschwerdeführer erforderlich und auch verhältnismässig.
3.
3.1 Die im Sinne von Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG offensichtlich unbegründete Beschwerde ist im vereinfachten Verfahren abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Für alles Weitere wird auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen (Art. 109 Abs. 3 BGG).
3.2 Diesem Verfahrensausgang entsprechend würde der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG); es rechtfertigt sich indessen, keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG).
3.3 Das Amt für Migration des Kantons Luzern wird ersucht, dafür besorgt zu sein, dass das vorliegende Urteil dem Beschwerdeführer und seiner Partnerin korrekt eröffnet und nötigenfalls verständlich gemacht wird.
Demnach erkennt das Bundesgericht
im Verfahren nach Art.109 BGG:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Amt für Migration und dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 15. August 2007
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: